jollyana hat geschrieben:Habe mir gerade die Diskussion angehört
El Schwalmo hat geschrieben:Dawkins ist ein erstklassiger Popularisierer, aber er 'färbt' das, was er darstellt, doch sehr. Die Auffassung von Evolution, die er vertritt, scheint mir ihre Zeit gehabt zu haben.
El Schwalmo hat geschrieben:kannst Du sicherheitshalber einen Link posten?
pinkwoolf hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Dawkins ist ein erstklassiger Popularisierer, aber er 'färbt' das, was er darstellt, doch sehr. Die Auffassung von Evolution, die er vertritt, scheint mir ihre Zeit gehabt zu haben.
Deine erste Aussage kann ich unterstützen, auch wenn das Wort "Popularisierer" zumindest in Wissenschaftskreisen immer Misstrauen erweckt. Man lässt sich nicht gern in seinen Kreisen stören.
Ich würde lieber sagen: "... versteht es, wissenschaftliche Themen auch breiteren Bevölkerungskreisen verständlich zu machen." Was ja auch sein Jobprofil ist.
pinkwoolf hat geschrieben:Da ich nicht vom Fach bin, interessiert es mich schon, in welchen Details Dawkins nicht mehr up to date ist.
Myron hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:kannst Du sicherheitshalber einen Link posten?
http://www.dawkinslennoxdebate.com
El Schwalmo hat geschrieben:Das Problem Dawkins scheint mir letztendlich darin zu bestehen, dass er eine intelligible Evolution benötigt, um ein 'intellectually fulfilled atheist' sein zu können. Die Selektionstheorie leistet exakt das in den Bereichen, in denen Strukturen, die der Selektion ausgesetzt sind, optimiert werden. Allerdings setzt Dawkins die Anfangsstrukturen voraus. Genau deren Entstehung ist aber die zentrale Frage, und hier setzt EvoDevo ein. Aber die Mechanismen, die hier vorliegen, sind letztendlich nicht mehr intelligibel, weil eben der Zufall eine dominante Rolle spielt. Zudem sind an diesem Prozess Schritte beteiligt, die viel größer sind als die, von denen die Selektionstheorie ausgeht. Dawkins hat, unter Bezug auf Darwin, klar herausgestellt, dass derartige Schritte Wundern (und damit übernatürlichen Eingriffen) gleichzusetzen sind (ich kann Dir gerne Belegzitate posten).
Vielleicht ein konkretes Beispiel: die Zellen, aus denen wir aufgebaut sind, entstanden durch Symbiongenese. Eine Zelle, die nicht in der Lage war, unter Sauerstoffverbrauch Glucose abzubauen, hat ein Bakterium, welches das konnte, aufgenommen und nicht verdaut. Diese Wesen leben nun als Mitochondrien in unseren Zellen. Der entscheidende Schritt, eben diese Symbiose, war nicht durch Selektion gesteuert, sondern ein qualitativer Sprung. Die dann erfolgende Optimierung (beispielweise der Umstand, dass Teile des Genoms der Endosymbionten in die Wirts-DNA integriert wurden, so dass die Symbionten nur noch in Zellen lebensfähig sind) erfolgte dann eher durch die Mechanismen, die die Selektionstheorie erklären kann.
Derartige Schritte widerlegen die Selektionstheorie nicht, aber sie beschneiden deren 'Allmacht'. Und gerade das war der Anspruch der Selektionstheorie: die gesamte Evolution erklären zu können.
Richthart hat geschrieben:Ich glaube kaum, dass Dawkins, auch wenn er mit seinem populären Auftreten den Eindruck macht sich auf solche Haarspalterei einlassen wird. Das unterscheidet eine solche Person ja von einem Fachidioten.
El Schwalmo hat geschrieben:... die Ontogenese ... Hier werden dann Module neu kombiniert, der entscheidene Faktor ist dann eher der Zufall und erst das, was so entstanden ist, wird der Selektion ausgesetzt.
jollyana hat geschrieben:Von Dawkins habe ich nur "The God Delusion" gelesen,
jollyana hat geschrieben:und seine Argumente gegen die Religion sind gut formuliert und logisch.
jollyana hat geschrieben:Dagegen sind Lennox' Argumente einfach nur lächerlich, z.B. seine Aussage "wir reden nicht über Zeus weil er nicht existiert". Dabei diskutiert er die ganze Zeit über seinen Gott, für dessen Existenz er genauso viele Beweise hat wie Dawkins für die Existenz von Zeus. Und die Behauptung, Atheismus wäre auch ein Glaube ist nichts anderes als Wortverdreherei von der Art "je mehr Käse, desto mehr Löcher; je mehr Löcher, desto weniger Käse, also je mehr Käse, desto weniger Käse." Ich frage mich wirklich ob er selbst von seiner Argumentation überzeugt ist oder ob er einfach alle für dumm hält. Ein Doktor der Mathematik sollte doch imstande sein, die Dummheit dieser Aussagen zu begreifen (zumindest dachte ich das bis vor kurzem...)
pinkwoolf hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:... die Ontogenese ... Hier werden dann Module neu kombiniert, der entscheidene Faktor ist dann eher der Zufall und erst das, was so entstanden ist, wird der Selektion ausgesetzt.
Ich habe Dawkins' Ausführungen nie anders verstanden. Wenn er die Rolle des Zufalls eher kleinredet, hat er dabei doch vor allem die evangelikalen Gottesjünger im Visier, die nur darauf warten, ihn mit Hoyle's Boeing 747 auf den Mond schießen zu können.
El Schwalmo hat geschrieben:Wenn man Gott nicht widerlegen kann, ist das Vertreten dessen Nichtexistenz auch ein Glaube.
El Schwalmo hat geschrieben:Evolution ist ein Wechselspiel von Zufall und Notwendigkeit. Man muss eine konkrete Evolutionstheorie jeweils darauf hin checken, in welchem 'Verhältnis' diese beiden Faktoren stehen dürfen, um noch mit dieser kompatibel zu sein. 'Zufall' ist in diesem Kontext einem 'Sprung' äquivalent, und Sprünge sind in der Selektionstheorie, wie sie Dawkins vertritt, 'verboten'.
Falk hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Wenn man Gott nicht widerlegen kann, ist das Vertreten dessen Nichtexistenz auch ein Glaube.
Der Punkt ist doch, dass diesen starken Atheismus kaum jemand vertritt, wie du selbst feststellst noch nicht einmal Dawkins.
Falk hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Evolution ist ein Wechselspiel von Zufall und Notwendigkeit. Man muss eine konkrete Evolutionstheorie jeweils darauf hin checken, in welchem 'Verhältnis' diese beiden Faktoren stehen dürfen, um noch mit dieser kompatibel zu sein. 'Zufall' ist in diesem Kontext einem 'Sprung' äquivalent, und Sprünge sind in der Selektionstheorie, wie sie Dawkins vertritt, 'verboten'.
Vielleicht bin ich da zu sehr durch mein Philosophie-Studium verdorben, aber für mich sind das alles mehr sprachliche Verwirrungen als wissenschaftliche Probleme. Zwei Beispiele:
Was ist ein "Sprung"?
Im ID-Kontext hat das immer etwas mit Irreducible Complexity zu tun, ein Feature, das sich durch ein Wechselspiel von Mutation und Selektion nicht gebildet haben könne - und in diesem Sinne gibt es, soweit wir wissen, keinerlei Sprünge.
Falk hat geschrieben:In einem anderen Kontext ist ein Sprung "nur" eine besonders schnell erfolgreiche Mutation. In diesem Sinne ist das unproblematisch und völlig kompatibel mit einem noch so "radikalen Darwinismus". Diesen letzten Typ von Sprung lehnt die Selektionstheorie a la Dawkins oder Dennett sicherlich nicht ab, sondern nur den ersten Typ.
Falk hat geschrieben:Was bedeutet Zufall als "dominanter Faktor"?
Das wird von ID'lern und Laien unweigerlich so interpretiert, das Darwin Unrecht hatte, die Evolutionstheorie also widerlegt sei. So dürfte es von seriösen Wissenschaftlern aber kaum gemeint sein - denn letztlich ist jeder Zufall der Selektion unterworfen, egal auf welcher Ebene er stattfindet, Genotyp oder Phenotyp. Vom Zufall als "dominantem Faktor" oder von einer "zufallsgetriebenen Evolution" zu sprechen ist also mE zumindest missverständlich, wenn nicht irreführend.
Falk hat geschrieben:Das sind sprachliche Stolpersteine. Aus meiner interessierten Laiensicht scheint es, dass diese neue Entwicklung, die du skizzierst, gar keine neue Entwicklung ist, sondern bloß eine Verschiebung der Betonung, was aber sprachlich von beiden Seiten aus welchen Gründen auch immer - vielleicht aus ideologischen Gründen, vielleicht aus falscher Rücksichtnahme, vielleicht aus mangelndem analytischem Verständnis - verwässert wird.
Falk hat geschrieben:El Schwalmo hat geschrieben:Evolution ist ein Wechselspiel von Zufall und Notwendigkeit. Man muss eine konkrete Evolutionstheorie jeweils darauf hin checken, in welchem 'Verhältnis' diese beiden Faktoren stehen dürfen, um noch mit dieser kompatibel zu sein. 'Zufall' ist in diesem Kontext einem 'Sprung' äquivalent, und Sprünge sind in der Selektionstheorie, wie sie Dawkins vertritt, 'verboten'.
Vielleicht bin ich da zu sehr durch mein Philosophie-Studium verdorben, aber für mich sind das alles mehr sprachliche Verwirrungen als wissenschaftliche Probleme. Zwei Beispiele:
Was ist ein "Sprung"?
Im ID-Kontext hat das immer etwas mit Irreducible Complexity zu tun, ein Feature, das sich durch ein Wechselspiel von Mutation und Selektion nicht gebildet haben könne - und in diesem Sinne gibt es, soweit wir wissen, keinerlei Sprünge. In einem anderen Kontext ist ein Sprung "nur" eine besonders schnell erfolgreiche Mutation. In diesem Sinne ist das unproblematisch und völlig kompatibel mit einem noch so "radikalen Darwinismus". Diesen letzten Typ von Sprung lehnt die Selektionstheorie a la Dawkins oder Dennett sicherlich nicht ab, sondern nur den ersten Typ.
Was bedeutet Zufall als "dominanter Faktor"?
Das wird von ID'lern und Laien unweigerlich so interpretiert, das Darwin Unrecht hatte, die Evolutionstheorie also widerlegt sei. So dürfte es von seriösen Wissenschaftlern aber kaum gemeint sein - denn letztlich ist jeder Zufall der Selektion unterworfen, egal auf welcher Ebene er stattfindet, Genotyp oder Phenotyp. Vom Zufall als "dominantem Faktor" oder von einer "zufallsgetriebenen Evolution" zu sprechen ist also mE zumindest missverständlich, wenn nicht irreführend.
Das sind sprachliche Stolpersteine. Aus meiner interessierten Laiensicht scheint es, dass diese neue Entwicklung, die du skizzierst, gar keine neue Entwicklung ist, sondern bloß eine Verschiebung der Betonung, was aber sprachlich von beiden Seiten aus welchen Gründen auch immer - vielleicht aus ideologischen Gründen, vielleicht aus falscher Rücksichtnahme, vielleicht aus mangelndem analytischem Verständnis - verwässert wird.
El Schwalmo hat geschrieben:Man muss meiner Meinung nach nur ein wenig aufpassen, wenn man jemanden als 'dumm' bezeichnet, nur weil er eine andere Weltanschauung vertritt. Im HighEnd-Bereich wird die Luft dünn. Warum sollte Atheismus nicht auch eine Art Glaube sein? Wenn man Gott nicht widerlegen kann, ist das Vertreten dessen Nichtexistenz auch ein Glaube. Und wenn man die Reaktion von Atheisten auf derartige Einwände betrachtet, wird das noch plausibler.
jollyana hat geschrieben:Für mich ist Atheismus einfach A-Theismus, also nicht der Glaube an Gottes Nichtexistenz, sondern der Nichtglaube an seine Existenz. Eigentlich sollte man immer diese ursprüngliche Definition benutzen, weil man sonst ständig mit diesem "Atheismus ist auch ein Glaube"-Argument konfrontiert wird.
jollyana hat geschrieben:Ich muss mir auch nicht anhören dass mein Nichtglaube an Nikolaus auch ein Glaube an seine Nichtexistenz ist. Ich sehe nicht ein warum der Glaube an Gott hier eine Sonderstellung genießen sollte.
El Schwalmo hat geschrieben:für mich als Agnostiker stellt sich dieses Problem nicht. Aber Agnostizismus ist eine epistemische Position. Ich lebe als A-Theist in dem Sinn, den Du beschrieben hast.
jollyana hat geschrieben:Für mich ist Atheismus einfach A-Theismus, also nicht der Glaube an Gottes Nichtexistenz, sondern der Nichtglaube an seine Existenz. Eigentlich sollte man immer diese ursprüngliche Definition benutzen, weil man sonst ständig mit diesem "Atheismus ist auch ein Glaube"-Argument konfrontiert wird. Ich muss mir auch nicht anhören dass mein Nichtglaube an Nikolaus auch ein Glaube an seine Nichtexistenz ist.
Myron hat geschrieben:Der positive Atheismus ist in der Tat ein Glaube, während der bloße Nichttheismus/Nontheismus, d.i. der negative Atheismus, keiner ist, wobei allerdings auch dieser, falls er ein reflektierter Nichttheismus ist, einen Glauben beinhaltet, nämlich, den Glauben an die Nichtexistenz von (objektiven, rationalen) Gründen für den Glauben an die Existenz Gottes bzw. von Göttern. Dieser Punkt wird gerne übersehen, vor allem auch von den Nichttheisten selbst.
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