Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon pinkwoolf » So 6. Jul 2008, 01:19

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Zählen akustische Halluzinationen zu den spirituellen Erlebnissen?

Nun, Rutters Requiem, aufgenommen in der Kapelle des King's College in Cambridge, zählt für mich ganz bestimmt dazu.
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Ist ein Requiem denn eine Halluzination? :ka:

Für mich ist z.B. die Lektüre der Odyssee ein spirituelles Erlebnis. Eine Reise in die Ursprünge abendländischen Denkens; obgleich mir zweifellos eine Dimension dieses Denkens abgeht, nämlich der Glaube an Zeus und Poseidon und all die anderen.

Rutters Requiem kenne ich nicht; aber einige andere, vor allem die von Mozart und Verdi, würde ich auch als spirituelle Erlebnisse bezeichnen. Wobei Verdi pikanterweise dem Atheismus so nahe stand, wie es für einen Mann seiner Zeit opportun war zuzugeben.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon pinkwoolf » So 6. Jul 2008, 01:23

[Bitte bei jedem einzelnen Zitat den Autor angeben, und zwar auch dann, wenn nur ein einziger Autor zitiert wird!—Myron]

Ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das technisch hinkriegen kann.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon folgsam » So 6. Jul 2008, 01:36

pinkwoolf hat geschrieben:
Ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das technisch hinkriegen kann.


sieht als code geschrieben so aus :
[*quote="pinkwoolf"]Ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das technisch hinkriegen kann.[/quote]

wobei das * vorm ersten quote weggelassen werden muss.

und jetzt b2t =)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 01:37

pinkwoolf hat geschrieben:[Bitte bei jedem einzelnen Zitat den Autor angeben, und zwar auch dann, wenn nur ein einziger Autor zitiert wird!—Myron]

Ich habe noch nicht herausgefunden, wie ich das technisch hinkriegen kann.


Setze einfach vor jede einzelne zitierte Aussage bzw. Gruppe von zitierten Aussagen (quote="AUTORENNAME") und dahinter (/quote)—mit eckigen Klammern in echt! Dazu kannst das jeweilige (quote="AUTORENNAME") einfach markieren, kopieren und an beliebigen Stellen einsetzen. Das abschließende (/quote) füge ich dann immer manuell hinzu.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Jul 2008, 01:56

Myron hat geschrieben:Hm..., mit "Gott" scheinst du schlicht den Weltgrund zu meinen. Doch wie dieser beschaffen ist, darüber streiten sich die Theisten und die Atheisten bekanntlich. Handelt es sich dabei, wie Erstere behaupten, um ein ewiges, lebendiges Wesen mit (Selbst-)Bewusstsein und Persönlichkeit oder nicht? Nur ein solches Wesen würde nämlich den Namen "Gott" verdienen.

:^^: Du machst mich gerade zum Atheisten!

Das Bild das Du entwirfst, passt weder auf besonnene Christen (die mal drüber nachgedacht haben - ich schränke es jedesmal ein, weil es schon einige Unbesonnene gibt, auf die es passt), noch ist es biblisch.
Dort werden zwar gewisse Sachen erzählt über die Taten Gottes, und in Liedern werden ihm gelegentlich Eigenschaften gegeben, aber an den Schaltstellen (Zehn Gebote uva) wird jeder solche Vergleich untersagt, weil da nichts ist, mit dem sich Gott vergleichen lässt. Gar nichts.

Dieser innerbiblische, scheinbare Widerspruch lässt sich nicht auflösen, solange man nicht unterscheidet zwischen dem menschlichen (rationalen) Versuch, Gott zu be-greifen und all dem, worin Gott sich offenbart. Als Weltgrund offenbart er sich eigentlich in allem, aber so nimmt es ein individueller Mensch nicht wahr in dem kleinen Ausschnitt, den er von der Wirklichkeit mitbekommt. Es besteht also ein Unterschied zwischen dem, was man als Wissenschaftler an Gestaltung in der Welt (Naturgesetze, Evolution) ermittelt und dem, was sich im "richtigen", individuellen Leben abspielt.
Und an dieser Stelle tut sich eine Kluft auf zwischen den Erfahrungsbedingungen objektivierender, rational-wissenschaftlicher Erkenntnis und denen subjekivierend-spiritueller Erkenntnis. Darum gilt Jesus bei den Christen nicht als Gott (an sich), sondern als 'Immanuel', "Gott mit uns", als "Gott light, für Dummies mit 1,3 Kilo Hirnmasse", wenn Du so willst.
Wer sich auf diese letzteren, spirituellen Erfahrungen nicht einlässt, wird das, was sich daraus ergibt, für intersubjektiv nicht vermittelbar oder auch für halluzinogen oder schlimmer halten. Das dies den Wissenschaftsgläubigen so erscheint, ist ganz logisch, ist aber nichts, wessen man sich brüsten sollte. Mir kommt es ein wenig so vor, als würden sich Einäugige darüber lustig machen, dass Zweiäugige räumlich sehen können.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Jul 2008, 02:04

Myron hat geschrieben:(Allerdings ist die von einer CD kommende Musik keine akustische Halluzination.)

Muss ja auch nicht.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Jul 2008, 02:06

Myron hat geschrieben:Wenn Gott etwas braucht, dann ist es ein Anwalt — wegen all der Schadensersatzklagen seiner Geschöpfe. ;D

Meinst Du, der Weltgrund nimmt Schadensersatzklagen entgegen? :skeptisch2:

fragt
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 02:11

Fisherman's Fellow hat geschrieben: :^^: Du machst mich gerade zum Atheisten!


Vielleicht bist du das ja auch und weißt es nur noch nicht.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Das Bild das Du entwirfst, passt weder auf besonnene Christen (die mal drüber nachgedacht haben - ich schränke es jedesmal ein, weil es schon einige Unbesonnene gibt, auf die es passt), noch ist es biblisch.
Dort werden zwar gewisse Sachen erzählt über die Taten Gottes, und in Liedern werden ihm gelegentlich Eigenschaften gegeben, aber an den Schaltstellen (Zehn Gebote uva) wird jeder solche Vergleich untersagt, weil da nichts ist, mit dem sich Gott vergleichen lässt. Gar nichts.


Ich selbst habe das theistische Gottesbild nicht entworfen, sondern ich gebe es lediglich wieder:
Der Gott des Theismus ist ein ewiges, lebendiges [*, persönliches [** Wesen ohne Körper, d.i. ein reiner Geist.

[* Daniel 6:27. "Denn er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt, und sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende."—1. Tim. 4:10. "Denn dafür arbeiten und kämpfen wir, weil wir unsre Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt haben, [...]."]

[** "Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person."
(Benedikt XVI. [Joseph Ratzinger]: Enzyklika Spe Salvi [30.11.07], §5. <http://tinyurl.com/2nutje>)]
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 02:13

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Meinst Du, der Weltgrund nimmt Schadensersatzklagen entgegen? :skeptisch2:


Wenn er eine Person ist, kann man ihn dazu verpflichten.
Und der theistische Gott ist eine Person!
Einer der bedeutendsten zeitgenössischen pro-theistischen Religionsphilosophen schreibt:

"That God is a person, yet one without a body, seems the most elementary claim of theism."

"Dass Gott eine Person ist, wenngleich eine ohne einen Körper, scheint die elementarste These des Theismus zu sein."
[meine Übers.]

(Swinburne, Richard. The Coherence of Theism. Oxford: Oxford University Press, 1977. p. 101)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Jul 2008, 02:14

pinkwoolf hat geschrieben:Rutters Requiem kenne ich nicht; aber einige andere, vor allem die von Mozart und Verdi, würde ich auch als spirituelle Erlebnisse bezeichnen. Wobei Verdi pikanterweise dem Atheismus so nahe stand, wie es für einen Mann seiner Zeit opportun war zuzugeben.

Einige meiner eindrücklichsten spirituellen Erlebnisse hatte ich draußen; da war nicht viel außer einem unglaublich klaren Himmel, einem bestimmten Ort, einer einsamen Telefonzelle, und von all diesen Beteiligten war niemand fromm. Das macht dem Geist / Spirit gar nichts.
Es ist auch nicht so, dass solche Ereignisse immer bedeutungsgeladen oder theophor sein müssten.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon folgsam » So 6. Jul 2008, 02:20

Was du Gott nennst nenne ich Ehrfurcht vor der unendlichen Schöhnheit und Weite des Universums. Kenn ich auch, diese Form der spirituellen Erfahrung und sie wird durch viele Dinge ausgelöst, doch immer ist die Erfahrung tief, erschütternd und persönlichkeitsbildend. Sicher das du nicht doch Pantheist bist?
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 02:25

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Einige meiner eindrücklichsten spirituellen Erlebnisse hatte ich draußen; da war nicht viel außer einem unglaublich klaren Himmel, einem bestimmten Ort, einer einsamen Telefonzelle, und von all diesen Beteiligten war niemand fromm. Das macht dem Geist / Spirit gar nichts.
Es ist auch nicht so, dass solche Ereignisse immer bedeutungsgeladen oder theophor sein müssten.


Das "Abheben" bei sublimen ästhetischen Erlebnissen muss auch nicht als "religiös" bezeichnet werden.
Wenn ich beispielsweise Brahms' Requiem höre, dann spreche ich lieber von meiner "metaphysischen Stimmung".
(Ich bin auch ein glühender Liebhaber der Symphonien Bruckners (welche ich gerne als "Klang-Kathedralen" bezeichne), "obwohl" ich weiß, dass der gute Mann ein erzfrommer Katholik reinsten Wassers war.)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 02:29

folgsam hat geschrieben:Was du Gott nennst nenne ich Ehrfurcht vor der unendlichen Schöhnheit und Weite des Universums. Kenn ich auch, diese Form der spirituellen Erfahrung und sie wird durch viele Dinge ausgelöst, doch immer ist die Erfahrung tief, erschütternd und persönlichkeitsbildend. Sicher das du nicht doch Pantheist bist?


Auch ich als überzeugter Gottesleugner habe meine "metaphysischen" oder "poetischen" Momente.
Es wäre ja für mich als Mensch auch verdammt traurig, wenn dies nicht so wäre.
Mit irgendwelchen religiösen Gefühlen im theistischen Sinne haben solche Stimmungen jedoch nicht das Geringste zu tun.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Jul 2008, 11:25

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben: :^^: Du machst mich gerade zum Atheisten!


Vielleicht bist du das ja auch und weißt es nur noch nicht.

Wie wir schon gesehen haben, ist das eine Definitionsfrage. Insofern Du an einen selbstevidenten, nicht weiter erforschbaren Weltgrund glaubst, bist Du nach meiner Einschätzung ein Theist.

Das macht die ganze Debatte um Dawkins's Kampf gegen den "Gotteswahn" ja so fadenscheinig.

Myron hat geschrieben:Ich selbst habe das theistische Gottesbild nicht entworfen, sondern ich gebe es lediglich wieder:
Der Gott des Theismus ist ein ewiges, lebendiges [*, persönliches [** Wesen ohne Körper, d.i. ein reiner Geist.

Nein. Gott ist nicht so, sondern Gott offenbart sich so. Die Ordnung der Natur ist ja auch nicht so, wie unsere derzeit vorherrschenden Naturgesetze besagen. Wir lesen halt nur heraus, was wir zu erkennen glauben. Und der zweite Unterschied besteht darin, dass "Offenbarung" nicht auf verallgemeinernde, objektivierende Regeln abzielt, sondern sich von Subjekt zu Subjekt ereignet. (Nicht, weil Gott effektiv ein Subjekt wäre, so dass man ihn zumindest da sicher zu fassen bekäme, sondern weil, wie Schelling nachwies, der Weltgrund, oder wie immer man es nennt, niemals ein Objekt (dh ein Gegenstand empirischer Forschung) sein kann und folglich meiner subjektiven Erkenntnis notwendig subjekthaft, dh als absolutes Subjekt begegnet.)
Warte mal, ich habe da noch einen Cartoon. Er gibt zwar nicht meine Meinung wider, aber ich glaube, er macht den Unterschied zwischen 'sein' und 'offenbaren' ganz gut deutlich:
[img=http://www.abload.de/thumb/stagfilm0j5.jpg]

Myron hat geschrieben:[* Daniel 6:27. "Denn er ist der lebendige Gott, der ewig bleibt, und sein Reich ist unvergänglich, und seine Herrschaft hat kein Ende."—1. Tim. 4:10. "Denn dafür arbeiten und kämpfen wir, weil wir unsre Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt haben, [...]."]

Das erste Zitat ist nicht unbedingt besonders glücklich gewählt, da dies ausgerechnet von einem Heiden bekanntgegeben wird. Ansonsten verweise ich auf das, was ich oben geschrieben habe.

Myron hat geschrieben:[** "Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person."
(Benedikt XVI. [Joseph Ratzinger]: Enzyklika Spe Salvi [30.11.07], §5. <http://tinyurl.com/2nutje>)]

Nunja, :kaffee3: Benny versucht grad als Papst - gerade auch pointiert gegen protestantische Positionen - einen merkwürdig scholastisch-hellenistisch-pseudovernünftigen Gottesbegriff zu kultivieren und richtet damit nach meiner Ansicht ziemlich schamlos Götzenbilder auf. Genauso die von Dawkins geschilderten anglikanischen Kirchenoberhäupter, wenn sie, Spinoza folgend, Gott als "einfach" klassifizieren.
Woher wissen sie das? Das ist eine Vermischung von rationalem Denken (Metaphysik) und irgendwelchen Reflexionen über die Gottesoffenbarung, was man auf keinen Fall durcheinanderbringen sollte, und ist nicht mal biblisch gedeckt. Damit haben sie sich mE zum Narren gemacht.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Jul 2008, 11:29

folgsam hat geschrieben:Sicher das du nicht doch Pantheist bist?

Doch, auch. Das ist ja der Punkt. Zwischen Pantheismus und Offenbarungsglaube besteht nur ein Scheinwiderspruch.
Es hängt alles davon ab, von wo aus man den Elefanten betrachtet, und man bemerkt ganz verschiedene Dinge.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 6. Jul 2008, 11:43

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Meinst Du, der Weltgrund nimmt Schadensersatzklagen entgegen? :skeptisch2:


Wenn er eine Person ist, kann man ihn dazu verpflichten.
Und der theistische Gott ist eine Person!

Nein. Aus rationaler Perspektive ist darüber überhaupt keine Aussage möglich.
Auf spiritueller Ebene offenbart er sich subjekthaft (weil es gar nicht anders geht, was an unserer Subjekthaftigkeit liegt).

Aber in der Tat wurden - auf spiritueller bzw theologischer Basis, wo sie auch hingehören - solche Verfahren bereits geführt. Elie Wiesel hat glaube ich mal dokumentiert, wie nach oder während dem Holocaust eine Rabbinerkommission Gott anklagte. Und in der Bibel selbst ist das Buch Hiob ein solcher "Prozess", der auch die möglichen Resultate dieser Veranstaltung aufzeigt.

Myron hat geschrieben:Einer der bedeutendsten zeitgenössischen pro-theistischen Religionsphilosophen schreibt:

"That God is a person, yet one without a body, seems the most elementary claim of theism."

"Dass Gott eine Person ist, wenngleich eine ohne einen Körper, scheint die elementarste These des Theismus zu sein."
[meine Übers.]

(Swinburne, Richard. The Coherence of Theism. Oxford: Oxford University Press, 1977. p. 101)

Dazu habe ich im anderen Posting Stellung genommen. Einen anderen Ansatz vertrat zB Karl Barth vor 80 Jahren.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Telos » So 6. Jul 2008, 13:37

Myron hat geschrieben: "That God is a person, yet one without a body, seems the most elementary claim of theism."

"Dass Gott eine Person ist, wenngleich eine ohne einen Körper, scheint die elementarste These des Theismus zu sein."
[meine Übers.]

(Swinburne, Richard. The Coherence of Theism. Oxford: Oxford University Press, 1977. p. 101)



Myron, das ist eigentlich ganz einfach: Das glaubt man - oder man lässt es sein. Warum kann man das glauben? Weil ich von Martin Buber gelernt habe: Was Gott auch immer "ist", er ist auch Person, zu dem ich Du sagen kann. Dieser Satz ist einem wahr - oder eben nicht. Und so hat jeder eine Reihe von wahren Sätzen, die ihm wichtig sind, weil sie ihm wichtig sind.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 14:43

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wie wir schon gesehen haben, ist das eine Definitionsfrage. Insofern Du an einen selbstevidenten, nicht weiter erforschbaren Weltgrund glaubst, bist Du nach meiner Einschätzung ein Theist.


Das ist aber, wenn man vom allgemein üblichen Sprachgebrauch ausgeht, ein glatter Wortmissbrauch.
Mein Weltgrund ist etwas gänzlich Physisches ohne Bewusstsein und ohne Persönlichkeit, das nicht zielgerichtet wirkt.
Ich bin definitiv kein Theist!

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nein. Gott ist nicht so, sondern Gott offenbart sich so.


Diesen Satz verstehe ich nicht.
Wenn der Weltgrund eine Art Energiefeld sein sollte, dann wüsste ich nicht, was es bedeutete zu sagen, dieses offenbare sich uns Menschen gegenüber als Person.
Es bleibt auf jeden Fall dabei: Der theistische Gott offenbart sich nicht nur persönlich, sondern er ist auch eine Person.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:[** "Nicht die Elemente des Kosmos, die Gesetze der Materie, herrschen letztlich über die Welt und über den Menschen, sondern ein persönlicher Gott herrscht über die Sterne, das heißt über das All; nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person."
(Benedikt XVI. [Joseph Ratzinger]: Enzyklika Spe Salvi [30.11.07], §5. <http://tinyurl.com/2nutje>)]

Nunja, :kaffee3: Benny versucht grad als Papst - gerade auch pointiert gegen protestantische Positionen - einen merkwürdig scholastisch-hellenistisch-pseudovernünftigen Gottesbegriff zu kultivieren und richtet damit nach meiner Ansicht ziemlich schamlos Götzenbilder auf.


Wenn der persönliche Gott des Theismus für dich bloß ein "Götze" ist, dann bist du schon auf dem besten Wege ins atheistische Lager.

"Aber sogar auch die Annahme irgendeiner von der Welt verschiedenen Ursache derselben ist noch kein Theismus. Dieser verlangt nicht nur eine von der Welt verschiedene, sondern eine intelligente, d.h. erkennende und wollende, also persönliche, mithin auch individuelle Weltursache: eine solche ist es ganz allein, die das Wort 'Gott' bezeichnet.
Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort, ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für Philosophieprofessoren, welche, nachdem sie die Sache haben aufgeben müssen, mit dem Worte durchzuschleichen bemüht sind."


(Schopenhauer, "Fragmente zur Geschichte der Philosophie", in Parerga und Paralipomena I, §13: "Noch einige Erläuterungen zur kantischen Philosophie", S. 119f.)


Fisherman's Fellow hat geschrieben:Genauso die von Dawkins geschilderten anglikanischen Kirchenoberhäupter, wenn sie, Spinoza folgend, Gott als "einfach" klassifizieren.


Die These von der Einfachheit Gottes ist selbst unter den Theologen umstritten. Das ist nicht zufällig so, da sie, wie ich finde, absurd erscheint:

"According to the classical theism of Augustine, Anselm, Aquinas and their adherents, God is radically unlike creatures in that he is devoid of any complexity or composition, whether physical or metaphysical. Besides lacking spatial and temporal parts, God is free of matter/form composition, potency/act composition, and existence/essence composition. There is also no real distinction between God as subject of his attributes and his attributes. God is thus in a sense requiring clarification identical to each of his attributes, which implies that each attribute is identical to every other one."

"Dem klassischen Theismus von Augustinus, Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin und deren Anhängern zufolge, unterscheidet sich Gott dahin gehend grundlegend von Geschöpfen, dass er frei von jeglicher Komplexität oder Zusammensetzung ist, sei sie physischer oder metaphysischer Art. Gott fehlen nicht nur räumliche und zeitliche Teile, sondern er ist auch nicht dergestalt zusammengesetzt, dass bei ihm ein Unterschied zwischen Materie und Form, Potenzialität und Aktualität sowie Existenz und Essenz besteht. Es gibt auch keinen wirklichen Unterschied zwischen Gott als Subjekt seiner Attribute und seinen Attribute. Gott ist also in einem zu erläuternden Sinne mit jedem seiner Attribute identisch, was impliziert, dass jedes seiner Attribute mit jedem anderen identisch ist."
[meine Übers.]

(http://plato.stanford.edu/entries/divine-simplicity)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 14:45

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Doch, auch. Das ist ja der Punkt. Zwischen Pantheismus und Offenbarungsglaube besteht nur ein Scheinwiderspruch.


Man kann nicht beides sein, Theist und Pantheist.
(Trotz des Wortbestandteils "-theismus" ist der Pantheismus nichttheistisch.)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 15:06

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Und der theistische Gott ist eine Person!

Nein. Aus rationaler Perspektive ist darüber überhaupt keine Aussage möglich.


Die Theologen schweigen aber nicht, sondern sie machen seit Ewigkeiten derartige Aussagen über ihren Gott.
Die Bibliotheken der theologischen Fakultäten sind prall gefüllt.
Und schließlich ist die Frage, ob der "Grund des Seins" ein bewusster, persönlicher Geist ist oder nicht, die alles entscheidende Frage im Streit zwischen den Theisten und den Atheisten.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Auf spiritueller Ebene offenbart er sich subjekthaft (weil es gar nicht anders geht, was an unserer Subjekthaftigkeit liegt).


Natürlich kann auch ich als Atheist das natürliche Universum personifizierend verklären, indem ich von "Mutter Natur" (statt von "Vater Gott") spreche. Doch wenn ich das tue, dann bin ich mir stets dessen bewusst, dass dies lediglich eine metaphorische Redeweise ist, die nicht der Wirklichkeit entspricht, da "Mutter Natur" realiter eben keine Person ist.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Einen anderen Ansatz vertrat zB Karl Barth vor 80 Jahren.


Dessen "Einführung in die evangelische Theologie" habe ich unter Qualen gelesen, da dieses Buch in meinen Augen praktisch unlesbar ist. Als jemand, der in der Tradition der Analytischen Philosophie steht, erachte ich die meisten seiner Aussagen für wirr und unverständlich.

"Der Gegenstand evangelischer Theologie ist Gott in der Geschichte seiner Taten. In ihr gibt er sich selbst kund. In ihr ist er aber auch der, der er ist. In ihr hat und beweist er miteinander seine Existenz und seine Essenz: ohne Präzedenz der einen oder der anderen! Er, der Gott des Evangeliums, ist also weder ein Ding, eine Sache, ein Objekt, noch eine Idee, ein Prinzip, eine Wahrheit oder eine Summe von vielen Wahrheiten oder der personale Exponent einer solchen Summe (...)"

(Barth, Karl. Einführung in die evangelische Theologie. 2. Aufl. Gütersloh: GTB, 1977. S. 13)

Das verstehe, wer will; aber eines steht fest: auch der Barth'sche Gott ist offenkundig eine handelnde Person. (Sich offenbaren heißt handeln! Barth spricht ja auch ausdrücklich von "der Geschichte seiner Taten".)
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