Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » So 6. Jul 2008, 15:14

Telos hat geschrieben:Myron, das ist eigentlich ganz einfach: Das glaubt man - oder man lässt es sein.


Gewiss, doch falls dein Gott kein außerräumlicher, persönlicher, bewusst handelnder, körperlos-stoffloser Geist ist, dann bist du kein Theist. Theist ist man nicht, nur weil man irgendein Dingsbums "Gott" nennt!

Telos hat geschrieben:Und so hat jeder eine Reihe von wahren Sätzen, die ihm wichtig sind, weil sie ihm wichtig sind.


Besser gesagt: Jedermann hat eine Reihe von von ihm für wahr gehaltenen Sätzen.
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Myron
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon gerhard » So 6. Jul 2008, 21:25

Myron hat geschrieben:Theist ist man nicht, nur weil man irgendein Dingsbums "Gott" nennt!


Ich muss mich immer wieder wundern, wie hier - getreu nach dekadentem Glaube -über ein Gottesgebilde bzw. Dingsbums oder eine davon angeblich völlig unabhängige kosmische Religiösität (die angeblich unchristlich wäre) gestritten wird.

Wenn stimmt, was ich nach jahrzehntelangem Lernen bei der historisch-kritischen Wissenschaft über den Anfang des monotheisitischen Glaubens und seiner sog. christlichen Reform lerne sowie bei den Dogmatiker über die Bedeutungsinhalte der Begriffe und Geschichten erfahre, dann gibt es über einen Schöpfer nichts zu sagen als das, was ein moderner Naturwissenschaftler über das natürliche Werden (Evolutionsbiologie, Kosmologie, Ökologie...) deutlich macht und was wir als mündig denkende Menschen in der Schönheit der Natur, der kreativen=schöpferischen Ordnung des unendlichen Universums erblicken. (Mit einem ID hat das nichts zu tun, wohl aber der Intelligenz/Vernünftigkeit, die uns z.B. Evolutionsbiologen erst wieder empirisch darlegen und für die bereits Girodano Bruno auf den Scheiterhaufen ging.)

Glaubensaufklärer in den antiken Bildungsmetropolen sahen in der universellen Logik, den bereits damals weitgehend erahnten Prinzipien des physikalischen Weltbaues die einzige Sprache, den wahren Sohn (statt vormals menschliche Herrscher, Gottkönige), das lebendige Wort (statt vormals entleerte Tradtionslehren, Vorgesetzlichkeiten) und somit einzigen Offenbarungsgrund, den sie im Gegensatz zu den Philosophen nicht pantheisitisch selbst vergotteten, sondern der sie auf eine unsagbare und sinngebende Schöpfungsmacht schließen ließ, von der bereits der anfängliche Monotheismus ausging. Sie gaben dieser kreativen Vernünftigkeit -die genau das geschichtlich bewirkte, was in den biblischen Geschichten bebildert ist - eine konkrete vermittelbare Gestalt, die an alte Kultvorstellungen anknüpfen konnte.

Bei dieser Sichtweise berufe ich mich beispielsweise auf Papst Bendedikt XVI., der u.a. deutlich macht, dass ohne die griechische Philosophielehre vom Logos allen natürlichen Lebens das Neue Testament leer wäre, bei dem es an keiner Stelle seiner Deutung um einen jungen Guru geht und dessen Dogmenlehre eindeutig macht, dass es damals nicht um einen Gottmenschen gegangen sein kann, sondern um ein völlig neues universelles Glaubensverständis, das griechische Philosophie/Heiden und Juden verband und auf die kreative Vernünftigkeit allen natürlichen Werdens gründete. Der jedoch, in die Gegnerschaft zum natürlichen Werden, Wissen um das Wie hineingeboren, weiterhin nur einem Dogma dienen kann und wie alle Welt einen Wanderprediger... für das Geschichtswesen hält. Doch wenn er sich nach Auswertung der alten Texte in "Dominus Jesus" auf die Einzigartigkeit Jesus beruft, dann bestätigt er letztlich damit nur, was Naturalisten ständig behaupten. Über die natürliche Logik, die Kausalität des kreativen Kosmos hinaus gibt es nichts zu sagen. Alles sonst sind persönliche Götzenbilder eines unzeitgemäßen Glaubens.

Warum ein gebildeter Mensch "christlich" glauben kann, ergibt sich so aus ganz neuer Perspektive.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 7. Jul 2008, 10:46

Myron hat geschrieben:Mein Weltgrund ist etwas gänzlich Physisches ohne Bewusstsein und ohne Persönlichkeit, das nicht zielgerichtet wirkt.

Dass so etwas nicht existieren kann, hat Schelling nachgewiesen. Ich hatte bisher angenommen, dass Dein Weltgrund als im strengen Sinne selbstevidenter Ausgangspunkt allen Denkens nicht weiter bestimmbar sei. Das wäre ok gewesen, aber eben auch jenseits aller Physik oder sonst irgendeiner Wissenschaft.
Aber einen "physikalischen" Weltgrund kann es nicht geben, weil dieser Weltgrund die Physik erst ermöglicht. Du machst also die Folge zu ihrer eigenen Voraussetzung.
Und das ist nicht einfach nur irrational, sondern schlicht falsch.
Aus dem gleichen Grund lässt sich nichts rationales über Gott aussagen: Ein selbstevidenter Ausgangspunkt allen Denkens besitzt keine Eigenschaften, weil dadurch seine Selbstevidenz aufgehoben würde.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nein. Gott ist nicht so, sondern Gott offenbart sich so.


Diesen Satz verstehe ich nicht.
Wenn der Weltgrund eine Art Energiefeld sein sollte, dann wüsste ich nicht, was es bedeutete zu sagen, dieses offenbare sich uns Menschen gegenüber als Person.

Wenn der Weltgrund ein Energiefeld sein sollte, dann wäre er kein Weltgrund. Denn der Begriff "Energie" ist seinerseits bestimmbar ("synthetisch") und muss Eigenschaften besitzen, um "Welt" zu gründen. Er ist also nicht selbstevident.

Kant hatte schon recht mit der völligen Unerreichbarkeit seines "Dings an sich". Mit empirisch-wissenschaftlichenen Methoden erreicht man es nie. Immer, wenn man glaubt, näher drangekommen zu sein, ergibt sich neuer Erklärungsbedarf. Daraus schloss der Wissenschaftstheoretiker Kurt Hübner, dass die Naturwissenschaften im utilitaristischen Sinn wohl große Fortschritte machen, aber ontologisch gesehen treten sie auf der Stelle.

Myron hat geschrieben:Es bleibt auf jeden Fall dabei: Der theistische Gott offenbart sich nicht nur persönlich, sondern er ist auch eine Person.

Unmöglich. Siehe oben. Man müsste fragen: "Was ist eine Person?" (Gelegentlich bastle ich hobbymäßig an Softwarebots herum, und obwohl sie unglaublich primitiv gestrickt sind und die derzeit vorhandenen sprachanalytischen Möglichkeiten nicht nutzen, erwecken sie, wenn man sich nicht allzulange mit ihnen unterhält, den Eindruck, sie seien Personen. Ich könnte Dir nicht auf Anhieb sagen, was eine "Person" ausmacht. Intentionalität allein ist es jedenfalls nicht.)
Erst wenn man herausgefunden hat, was hinter der Personenhaftigkeit und allen übrigen Eigenschaften dieses Wasauchimmers steckt, wird man einen Punkt gelangen, an dem man sagt: "Weiter gibt es nichts zu erklären."/ "Das versteht sich von selbst." - Oder aber: "Ich lande mit meinen Fragen in einem infiniten Regress. (Denn Wissenschaft, die permanente Frage nach dem Warum ist ihrem Wesen nach ein infiniter Regress) Aber um überhaupt etwas sagen zu können, formuliere ich folgende Axiome..." - dann sind diese, sofern sie (im Kant'schen Sinne) gut formuliert, dh keine synthetischen Aussagen sind, der Weltengrund - die "Glaubenswahrheit", dh selbstevidenter Ausgangspunkt des Denkens.

Myron hat geschrieben:Wenn der persönliche Gott des Theismus für dich bloß ein "Götze" ist, dann bist du schon auf dem besten Wege ins atheistische Lager.

Nett, gell?
Aber das täuscht. Denn für einen Menschen ist es gänzlich irrelevant, was Gott an sich "ist". (Nebenbei: Eine unmögliche Attributierung, denn wenn man Gott als selbstevidenten Ausgangspunkt allen Denkens anerkennt, dann ist auch "Sein" bzw "Nichtsein" von ihm abgeleitet) Wichtig ist allein - um Dein Barth-Zitat aufzugreifen -, was Gott "tut", dh wie er sich offenbart.

Myron hat geschrieben:"Aber sogar auch die Annahme irgendeiner von der Welt verschiedenen Ursache derselben ist noch kein Theismus. Dieser verlangt nicht nur eine von der Welt verschiedene, sondern eine intelligente, d.h. erkennende und wollende, also persönliche, mithin auch individuelle Weltursache: eine solche ist es ganz allein, die das Wort 'Gott' bezeichnet.
Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort, ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für Philosophieprofessoren, welche, nachdem sie die Sache haben aufgeben müssen, mit dem Worte durchzuschleichen bemüht sind."


(Schopenhauer, "Fragmente zur Geschichte der Philosophie", in Parerga und Paralipomena I, §13: "Noch einige Erläuterungen zur kantischen Philosophie", S. 119f.)

Schopenhauer hätte es besser wissen müssen - immerhin hat er sich intensiv mit den indischen Religionen und ihren Quellenschriften befasst.
Nada Brahma!

Myron hat geschrieben:Die These von der Einfachheit Gottes ist selbst unter den Theologen umstritten. Das ist nicht zufällig so, da sie, wie ich finde, absurd erscheint:

"According to the classical theism of Augustine, Anselm, Aquinas and their adherents, God is radically unlike creatures in that he is devoid of any complexity or composition, whether physical or metaphysical. Besides lacking spatial and temporal parts, God is free of matter/form composition, potency/act composition, and existence/essence composition. There is also no real distinction between God as subject of his attributes and his attributes. God is thus in a sense requiring clarification identical to each of his attributes, which implies that each attribute is identical to every other one."

"Dem klassischen Theismus von Augustinus, Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin und deren Anhängern zufolge, unterscheidet sich Gott dahin gehend grundlegend von Geschöpfen, dass er frei von jeglicher Komplexität oder Zusammensetzung ist, sei sie physischer oder metaphysischer Art. Gott fehlen nicht nur räumliche und zeitliche Teile, sondern er ist auch nicht dergestalt zusammengesetzt, dass bei ihm ein Unterschied zwischen Materie und Form, Potenzialität und Aktualität sowie Existenz und Essenz besteht. Es gibt auch keinen wirklichen Unterschied zwischen Gott als Subjekt seiner Attribute und seinen Attribute. Gott ist also in einem zu erläuternden Sinne mit jedem seiner Attribute identisch, was impliziert, dass jedes seiner Attribute mit jedem anderen identisch ist."
[meine Übers.]

(http://plato.stanford.edu/entries/divine-simplicity)

Da gebe ich Dir recht, obwohl die Jungs schon ziemlich nah dran waren. Aber knapp daneben ist halt auch vorbei.
Der Einfluss der griechischen Philosophie ist deutlich spürbar, da hat sich bis zum heutigen Benny nichts geändert.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 7. Jul 2008, 10:57

Myron hat geschrieben:Man kann nicht beides sein, Theist und Pantheist.

Warum nicht?
Natürlich offenbart sich Gott in allem, was geschaffen ist! Der Unterschied zwischen Pantheisten und offenbarungsgläubigen Theisten besteht darin, dass sich Gott darüber hinaus im persönlichen Leben offenbart. Aber das hat nichts mit "Theismus" zu schaffen, sondern mit der Art der Glaubenserkenntnis.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon stine » Mo 7. Jul 2008, 11:06

Gott mit Worten zu beschreiben ist, wie den Geist mit Waffen zu jagen.

(Ist glaub ich von Wilhelm Busch)

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon HF******* » Mo 7. Jul 2008, 13:07

Pantheismus meint, dass alles göttlich ist. Eine dahinter stehende personifizierte Gottheit, eine Schöpfergottheit oder Übergottheit kommt in einem panheistischen Weltbild nicht vor.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mo 7. Jul 2008, 13:19

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Man kann nicht beides sein, Theist und Pantheist.

Warum nicht?


Der Theist glaubt an einen transzendenten persönlichen Gott, wohingegen der Pantheist an einen immanenten unpersönlichen Gott glaubt. Das geht nicht zusammen!

(Pantheism and Theism)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Telos » Mo 7. Jul 2008, 13:28

Da stimm ich dem gerhard zu. Besser kann man es nicht sagen.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 7. Jul 2008, 14:36

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nein. Aus rationaler Perspektive ist darüber überhaupt keine Aussage möglich.


Die Theologen schweigen aber nicht, sondern sie machen seit Ewigkeiten derartige Aussagen über ihren Gott.

Jepp, aber nicht aus einer rein rationalen Perspektive heraus, sondern einer Glaubensperspektive, dh auf dem Boden einer ganz anderen Erfahrungsgrundlage.
Darum lässt sich auch fast alles, was Dawkins so über die Bibel von sich gibt, in die gleiche Ablage werfen.
Wer glaubt, weiß, wo er mit dem Lesen der Bibel anfangen muss, und er muss nicht erst, wie Dawkins, nach einem weltanschaulich neutralen, übergeordneten Kriterium suchen, um die Erbsen aus der Asche zu lesen. Er kommt mir da ein wenig so vor wie einer, dessen Smartphone nicht geht, und der sich auf der Suche nach dem Handbuch vergriffen hat ... so kann das nichts werden.

Myron hat geschrieben:Und schließlich ist die Frage, ob der "Grund des Seins" ein bewusster, persönlicher Geist ist oder nicht, die alles entscheidende Frage im Streit zwischen den Theisten und den Atheisten.

Wie schon mehrfach erwähnt lässt sich auf einer rein rationalen Ebene eine solche Aussage gar nicht treffen.
Ein (von seinem Sein her) "persönlicher Gott" wäre, wie Dawkins richtig feststellte, nicht das Ende des Regresses, weil er von irgendetwas anderem abgeleitet sein müsste. Darum kann ein seinsmäßig "persönlicher Gott" nur entweder ein Gedankengötze von Menschen oder aber ein Demiurg sein.
Nicht, dass dadurch grundsätzlich ausgeschlossen wäre, dass Gott ein persönlicher wäre - es ist einfach keine rationale Seinsaussage möglich.
Ein Theologe, der - sozusagen erfüllt von der Überlegenheit der Kraft Gottes - behauptet, dass Gott auch auf der Ebene rational-wissenschaftlicher Argumentation eine intelligente Persönlichkeit sei, macht sich eigentlich nur lächerlich.
Für mich wäre dies der "Anti-Dawkins-Fall", und ich kann dazu nur sagen: NOMA - "Schuster, bleib bei deinen Leisten!"

Myron hat geschrieben:Natürlich kann auch ich als Atheist das natürliche Universum personifizierend verklären, indem ich von "Mutter Natur" (statt von "Vater Gott") spreche. Doch wenn ich das tue, dann bin ich mir stets dessen bewusst, dass dies lediglich eine metaphorische Redeweise ist, die nicht der Wirklichkeit entspricht, da "Mutter Natur" realiter eben keine Person ist.

Weil für Dich die objektivierende Rede der Königsweg oder vielleicht sogar der einzige Weg zum Erschließen von "Wirklichkeit" ist.
Dies ist jedoch aufgrund der Kontingenz wissenschaftlicher Erkenntnis keineswegs sicher. Bei Deiner Präferenz handelt es sich also um eine Art Glaubensüberzeugung. Sie mag plausibel erscheinen, ist aber nicht im strengen Sinn rational. Man muss sich ihr nicht anschließen - auch nicht als rational denkender Mensch.

Ich versuche mal einen anderen Ansatz zu illustrieren. Nichts streng logisches (weil sich rational keinerlei Aussagen über Gott treffen lassen und weil der Versuch, "Glaubensperspektive" woandershin zu übersetzen, nie mehr werden kann als eine Eselsbrücke).

Mythisch-religiöse Erfahrungsvoraussetzungen beruhen nicht auf analytischer, objektivierender Erkenntnis, sondern gehen von der Subjekthaftigkeit des Menschen aus. Kernfrage ist nicht, was wie 'objektiv da' ist, sondern wie mein Leben gelingt.
Wenn man überhaupt etwas sicher sagen kann, dann: "Da sind Wahrnehmungen". Mag sein, dass die Außenwelt, das Ich, Gott nur Maya, Illusionen sind, aber die Sinnesreize lassen sich kaum leugnen.
Nun ist ein Subjekt aber nicht nur eine Art Messgerät, sondern es nimmt sich selbst auch als handelnd wahr (das definiere ich jetzt einfach).
Schwieriger wird es mit der Frage, ob ein Subjekt Intentionen haben muss. Vor Jahren hatte ich mit El Schwalmo darüber eine längere Diskussion. Es ging um Spinnenweibchen und ihre Männchen und darüber, was sie sich dabei denken, wenn die Weibchen ihre Männchen fressen. Auch wenn man bei manchen Männchen gewisse Strategien beobachten kann, diesem dummen Nebeneffekt des angestrebten Geschlechtsverkehrs zu entgehen - denken sie sich wirklich etwas dabei? Sind Spinnenmännchen überhaupt noch als "Subjekte" zu bezeichnen?

Um all dem zu entgehen lege ich fest: Ein Objekt ist etwas Erkanntes. Ein Subjekt ist etwas, das Sinnesreize empfängt, und zwar von sich selbst (handelnd) als auch von "außen" oder "innen".
Was wirkt auf es ein? Objekte? Nein, denn wenn man "Objekte" als etwas Erkanntes definiert, dann entstehen sie erst im Bewußtsein des Menschen. Bleiben also noch Subjekte. Dawkins hat angesichts gewisser Computerkapriolen gezeigt, wie sehr wir dazu neigen, nicht-intentionale Dinge zu personifizieren, dh etwas als Subjekt wahrzunehmen... und zwar, um so mehr es (anscheinend) selbstständig agiert und vor allem auch re-agiert, dh genauso wie auch ich als Subjekt, mich selbst als empfindend und auch handelnd erlebe.
Nun kommt noch ein zweiter Aspekt hinzu: Ich nehme all diese anderen Subjekte nicht etwa völlig unabhängig voneinander wahr, als ob jedes in seinem Privatuniversum sitzen würde, sondern irgendwie miteinander verbunden, als Teil eines übergreifenden Zusammenhangs. Im Rahmen objektivierender Erkenntnis würde ich es vielleicht "Welt" oder "Weltgrund" nennen, aber ich erlebe es als absolutes Subjekt. Ich denke, hierin liegt die Wurzel des Theismus.
Unabhängig davon, ob es ("an sich") zutrifft oder nicht (diese Frage ist empirisch gar nicht zu klären): Menschen erkannten in diesem "absoluten Subjekt" Subjektsmerkmale wie Reaktionen auf eigenes Handeln und vielleicht sogar bewusste Intentionalität. Sie werteten diese Wahrnehmugen also als Gotteserfahrung bzw Gottesoffenbarung.
Dieser Gott konnte gute oder böse Absichten hegen oder auch den Subjekten gleichgültig gegenüber stehen. An seiner Subjekthaftigkeit änderte das nichts.
Erst die analytische Trennung von Intention/Geist und Materie und der Beginn einer objektivierenden Betrachtung ermöglichten es, dieses absolute Subjekt gleichsam als Automaten anzusehen, als Objekt, das gewissen Regeln gehorcht - oder eben als reinen Geist, welcher, subjekthaft und über-intelligent, seine Absichten verfolgt.

Mehr lässt sich in rationaler Perspektive, denke ich, kaum sagen, als dass es diese Varianten gibt und dass es letztlich nicht zu klären ist, ob es sich "wirklich" nur um einen Automaten handelt oder um ein 'echtes' Subjekt, das sich jedem menschlichen Subjekt individuell offenbart, vorausgesetzt, er ist "auf Empfang".

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Einen anderen Ansatz vertrat zB Karl Barth vor 80 Jahren.


Dessen "Einführung in die evangelische Theologie" habe ich unter Qualen gelesen, da dieses Buch in meinen Augen praktisch unlesbar ist. Als jemand, der in der Tradition der Analytischen Philosophie steht, erachte ich die meisten seiner Aussagen für wirr und unverständlich.

"Der Gegenstand evangelischer Theologie ist Gott in der Geschichte seiner Taten. In ihr gibt er sich selbst kund. In ihr ist er aber auch der, der er ist. In ihr hat und beweist er miteinander seine Existenz und seine Essenz: ohne Präzedenz der einen oder der anderen! Er, der Gott des Evangeliums, ist also weder ein Ding, eine Sache, ein Objekt, noch eine Idee, ein Prinzip, eine Wahrheit oder eine Summe von vielen Wahrheiten oder der personale Exponent einer solchen Summe (...)"

(Barth, Karl. Einführung in die evangelische Theologie. 2. Aufl. Gütersloh: GTB, 1977. S. 13)

Das verstehe, wer will; aber eines steht fest: auch der Barth'sche Gott ist offenkundig eine handelnde Person. (Sich offenbaren heißt handeln! Barth spricht ja auch ausdrücklich von "der Geschichte seiner Taten".)

Als handelndes, absolutes Subjekt gewissermaßen.
Mich stört der Satz: "In ihr (der Offenbarung!) ist er aber auch der, der er ist." Das ist der alte, weiche Barth, der nun durchaus spekulative Rückschlüsse von der Selbstkundgabe Gottes auf rational-wissenschaftlich aufzufassende Ontologien zu gestatten scheint. In jungen Jahren hatte er solche "Anknüpfungspunkte" radikal und konsequent bestritten.
Ansonsten erklärt sich die für einen analytischen Philosophen unverständliche und vielleicht schwachsinnige Sprache durch die unterschiedlichen Erfahrungsbedingungen rationaler bzw religiös-mythischer Erkenntnis: Barth war ja kein Universitätstheologe, sondern Landpfarrer gewesen, bevor sie ihn wieder zurück an den Lehrstuhl schleppten.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mo 7. Jul 2008, 14:46

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Mein Weltgrund ist etwas gänzlich Physisches ohne Bewusstsein und ohne Persönlichkeit, das nicht zielgerichtet wirkt.

Dass so etwas nicht existieren kann, hat Schelling nachgewiesen.


Davon weiß ich nichts.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ich hatte bisher angenommen, dass Dein Weltgrund als im strengen Sinne selbstevidenter Ausgangspunkt allen Denkens nicht weiter bestimmbar sei. Das wäre ok gewesen, aber eben auch jenseits aller Physik oder sonst irgendeiner Wissenschaft.
Aber einen "physikalischen" Weltgrund kann es nicht geben, weil dieser Weltgrund die Physik erst ermöglicht. Du machst also die Folge zu ihrer eigenen Voraussetzung.


Mit "Weltgrund" oder "Naturgrund" meine ich nichts Welt- oder Naturtranszendentes, sondern etwas Welt- oder Naturimmanentes. Und ich behaupte keineswegs, dass es sich dabei um irgendetwas "Selbstevidentes" handelt. Im Gegenteil, was das ontische Fundament der Natur ist, liegt noch im Dunkeln. Es könnte sogar sein, dass es einen solchen Urgrund überhaupt nicht gibt, sondern, dass die Welt buchstäblich bodenlos, abgründig ist. Und selbst wenn es, was ich annehme, ein Naturfundament gibt, stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine einzige Sache, möglicherweise ein einheitliches Energiefeld oder eine kontinuierliche Raumzeit, oder um viele Sachen, möglicherweise um unendlich viele "Atome" (im wörtlichen Sinn), handelt. [*
Auf jeden Fall bestreite ich das Vorhandensein eines transzendenten transphysischen Urgrundes der physischen Welt.

[* Einer bestimmten physikalischen Theorie zufolge, der Theorie der Schleifen-Quantengravitation, ist nicht nur die Materie, sondern sind auch Raum und Zeit atomar und damit nicht kontinuierlich, sondern diskret beschaffen. Das heißt, es gibt dieser Theorie nach minimale Raumvolumina und Zeitintervalle, über die hinaus es keine noch kleineren Volumina bzw. Intervalle gibt.]

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Wenn der Weltgrund eine Art Energiefeld sein sollte, dann wüsste ich nicht, was es bedeutete zu sagen, dieses offenbare sich uns Menschen gegenüber als Person.

Wenn der Weltgrund ein Energiefeld sein sollte, dann wäre er kein Weltgrund.


Aus einem solchen ewigen, unendlichen Energiefeld als unerschöpflichem "Nährboden des Seins" könnten durchaus in unaufhörlichen Zyklen des Entstehens und Vergehens alle natürlichen Phänomene, ja selbst ganze Universen, hervorsprießen.
(Ich denke an Anaximanders "Apeiron".)

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Denn der Begriff "Energie" ist seinerseits bestimmbar ("synthetisch") und muss Eigenschaften besitzen, um "Welt" zu gründen. Er ist also nicht selbstevident.


Ich habe an keiner Stelle von "Selbstevidenz" gesprochen, sondern nur du.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Daraus schloss der Wissenschaftstheoretiker Kurt Hübner, dass die Naturwissenschaften im utilitaristischen Sinn wohl große Fortschritte machen, aber ontologisch gesehen treten sie auf der Stelle.


Das stimmt nicht, denn wir wissen dank der Naturwissenschaften heutzutage erheblich mehr darüber, was es alles an Dingen und Vorgängen in der Natur gibt, als unsere Vorfahren.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Unmöglich. Siehe oben. Man müsste fragen: "Was ist eine Person?"


Über den Begriff der Person wird in den philosophischen und theologischen Fachkreisen kontrovers diskutiert.
Die Theologen verwenden mehrheitlich einen "entmaterialisierten", psychologistischen Personenbegriff, da sie ihren Gott ja als eine immaterielle Person charakterisieren, was zu Widersprüchen führt, wenn der Begriff der Körperlichkeit als ein wesentliches Merkmal des Personenbegriffs betrachtet wird.

Eines steht in meinen Augen auf jeden Fall fest: Jede normale Person, ob nun notwendigerweise materiell oder nicht, ist ein selbstbewusstes (Lebe-)Wesen, d.i. ein (lebendiges) Wesen mit höherem Bewussstein, d.h. mit Ich-Bewusstsein und der Fähigkeit zum Denken und intentionalen Handeln.
Genau eine solche (immaterielle) Person ist der theistische Gott!

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wichtig ist allein - um Dein Barth-Zitat aufzugreifen -, was Gott "tut", dh wie er sich offenbart.


Ein Gott, der nichts ist, kann auch nichts tun!
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 7. Jul 2008, 14:47

HFRudolph hat geschrieben:Pantheismus meint, dass alles göttlich ist. Eine dahinter stehende personifizierte Gottheit, eine Schöpfergottheit oder Übergottheit kommt in einem panheistischen Weltbild nicht vor.

Was "alles"? Was ist das für ein "alles"?

Ich kenne Juden, für die sind die Naturgesetze eine Art Verlängerung der Thora. Sie gehören dazu, müssen aber nicht ausdrücklich niedergeschrieben werden, da ihnen ja sowieso alles folgen muss. Gott und das, was das Universum ausmacht sind in ihrer Sicht eins - und was die geschichtliche Offenbarung betrifft: Leben wir nicht in derselben Welt, Atheisten und Theisten? Was geschehen ist, ist geschehen.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon HF******* » Mo 7. Jul 2008, 15:21

Das ist bei den Juden dann aber kein Pantheismus, wenn da noch eine personifizierte Gottheit enthalten ist.

Fishermans Fellow hat geschrieben:... Wer glaubt, weiß, wo er mit dem Lesen der Bibel anfangen muss, ...

Wer glaubt, glaubt meistens auch noch zu wissen, wo er in der Bibel anfangen muss und glaubt meistens auch zu wissen, was in den anderen Teilen steht, ohne sie gelesen zu haben.

So dick ist das Ding nun wirklich nicht, dass man die nicht mal eben durchlesen könnte, wenn es denn so ein wichtiges Buch ist :lachtot: (Das kann man ja ohnehin erst beurteilen, wenn man es durchgelesen hat, sonst weiß man gar nicht, wovon man spricht).
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 7. Jul 2008, 15:40

HFRudolph hat geschrieben:Das ist bei den Juden dann aber kein Pantheismus, wenn da noch eine personifizierte Gottheit enthalten ist.

Personenhaft offenbart! Wie denn sonst? Was Gott 'an sich' sei, darüber haben sie sich ausgeschwiegen, denn sie beachteten das zweite Gebot. Und was die sonstigen Reflexionen über die Welt und Gott betrifft, da war ihr Horizont so weit, da machst Du Dir keine Vorstellungen.
Nein - Du solltest einfach mal anerkennen, dass es selbst hier im Forum mehrheitlich Christen gibt, die Pantheismus und "Theismus" miteinander vereinen können, und da draußen in der Welt existieren noch wesentlich mehr.

Sei einfach mal empirisch, statt dem Guru zu folgen. :2thumbs:

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon HF******* » Mo 7. Jul 2008, 16:48

Myron ist nun wirklich nicht mein Guru, beim besten Willen nicht...

Ich wüsste nicht, wie das von Fishermans Fellow gesagte zusammen gehen sollte.
Pantheismus
[griechisch »Allgottlehre«] der, religionsphilosophische Lehre, in der Gott und die Welt (die schöpferische Natur) identisch sind; in reinster Form bei G.Bruno und Spinoza (»Deus sive natura«); pantheistische Strömungen finden sich jedoch schon in der Antike. In der neueren Metaphysik weisen das System F.W.J. Schellings mit der Gleichsetzung von Geist und Natur, das panlogisch-evolutionistische System G.W.F. Hegels, nach dem sich Gott durch den dialektischen Prozess der Welt selbst verwirklicht, sowie die vitalistische Philosophie H.Bergsons pantheistische Züge auf.
Literatur:
Schulz, Walter: Der Gott der neuzeitlichen Metaphysik.: Pfullingen 81991.
© 2003 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG


Mir ists ansich relativ wurscht, weil ich eine solche Position ansich für eine atheistische halte, nur dass eben

Die Juden haben Spinoza übrigend bei sich rausgeschmissen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe...
Und Einstein hat sich in einer Synagoge sicherlich auch nicht blicken lassen, obwohl er sich wohl als Pantheisten verstanden hat, sicherlich aber nicht in einem solchen Sinne, dass gleichzeitigen (!) Theismus zugelassen hätte.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mo 7. Jul 2008, 16:57

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Die Theologen schweigen aber nicht, sondern sie machen seit Ewigkeiten derartige Aussagen über ihren Gott.

Jepp, aber nicht aus einer rein rationalen Perspektive heraus, sondern einer Glaubensperspektive, dh auf dem Boden einer ganz anderen Erfahrungsgrundlage.


Nichtsdestominder stellt die Theologie die Wirklichkeit betreffende Tatsachenbehauptungen auf, die stimmen oder eben nicht.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ein (von seinem Sein her) "persönlicher Gott" wäre, wie Dawkins richtig feststellte, nicht das Ende des Regresses, weil er von irgendetwas anderem abgeleitet sein müsste.


Wieso denn?
Dass alles eine Ursache seines Seins hat, scheint mir keine logisch notwendige Wahrheit zu sein.
An der Idee eines ewigen, unverursachten "Urgrundes", sei er nun ein göttliches Wesen oder nicht, ist nichts widersprüchlich. Ein solches Naturfundament ohne Seinsursache kann es durchaus geben.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Darum kann ein seinsmäßig "persönlicher Gott" nur entweder ein Gedankengötze von Menschen oder aber ein Demiurg sein.


Ich will von den Theologen eine klare Antwort auf die Frage, ob ihr Gott im nichtmetaphorischen Sinn eine Person ist oder nicht!
Bei diesem alles entscheidenden Punkt eiern sie nämlich gerne unglaublich herum.
Da liest man dann so Sachen wie "Gott ist persönlich, aber keine Person", was ein völlig widersinniger Satz ist.
Zum Beispiel vollführt einer wie Küng konfuse rhetorische Akrobatik, um keine klare Aussage treffen zu müssen:

"Gott ist gewiss nicht Person, wie der Mensch Person ist: Der Allesumfassende und Allesdurchdringende ist nie ein Objekt, von dem sich der Mensch distanzieren kann, um über ihn auszusagen. Der Urgrund, Urhalt und das Urziel aller Wirklichkeit, das jede einzelne Existenz bestimmt, ist nicht eine Einzelperson unter anderen Personen, ist kein Über-Mensch oder Über-Ich. Auch der Personbegriff ist nur eine Chiffre für Gott: Gott ist nicht die höchste Person unter anderen Personen. Gott sprengt auch den Personbegriff: Gott ist mehr als Person! (...)
Ein Gott, der Personalität begründet, kann nicht selber apersonal sein. Gerade weil Gott keine 'Sache' ist, gerade weil er, wie im Osten betont, nicht durchschaubar, verfügbar, manipulierbar ist, ist er auch nicht unpersönlich, nicht unter-personal. Gott sprengt auch den Begriff des Unpersönlichen: Gott ist auch nicht weniger als Person!"


(Küng, Hans. Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit. München: dtv, 1981. S. 692)

1. Durch den Satz "Der Allesumfassende und Allesdurchdringende ist nie ein Objekt, von dem sich der Mensch distanzieren kann, um über ihn auszusagen" sagt Küng distanzierend etwas über ihn als Denkobjekt aus, womit er sich selbst widerspricht.

2. Was soll man als normaler Leser mit diesem typischen Theologen-Gebrabbel anfangen?!
Gott sei nicht wirklich persönlich, aber auch nicht unpersönlich, zugleich irgendwie überpersönlich, aber auf keinen Fall unterpersönlich. Und wenn's drauf ankommt, dann ist eh alles bloß eine "Chiffre".
Das große Problem der Theologen ist, dass sie meistens einerseits nicht meinen, was sie sagen, aber andererseits außerstande sind zu sagen, was sie eigentlich mit all ihren Chiffren, Metaphern und Analogismen meinen.
All das ödet mich sehr an, ehrlich gesagt.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nicht, dass dadurch grundsätzlich ausgeschlossen wäre, dass Gott ein persönlicher wäre - es ist einfach keine rationale Seinsaussage möglich.


Warum halten die Theologen dann nicht einfach ihren Mund?!
Wie sage ich gerne in Abwandlung eines bekannten Spruchs:
"Si tacuisses, theologus mansisses!"

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ein Theologe, der - sozusagen erfüllt von der Überlegenheit der Kraft Gottes - behauptet, dass Gott auch auf der Ebene rational-wissenschaftlicher Argumentation eine intelligente Persönlichkeit sei, macht sich eigentlich nur lächerlich.


Die Rede von immateriellen Personen und körperlosen Geistern erscheint auch mir lächerlich.
Aber du wirst nicht um die Tatsache umhinkommen, dass genau das die Kernbehauptung des Theismus ist: dass die natürliche, materielle Welt von einem übernatürlichen, außerraumzeitlichen (oder zumindest außerräumlichen), persönlichen, d.i. selbstbewussten, Geistwesen erschaffen worden sei und von diesem absolut beherrscht werde.

"That God is a person, yet one without a body, seems the most elementary claim of theism."

"Dass Gott eine Person ist, wenngleich eine ohne einen Körper, scheint die grundlegendste Behauptung des Theismus zu sein."
[meine Übers.]

(Swinburne, Richard. The Coherence of Theism. Oxford: Oxford University Press, 1977. p. 101)

"In asserting the existence of God, traditional Western theism asserts the existence of a purely spiritual being. According to this form of theism, God is a nonphysical spirit, or soul, with the power to affect physical things."

"Indem er die Existenz Gottes behauptet, behauptet der traditionelle westliche Theismus die Existenz eines rein geistigen Wesens. Dieser Form des Theismus zufolge ist Gott ein nichtphysischer Geist oder eine [nichtphysische] Seele mit der Macht, physische Dinge zu beeinflussen."
[meine Übers.]

(Hoffman, Joshua, and Gary S. Rosenkrantz. The Divine Attributes. Oxford: Blackwell, 2002. p. 39+)

Nimm das doch einfach so zur Kenntnis!

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Mythisch-religiöse Erfahrungsvoraussetzungen beruhen nicht auf analytischer, objektivierender Erkenntnis, sondern gehen von der Subjekthaftigkeit des Menschen aus. Kernfrage ist nicht, was wie 'objektiv da' ist, sondern wie mein Leben gelingt.


Es muss sich doch auch jeder halbwegs intelligente religiöse Mensch die Frage stellen, ob Gott objektiv, d.i. realiter da ist oder nicht. Kein Gläubiger würde doch einen Gott anbeten, von dessen Nichtexistenz er überzeugt ist, oder?

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Um all dem zu entgehen lege ich fest: Ein Objekt ist etwas Erkanntes. Ein Subjekt ist etwas, das Sinnesreize empfängt, und zwar von sich selbst (handelnd) als auch von "außen" oder "innen".


Ich würde sagen, ein Subjekt ist ein Objekt, für das es Objekte gibt und für das es irgendwie ist, ein Objekt zu sein.

Im allgemeinsten Sinne ist jeder beliebige Gegenstand unseres Denkens ein Objekt. Dazu zählen auch alle rein fiktiven/imaginären/irrealen/inexistenten Objekte. Von Letzteren kann es natürlich keine Erkenntnisse geben, da nur reale Objekte ein erkennbares wirkliches Wesen besitzen.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Dawkins hat angesichts gewisser Computerkapriolen gezeigt, wie sehr wir dazu neigen, nicht-intentionale Dinge zu personifizieren, dh etwas als Subjekt wahrzunehmen... und zwar, um so mehr es (anscheinend) selbstständig agiert und vor allem auch re-agiert, dh genauso wie auch ich als Subjekt, mich selbst als empfindend und auch handelnd erlebe.


Gut, es mag ja sein, dass wir alle eine uralte Neigung in uns tragen, als Ursachen von Naturerscheinungen bewusste Akteure anzunehmen, die durch ihre Willenskraft das Schicksal der Menschen lenken.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Nun kommt noch ein zweiter Aspekt hinzu: Ich nehme all diese anderen Subjekte nicht etwa völlig unabhängig voneinander wahr, als ob jedes in seinem Privatuniversum sitzen würde, sondern irgendwie miteinander verbunden, als Teil eines übergreifenden Zusammenhangs. Im Rahmen objektivierender Erkenntnis würde ich es vielleicht "Welt" oder "Weltgrund" nennen, aber ich erlebe es als absolutes Subjekt. Ich denke, hierin liegt die Wurzel des Theismus.


Indem in den "Urgrund des Seins" Subjektivität, Bewusstsein und Personalität hineinprojiziert wird, wird Gott als ein absoluter Geist gesetzt, dessen reale Existenz angenommen wird.
Was mit "Erleben des göttlichen Subjektes/der göttlichen Person/des göttlichen Bewusstseins" gemeint sein könnte, ist mir allerdings schleierhaft. Irgendwie scheint es um eine Art übersinnlicher Wahrnehmung oder Erfahrung zu gehen, eben um komische religiös-mystische Erfahrungen, deren angeblich transzendentaler Erlebnisgehalt meines Erachtens reine Einbildung ist.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Erst die analytische Trennung von Intention/Geist und Materie und der Beginn einer objektivierenden Betrachtung ermöglichten es, dieses absolute Subjekt gleichsam als Automaten anzusehen, als Objekt, das gewissen Regeln gehorcht - oder eben als reinen Geist, welcher, subjekthaft und über-intelligent, seine Absichten verfolgt.


Jedes Subjekt ist notwendigerweise zugleich ein Objekt, weil Subjektivität ein abhängiges Erzeugnis bestimmter objektiver Vorgänge in bestimmten Objekten, sprich Tieren, ist. Die Seele ist das "Innensein des Organismus" (W. Wundt).

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ansonsten erklärt sich die für einen analytischen Philosophen unverständliche und vielleicht schwachsinnige Sprache durch die unterschiedlichen Erfahrungsbedingungen rationaler bzw religiös-mythischer Erkenntnis: Barth war ja kein Universitätstheologe, sondern Landpfarrer gewesen, bevor sie ihn wieder zurück an den Lehrstuhl schleppten.


Es gibt eine große Zahl von Universitätstheologen, die auch im miserablen "Landpfarrer-Stil" schreiben.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 7. Jul 2008, 17:26

HFRudolph hat geschrieben:Myron ist nun wirklich nicht mein Guru, beim besten Willen nicht...

Ich wüsste nicht, wie das von Fishermans Fellow gesagte zusammen gehen sollte.
Pantheismus
[griechisch »Allgottlehre«] der, religionsphilosophische Lehre, in der Gott und die Welt (die schöpferische Natur) identisch sind; in reinster Form bei G.Bruno und Spinoza (»Deus sive natura«); pantheistische Strömungen finden sich jedoch schon in der Antike. In der neueren Metaphysik weisen das System F.W.J. Schellings mit der Gleichsetzung von Geist und Natur, das panlogisch-evolutionistische System G.W.F. Hegels, nach dem sich Gott durch den dialektischen Prozess der Welt selbst verwirklicht, sowie die vitalistische Philosophie H.Bergsons pantheistische Züge auf.
Literatur:
Schulz, Walter: Der Gott der neuzeitlichen Metaphysik.: Pfullingen 81991.
© 2003 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG

Wo wir gerade bei Schelling sind:
F.W.J. Schelling, I/7,438 hat geschrieben:
In Ansehung der Idee Gottes wird nämlich auf zwei Seiten gefehlt. Nach der dogmatischen, für orthodox gehaltenen Ansicht wird Gott als ein besonderes, abgeschnittenes, einzelnes, ganz für sich bestehendes Wesen angesehen, wodurch also die Creatur ganz von ihm ausgeschlossen wird. Die gemein=pantheistische Ansicht dagegen läßt Gott gar kein besonderes, eigenes, für sich bestehendes Daseyn; sie löst ihn vielmehr in eine allgemeine Substanz auf, die nur Träger der Dinge ist. Nun ist aber Gott beides; er ist zuförderst Wesen aller Wesen, aber als dieses muss er doch auch selbst existiren, d. h. er muß als Wesen aller Wesen einen Halt, ein Fundament für sich haben.
Also: Gott ist in seiner höchsten Dignität allgemeines Wesen aller Dinge, aber dieses allgemeine Wesen schwebt nicht in der Luft, sondern ist begründet und gleichsam getragen durch Gott als individuelles Wesen; das Individuelle in Gott also die Basis oder Unterlage des Allgemeinen.


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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon stine » Mo 7. Jul 2008, 17:30

Myron hat geschrieben:Was soll man als normaler Leser mit diesem typischen Theologen-Gebrabbel anfangen?!
Gott sei nicht wirklich persönlich, aber auch nicht unpersönlich, zugleich irgendwie überpersönlich, aber auf keinen Fall unterpersönlich. Und wenn's drauf ankommt, dann ist eh alles bloß eine "Chiffre".
Das große Problem der Theologen ist, dass sie meistens einerseits nicht meinen, was sie sagen, aber andererseits außerstande sind zu sagen, was sie eigentlich mit all ihren Chiffren, Metaphern und Analogismen meinen.


Das Problem der fixen Bestimmung scheint es nicht nur bei Gott zu geben, auch die Gottlosen haben da, so scheint es, ihre ganz eigenen Probleme:

Myron hat geschrieben:Die ganze Sache ist etwas verwirrend, denn mit "agnostischer Atheist" kann ein sowohl wissens- als auch glaubensagnostischer negativer Atheist gemeint sein (d.i. ein Agnostiker im üblichen Sinn) oder ein wissensagnostischer positiver Atheist (der glaubt, dass die Wahrscheinlichkeit der Nichtexistenz von Göttern sehr hoch, aber nicht gleich 1 ist).
Diese Verwirrung rührt daher, dass die Ausdrücke "Agnostizismus" und "Agnostiker" einerseits im epistemischen Sinn (bezogen auf Wissen) und andererseits im doxastischen Sinn (bezogen auf Glauben, Meinen) verwendet werden.


LG stine :mg:
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon emporda » Mo 7. Jul 2008, 17:55

stine hat geschrieben:Das Problem der fixen Bestimmung scheint es nicht nur bei Gott zu geben, auch die Gottlosen haben da, so scheint es, ihre ganz eigenen Probleme:

Was ist daran nicht klar. Den christlichen Gott und die sonstigen Legionen von Göttern sind eingebildete menschliche Konstrukte, erdacht um persönliche Schwächen und Probleme zu lösen oder zu überspielen. Sobald einer es schafft einem Zeitgenossen seinen persönlichen Gott einzureden, von da an ist nicht nur ein Wahn, sondern auch eine Religion
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 7. Jul 2008, 20:59

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Dass so etwas nicht existieren kann, hat Schelling nachgewiesen.


Davon weiß ich nichts.

Zum Bleistift in seinem "Zur Geschichte der neueren Philosophie", wenn er sich mit Spinzas Substanz und Kants Ding an sich auseinandersetzt. Da für Kant jenes außer der Erfahrung (dh auch der Erkenntnis jeder Art inklusive der Anschauungsformen) Vorausgesetzte (wie Du gern im Hinblick auf Gott betonst, was aber zugleich für einen wie immer gearteten "Weltgrund" gilt),
F.W.J. Schelling, I,10,83 hat geschrieben:völlig zu nichts wird, sehen wir dass Kant uns am Ende eben wieder dahin bringt, wo wir zuvor waren, zu der völlig ungeklärten Erfahrung.


Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Aber einen "physikalischen" Weltgrund kann es nicht geben, weil dieser Weltgrund die Physik erst ermöglicht. Du machst also die Folge zu ihrer eigenen Voraussetzung.


Mit "Weltgrund" oder "Naturgrund" meine ich nichts Welt- oder Naturtranszendentes, sondern etwas Welt- oder Naturimmanentes. Und ich behaupte keineswegs, dass es sich dabei um irgendetwas "Selbstevidentes" handelt. Im Gegenteil, was das ontische Fundament der Natur ist, liegt noch im Dunkeln.

Eben. Dennoch ist es Deine feste Überzeugung, dass der Weltgrund physikalischer Natür ist. Das ist ein klassischer Fall von Selbstevidenz.
(Wenn man es begründen könnte, wäre es ja nicht mehr selbstevident!)

Myron hat geschrieben:Auf jeden Fall bestreite ich das Vorhandensein eines transzendenten transphysischen Urgrundes der physischen Welt.

Der Weltengrund (oder "Weltenabgrund") ist Deiner Auffassung nach Ausgangsbedingung jeglicher Existenz.
Eine transzendente Erkenntnis (ohne "Existenz") gibt es Deiner Auffassung nicht.
Folglich ist Existenz die Voraussetzung für rationales Denken.
Physik ist ein Denkmodell. Produkt menschlich-rationaler Vorstellung.
Mit anderen Worten: Du machst , was sich aus dem Weltengrund entwickelt hat, zu seiner eigenen Voraussetzung. Das ist zirkulär.

Wenn dagegen die Annahme zutreffen sollte, dass Physik als menschliches Verstandesprodukt nur ein grenzwertiges Denkmodell bezüglich der im Weltengrund inhärenten "Physik an sich" ist, wie lässt sich dann diese "Physik an sich" vollständig erklären?
Ferner: Die Physik erklärt seiende Objekte, nicht das Subjekt des "Seins".

Myron hat geschrieben:Ich habe an keiner Stelle von "Selbstevidenz" gesprochen, sondern nur du.

Schon richtig, aber siehe oben.

Myron hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Daraus schloss der Wissenschaftstheoretiker Kurt Hübner, dass die Naturwissenschaften im utilitaristischen Sinn wohl große Fortschritte machen, aber ontologisch gesehen treten sie auf der Stelle.


Das stimmt nicht, denn wir wissen dank der Naturwissenschaften heutzutage erheblich mehr darüber, was es alles an Dingen und Vorgängen in der Natur gibt, als unsere Vorfahren.

Insofern man für "Natur" ein physikalisches Denkmodell einsetzt, bzw indem man sich darüber freut, dass wir heute viel kompliziertere Maschinen zum Laufen kriegen als früher.
Aber wir wissen nicht, ob uns die Theorien der jüngeren Vergangenheit näher an die "Dinge an sich" herangebracht haben, oder ob wir nicht einen ganz gigantischen Irrweg gehen.
Ganz im Vertrauen: Das herauszubekommen, ist auch gar nicht Aufgabe der Naturwissenschaften. Sie sind dazu da, um den Nutzen zu steigern, nicht, um die Wahrheit herauszubringen.

Myron hat geschrieben:Eines steht in meinen Augen auf jeden Fall fest: Jede normale Person, ob nun notwendigerweise materiell oder nicht, ist ein selbstbewusstes (Lebe-)Wesen, d.i. ein (lebendiges) Wesen mit höherem Bewussstein, d.h. mit Ich-Bewusstsein und der Fähigkeit zum Denken und intentionalen Handeln.
Genau eine solche (immaterielle) Person ist der theistische Gott!

"Persona" (wörtlich "hindurchtönen") bezeichnete ursprünglich die Maske im römischen Theater (durch die die Stimme des Schauspielers tönte). Diese Wortbedeutung (als 'gespielte Rolle') war den ersten großen trinitarischen Theologen in der alten Kirche sehr wichtig. Gott 'offenbart' sich in Rollen, denn wir würden es nicht überstehen, wenn wir ihm ungefiltert begegnen würden (so diverse Stellen aus dem Alten Testament).

Ich denke, ich habe oben deutlich gemacht, dass die Physik nicht alles erklären kann (und füge hier hinzu: Auch nicht ihre eigenen Denkvoraussetzungen). Insofern ist es anzunehmen, dass es Sachen gibt, die von der Physik schlicht nicht beschrieben werden können, gerade auch insofern sie deren Denkvoraussetzungen übersteigen.
Wenn Du Gott lieber innerhalb Deines Definitionsrahmens (als Person, als immaterielle Intelligenz oder was sonst) definieren willst - bitte.
Aber es ist sinnlos. Diesen Gott bzw Götzen gibt es nicht.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Qubit » Mo 7. Jul 2008, 23:59

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ich denke, ich habe oben deutlich gemacht, dass die Physik nicht alles erklären kann (und füge hier hinzu: Auch nicht ihre eigenen Denkvoraussetzungen). Insofern ist es anzunehmen, dass es Sachen gibt, die von der Physik schlicht nicht beschrieben werden können, gerade auch insofern sie deren Denkvoraussetzungen übersteigen.


Hier mal ein Weg zu paar Gedankensplittern dazu mit meinen (;-)) Antworten:

* Kann man Irrationalität rational begründen? Nein, Irrationalität hat keine Eigenschaften der Rationalität. Insbesondere kann man nicht die Notwendigkeit von Irrationalität als "Weltgrund" rational begründen.

* Kann man Gott rational begründen? Nein, wie hier schon analysiert wurde. Die "Gottesidee" und damit "Gott" (als identisch mit dieser Idee) ist irrational, da sie nicht rational widerspruchsfrei formuliert und gedacht werden kann.

* Lässt sich die Natur rational begründen? Ja, insofern man die Naturgesetzlichkeiten der Naturwissenschaften verstanden hat.

* Gibt es Gründe für die Annahme, dass "irrationale Ursachen" in der Natur wirken? Nein, unsere bisherigen (freilich "menschlichen") wissenschaftlichen Erfahrungen und Theorien sprechen für das Gegenteil, für rational verstandene Naturgesetzlichkeit, wo sie erkannt wurde. Sonst könnte ich hier das nicht schreiben ;-)

* Sind deshalb "irrationale Wahrnehmungen" für "Weltgründe" ausgeschlossen? Nein, da zB der Mensch dazu offensichtlich fähig ist. Dies ist wohl seine "geistige" Stärke und Schwäche zugleich.

* Sind sie deswegen als vom Menschen "real" zu betrachten? Nein, insofern sie in der "rationalen" Natur wirken sollen. Sollten sie es, könnten wir die Natur nicht "rational" verstehen. Bisher spricht nichts dafür, natürliche Phänomene lassen sich im Gegenteil rational erklären. Insofern sie "ausserhalb" der Natur wirken sollen, _können_ wir es nicht wissen und verstehen. Rational ist es nicht möglich, dies zu begründen und damit als "real" zu verstehen.

* Werden wir die "gesamte" Natur rational begründen können? Wir wissen es nicht. Bisher jedoch nicht.

* Wenn nicht, muss es dann einen "irrationalen" Weltgrund geben? Nein. Rationalität ist ihrem Wesen nach kontingent. Andererseits kann sie aber auch mehr umfassen, als was die "Welt" ist. "Mathematische Rationalität" beschreibt zB. PI, Verhältnis von Umfang zum Durchmesser eines "Kreises". In der "erfahrbaren" Natur PI nachzuweisen, ist aber unmöglich. Rationalität ist also keine Grenze für Rationalität. Prinzipiell kann sie erweitert werden und mehr umfassen als "notwendig" ist, also insbesondere auch, was die "Welt", i.e. "Natur", ist. Die Frage hier ist, ob der Mensch (mit seinem Gehirn) dazu in der Lage sein wird.

* Andererseits, wenn wir die "gesamte" Natur erklären können, wissen wir dann sicher, was die "Natur an sich" ist? Nein, da Rationalität kontingent ist, kann auch ein anderes "rationales Erklärungssystem" zu einem selbstkonsistenten Verständnis der gesamten Natur kommen.

* Wovon hängt denn dann unser rationales Verständnis der Natur ab? Von unserem "Geist", also nach aktueller Erkenntnislage von unserem Gehirn. Alle unsere Ideen und Vorstellungen von allem sind dort "repräsentiert" und uns bewusst. Also auch unsere Vorstellung, was "Natur an sich" ist. Insofern wird dem Menschen immer der Mensch Mittelpunkt der Welt bleiben.

* Also gibt es mehrere "Wahrheiten" vom Wesen der Welt? Jein, eine Wahrheit je Vorstellungskontext von der Welt ;-)

* Kann es dann sein, dass sich die Welt auch rein irrational vorstellen lässt? Nein, weil Irrationalität Rationalität nicht einschränken kann. Dazu bedarf es vielmehr rationaler Überlegungen. Wer rational Denken kann, kann nicht alles irrational erklären.

* Soll ich denn nun von einem "rationalen" oder "irrationalen" Weltgrund ausgehen? Geh von dem aus, was du verstehst, und das ist "rational" ;-)

* Warum gibt es überhaupt Menschen, die "irrationale Weltgründe" wie "Gott" für "real" betrachten? Weil sie sich zu wichtig nehmen und einer Kardinalschwäche menschlichen Daseins unterliegen: Menschliche Vorstellungen in die Welt zu projizieren und für real zu halten. Die Geschichte der "intellektuellen" Aufklärung zeigt dies recht deutlich.
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