Myron hat geschrieben:Wunderbar, nur was ändert das an dem von Swinburne vollkommen korrekt beschriebenen theistischen und damit auch christlichen Gottesbegriff?—Nichts!
Swinburnes Versuch ist auf der ganzen Linie Pfusch. Sowohl im Rahmen der rationalen wie auch der mythisch-religiösen Erfahrungsdimension:
(a) Auf der rationalen Seite ist ein solches Geistwesen ein selbstwidersprüchliches Unding, wir wir übereinstimmend feststellten.
(b) Auf der mythisch-religiösen Seite verletzt Swinburne das zweite und dritte Gebot und eine Reihe weiterer Verdikte, und beschwört, biblisch gesehen, ein Donnerwetter über sich herauf: "Du sollst Dir kein Bild von Gott machen [...] Denn der HErr wird die nicht ungestraft lassen, die seinen Namen missbrauchen."
Glaube mir: Swinburnes Ansatz, Gott begrifflich "zu fangen", ist auf mythisch-religiöser Ebene ebenso lächerlich wie lästerlich einzuschätzen, wie er auf der rationalen sinnlos erscheint.
Myron hat geschrieben:Fisherman's Fellow hat geschrieben:In der Wikipedia wird auch noch eine feine Unterscheidung angestellt, welche Du nicht machst:
"Der Begriff Theismus [...] ist die Bezeichnung für die religiöse oder philosophische Überzeugung vom Dasein eines höchsten, überweltlichen, persönlichen Wesens (Gott), das die Welt erschaffen hat, erhält, regiert und somit einen ständigen Einfluss auf sie hat."
Natürlich bin ich auch davon überzeugt vom Dasein eines persönlichen Gottes, und zwar genau im Sinne einer trinitarischen "Persona" dh einer in Bezug auf uns Menschen zugeschnittenen "Maske" Gottes.
Die oben fett gedruckte Einschränkung ist bedeutsam. Mann kann auf der Grundlage mythisch-religiöser Erfahrungvoraussetzungen davon überzeugt sein, ohne auf der rationalen Erfahrungsbasis zum gleichen Urteil zu gelangen.
Eine solche Art von "Glaubensschizophrenie" ist absurd.
Entweder du bist vom Dasein eines persönlichen Gottes überzeugt oder eben nicht—Punkt.
Ach komm, so schwer ist das doch nicht zu verstehen.
Wenn Du mit dem Auto durch einen Ort mit gerade noch erlaubter Geschwindigkeit düst, und plötzlich überquert die Frau Deines Lebens die Straße: Wirst Du dann nicht bremsen, um einen Kontakt mit ihr zu vermeiden? Verkehrstechnisch - also "auf der Basis Deiner autofahrerbezogenen Erfahrungsdimension" ist sie ein Hindernis, das nicht berührt werden darf: Erstens, weil es Dein Auto beschädigt, zweitens, weil es verboten ist, wie Du in der Fahrschule gelernt hast, und drittens, um zu dieser Frau später auf der Basis einer ganz anderern, "beziehungstechnischen" Erfahrungsdimension ("Love-Talk") Kontakt aufnehmen zu können.
Ähnlich, nur weit grundsätzlicher ist der Unterschied zwischen der rational-wissenschaftlichen und der mythisch-religiösen Erfahrungsdimension.
Myron hat geschrieben:Wenn ich hier vom Theismus spreche, dann spreche ich vom personalistischen Monotheismus (und ich denke, du auch).
Nö, eigentlich nicht. Ich habe mich nur an Deine Definition angepasst, finde aber weiterhin, dass sie eine typische Strohmann-Definition darstellt, die so unmöglich, zugleich zu eng führend als auch in sich widersprüchlich formuliert ist, dass man "sie" eigentlich abfackeln
muss.
Und in der Tat: Nach dieser Definition bin ich ein Atheist.
Oder, um nochmal auf Dawkins zurückzukommen, der sich am Ende seines Buches über Leute mokierte, die ihm schrieben: "Ich bin zwar Atheist, aber...":
Ich bin zwar Atheist, aber nur nach der verqueren Definition der Naturalisten, also ein Atheist, der auf Gott vertraut, der betet, der Kirchenmitglied ist und sich selbst als religiös ansieht.
Myron hat geschrieben:Es scheint sich auch nach über 2000 Jahren noch nicht überall herumgesprochen zu haben, dass wir eigentlich schon seit der griechischen Antike, seit den philosophischen Vorsokratikern, im postmythischen Zeitalter leben.
Diesen Ratschlag solltest Du Dir selbst mal zu Herzen nehmen in Hinblick auf die Natur Deiner axiomatischen Grundfestlegungen.
Die Sophisten verfügten, auch wenn sie sich bezüglich ihrer Axiome noch keine Rechenschaft ablegten, wenigstens noch über einen halbwegs intakten Rückgriff auf den Mythos; insofern war ihr Erfahrungsradius noch weiter als der der Naturalisten.
Myron hat geschrieben:Und du meinst, dass stattdessen irgendwelche vernunftfernen Glaubensgefühle den Weg zu wahrhaftiger Wirklichkeitserkenntnis ebnen?
Es geht nicht um Gefühle, sondern um die
Vorbedingungen von Erfahrung von Wirklichkeit.
Um es mal ganz deutlich zu sagen: Du kommst aus der objektsprachlichen Innenperspektive Deines Physikalismus nicht heraus; ja, Du bist nicht einmal bereit oder in der Lage, seine Prämissen auf Herz und Nieren zu prüfen.
Damit erreichst Du natürlich auch nicht das metasprachliche Niveau, mit dem es Dir möglich wäre, neben der (kontingenten) Ontologie einer empirischen Erfahrungsgrundlage andere Erfahrungsgrundlagen überhaupt als mögliche und durchaus erfolgreiche zu registrieren; ganz zu schweigen davon, dass Du ein Verständnis für die objektsprachliche Innenperspektive einer mythisch-religiösen Erfahrungsdimension entwickelst.
Myron hat geschrieben:Mir ist zwar aber immer noch nicht klar, was genau du mit "religiöse Erfahrungsgrundlage" meinst, aber ich bestreite, dass ich selbst erst religiös werden müsste, um den objektiven Gehalt der Theologie kritisch-rational hinterfragen zu können.
Wenn Du schon soweit bist, objektive Gehalte feststellen zu können, dann hast Du offenbar den Boden der Tatsachen verlassen und bist dem "bösen Mem" des Naturalismus anheim gefallen, welches wissenschaftliche Erkenntnis mit objektiver Wahrheit gleichsetzt.
Myron hat geschrieben:(Was objektiv falsch ist, kann nicht subjektiv wahr sein—höchstens subjektiv für wahr gehalten werden.)
Aus Falschem kann Wahres geschlossen werden. Nur niemals Falsches aus Wahrem. Ob es "objektiv Falsches" oder "objektiv Wahres" überhaupt gibt, sei einmal dahin gestellt. (Dies nur fürs Protokoll und zur Aufrechterhaltung des Diskussionsniveaus)
Myron hat geschrieben:Aber wenn ich dem Weltgrund, den du im Gegensatz zu mir als etwas Überweltliches zu betrachten scheinst, die Existenz zuspreche, dann wird er dadurch doch nicht zu etwas Abgeleitetem, d.h. zu etwas nicht Grundlegendem.
Doch, natürlich. Auch die Annahme des Seins dieses Weltgrundes ist eine Prämisse - und eine unbeweisbare noch dazu, denn es ist ja keineswegs erwiesen, dass die Welt eine, dh eine auf einheitliche Grundprinzipien zurückzuführende ist.
Myron hat geschrieben:Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ich versuche es mit einem Vergleich: Die Einheit dessen, was wir als unsere Welt annehmen und erkennen, erfordert, dass alles Sein und alle unsere Begriffe, Kategorien, Erkenntnismittel von einer einheitlichen Instanz abhängen - dem Weltgrund.
Ohne die Welt und ihren Grund gäbe es uns und unsere Begriffe nicht.
Da ist eine triviale Erkenntnis.
Prima! Das ist schon die halbe Miete.
Jetzt müssen wir diese Erkenntnis nur noch richtig ernst nehmen.
Myron hat geschrieben:Die (abstrakte) Klasse der Weltgründe ist eine Klasse, aber nicht der (konkrete) Weltgrund als deren (einziges) Element.
Und die Klasse (Menge) der Weltgründe ist der Umfang des Begriffs "Weltgrund".
Okay.
Myron hat geschrieben:Fisherman's Fellow hat geschrieben:Die Frage, ob der Weltgrund existiert, ist also sinnlos, denn die Eigenschaft "Weltgrund.Exitenz" ist durch den Weltgrund bedingt und erlaubt keinerlei Rückschlüsse auf diesen. Als oberste Klasse kann der Weltgrund nicht mit Weltgrund..PhysischeObjekte.Universum oder
Weltgrund..GedankenObjekte.UnsichtbaresRosarotesEinhorn
verglichen werden, über die Existenzaussagen möglich sind, wenn man zuvor dem Weltgrund als Seinsprinzip eine logische Funktionsbibliothek "Weltgrund.Logik()" zugeordnet hat, die auf alle untergeordneten Objektklassen anwendbar ist.
Die Frage, ob der Weltgrund existiert, ist sehr wohl eine sinnvolle Frage, sofern hinreichend klar ist, auf was sich die Kennzeichnung "der Weltgrund" bezieht.
Und was ist "Existenz"? Ein Ding, das neben oder über dem Weltgrund steht; an dem er teil hat oder was?
Siehe oben, "triviale Erkenntnis": "Existenz" ergibt sich daraus, dass gewisse, anscheinend bewußtseinsbegabte Strukturen in der Welt das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Dingen jenseits ihrer eigenen Wahrnehmung postulieren und kommunizieren. Nicht die Welt oder der Weltgrund brauchen "Existenz", sondern
wir brauchen den Begriff der Existenz als Voraussetzung rationalen Denkens. Er ist nichts als ein Werkzeug, das bewährt, aber nichtsdestoweniger - wie alle übrigen axiomatischen Werkzeuge - kontingent und damit als irgendeine Unterklasse der obersten Klasse "Weltgründe" anzusehen ist.
Myron hat geschrieben:Dein Weltgrund ist ja Gott, und ich kann nicht glauben, dass du als gläubiger Christ die Existenz deines Gottes nicht im Brustton der Überzeugung bejahst.
Wenn mein Weltgrund Gott wäre, dann würde ich an einen Götzen glauben, dh an etwas, das ich mir zwar nicht aus Holz und Plastik, wohl aber aus Hirnschmalz zusammengezimmert hätte. Sei also unbesorgt.
Der Weltgrund beschreibt die
operative Stellung, welche ein Schöpfergott in einer rationalen Ontologie einnehmen müsste; und worauf ich hinaus will, ist, dass sich über die Natur
dieser operativen Stellung nichts weiter aussagen lässt, da alles aus ihr abgeleitet ist... alles Sein, alle Verstandesbegriffe - alles eben.
Myron hat geschrieben:Fisherman's Fellow hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Was Sinn machen würde, wäre die Formulierung "Gott ist der Allliebende."
Nein. Der johanneische Gott beschränkt seine Liebe auf die Seinen. Es gilt die Regel: "
Wer an ihn [den Sohn Gottes] glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet" (Joh 3,18)
Danke, dass du mich daran erinnerst, dass Gott ja gar nicht der Allliebende, sondern nur der All-die-Seinen-Liebende ist. Ich hatte vorübergehend ganz vergessen, dass auf Leute wie mich im höllischen Konzentrationslager ewigliche Folter wartet.
Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen. Exegetisch betrachtet beziehen sich alle "gehenna"(="Hölle")-Stellen des Neuen Testaments auf Apostaten bzw solche, die zur Apostasie anstiften.
Grüßle,
FF