Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ein strafender Herr ist eine Person, und ich habe darauf hingewiesen, dass ich diese Aussage im Rahmen eines mythisch-religiösen Erfahrungshorizontes verstehe.
Du hast in einem vorherigen Beitrag geschrieben:
"Natürlich bin ich auch davon überzeugt vom Dasein eines persönlichen Gottes, und zwar genau im Sinne einer trinitarischen 'Persona' dh einer in Bezug auf uns Menschen zugeschnittenen 'Maske' Gottes."
Leider kann ich damit nichts anfangen. Du willst ja wohl kaum sagen, dass Gott persönlich sei, weil er eine Maske trage, oder?
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Von Person kann man im naturwissenschaftlichen Bereich ohnehin kaum sprechen; sie löst sich zunächst in neurophysiologische, dann in chemische, schließlich in physikalische Prozesse auf.
Personen sind selbstbewusste und denkfähige Lebewesen, und als solche der naturwissenschaftlichen Betrachtung durchaus zugänglich. Alle natürlichen Personen sind materieller Natur, wohingegen der Theismus mit Gott eine übernatürliche und damit immaterielle Person setzt. Aber auch als eine immaterielle Person bleibt Gott ein selbstbewusstes und denkfähiges Lebewesen. Davon geht der Theismus aus.
(Ob der Begriff einer immateriellen Person überhaupt logisch haltbar und sinnvoll verwendbar ist, ist eine andere Frage. Aber als Theist hat man keine andere Wahl, als daran festzuhalten. Denn wenn man diesen Begriff aufgibt, gibt man den gesamten Theismus auf.)
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Im täglichen Leben verfügst Du durchaus noch über ganz andere Erfahrungsgrundlagen als das wissenschaftliche Be-Greifen, aber diesen Umstand gestehst Du Dir nicht ein.
Ich bin ja gar kein Wissenschaftler; aber ich weiß zumindest eines: ich habe natürliche Sinne, einen natürlichen Verstand und eine natürliche Sprache, mithilfe deren ich die Wirklichkeit zu begreifen suche. Von ganz anderen Erfahrungs- oder Erkenntnisgrundlagen weiß ich nichts.
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Da empirische Sätze immer von apriorischen Prämissen ausgehen, sind sie ebenfalls nicht objektiv, woraus folgt, dass die physikalistische Ontologie, ebenso wie jede andere, kontingent ist und insofern nicht "objektiv" genannt werden darf.
Die Physikalisten geben die Kontingenz ihres Standpunktes gerne zu. Sie räumen ein, dass es mögliche Welten gibt, in denen der Physikalismus falsch ist. Sie bestreiten lediglich, dass unsere wirkliche Welt eine ist, in der er falsch ist. Ob sie damit recht haben oder nicht, darüber entscheiden objektive Tatsachen.
Im Übrigen darf "apriorisch" (im Sinne von "nicht aus der Erfahrung abgeleitet") nicht mit "(epistemisch) nichtobjektiv" gleichgesetzt werden. Auch die Wahrheit apriorischer Annahmen hängt von objektiven Tatsachen ab.
Außerdem können apriorische Annahmen durchaus im Lichte empirischer Erkenntnisse revidiert werden; denn dass etwas nicht aus der Erfahrung (aus empirischen Basissätzen) abgeleitet ist, bedeutet nicht, dass es gegen empirisches Wissen prinzipiell immun ist.
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Es gibt kein sachliches Argument für die "höhere" Objektivität wissenschaftlicher Erkenntnis. Es gibt nur einen diesbezüglichen Aberglauben.
Die Objektivität der Wissenschaften ist in deren Methodik begründet.
Auf der Suche nach Beweisen für ihre Theorien geht sie
medias in res und gibt sich nicht mit bloßen Erzählungen zufrieden.
Und ihr praktischer, technologischer Erfolg untermauert ihren objektive Geltung.
Was die Wissenschaftler nicht wissen, weiß niemand. Und falls doch jemand etwas wissen sollte, das die Wissenschaftler nicht wissen, dann weiß er nicht, dass er es weiß.
Fisherman's Fellow hat geschrieben: Myron hat geschrieben:denn die Wahrheit bzw. Falschheit einer Aussage ist immer etwas Objektives.
Bei formal logischen Sätzen. Nicht aber bei empirischen Aussagen, die von apriorischen Prämissen abhängen, welche falsch sein können, was aber unentscheidbar ist.
Wahrsein und Fürwahrhalten sind schlicht und ergreifend nicht ein und dasselbe.
Die Idee der Wahrheit ist per se objektivistisch.
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
... wie die Lehre des Buddhismus zB besagt, dass es keinen Kausalzusammenhang gibt.
Soweit ich weiß, geht der Buddhismus sehr wohl von einem kosmischen Kausalzusammenhang aller Dinge aus.
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Die Negation eines einheitlichen Weltgrundes wäre meiner Meinung nach der Super-Gau für die Wissenschaften.
"Einheitlich" kann aber nicht "einfach" bedeuten, denn der Weltgrund muss irgendeine dynamische Struktur aufweisen, weil er andernfalls nicht all die natürlichen Phänomene hervorbringen könnte.
Fisherman's Fellow hat geschrieben: K. Hübner: "Der Glaube des logischen Positivismus, in den Basissätzen die entscheidende Grundlage für empirische Verifikationen oder Falsifikationen gefunden zu haben, wurde jedoch schon 1934 von K. Popper erschüttert, als er darauf hinwies, dass des niemals absolute Verifikationen wissenschaftlich-empirischer Aussagen gibt, weil deren Überprüfung stets theoretische Annahmen vorausgehen, die nicht im selben Kontext überprüft werden können."
Die wenigsten Naturalisten sind heutzutage noch logische Positivisten der alten Schule.
Ich gehöre nicht dazu.
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Hübner: "(...) Zusammengefasst: Es gibt im Bereich der exakten empirischen Wissenschaften überhaupt keine absoluten, allein durch Erfahrung und formale Logik bestimmte Verifikationen oder Falsifikationen."
Will er damit sagen, dass es keine wissenschaftlich definitiv verifizierten oder falsifizierten Aussagen gibt?
Wenn ja, muss ich ihm widersprechen. Zwei Beispiel: Dass sich Wasser aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom zusammensetzt, ist zweifelsfrei bewiesen, und dass sich die Sonne um die Erde dreht, ist zweifelsfrei widerlegt.
Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Hübner: "Es gibt ebenso wenig eine empirische Widerlegung der mythischen Ontologie wie es eine empirische Begründung der wissenschaftlichen Ontologie gibt. (...) Der wissenschaftstheoretische Vergleich zwischen der wissenschaftlichen und mythischen Ontologie lässt sich nun verallgemeinern: Ontologien der bezeichneten Art sind prinzipiell gleichberechtigt. (...) Wenn es nämlich behauptet, dass man die Wirklichkeit gleichberechtigt einmal unter dem Gesichtspunkt dieser, ein andermal unter dem Gesichtspunkt jener Ontologie betrachten kann, weil sie alle gleichberechtigt sind, so besagt das doch, dass man sie einmal unter dem Aspekt dieser, dann wieder jener Ontologie betrachten kann, dass also die Wirklichkeit einen aspektischen Charakter hat."
Was meint Hübner mit "mythische Ontologie"?
Ich denke dabei spontan an die Setzung spiritueller Substanzen wie Götter, Teufel, Engel, Dämonen und Menschenseelen (oder auch an animistische Vorstellungen).
Er selbst schreibt:
"Es sei gefragt: War der Mythos nicht eine paradigmatische Alternative zur wissenschaftlichen Ontologie und in welchem Verhältnis stand er zu ihr? Es zeigte sich in der Tat, dass er ebenfalls wie diese ein Erfahrungssystem darstellt, und dass man die Punkte aufzählen kann, die ihn einerseits als ein solches kennzeichnen und andererseits den analogen Zusammenhang zwischen der mythischen und der wissenschaftlichen Ontologie erkennbar machen. Es sind hauptsächlich die folgenden:
1. Für den Mythos bilden im Gegensatz zur Naturwissenschaft das Ideelle und das Materielle eine unlösliche Einheit. Alles Ideelle nimmt sogleich eine materielle Gestalt an.
2. Was in der Naturwissenschaft die Naturgesetze sind, sind im Mythos die Archaí, also Ursprungsgeschichten. In ihnen wird jeder regelmäßige, sich stets wiederholende Ablauf im Naturgeschehen auf ein ursprüngliches, nicht datierbares Urereignis zurückgeführt.
3. Der Mythos unterscheidet nicht, wie die Naturwissenschaft, den allgemeinen Begriff von dem ihn repräsentierenden Gegenstand."ad 1) Verstehe ich nicht. Was genau soll das heißen?
ad 2) Es gibt auch eine wissenschaftliche Kosmogonie, die den vorwissenschaftlichen Weltentstehungsmythen Konkurrenz macht.
ad 3) Die logische Unterscheidung zwischen Begriffen und darunter fallenden Gegenständen ist von grundlegender Wichtigkeit. Wer sie verwischt oder gar aufhebt, der hört im Grunde auf zu denken und denkt nur noch, dass er denkt.
"Zeichen als Magie, als unmittelbare Offenbarung des Seins. Diese Auffassung steht am 'Ursprung' des Zeichendenkens und geht auf älteste animistische Vorstellungen zurück. Sie finden ihre Fortsetzung vorzugsweise in religiösen oder mystischen Lehren. (...)
Identität von Zeichen und Welt. Das Ganze der Phänomene erscheint in sich selbst zeichenhaft; jedes Ding oder Ereignis ist Offenbarung des Seins oder spricht von sich her ein Geheimnis aus. Die Zeichendeutung erweist sich dann als spekulative Mantik, wie sie religiösen und mystischen Lehren zugrundeliegt."(Mersch, Dieter, Hrsg.
Zeichen über Zeichen: Texte zur Semiotik von Peirce bis Eco und Derrida. München: dtv, 1998. S. 11f.)
Eine solche Zeichenauffassung zeugt von einem primitiven, prä-logischen und prä-rationalen Denken. Aber für Hübner steht sie gleichberechtigt neben der modernen Logik und Semiotik, in deren Rahmen sich die Wissenschaft bewegt.—Süße Träume, Herr Professor!
Hübners Strategie scheint zu sein, der Entmythologisierung der Religion durch die Wissenschaft Einhalt zu gebieten und dafür die Wissenschaft zu remythologisieren, d.h. sie zu einer "Sage" unter mehreren zu machen, wodurch sie ihre Vormachtsstellung als Richterin über Wahrheit und Falschheit verlöre.
Im Übrigen erscheint mir Hübners Behauptung, die Wirklichkeit selbst habe einen "aspektischen Charakter", der es uns erlaube, sie wahrheitsgetreu mal so und mal so zu betrachten, haltlos.
Es gibt nur eine einzige allumfassende Wirklichkeit, und darin ist entweder das theistische (bzw. das jüdische, christliche, islamische) Weltbild zutreffend oder das atheistisch-naturalistische. Eines der beiden Weltbilder ist auf jeden Fall falsch!