ostfriese hat geschrieben:Mich interessiert eher die umgekehrte Frage: ob es nicht auch Welten ohne logische Struktur geben kann.
Ist deine Frage, ob es mögliche Welten gibt, in denen das Nichtwiderspruchsgesetz nicht allgemeingültig ist, oder ob es mögliche Welten gibt, in denen allgemein andere logische Gesetze gelten als in der unsrigen Welt, oder ob es mögliche Welten gibt, in denen überhaupt keine logischen Gesetze gelten?
Die Antwort auf diese drei Frage ist dieselbe: Nein!
Logische Gesetze als notwendige Wahrheiten gelten per definitionem in allen möglichen Welten. Die Logiker beschäftigen sich zwar rein formal-mathematisch auch mit sogenannten nichtnormalen Welten, in denen in einem gewissen Sinn alles möglich und nichts notwendig ist; doch derartige Welten sind
unmögliche und damit
notwendig unwirkliche Welten.
ostfriese hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Ist ein Satz wie "Alle Ereignisse haben eine Ursache" noch logico-semantisch notwendig oder kann ich ihn getrost verneinen, ohne mich in einer Widersprüchlichkeit bzw. Widersinnigkeit zu verheddern?
Nein zur ersten, ja zur zweiten Frage. Es gibt ja immer zwei Möglichkeiten:
Entweder Du definierst beispielsweise Ereignisse als Ursachenfolgen, dann hast Du eine Wahrheit a priori, aber eben nicht notwendig eine Aussage über die Wirklichkeit, denn Du würdest ja jene eventuell ursachenlosen Zweifelsfälle unter diesem Ereignisbegriff gar nicht erfassen.
Oder Dein Ereignisbegriff ist semantisch unabhängig vom Begriff Ursache, dann hast Du eine Aussage über die Wirklichkeit, aber keine Sicherheit, dass sie wahr ist.
"Broadly understood, events are things that happen."(
http://plato.stanford.edu/entries/events)
Ganz allgemein und zugegebenermaßen vage gesagt sind Ereignisse geschehende Dinge.
Es gibt zwar unterschiedliche philosophische Auffassungen des Ereignisbegriffs, aber die Rolle von Ereignissen als Relata der Verursachungsbeziehung steht außer Frage. Das heißt nur, dass an jeder (elementaren) Verursachung zwei Ereignisse beteiligt sind, aber nicht, dass jedes Ereignis notwendigerweise verursacht ist.
ostfriese hat geschrieben:Aber ich sehe nicht, warum aus logischer Unmöglichkeit ontologische Unmöglichkeit folgen sollte.
Wäre dem nicht so, dann wäre die Kategorie der ontologischen Möglichkeit eine höhere, umfassendere als die der logischen Möglichkeit. Die Annahme, dass die Menge der logisch möglichen Welten nur eine Teilmenge der Menge der ontologisch möglichen Welten ist, ist jedoch absurd. Denn dann würde die Menge der ontologisch möglichen Welten, d.h. der Welten, die real sein können, sowohl die Menge der logisch möglichen Welten als auch die Menge der logisch unmöglichen Welten umfassen. Dies würde bedeuten, dass
absolut alles existieren bzw. real werden kann, selbst das logisch Unmögliche.
Dass eine logisch unmögliche Welt wirklich sein kann, in der absolut alles—sowohl das logisch Mögliche als auch das logisch Unmögliche—möglich und nichts notwendig ist, ist keine rational akzeptable Annahme.
ostfriese hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Nicht nur unsere wirkliche Welt, sondern alle möglichen Welten sind "logisch strukturiert".
Das ist eine kühne Behauptung. Ich nehme zwar an, dass sie wahr ist, wüsste aber nicht, wie man das zirkelfrei begründen soll.
Selbst in einer Welt, in der das Nichtwiderspruchsgesetz nicht allgemeingültig ist, gelten weiterhin bestimmte logische Gesetze wie z.B.
(A & B) -> B ,
~~A -> A ,
(A & B) <-> (B & A) ,
A -> (A v B) .
ostfriese hat geschrieben:Diese Figur steht und fällt mit der Implikation von logischer Widersprüchlichkeit auf ontologische Unmöglichkeit. Und diese Implikation halte ich, wie gesagt, für nicht unproblematisch.
In ernsthafte theoretische Schwierigkeiten gerätst du gerade dann, wenn du die Mengen der logisch möglichen Welten und der ontologisch möglichen Welten nicht gleichsetzt!
"[T]here is no subject matter, however marvellous, about which you can tell the truth by contradicting yourself. (...) An impossible world where contradictions are true would be no better. The alleged truth about its contradictory going-ons would itself be contradictory.""Es gibt kein noch so wunderbares Thema, über das man die Wahrheit sagen kann, indem man sich widerspricht. (...) Eine unmögliche Welt, worin Widersprüche wahr sind, wäre nicht besser. Die angebliche Wahrheit über deren widersprüchliche Vorkommnisse wäre selbst widersprüchlich."(Lewis, David.
On the Plurality of Worlds. Oxford: Blackwell, 1986. p. 7)
Folgende Äquivalenz lässt sich nämlich beweisen, d.h. es handelt sich dabei um eine Tautologie:
(A & ~A) <-> ((A & ~A) & ~(A & ~A))
Das heißt, eine Aussage der Form A & ~A ist genau dann wahr, wenn sie sowohl wahr als auch nicht wahr ist. Mit anderen Worten, die in einer unmöglichen Welt bestehenden, widersprüchlichen Sachverhalte würden sowohl bestehen als auch nicht bestehen, was absurd erscheint.
ostfriese hat geschrieben:Wittgenstein glaubt, aus der Unmöglichkeit einer (prädikaten)logisch widerspruchsfreien Beschreibung folge die Unmöglichkeit der Existenz; damit setzt er die logische Strukturiertheit (Bedingung für prädikatenlogische Beschreibbarkeit) der Welt bereits voraus, also eben jene Unmöglichkeit einer unlogischen Welt, die er mit seinem Argument begründen zu können hofft.
Aus Unmöglichkeit folgt Unwirklichkeit:
~<>A -> []~A
("Wenn es unmöglich der Fall ist, dass A, dann ist es notwendig, dass es nicht der Fall ist, dass A.")