Kann ein Bright faul sein?

Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon ganimed » Mo 29. Sep 2008, 20:43

Ich bin noch in der Anfängerphase und habe den Begriff Bright immer noch nicht so ganz verinnerlicht.
Bright = naturalistisches Weltbild. Ok, das kapiere ich.
Und das heißt natürlich sofort: keine Religion, keine Geister, kein Gott.
Genau das sehe ich hier im Forum: Die Auseinandersetzung und Abgrenzung zu Religionen und Supernaturalisten ist stark vertreten.

Was mich verwirrt?
Wo sind die ganzen anderen Themen, die ich unter Naturalismus sehen würde?
Denn ich verstehe unter Naturalismus auch, dass man aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber offen ist. Ich sähe daher zum Beispiel großen Diskussionsbedarf bei der Interpretation dieser ganzen Hirnfoschungsgeschichten. Was bedeutet es, dass wir keinen freien Willen haben? Was ist der Begriff "Schuld" noch wert? Sollten wir nicht möglicherweise ebenso großspurig, wie die Gleichstellung von Atheisten als Ziel verkündet wird, auf Umwälzungen in Justiz und grundlegenden Paradigmenwechsel in der Gerichtsbarkeit in Bezug auf 'Schuldfähigkeit' drängen?

Oder, um ganz konkret zu sein, was lässt sich aus den Ergebnissen der Hirnforschung für unsere Diskussionskultur hier im Forum ableiten? Welche Tricks gibt es, dem eigenen Hirn beim Selbstreinlegen auf die Schliche zu kommen und vielleicht doch rationaler und objektiver zu urteilen?

Und was ist eigentlich mit dem Begriff Faulheit? Meine Frau bezichtigt mich andauernd, faul zu sein. Helft mir mal. Faulheit ist doch nur Mangel an Motivation, was wiederum andere Ursachen hat, oder? Faulheit ist doch demnach nichts Negatives, oder? Müsste man nicht also eine Neubewertung alter Denkweisen, alter Begriffe anstreben?

Kann es sein, dass dieses Forum aus irgendeinem Grund recht einseitig nur vordergründig Grenzpolitik gegen Religion betreibt? Ist das vielleicht nur die halbe Brights-Wahrheit? Oder fasse ich den Begriff Naturalismus falsch auf? Beschäftigt sich der durchschnittliche Bright zu sehr mit der Angst vor kirchlicher Willkür und dem Unverständnis gegenüber Gläubigen und viel zu wenig mit den neusten Problemen der Kosmologie, Hirnforschung und Co und was das alles für uns bedeutet?
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon Robert » Mo 29. Sep 2008, 22:02

ganimed hat geschrieben:Kann es sein, dass dieses Forum aus irgendeinem Grund recht einseitig nur vordergründig Grenzpolitik gegen Religion betreibt?


Jo, dies stimmt leider. Ist womöglich auch der Grund dafür, dass viele hier nicht mehr posten. Es ist halt einfacher, den Balken beim Nächsten zu sehen, als den eigenen, den man vor der Linse hat.

Mit Hirnforschung kenne ich mich überhaupt nicht aus und kann da leider nicht weiterhelfen.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon Qubit » Mo 29. Sep 2008, 22:50

Robert hat geschrieben:Mit Hirnforschung kenne ich mich überhaupt nicht aus und kann da leider nicht weiterhelfen.

Interessant zB. (nur) 300000 Ratten-Hirnzellen im 'Tank' steuern Roboter ;-)
http://www.euronews.net/de/article/27/0 ... wers-robot
http://www.reading.ac.uk/researchdownlo ... lbrain.wmv
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 30. Sep 2008, 09:13

ganimed hat geschrieben:Was bedeutet es, dass wir keinen freien Willen haben?
Haben wir denn sicher keinen freien Willen bei nichts?
Dieses ganze (nervige) Gerede von "keinen freien Willen" beruht auf Theorien(!) die festgestellt haben (wollen), dass sie bei primitivsten(!) Denkvorgängen Nachweise für "Kleinhirn vor Großhirn" gesehen hätten. Diese Testergebnisse können (absolut) stimmen - und trotzdem gelten sie - vorerst nur für eben ganz primitive Denkvorgänge. Die Testergebnisse könnten aber auch nicht stimmen, selbst nicht für diese primitivsten Denkvorgänge, sie könnten eventuell auch nur die Ausgeburt unseres derzeitigen Unverständnisses der Funktionsweise des Denkens an sich und/oder des Unvermögens dies richtig auszulesen oder zu deuten sein.
Die Gedankengänge zu diesen Test sind faszinierend und eigentlich recht geschickt, das Ergebnis erst einmal überraschend, aber auch bei wohlwollenster Interpretation in Richtung "kein freier Wille", eben nur auf die "primitiven" Testumgebungen anwendbar.
Die ganze Sache zeigt nur, dass wir nicht viel wissen und ist eben noch eine Theorie mit interessanten aber möglicherweise falschen oder nicht passenden "Fakten".
ganimed hat geschrieben:Oder, um ganz konkret zu sein, was lässt sich aus den Ergebnissen der Hirnforschung für unsere Diskussionskultur hier im Forum ableiten?
Nichts, jedenfalls vorläufig nichts konkretes, außer das Leute die sowieso für nichts was dafür können, einfach eine tolle Ausrede (zu meinen) haben.

ganimed hat geschrieben:Und was ist eigentlich mit dem Begriff Faulheit? Meine Frau bezichtigt mich andauernd, faul zu sein. Helft mir mal. Faulheit ist doch nur Mangel an Motivation, was wiederum andere Ursachen hat, oder? Faulheit ist doch demnach nichts Negatives, oder?
Jein. Faulheit ist meiner Meinung nach was ganz natürliches, nur Tierkinder sind nicht grenzenlos faul, und selbst dort ist das Spielen und herumtoben nur eine Vorbereitung und Schulung des Körpers und Hirnes. (zumindest fällt mir gerade kein (i.d.S.) "nichtfaules" erwachsenes Tier ohne Zutun des Menschen ein, wobei hier schon fast das Problem analog der Schrödinger-Katze auftreten könnte. Delphine sollen ja da manchmal ein Spiel an den Tag legen, aber ob dies kein erlernt-tradiertes Verhalten oder nur Imponier- oder (fälschliches) Werbeverhalten ist?)
U.U. ist Mensch auch/nur(?) deshalb "weitergegangen", weil er "spielt" und ab und zu wenigstens nicht den ganzen Tag faul ist (neben jagen, schlafen, fortpflanzen u.ä.)
ganimed hat geschrieben:Müsste man nicht also eine Neubewertung alter Denkweisen, alter Begriffe anstreben?
Nur wenn die Voraussetzung eindeutig oder quasi zwingend sich geändert haben.

ganimed hat geschrieben:Beschäftigt sich der durchschnittliche Bright zu sehr mit der Angst vor kirchlicher Willkür und dem Unverständnis gegenüber Gläubigen und viel zu wenig mit den neusten Problemen der Kosmologie, Hirnforschung und Co und was das alles für uns bedeutet?
Jein.
1. Nein, weil falsch
2. Ja, aber man muss um als Bright sich bezeichnen zu dürfen, keine Ahnung, Verständnis, nicht einmal die Verständnisfähigkeit haben von Kosmologie, Hirnforschung und Co. Damit kommt man - wenn man nicht "einschlägig ist" - ja auch weder täglich, noch wöchentlich, noch monatlich in Kontakt. In einer Durchschnittszeitung steht auch nur plakativ (und dadurch unrichtig), dass der Mensch keinen freien Willen habe, weil dpa dies so "getickert" hat, ansonsten juckt es den Durchschnittsbürger eher weniger, ist eigentlich ganz fern. Aber mit Religion kömmt jeder irgendwie mal näher, intensiver und länger in Berührung, sei es als Schock, wenn man aus dem Osten in den Westen zieht, sei als als Ärger, wenn man bei der Mehrheit der Bundesbürger seine Lohnsteuerkarte anschaut, sei es dass einem das Gebimmel aufregt, evangelikale oder islamische Fundis, Politikergesülze ...
Religion (und Astrologie *bg*) ist in dieser Hinsicht näher am Menschen als Kosmologie.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon apostat » Di 30. Sep 2008, 09:26

Nach gängiger Ansicht bin ich wohl auch ein Mensch, der zur Faulheit neigt.

Aber eigentlich weiß ich nicht mal genau, was Faulheit bedeutet. Genaugenommen neige ich manchmal zum Nichtstun, aber die Ursachen sind ganz unterschiedlich: manchmal ist es Desinteresse, manchmal Müdigkeit, manchmal eine Entscheidungsschwäche, manchmal sind es auch Ängste (vor dem Scheitern, vor Konsequenzen, vor negativen Reaktionen anderer), die mich daran hindern, etwas zu tun.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon HF******* » Di 30. Sep 2008, 09:46

Also so gar nicht angesprochen haben wir das Thema ja nun auch nicht:
search.php?keywords=freier+Wille&terms=all&author=&sc=1&sf=all&sr=topics&sk=t&sd=d&st=0&ch=300&t=0&submit=Suche

Gemeint ist wohl die Determiniertheit des Willens, denn als frei kann man ihn möglicherweise auch so bezeichnen. Eine andere Frage ist, ob sich überhaupt Konsequenzen für die Justiz ergeben können. Wenn Du das behauptest, kannst Du eine Diskussion dazu eröffnen - vielleicht in einer anderen Rubrik?

@1von6,5Milliarden: Die Frage von Ganimed ist durchaus berechtigt, weil dir Hirnforschung einen relativ neuen Stand der Wissenschaft wiederspiegelt und die Thematik daher auch für Indeterministen relevant werden kann. Selbst wenn man diesbezüglich eine zweifelnde Position vertritt, stellt sich die Frage, ob man aus einer solchen Position vorsichtshalber Konsequenzen ableiten muss.

Im Übrigen habe ich persönlich ohnehin meine Zweifel, ob ein Weltbild naturalistisch sein kann, dass die Welt in bestimmten Bereichen für prinzipiell unerklärbar hält - aber das Thema hatten wir an anderer Stelle bereits plattgewalzt, wobei man nicht wirklich von einer Diskussion sprechen kann … :sauer:
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon folgsam » Di 30. Sep 2008, 10:10

Ich bin nicht faul! Ich prokrastiniere. :mg:
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 30. Sep 2008, 10:34

HFRudolph hat geschrieben: weil dir Hirnforschung einen relativ neuen Stand der Wissenschaft wiederspiegelt und die Thematik daher auch für Indeterministen relevant werden kann.
Was willst du damit sagen? Willst du dich als Autoverkäufer, Politiker oder PR-Agent versuchen? :^^: (nur den Inhalt betrachtet)
Die Hirnforschung an sich ist absolut nicht neu. Diese Thesen der Hirnforschung "kein freier Wille" ist auch nicht neu, nur die Grundlage durch die (neuen) Versuche ist neu. Nur neu an sich bedeutet keinerlei höhere Relevanz. Und (auch) für Zweifler kann so gut wie alles relevant werden, oder auch nicht. Daher muss man keine Neubewertung anstreben, man darf aber darüber nachdenken. "Muss Neubewertung anstreben" bedeutet, man muss ändern, dafür besteht aber noch kein Anlass, man kann - eventuell muss - man darüber nachdenken, reden, diskutieren, werten, gewichten .... Anschließend, aber erst dann, kann man zum Schluss kommen, dass man neubewerten muss. Aber nicht umgedreht.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon HF******* » Di 30. Sep 2008, 12:23

Einverstanden, hauptsache Du kaufst.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon ganimed » Di 30. Sep 2008, 19:16

Das mit der Faulheit möchte ich nochmal konkretisieren.

Wenn ich keine Lust habe, den Geschirrspüler auszuräumen (ein Beispiel aus dem Leben), dann kann man dazu mindestens 2 Urteile fällen:

Urteil 1: Ich bin faul und will einfach nicht arbeiten. Ich überlasse anderen die Arbeit. Das ist egoistisch, unproduktiv und moralisch schlecht.

Urteil 2: Mit freiem Willen hat das nix zu tun, den gibt es nämlich nicht. Der Unwille zur Arbeit muss Ursachen haben. Ich will nicht arbeiten, weil ich zum Beispiel gerade etwas anderes tun möchte, das mir und meinem Unterbewusstsein insgesamt als wichtiger erscheint. Das mag unproduktiv im Sinne des Küchenvorstands sein, aber sicher nicht egoistisch oder moralisch schlecht.

zu 1) : Wenn ich kein Bright bin, an eine handelsübliche Spießermoral glaube und denke, dass man doch arbeiten sollte im Schweiße des Angesichts um vielleicht sogar auch Gott zu gefallen (wenigstens aber meiner Schwiegermutter), dann werde ich tendenziell sicher zu Urteil 1 kommen. (Meine Frau schafft das beispielsweise mühelos).

zu 2) : Als aufgeklärter Bright glaube ich nicht an die Absolutheit moralischer Vorgaben sondern vertraue wieder meinem eigenen Unterbewusstsein, dass die Sache auf neuronaler Ebene ausgeknobelt hat und entschied, es sei besser, den Geschirrspüler jetzt nicht auszuräumen. Ich gelange zu Urteil 2 und kriege Ärger mit meiner Frau.

Fazit: Wenn ich in einer so harmlosen, alltäglichen Situation schon zu völlig anderen Urteilen und Denkweisen gelange wie Nichtnaturalisten, dann muss mich das als Bright doch wie nur was beschäftigen. Wenn 1von6,5Milliarden nun meint, man könne aus den Hirnforschungsergebnissen "Nichts, jedenfalls vorläufig nichts konkretes" ableiten, dann finde ich das bemerkenswert diametral zu meinem eigenen Standpunkt. Wenn ihr mich fragt, müssen wir da aber mal wirklich dringend drüber reden!

Das mit dem freien Willen in einem anderen passenden Thread zu erörtern ist eine gute Idee. Das mache ich.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon Kurt » Di 30. Sep 2008, 19:16

ganimed hat geschrieben:Was ist der Begriff "Schuld" noch wert?


Schuld bedeutet, jemand hat absichtlich gegen dem Gemeinwohl dienende Regeln verstoßen. Die Konsequenz für einen Deterministen ist, dass die Rahmenbedingungen derart gestaltet werden, dass solche Verstöße nicht mehr lohnend sind, z.B. durch harte Strafen, hohe Aufklärungsquote usw. Wenn jemand einen anderen ausraubt, dann hatte er zwar unter den gegebenen Bedingungen "keine andere Wahl", aber wäre ein Polizist dabeigestanden, wären die Rahmenbedingungen eben anders gewesen. Insofern macht unser System schon so Sinn wie es ist, auch für einen Deterministen.

ganimed hat geschrieben:Und was ist eigentlich mit dem Begriff Faulheit?

Faulheit ist Energieeffizienz. Und das ist was positives. Man muss mit seiner Energie ökonomisch umgehen, sprich sowenig wie möglich davon verschwenden und soviel wie möglich damit erreichen. Allerdings kann es sein, dass deine Frau mit Faulheit meint, dass du insgesamt zu wenig Energie zur Verfügung hast. Dann solltest du dich vielleicht mal nach neuen Quellen umsehen. Sport oder so.

ganimed hat geschrieben:Beschäftigt sich der durchschnittliche Bright (...) viel zu wenig mit den neusten Problemen der Kosmologie, Hirnforschung und Co und was das alles für uns bedeutet?


Eigentlich sind die Brights ja Antisupernaturalisten, d.h. sie hacken lieber auf fremden, unsinnigen Positionen rum, statt dass sie sich selber um Wahrheitsfindung kümmern. ;-) Nein, im Ernst, ich glaube, hier im Forum ist das Interesse an Wissenschaft, Evolution usw. doch recht hoch. Meinst du nicht?
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon ganimed » Di 30. Sep 2008, 19:26

apostat hat geschrieben:Nach gängiger Ansicht bin ich wohl auch ein Mensch, der zur Faulheit neigt.
Aber eigentlich weiß ich nicht mal genau, was Faulheit bedeutet.

Als hätte ich das geschrieben, ganz genau.

Ich denke manchmal, wir alle haben ausnahmslos 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Und auch ein Faulpelz wie ich ist in diesen 24 Stunden ohne Pause aktiv. Ich schlafe, ich döse, ich denke nach, ich esse und verdaue. Aber wie auch immer. Was man macht, sollte doch eigentlich egal sein. Landläufig wird dem Faulen ja unterstellt, er würde nichts machen, und das stimmt natürlich nicht. Jeder macht was, in jeder Sekunde des Tages.

Es muss wohl darum gehen, WAS man macht. Demnach wäre Faulheit also nicht die Neigung, nichts zu tun, sondern die Neigung das Falsche zu tun. Und was 'falsch' ist, entscheiden zufällig genau meine Frau und alle anderen, die den Begriff der Faulheit als Schimpfwort benutzen.

Wenn also ein Faulpelz jemand ist, der nicht das tut, was Schimpfende von ihm erwarten, könnte man "Faulheit" dann nicht auch mit "Eigensinn", "Freiheit" und "Unabhängigkeit" verknüpfen? Klingt für mich insofern fast wie eine Tugend.

Naja, nur mal so vor mich hin gedacht, laut.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon ganimed » Di 30. Sep 2008, 19:47

Kurt hat geschrieben:Schuld bedeutet, jemand hat absichtlich gegen dem Gemeinwohl dienende Regeln verstoßen. Die Konsequenz für einen Deterministen ist, dass die Rahmenbedingungen derart gestaltet werden, dass solche Verstöße nicht mehr lohnend sind, z.B. durch harte Strafen

Strafen? Bei diesem Begriff muss ich schon mal überlegen. Wenn Strafen, dann aber doch nur als Abschreckung für andere, oder? Denn als "Sühne" für eine "Schuld" kommt sie dem Deterministen ja nicht in Frage. Und ob Abschreckung als einziger Zweck für die Strafe dann wirklich noch ausreicht, wäre sehr fraglich, wo das mit der Abschreckung, so wie man hin und wieder hört, ja nicht besonders gut zu funktionieren scheint. (ich denke da vage an Statistiken aus den USA wenn es um die fehlende abschreckende Wirkung der Todesstrafe geht).
Kurt hat geschrieben:Insofern macht unser System schon so Sinn wie es ist, auch für einen Deterministen.

Wenn nach meinem Gedankengang für Deterministen die Strafe als Konzept plötzlich auf recht schwachen Füßen steht, und man sie entweder einschränkt oder ganz abschafft, dann würde ich das schon als riesige Änderung des Systems betrachten.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon Kurt » Di 30. Sep 2008, 21:16

ganimed hat geschrieben:Strafen? Bei diesem Begriff muss ich schon mal überlegen. Wenn Strafen, dann aber doch nur als Abschreckung für andere, oder? Denn als "Sühne" für eine "Schuld" kommt sie dem Deterministen ja nicht in Frage. Und ob Abschreckung als einziger Zweck für die Strafe dann wirklich noch ausreicht, wäre sehr fraglich,


Der andere Aspekt der Strafe (Zuchthaus, Todesstrafe) ist natürlich der Schutz der Allgemeinheit, der durch das Beseitigen des Täters kommt. "Sühne" im Sinne von Fasten, Bußgängen usw. lehne ich natürlich ab, aber in Form von Wiedergutmachung (Schadenersatz, Geldstrafe) finde ich das in Ordnung.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon ganimed » Mi 1. Okt 2008, 19:31

Ok, dann bin ich völlig d'accord.

Bei vielen Verbrechen wie Geldhinterziehung, Steuerbetrug oder Diebstahl, wo ja möglicherweise Haftstrafen, sagen wir kürzer als 2 Jahre, verhängt werden, wäre dem Deterministen doch mehr geholfen, wenn es solche "kurzen" Haftstrafen nicht mehr gäbe. Der Schutz der Gesellschaft vor dem weggesperrten Täter kann ja wohl kaum das Ziel sein, da er ja nach einer überschaubaren Zeit wieder draußen ist. Also könnte man in solchen Fällen doch konsequenter die Wiedergutmachung des Schadens in den Vordergrund stellen, und einen solchen Täter für 5 Jahre pfänden zum Beispiel.

Auch bei Finanzmanagern, um mal ins Horn des aktuellen Volkszorns zu stoßen, würde ich bei nachgewiesener Verantwortungslosigkeit zukünftige Gehälter anteilsmäßig pfänden, um wenigstens Teile des Schadens finanziell auszugleichen. Naja, nur mal so meine Meinung.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon HF******* » Do 2. Okt 2008, 10:26

Ganimed hat geschrieben:Bei vielen Verbrechen wie Geldhinterziehung, Steuerbetrug oder Diebstahl, wo ja möglicherweise Haftstrafen, sagen wir kürzer als 2 Jahre, verhängt werden, wäre dem Deterministen doch mehr geholfen, wenn es solche "kurzen" Haftstrafen nicht mehr gäbe. Der Schutz der Gesellschaft vor dem weggesperrten Täter kann ja wohl kaum das Ziel sein, da er ja nach einer überschaubaren Zeit wieder draußen ist. Also könnte man in solchen Fällen doch konsequenter die Wiedergutmachung des Schadens in den Vordergrund stellen, und einen solchen Täter für 5 Jahre pfänden zum Beispiel.

Das wäre so oder so sinnlos, jemanden nur deshalb einzusperren, weil er während dieser Zeit keine Straftaten verübt - da stünde der Aufwand völlig außer Verhältnis. Eine Form derart absoluter Spezialprävention gibt es nur bei der Strafe mit anschließender Sicherungsverwahrung.

Es geht um General- und Spezialprävention. Die Allgemeinheit wird von derartigen Strafen abgehalten (abgeschreckt), weil im Falle des Erwischtwerdnes das Risiko einer Strafe droht. Dem Täter selbst zeigt sich im Falle einer Verurteilung diese Wirkung zudem in sehr viel plastischerer Form … Auch wenn die Wiederholungstaten nicht unerheblich sind, zeigt sich doch, dass die Wiederholungsgefahr bei einem Täter, der erwischt, verurteilt und bestraft wird deutlich niedriger ist als bei einem Täter, bei dem dies nicht der Fall ist, der also mit seiner Tat leztendlich den gewünschten Erfolg erzielt hat.

Es ist richtig, dass bei einem "Mehr an Strafe", dass keinen höheren Präventionseffekt gegenüber einer anderen Strafe erzielt, dieses "Mehr" im Extremfall unsinnig werden kann, so bei der Todesstrafe gegenüber der lebenslangen Freiheitsstrafe.

"Rache" kann für den Staat kein sinnvoller Strafzweck sein, weil der Staat keine Rachegefühle hat. Die Vermeidung von Selbstjustitz kann natürlich auch ein Strafzweck sein, wobei sich in diesem Bereich sicherlich auch andere Maßnahmen anbieten.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon ganimed » Do 2. Okt 2008, 20:46

HFRudolph hat geschrieben:Auch wenn die Wiederholungstaten nicht unerheblich sind, zeigt sich doch, dass die Wiederholungsgefahr bei einem Täter, der erwischt, verurteilt und bestraft wird deutlich niedriger ist als bei einem Täter, bei dem dies nicht der Fall ist, der also mit seiner Tat leztendlich den gewünschten Erfolg erzielt hat.

Ich will ja auch die Täter nicht nicht erwischen und laufen lassen. Ich will sie nur nicht für teures Geld einsperren (damit sie in sich gehen und "sühnen" für ihre "Schuld") sondern sie als Strafe abbezahlen lassen. Da auch in meinem Vorschlag der Täter erwischt, verurteilt und bestraft wird, erwarte ich erstmal die gleichen Präventionseffekte. Nur finanziell sollte das deterministische Modell, kein Gefängnis und dafür aber Pfändung, viel "vernünftiger" sein.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon webe » Do 2. Okt 2008, 21:40

Wie sollte nach Eurer Meinung die Bestrafung eines Sexualstraftäters, eines Kinderschänder, aussehen?

Oft hat der Täter mehr Hilfe als das betroffene Opfer, denn für die Täter gibt es bestimmte Massnahmen die ihm helfen sollen, während das Opfer in der Regel leer aus geht; sieht man ab von weissem Ring ab ( Der Staat bietet, glaube ich, eine kleine Hilfe für die Opfer zuweilen an, aber diese Massnahme muss man selbst in Erfahrung bringen. Bekannt gemacht wird diese Hilfestellung dem Opfer, wie im Gegensatz zu dem Täter, nicht- hier wird Holger vielleicht was Näheres darüber wissen).
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon ganimed » Fr 3. Okt 2008, 02:12

Sexualstraftäter, vermutlich alle Triebtäter, haben ja, so würde ich denken, eine hohe Rückfallquote. Ich würde daher zum Wegsperren und Gesellschaft beschützen tendieren. Wobei ich mir das Wegsperren etwas humaner gestaltet vorstelle, als ich das aus düsteren Gefängnisfilmen vor Augen habe.
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Re: Kann ein Bright faul sein?

Beitragvon Jakob » Do 11. Dez 2008, 18:08

Habe die letzten Beiträge nur überflogen, möchte aber als angehender Jurist und Hobby-Rechtsphilosoph auch mal meinen Senf in den Ring schmeißen.

"Strafe" wird bei uns nach gängiger Meinung vor allem mit Prävention begründtet.
In Form der Spezialprävention soll der Einzelne durch die Androhung der Strafe von der Tat abgehalten werden und wenn er sie doch begeht, soll die Vollstreckung der Strafe ihn bei nächster Gelegenheit von der nächsten Tat abhalten. Sie soll ihm sozusagen "eine Lehre sein".
In Form der Generalprävention soll die Androhung der Strafe gegen alle und die Vollstreckung der Strafe am einzelnen Täter ebenfalls abschreckend wirken. Und zwar allgemein, gegen jeden.

Bei Triebtätern ist Prävention natürlich Blödsinn. Damit tut sich unser Rechtssystem manchmal noch schwer. Einen Triebtäter zu bestrafen, bringt nix. Man kann ihn nur "verwahren". Neuerdings gibt es dafür ja die Sicherheitsverwahrung, die ausdrücklich keine Strafe sein soll. Allerdings müßte man entsprechende Täter konsequenterweise sofort verwahren und nicht - wie üblich - vorher noch bestrafen. Aber unser Rechtssystem hat natürlich, trotz aller modernen Erkenntnisse, seine Wurzeln in einem historischen Rache-Recht.

Nicht gerne gehört, da politisch inkorrekt, aber trotdem absolut richtig ist der Gedanke, das durch staatliche Ausübung der "Rache" die Selbstjustiz des Opfers unnötig gemacht werden soll. Wäre dem nicht so, wäre das Gewaltmonopol des Staates hinfällig. Wir als Bürger treten unser Recht auf Selbstverteidigung und Selbstjustiz ja nur deshalb (partiell) an den Staat ab, weil wir uns darauf verlassen, daß er uns beschützt und unsere Rechte durchsetzt.
Aber offiziell kennt das deutsche Recht keine Rache.

Zum Determinismus:
Kurt hat geschrieben:Schuld bedeutet, jemand hat absichtlich gegen dem Gemeinwohl dienende Regeln verstoßen. Die Konsequenz für einen Deterministen ist, dass die Rahmenbedingungen derart gestaltet werden, dass solche Verstöße nicht mehr lohnend sind, z.B. durch harte Strafen, hohe Aufklärungsquote usw. Wenn jemand einen anderen ausraubt, dann hatte er zwar unter den gegebenen Bedingungen "keine andere Wahl", aber wäre ein Polizist dabeigestanden, wären die Rahmenbedingungen eben anders gewesen. Insofern macht unser System schon so Sinn wie es ist, auch für einen Deterministen.

Das trifft es eigentlich recht gut. Wobei ich der Meinung bin, daß eine hohe Aufklärungsquote weit wichtiger ist, als die Höhe der Strafe.
Strafe, sowohl die Drohung, als auch die Erfahrung im Vollzug, soll die bewußten und unbewußten Entscheidungsvorgänge im Täter beeinflussen. Der Entscheidungsvorgang, der zu einer Tat führt (oder eben nicht), kann in der selben Situation immer nur zum selben Ergebnis führen. Beim Gedanken der Strafe geht es aber darum, die Modalitäten dieses Entscheidungsvorganges zu bestimmen, bevor der Täter in die Situation kommt, in der er sich für oder gegen die Tat entscheidet. Die Rahmenbedingungen sollen so modifiziert werden, daß der Täter in der Situation zu dem Ergebnis kommt, die Tat nicht begehen zu wollen.

Kurz gesagt: Wir haben keinen freien Willen, sondern sind determiniert. Allerdings können wir die Rahmenbedingungen, die zu unseren determinierten Entscheidungen führen, beeinflussen. Wie gut wir darin sind, ist eine andere Frage.
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