Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon xander1 » Di 21. Okt 2008, 09:22

Ich bin mir ziemlich sicher, dass warum jemand gegen oder für Religion ist, fast ausschließlich davon abhängt wie seine Kindheit war, die nicht mit Religion zu tun hat, sondern mit allen Dingen die sichtbaren Einfluss hatten.

Menschen sind für Religion, wenn religiöse Methoden in und außerhalb von Religion nutzvoll war.
Menschen sind gegen Religion, wenn religiöse Methoden Schadhaft waren.
Dabei müssen die Menschen nicht einmal mit Religion in Berührung kommen.
Es ist nur eine Frage ob der Mensch, der die religiöse Methode verwendet hat gut oder böse war.
Diese Erinnerung bleibt wage im Kopf und so erinnert man sich an Religion.

Das was K.-H. Deschner macht ist einfach nur das nicht mehr legitimieren lassen wollen von religiöser Methode.
Dabei bedient er sich einer Schreckenspropaganda, die zugleich die Realität wieder gibt.
Auch wenn ich Deschner gut finde, denke ich, dass er die Realität akzeptieren sollte.
Die Welt ist kein Rosengarten.

Deschner kann mit Perfidität nicht leben?
Er soll es lernen. Panzer und Maschinengewehre sind nicht böse. Sie sind Werkzeuge.
Ich will damit aber überhaupt nicht gesagt haben wollen, dass Glaube und Religion etwas böses ist, es hat lediglich das Potential dazu.

Immerfortwährend hat jedes nicht falsifizierbare Denksystem Gefahrenspotential.

Gegen mächtig machende Systeme die als Werkzeuge einfach nur zu nutzen sind zu sein ist so als würde man das Leben verneinen. Gegen Sekten zu sein ist so als würde man gegen Politik sein, also totaler Schwachsinn.

Wer der Anonymous Sekte beitritt ist einfach nur Lebensmüde. Nein danke. Gegen die Macht als solche zu sein, weil Macht an sich böse ist, ist dumm wie Bohnenstroh.

Genauso giftig finde ich die Utopien-Macher "Die Gesellschafter". Die sind so giftig wie die Pazifisten und Militaristen und Feministinnen. Es gibt Erfolgsgesetze. Wenn es heißt das Arschloch gewinnt, dann gewinnt das Arschloch. Sollte so ein Fall Wirklichkeit sein, dann wäre der Gutwilllige im Sinne der Gesellschafter einfach nur der Dumme, der die Spielregeln und Gesetzmäßigkeiten nicht erkannt hat.

Alle würden in so einer Situation, sollte sie auftreten, sehen, dass Gutwilligkeit sich nicht lohnt. Man müsste die Erfolgsgesetze ändern können, wenn man will, dass der Gutwillige der erfolgreiche ist.
Benutzeravatar
xander1
 
Beiträge: 2825
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 07:52

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon tore354 » Do 23. Okt 2008, 04:38

Dem kann ich leider überhaupt nicht zustimmen. Man könnte eventuell noch sagen, ein Wettkampf zwischen Guru/Organisation und dem Hirn bzw. dem Verstand der Beitretenden, aber der hält gerade mal so lang an, bis die Gehirnwäsche vollständig durchgezogen wurde. Gegen was ist dann noch anzukämpfen? Jeder Widerstand ist weg, der Mensch ist von der Richtigkeit seines neuen Glaubens überzeugt. Wie willst du gegen etwas kämpfen, wenn von der anderen Seite kein Widerstand kommt?
tore354
 
Beiträge: 11
Registriert: Do 23. Okt 2008, 04:10

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon xander1 » Do 23. Okt 2008, 08:40

Ich will kämpfen? Eigentlich will ich gar nichts.

Ich meine nicht aussschließlich Sekten.

Der Gutmütige ist immer der der ausgenutzt wird. Das ist Gesetz. Das gilt für sämtliche geistigen Systeme. Das ist nur allzu universell.
Benutzeravatar
xander1
 
Beiträge: 2825
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 07:52

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon xander1 » Sa 25. Okt 2008, 10:49

Ein geistiges System in dem es keine Konkurrenz gibt ist nicht modellierbar mit der Spieletheorie vermute ich.
In einem System der Konkurrenz ist Gutmütigkeit nicht gefragt. Wirklich?
In einem System der Konkurrenz ist der Clevere der Gewinner und der Gutmütige der Verlierer.
Wer lässt schon jemandem beim Spiel Schach verlieren, nur so.

Kann mir da bitte jemand widersprechen?
Das klingt alles so danach, als ob der Psychopath immer gewinnt und der gute Mensch immer verliert.
Das kann doch nicht sein und ist auch nicht real.

Wenn alles in ständiger Konkurrenz wäre, dann würden wir uns alle gegenseitig bekämpfen, da es aber nicht so ist, sind wir nicht immer in Konkurrenz. Löwen schlafen viel.

Harmoniesüchtigkeit muss doch irgendeinen evolutionären Vorteil bieten?
Benutzeravatar
xander1
 
Beiträge: 2825
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 07:52

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon stine » Sa 25. Okt 2008, 11:33

xander1 hat geschrieben:Wenn alles in ständiger Konkurrenz wäre, dann würden wir uns alle gegenseitig bekämpfen, da es aber nicht so ist, sind wir nicht immer in Konkurrenz. Löwen schlafen viel.

Harmoniesüchtigkeit muss doch irgendeinen evolutionären Vorteil bieten?

Ja, wer in Harmomie lebt, wird älter, bleibt gesünder und hat mehr Lebensfreude :^^: .
Der Mensch hat irgendwann mal festgestellt, dass er mit gemeinsamer Kraft weiterkommt, als alleine, von da an lebte er im Rudel. Die Gemeinsamkeit hört aber natürlicherweise wieder dort auf, wo der eigene Vorteil auf den anderen überspringt.
Also, ich helfe dir nur solange, bis du du nicht besser bist, als ich. Oder ich helfe dir nur solange, solange es mir auch einen Vorteil verschafft. Das ist menschlich. Dafür muß man sich anstrengen.

Wenn es aber nun so sein soll, dass ich über meinen Vorteil hinweg einen anderen stützen und helfen soll, dann bedarf es einer Gesetzlichkeit. Das wäre zB ein Religionssystem.
Religionssysteme dienen dazu, die Menschen leichter steuern zu können und das Zusammenleben zu erleichtern. Schon die Sumerer hatten sich Religionssysteme aufgebaut, weil sie feststellten, dass viele Menschen nur dann friedlich zu steuern sind, wenn sie feste Vorgaben haben. Diese Vorgaben begründeten sich schon damals auf göttliche Eingebungen.

Heute stellen wir vernunftbegründet alles in Frage, aber leichter wird es deshalb auch nicht.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon ganimed » Sa 25. Okt 2008, 20:22

xander1 hat geschrieben:In einem System der Konkurrenz ist der Clevere der Gewinner und der Gutmütige der Verlierer.
Wer lässt schon jemandem beim Spiel Schach verlieren, nur so. Kann mir da bitte jemand widersprechen?

Das mache ich gerne.
Wir leben nicht in einem System der Konkurrenz. Wir leben vielmehr in einer menschlichen Gesellschaft mit sehr komplexen Beziehungen und vielfältigen Facetten. An manchen Stellen verhalten wir uns sehr wettkampforientiert und gönnen einem Gegenüber nichtmal die Butter auf dem Brot und zwei Minuten später, beim Händeschütteln, schlüpfen wir dann sofort in andere Rollen, sind nett und unverbindlich und nur 13 Minuten später helfen wir sogar einer alten Oma über die Straße, in sehr altruistischer Manier.

Gewinnen kann bei diesem komplexen Spiel nur einer, der alle Töne der Tonleiter beherrscht. Freundlich sein da wo einem danach ist oder wo man es sein muss, unnachgiebig werden wenn es die Situation erfordert und irgendwas in der Mitte wenn sonst nichts weiter anliegt. Alles also grau in grau mit fließenden Übergängen. Es gibt nicht den Gutmütigen der immer verliert, und nicht den Winner-Typ der immer gemein ist. Wir sind alle ein wenig von beidem, in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen und unterschiedlichen Personen gegenüber.

stine hat geschrieben:Wenn es aber nun so sein soll, dass ich über meinen Vorteil hinweg einen anderen stützen und helfen soll, dann bedarf es einer Gesetzlichkeit.

Das sehe ich ganz anders. Über den eigenen Vorteil hinweg macht keiner was. Es kommt nur darauf an, sich klar zu werden, was der eigene Vorteil ist. Manchmal ist es nicht ganz offensichtlich. Vielleicht helfen wir dem schüchternen kleinen Nachbarsjungen immer wieder und wissen gar nicht, wieso eigentlich. Naja, zucken wir dann mit den Schultern, wir sind eben altruistisch und tun es ohne einen eigenen Vorteil zu haben. Aber in Wirklichkeit erinnert uns der Junge vielleicht einfach nur an unseren eigenen kleinen Bruder, den wir immer ein wenig vernachlässigt haben und wir beruhigen mit der Hilfe unser Gewissen und fühlen uns dadurch eben einfach besser.

Wenn wir "selbstlos" handeln, handeln wir letztendlich natürlich doch immer zu unserem eigenen Vorteil.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon stine » Sa 25. Okt 2008, 22:15

stine hat geschrieben:Also, ich helfe dir nur solange, bis du du nicht besser bist, als ich. Oder ich helfe dir nur solange, solange es mir auch einen Vorteil verschafft. Das ist menschlich. Dafür muß man sich anstrengen.

Fehler: Ich wollte natürlich geschrieben haben: Das ist menschlich, dafür muß man sich NICHT anstrengen!

Mannomann.
LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon pinkwoolf » Sa 25. Okt 2008, 23:39

ganimed hat geschrieben:Wir leben nicht in einem System der Konkurrenz. Wir leben vielmehr in einer menschlichen Gesellschaft mit sehr komplexen Beziehungen und vielfältigen Facetten. An manchen Stellen verhalten wir uns sehr wettkampforientiert und gönnen einem Gegenüber nichtmal die Butter auf dem Brot und zwei Minuten später, beim Händeschütteln, schlüpfen wir dann sofort in andere Rollen, sind nett und unverbindlich und nur 13 Minuten später helfen wir sogar einer alten Oma über die Straße, in sehr altruistischer Manier.

Hier und im Folgenden finde ich deine Ausführungen sehr überzeugend: Letztlich sind auch altruistische Handlungsweisen dadurch motiviert, dass man sich selber besser fühlen will. Dein Hinweis auf das schlechte Gewissen gegenüber dem kleinen Bruder erweitert das Selbstgefühl auf die Ebene der "selfish genes".

Diese Erklärung, so richtig sie m.E. ist, bezieht sich jedoch auf die Mechanismen jener Teile des Gehirns, die uralt sind und sich durch bewusstes Handeln nicht steuern lassen. Instinkt pflegte man das zu nennen. Da wir Menschen aber über Bewusstsein verfügen, hungern wir nach Kategorien, die unser Handeln verständlich und planbar machen; und da kommen ethische Imperative, die mit dem obigen kompatibel sind, wie gerufen.

Glücklicherweise unterliegt unser ethisches Regelwerk einem ständigen Wandlungsprozess – nicht mal die Christen in ihrer Mehrheit vertreten noch die üblen Vorschriften des Alten Testaments – aber doch wird dieser Wandlungsprozess durch die starre Dogmatik der Religion sehr stark abgebremst.
Andererseits hätte man ohne ein gewisses Beharrungsvermögen der Tradition wiederum gar kein verlässliches Regelwerk, wenn jeder die Richtung jederzeit nach Belieben ändern könnte.

Es ist eine Gratwanderung. Aber natürlich rede ich hier nur von ethischen Regeln; nicht von wissenschaftlichen Erkenntnissen und von jenen traurigen Gestalten, die Jahrtausende alte Traditionen des Aberglaubens auf ewig kanonisieren wollen.

|)

P.S.: Der Smiley hier trägt den Namen "Anonym". Ich nenne ihn lieber "Brett vorm Kopf".
Zuletzt geändert von pinkwoolf am Sa 25. Okt 2008, 23:49, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
pinkwoolf
 
Beiträge: 947
Registriert: Mo 17. Sep 2007, 18:58

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon webe » Sa 25. Okt 2008, 23:48

Opus Dei gilt in Belgien als Sekte, ist aber dem Papst direkt unterstellt und ist eine Verbindung, die keinen guten Geschmack innehat. Diese Organisation ist auch in Deutschland aktiv.

Somit ist der Grenzbereich von der Sekte zur Amtskirche manchmal verwischt, trotz deren Sektenbeauftragten.

Die Kirchen haben in ihrem Fundalismus oft sektenartige Gliederungen.

Was unterscheidet die Kirchen von der Sekte? Ist die Kirche eine Sekte?

In der Antike stand die Bezeichnung Sekte für die Anhägerschaft von politischen oder philosophischen Führern. Ab dem Christentum wurde unter Sekte jene Verbindungen gestellt, die mit Glauben und Lehre von der offiziellen Kirche abwichen.
Unter heutiger Sekte versteht man religiöse Organisationen, die ein oft starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und teilweise auch kultische Praktiken ausweisen.
Benutzeravatar
webe
 
Beiträge: 671
Registriert: Fr 12. Jan 2007, 22:10

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon webe » Sa 25. Okt 2008, 23:53

ganimed´s Beitrag stimme ich zu.
Benutzeravatar
webe
 
Beiträge: 671
Registriert: Fr 12. Jan 2007, 22:10

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon xander1 » Mo 27. Okt 2008, 20:16

von Richard Dawkins "Das egoistische Gen"
Nette Kerle kommen zuerst ans Ziel
Thema: Nett sein kann sich auszahlen. Nach der darwinistischen Theorie sterben Nette aus.
Bei einer fachgebundenen Definition von "nett" können Nette tatsächlich zuerst durchs Ziel
gehen. Nettsein ist von Vorteil, wenn eine bestimmte Rangordnung von Belohnung und Strafe
vorliegt. Strafe = Resultat für Betrogenen > beide Verweigern > beide Arbeiten > Anreiz zum
betrügen. Nichtnullsummenspiel (eine Bank zahlt aus) vs. Nullsummenspiel (Gewinn v. A =
Verlust v. B) 15 verschiedene Strategien: Vertauen, Vergelten etc. Beste Strategie: "wie du
mir, so ich dir.": Drei Kategorien nach Axelrod: a) "nett"( nie zuerst Verweigern), b)
"verzeihend" (kurzes Gedächtnis für Vergeltung), c) "nicht neidisch" (wenn ein anderer
genauso viel gewinnt). "wie du mir, so ich dir " ist keine ESS, könnte von anderen netten
Strategien unterwandert werden. Sie ist aber eine "kollektiv stabile Strategie", da sie von
8
Zusammenarbeit profitieren kann. Bezug zur Wirklichkeit: Gibt es "nicht neidische
Nettigkeit" auch im Reich der Natur? Nichtnullsummenspiel (Bank = Natur). "Leben und
leben lassen" wenn der "Schatten der Zukunft" kürzer wird, werden Bakterien gemein,
"Feigenbäume" kooperieren mit Gallwespen nur, wenn
Benutzeravatar
xander1
 
Beiträge: 2825
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 07:52

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon stine » Di 28. Okt 2008, 08:34

Gestern war ich zufällig wieder einmal Augenzeuge, wie es in einem städtischen Gymnasium auf dem Pausenhof zugeht. Es waren zwei Freistunden angesagt, dh der Sport war ausgefallen, und so war auch kein Lehrer, der sonst vielleicht Pausenaufsicht haben könnte, in Sichtweite. Die Schüler (12 u 13 Jahre) waren sich selbst überlassen. Durch mein zufälliges Dabeisein habe ich mit großer Wahrscheinlichkeit einen Genickbruch und zwei Rippenbrüche verhindert.

Ich habe selbst mitverfolgt, wie sich dicke, dumme Schüler durchsetzen und wie "normale" darunter zu leiden haben. Herzlichen Glückwunsch zum "starken Gen"!

So ist leider die Realität. Wir haben doch schon längst aufgegeben. Die Lehrer sagen, sie hätten keinen Einfluß auf die Schüler und lehnen es ab, die versäumte Erziehungsarbeit der Eltern nachzuholen. Können sie auch oft gar nicht. Pädagogische Ausbildung ist im Lehramt eher Zufall.
ME ist das die Folge innerhalb einer Gesellschaft, die sich immer mehr der religiösen Erziehung entzieht und alles urmenschliche unzensiert geschehen lässt.

Mei, so isses halt, das Leben. Da kann man nichts machen! :(

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon xander1 » Di 28. Okt 2008, 18:50

Das schlimme daran ist nicht das Einzelergebnis.
Ich finde das schlimme ist die Bedeutung für unsere Realität, Wirklichkeit.
Besser man sagt allen Utopisten den Kampf an, weil die die Situation noch verschlimmern.
Benutzeravatar
xander1
 
Beiträge: 2825
Registriert: Sa 12. Jul 2008, 07:52

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon ganimed » Di 28. Okt 2008, 21:02

stine hat geschrieben:Ich habe selbst mitverfolgt, wie sich dicke, dumme Schüler durchsetzen und wie "normale" darunter zu leiden haben.

Wirklich? Die stärkeren Kinder setzten sich durch? Das war früher ja ganz anders... he, moment mal, das war früher genau so.

Stine, bist du wirklich sicher, dass du das schon jemals anders erlebt hast? Wo und wann war das? Kann es überhaupt anders sein?

Wieso sollten sich plötzlich die stilleren, kleineren, schwächeren Kinder bei Rangeleien auf dem Schulhof durchsetzen?

stine hat geschrieben:ME ist das die Folge innerhalb einer Gesellschaft, die sich immer mehr der religiösen Erziehung entzieht und alles urmenschliche unzensiert geschehen lässt.

Zu diesem Thema hat wohl jeder seine ganz dedizierte Meinung. Deine ist falsch :^^: Na ja, jedenfalls denke ich das. Wenn sie nämlich richtig wäre und es an mangelnder religiöser Erziehung läge, dann wäre das von dir beschriebene Schulhof-Sodom-und-Gomorra ja auch in atheistischen Gesellschaften, zum Beispiel in der DDR, gang und gäbe gewesen, oder in China. Vielleicht ging es ja dort auch tatsächlich so rabiat her. Ich habe aber zumindest noch nichts dergleichen gehört. Sind chinesische Kinder nicht sogar besonders diszipliniert? Oder falle ich da nur auf ein Klischee herein?

Ich selber glaube jedenfalls, dass ein Aspekt des Problems ist, dass die Kinderentwicklung stark beschleunigt ist im Vergleich zu früheren Zeiten. Kinder werden heute viel früher reif und erwachsen, zumindest in bestimmten Hinsichten. Gut möglich, dass unser Erziehungssystem, die Eltern und alle anderen, auf diese Entwicklung noch nicht richtig reagiert haben. Von einer religiösen Erziehung würde ich erwarten, dass sie tendenziell eher konservativ ist und daher solchen neuen Herausforderungen eher nicht gewachsen ist. Vielleicht wäre also alles noch viel schlimmer, wenn unsere Gesellschaft sich nicht ein wenig der religiösen Erziehung entzogen hätte. Puh, also nochmal Glück gehabt. :^^:
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon stine » Mi 29. Okt 2008, 08:29

ganimed hat geschrieben:Wirklich? Die stärkeren Kinder setzten sich durch? Das war früher ja ganz anders... he, moment mal, das war früher genau so.

Stine, bist du wirklich sicher, dass du das schon jemals anders erlebt hast? Wo und wann war das? Kann es überhaupt anders sein?

Wieso sollten sich plötzlich die stilleren, kleineren, schwächeren Kinder bei Rangeleien auf dem Schulhof durchsetzen?

Gaaanz anders war das früher auch nicht. Gekappelt und gerauft wurde immer. Aber wenn einer am Boden lag, war Schluß mit Lustig. Und das hat sich geändert.
Wenn ich als 100 Kilo-Junge einen 60 Kilo-Jungen in den Schwitzkasten nehme und nicht merke, wie ich ihm langsam aber sicher die Luft zum Atmen nehme, dann ist das höchst bedenklich. Wenn ich als Erwachsener das sehe, nicht dazwischen gehe, sondern nur kommentiere: "mei des sin halt Jungs, die sind so", dann ist da etwas prinzipiell aus der Bahn geraten.
Die schnelle körperliche Entwicklung der Kinder mag ein Grund sein, warum Körper und Verstand nicht mehr zusammen harmonieren, aber der einzige Grund ist das nicht.

Von einem Elternhaus, das keine moralischen Grundsätze mehr weitergeben kann, mangels öffentlichen Gemeindelebens, kann man auch nicht viel erwarten. Kinder, die sich nie einfügen müssen, weil es nichts mehr zum Einfügen gibt, die lernen auch nicht, andere zu respektieren und verlieren jede Achtung vor dem Leben.
In der Klasse meiner Tochter haben die Lehrer es längst aufgegeben sie zu unterrichten. Alleine bis die Strafen für nicht eingebrachte Hausaufgaben verteilt sind, ist die Stunde schon rum. Auf erteilte Verweise wird nur gegrinst und eine Auszeit vor der Zimmertüre wird gerne entgegen genommen.
Meine Reaktion darauf?
Ich werde meine Tochter von der (humanistischen) Schule nehmen und ein kirchlich geführtes Mädchengymnasium einschreiben.
Soll ich mit ansehen, wie aus einer motivierten, wissbegierigen Einserschülerin ein völlig verblödeter Teenager wird?
Und soll ich sie den Urgewalten der starken Gene aussetzen?

ganimed hat geschrieben:Wenn sie nämlich richtig wäre und es an mangelnder religiöser Erziehung läge, dann wäre das von dir beschriebene Schulhof-Sodom-und-Gomorra ja auch in atheistischen Gesellschaften, zum Beispiel in der DDR, gang und gäbe gewesen, oder in China. Vielleicht ging es ja dort auch tatsächlich so rabiat her. Ich habe aber zumindest noch nichts dergleichen gehört. Sind chinesische Kinder nicht sogar besonders diszipliniert? Oder falle ich da nur auf ein Klischee herein?
Jetzt rate mal, warum Familien in diesen Staaten so diszipliniert sind?
Da hängt kein Kreuz im Klassenzimmer, da wachte Honecker und Mao.
Ja, wenn wir so einen hätten :kopfwand:

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon ganimed » Mi 29. Okt 2008, 20:46

Wenn ich als 100 Kilo-Junge einen 60 Kilo-Jungen in den Schwitzkasten nehme und nicht merke, wie ich ihm langsam aber sicher die Luft zum Atmen nehme, dann ist das höchst bedenklich.

Ich will ja nicht auf Kleinigkeiten herum reiten aber etwas stört mich an dem von dir genannten Vorfall. Der 100 Kilo-Junge war offenbar der Ansicht, dass dem Kleinen der Atem noch nicht ausgeht. Du bist der Ansicht, dass der Dicke zu weit gegangen ist und schließt daraus, dass der Dicke gefühllos ist und oder keine Achtung vor dem Leben hat. Mir ist noch nicht ganz klar, wieso du dir so sicher bist, die Lage besser einzuschätzen als der Dicke. Immerhin war er näher dran. Oder ist das Opfer irgendwie bewusstlos geworden oder blau angelaufen?

Könnte es nicht vielleicht auch sein, dass nicht die Kinder roher geworden sind, sondern die Erwachsenen zarter? Ist nicht einer der Unterschiede zwischen uns und unseren Eltern, dass wir keinen Krieg erlebt haben, als Kinder nicht geschlagen wurden (oder jedenfalls deutlich weniger) und nicht zuletzt seit den 68ern einfach mehr Bedacht auf moralischen, freiheitlichen und von Respekt geprägten Umgang gelegt wird. Sind wir vielleicht doch einfach nur hoffnungslose Softies, denen beim Anblick von kleinen und mittelgroßen Rangeleien auf dem Schulhof schon schlecht wird vor lauter Gewalt?

Ich werde meine Tochter von der (humanistischen) Schule nehmen und ein kirchlich geführtes Mädchengymnasium einschreiben.

Kann mir gut vorstellen, dass es sehr große Unterschiede zwischen Schulen gibt. Nicht weil die eine religiös geprägt ist und die andere nicht. Einfach nur, weil die eine bessere Lehrer hat, oder im Verhältnis mehr Lehrer, oder besser ausgebildete Lehrer, oder tendenziell engagiertere Lehrer. Ist sicher auch eine Frage des Budgets, der Motivation und der Organisation. Dass eine religiöse Erziehung per se besser ist als eine andere, da würde widersprechen wollen.

Jetzt rate mal, warum Familien in diesen Staaten so diszipliniert sind?
Da hängt kein Kreuz im Klassenzimmer, da wachte Honecker und Mao.
Ja, wenn wir so einen hätten :kopfwand:

Ich fasse zusammen. Du behauptest erst, dass uns die religiöse Erziehung fehlt. Und jetzt behauptest du, mit Disziplin und einem Führer geht es auch? Klingt ein wenig beliebig. Gibt es vielleicht noch eine dritte Lösung? Mehr Honigkuchenmarmelade zum Beispiel? :^^:

Na ja, ich räume natürlich sofort ein, dass ich selbstverständlich auch keine Ahnung habe, was die Lösungen sind und was überhaupt genau das Problem ist mit unseren Kindern. Ich bin mal gespannt, wie es wird, wenn meine in problematischere Altersabschnitte kommen.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon stine » Do 30. Okt 2008, 08:33

ganimed hat geschrieben:Könnte es nicht vielleicht auch sein, dass nicht die Kinder roher geworden sind, sondern die Erwachsenen zarter?

Könnte auch sein. Aber dann stellt sich wieder die Frage, warum geben das die Eltern nicht an die Kinder weiter?
Oder nur ein paar wenige und die anderen nicht?
Sollten sich die Jungs dann lieber in Afghanistan austoben, bis sie Schnauze voll haben vom Kriegspielen?
Sind in Friedenszeiten aufgewachsene Kinder übermütiger?

ganimed hat geschrieben:Ich fasse zusammen. Du behauptest erst, dass uns die religiöse Erziehung fehlt. Und jetzt behauptest du, mit Disziplin und einem Führer geht es auch? Klingt ein wenig beliebig. Gibt es vielleicht noch eine dritte Lösung? Mehr Honigkuchenmarmelade zum Beispiel? :^^:

Eine dritte Lösung?
Humanismus mit gesetzlich geregelten Verhaltensweisen?

Auf was ich raus wollte ist, dass ohne Grenzen, ohne Vorgaben und ohne Überwachung derselbigen, die Menschen sich eben nicht alle umsichtig und rücksichtsvoll, hilfsbereit und nachbarschaftlich verhalten. Das starke Gen eben. Ich tue, was mir und den meinen von Nutzen ist.

Und wer überwacht das dann jeweils?
Entweder das Militär, die Staatssicherheit oder der liebe Gott.
Was ist dir jetzt tendenziell lieber?

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon ganimed » Do 30. Okt 2008, 23:03

Mir ist ja schonmal lieb, dass wir etwas von der Eingangsbehauptung weg sind, dass es ohne religiöse Erziehung nicht ginge. Die Lösung ist, das würde ich auch so sehen, eine "gute" Erziehung statt einer schlechten oder gar keiner. Ob eine Erziehung religiös oder diszipliniert oder atheistisch ist, spielt keine Rolle, nur gut muss sie sein. Und gute Erziehung, das hört man ja immer wieder oder liest es auch in jeder Elternzeitschrift, ist vor allem konsequent, also mit Regeln und wo es passt auch ohne Nachgeben.

Jetzt brauchen wir nur noch flächendeckend "gute" Eltern, die das auch umsetzen. Und Softies sind tendenziell nun einmal gerade nicht konsequent, machen andauernd Ausnahmen, wollen dem Kind nicht wirklich etwas zumuten und suchen Kompromisse an Stellen wo klare Regeln nötig wären. Das wäre jetzt zumindest meine Erklärung, wieso die friedfertigen Softie-Eltern es nicht schaffen, ihren Kindern Sanftmut beizubringen.

Agressivität gehört eben auch zu uns, ist Teil unseres menschlichen Erbes. Und Kinder, die vom Zickzack-Kurs inkonsequenter Eltern verwirrt sind, tanzen denen dann eben auf deren Nase herum und leben ihre Agressivität vielleicht manchmal umso unkontrollierter aus. Festere Regeln, nur wenige aber dafür unverhandelbar, und die natürliche Agressivität ruhig auch mal akzeptieren und bewusster kanalisieren und nicht einfach nur stumpf vermeiden wollen, das wäre sicher eine etwas bessere Strategie.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon stine » Fr 31. Okt 2008, 07:44

Da wären wir uns also schon mal einig :wink:
Sehe ich ganz genauso.

Aber:
ganimed hat geschrieben:...wollen dem Kind nicht wirklich etwas zumuten und suchen Kompromisse an Stellen wo klare Regeln nötig wären.
Und hier liegrt der Hase im Pfeffer.

Bei aller Kritik an Religionen, egal welcher: Hier gibt es klare Regeln, die eingehalten werden müssen. Egal, ob sie uns jetzt sinnvoll erscheinen oder nicht. Solange es keine Alternative dazu gibt, und die gibt es nicht wirklich, weil wie wir festgestellt haben, alle "menschlich" gemachten Regeln in Frage gestellt und verhandelt werden können, sind religiöse Regeln für das Verhalten innerhalb einer Gemeinschaft die am meisten akzeptierten.
Und das sogar von klein auf!

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Sekten sind nur psychische Kampfsportvereine?

Beitragvon ganimed » Fr 31. Okt 2008, 18:53

stine hat geschrieben:Bei aller Kritik an Religionen, egal welcher: Hier gibt es klare Regeln, die eingehalten werden müssen.

Klare Regeln gibt es auch in der Strafprozessordnung oder in der Hausordnung einer Mietskaserne. Was sagt denn die Bibel, wann Kinder ins Bett sollen? Gibt es da auch klare Regeln? Ist die Bibel überhaupt klar? Wie die Heerscharen an verschiedenen Interpretationen der letzten 2000 Jahre zeigt, scheint da gar nichts klar zu sein. Und was davon für Kindererziehung verwendbar ist, muss sich jeder selber überlegen? Und das soll dann klar sein?

Ich glaube, du meintest hier vielleicht irgend so etwas wie moralische Werte, die man den Kindern vielleicht irgendwann auch noch vermitteln soll. Aber das sind keine Regeln, sondern eben Werte. Und auch bei den Werten gilt natürlich, dass die Werte der Bibel überhaupt nicht klar sind. Im neuen Testament heißt es, man solle lieb und nett bis zur Selbstaufgabe sein (willst du deine Kinder wirklich so haben?) und im alten Testament soll man Auge um Auge seine Kinder Gott opfern, wenn er das will. Alles klar?

stine hat geschrieben:Solange es keine Alternative dazu gibt, und die gibt es nicht wirklich, weil wie wir festgestellt haben, alle "menschlich" gemachten Regeln in Frage gestellt und verhandelt werden können

Wie ich ein paar Sätze vorher gesehen habe, können religiöse Regeln auch in Frage gestellt und verhandelt werden. Dies ist also ganz offensichtlich nicht der Punkt. Wichtig ist doch nur, dass das Kind die Regeln nicht in Frage stellt. Wenn das Regelwerk also halbwegs überzeugend ist und die Eltern selbst auch daran glauben, dann steht einer guten Erziehung nichts mehr im Wege. Ganz einfache humanistische Grundregeln und ein paar praktische Vernunftregeln für den Alltag und das tägliche Zusammenleben, das kann doch nicht so schwer sein. Dafür brauche ich keinen allmächtigen Gott.
Benutzeravatar
ganimed
 
Beiträge: 1687
Registriert: Sa 23. Aug 2008, 22:35

VorherigeNächste

Zurück zu Religion & Spiritualität

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 26 Gäste