von ganimed » Mo 3. Nov 2008, 21:12
Ich lese den Artikel so, dass die Autoren versuchen, den Freiheitsbegriff so zu definieren, dass sie einerseits nicht zu sehr mit den aktuellen Ergebnissen der Hirnforscher in Konflikt kommen und andererseits ihr geliebtes Selbstverständnis als freie und verantwortliche Individuen behalten wollen. Wenn eine Entscheidung vom eigenen Charakter und den eigenen Wünschen abhängt, so verstehe ich es hier, dann ist sie trotzdem frei? Das erscheint mir merkwürdig. Solange sich die Wünsche und der Charakter nicht ändert, wird man also keine wirklichen Handlungsalternativen haben sondern immer gleich entscheiden. Das ist für mich keine Freiheit. Freiheit wäre für mich, wenn man wirklich unabhängig von allem entscheiden könnte. Die Unabhängigkeit von ursächlichen Faktoren erscheint mir also der einzige naheliegende Freiheitsbegriff. Und diese Freiheit gibt es in einem deterministischen Kosmos nicht. Mich überzeugt deshalb der hier beschriebene Ansatz vor allem wegen der fragwürdigen Freiheitsdefinition nicht.
Kann es sein, dass Philosophen die meisten Schwierigkeiten haben, die Nichtexistenz von Willensfreiheit zu akzeptieren? So ähnlich wie Literaten die größten Probleme hatten, sich mit der Rechtschreibreform anzufreunden?
Letztens hörte ich in einem anderen Zusammenhang über die Unflexibilität von Wissenschaftlern: ein Paradigmenwechsel in einer wissenschaftlichen Disziplin kann erst dann vollständig vollzogen werden, wenn der letzte Vertreter der alten Schule verstorben ist. Das menschliche Gehirn, auch das von Wissenschaftlern, hat eben in Punkto Umorientierung seine Grenzen.
Ich vermute, in 20 oder 30 Jahren wird sich die Zahl der Philosophen langsam verringern, die sich mit Wortklaubereien, dem Rückzug auf andere Blickwinkel und dem Pochen auf das traditionelle Selbstverständnis des Menschen der Akzeptanz von Willensunfreiheit zu entziehen suchen. Bestimmt werden dann auch weniger solche Bücher geschrieben.