ostfriese hat geschrieben:weil das logische Gegenteil Deiner Existenzbehauptung (Es gibt Beispiele für kulturelle Leistungen, die ohne Religiosität nicht inspiriert worden wären.) eine Allaussage ist (Für alle kulturellen Leistungen gilt: Sie wurden nicht erst durch religiöse Inspiration möglich.). Man kann Allaussagen nicht beweisen, selbst durch tausend Einzelbelege nicht. Deshalb obliegt Dir die Belegpflicht, aus rein logisch-pragmatischen Gründen.
ganimed hat geschrieben:Du hast natürlich recht, dass Allaussagen nicht so ohne weiteres bewiesen werden können, jedenfalls nicht durch die Angabe von Beispielen. Aber natürlich kann man von mir auch nicht verlangen, einen Beweis für die historische Person Bach zu liefern.
ganimed hat geschrieben:Ich finde es deshalb in dieser Frage recht unvernünftig, vom Gegenüber Belege oder Beweise zu fordern.
ganimed hat geschrieben:Es geht also nicht um eindeutige Beweise (die können wir beide nicht beibringen), es geht nur um Plausibilitäten, um grobe Abschätzungen, wer von uns beiden wohl eher recht haben könnte.
ganimed hat geschrieben:Und da, so finde ich, habe ich ziemlich gute Karten. Ganz einfach, weil meine Behauptung viel weniger beinhaltet.
ganimed hat geschrieben:Im Einzelfall Bach hätte man sich streiten können.
ganimed hat geschrieben:Die Allaussage erscheint dagegen, mir jedenfalls, wenig plausibel.
ostfriese hat geschrieben:Im Falle der 'religiösen Inspiration' heißt das, dass Du ihre Wirkmechanismen postulieren müsstest, die noch niemand gefunden hat; wonach Du wiederum gezwungen wärst, zusätzliche Hypothesen ad hoc aufzufahren, mit denen Du begründest, warum sie noch niemand gefunden hat bzw. wofür sie fälschlicherweise gehalten wurden.
ostfriese hat geschrieben:Die starken Gefühle, die bei (streng) Gläubigen auftreten, sind aber erstens nicht spezifisch religiöser Natur (es gibt keinen spezifischen Hormon-Cocktail, der mit religiösen Gefühlen zu identifizieren wäre)...
ostfriese hat geschrieben:Die starken Gefühle, die bei (streng) Gläubigen auftreten, ... , und zweitens sind sie kein hinreichender Grund für besondere Kreativität. Deshalb ist ein positiver Zusammenhang zwischen 'religiöser Inspiration' (nach Deinem Verständnis!) und kultureller Hochleistung nicht plausibel zu begründen.
ganimed hat geschrieben:Die Gefühle sind selbstverständlich ganz normale menschliche Gefühle. Aber erzeugt wurden sie im religiösen Kontext des Gläubigen. Nur deshalb nenne ich sie religiös.
ganimed hat geschrieben:Dass es einen Zusammenhang zwischen starken Emotionen und künstlerischer Kreativität gibt, kann man doch alleine schon daran ablesen, dass zum Klischee eines Dichters Eigenschaften gehören wie: Sensibilität, Begeisterungsfähigkeit, oft Euphorie, dann vielleicht wieder ein Übermaß an Trübsal, also Unausgeglichenheit, mit einem Wort: Emotionalität. Bei Komponisten ist es genau so. Ich bin sicher, viele Künstlerbiografien bestätigen das.
ganimed hat geschrieben:Tiefes Empfinden einerseits plus Motivation andererseits ergibt doch ganz klar eine erhöhte Kreativität
ostfriese hat geschrieben:Sollen die Gefühle derer, die sich in den nächsten Jahren am Wiederaufbau der vereinigten Staaten beteiligen, nun 'obamanisch' heißen?
ostfriese hat geschrieben:Hochintelligente und -kreative Menschen zeichnen sich gemeinhin durch überdurchschnittliche Sensibilität aus, wodurch sie wiederum anfälliger sind für Stimmungsschwankungen. Letztere sind jedoch keineswegs Ursachen ihres Schaffensvermögens, sondern lediglich Folgen der gleichen hirnphysiologischen Dispositionen, welche auch die hohe Kreativität bedingen.
ganimed hat geschrieben:ostfriese hat geschrieben:Sollen die Gefühle derer, die sich in den nächsten Jahren am Wiederaufbau der vereinigten Staaten beteiligen, nun 'obamanisch' heißen?
"Obamanisch" klingt nicht gut. Aber wie wäre es mit "politisch"? Es gibt "politisches Interesse", "sexuelles Verlangen", "partnerschaftliches Vertrauen", "Eheglück", "kulinarische Freuden", "Technikbegeisterung". Und du willst jetzt darauf hinaus, dass man ausgerechnet den Begriff der "religiösen Gefühle" fortan nicht mehr benutzen sollte?
ganimed hat geschrieben:Deine relfexartige Ablehnung meiner Argumente (oder Formulierungen) treibt merkwürdige Stilblüten.
ganimed hat geschrieben:Bei Wikipedia habe ich unter dem Thema "Kreativität" gelesen, dass keine Korrelation zu Intelligenz besteht.
ganimed hat geschrieben:Ich finde deshalb die ursächliche Beziehung zwischen Emotionen und einem kreativem Ausdruck derselben recht plausibel.
Also, wenn ich denke, dass Religion zu kultureller Höchstleistung inspiriert, dann vertrete ich auch die These, dass aus ihr auch Terror entstehen kann?ostfriese hat geschrieben:Religiosität ist -- im Gegensatz zu Liebe, Hass, Angst usw. -- kein elementares Gefühl. Wenn Du bei der Grobsicht bleibst, sie sei unter geeigneten Bedingungen Ursache kultureller Hochleistung (gewesen), dann hast Du umgekehrt auch kein Argument gegen die These, Religiosität führe unter geeigneten Bedingungen (zwangsläufig) zum Terrorismus. Beide Irrtümer beruhen auf denselben Denkfehlern.
stine hat geschrieben:Also, wenn ich denke, dass Religion zu kultureller Höchstleistung inspiriert, dann vertrete ich auch die These, dass aus ihr auch Terror entstehen kann?
Aber das bestreitet doch ohnehin niemand.
stine hat geschrieben:Wenn Religion nicht Ursache für verstörte Gemüter, bis hin zum Selbstmord sein kann, dann weiß ich nicht, warum Religion überhaupt eine Diskussion wert ist.
ostfriese hat geschrieben:Und von 'religiösen Gefühlen' kannst Du plappern, so viel Du willst, so lange Du nicht versuchst, damit irgendwas zu erklären. Wir können z.B. 'Angst' in tausend verschiedenen Kontexten haben, und es bleibt dennoch Angst. Mit ihr einher geht die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter, über die wir sie in jedem Kontext identifizieren könnten. Und der hiervon gekennzeichnete Hirnzustand hat Folgewirkungen, die ebenfalls kontextunabhängig sind. Es ergäbe nicht den geringsten Sinn, eine dieser Angst-Wirkungen als kontext-verursacht fehlzuinterpretieren.
ostfriese hat geschrieben:Kreativität ist eine Disposition, keine Handlungsweise.
ostfriese hat geschrieben:Wir suchen nach Erklärungen für Hochkultur bzw. Terrorismus. Religion ist weder für das eine noch das andere eine Erklärung. Wir finden sie im Kontext von beidem -- oder auch nicht. Ob echte kausale Beziehungen bestehen, finden wir nur heraus, wenn wir auf der Ebene hirnorganischer Dispositionen sowie elementarer Bedürfnisse, Motive und Gefühle nach notwendigen und hinreichenden Gründen menschlichen Handelns suchen.
ganimed hat geschrieben:Wenn Bach durch seine Religiösität jeden Morgen nach der Andacht eine gewisse Freude über die göttliche Ordnung empfunden hat, dann würde ich das ein religiöses Gefühl nenne, du würdest das als Quatsch bezeichnen und es nur als kontextunabhängige Freude bezeichnen. Gut gelaunt bringt Bach noch am vormittag eine tolle Fuge zu Papier. Nun fragt man uns beide, wie er das nur wieder geschafft hat.
Ich antworte: "seine wichtigste Inspirationsquelle ist wohl die Religion, deretwegen er sich heute morgen so gefreut hat. Und diese Freude führte zu erhöhtem Output."
ganimed hat geschrieben:Du würdest, da du den Kontext weggeworfen hast, nur antworten können: "Weil er sich heute morgen wohl irgendwie gefreut hat, keine Ahnung warum."
ganimed hat geschrieben:Meine Antwort ist besser. Man sollte den Kontext eben nicht ohne Not wegwerfen.
ganimed hat geschrieben:ostfriese hat geschrieben:Kreativität ist eine Disposition, keine Handlungsweise.
Den Begriff "Kreativität" kann man sicher auch als Disposition auffassen. Ich stimme zu, dass zum Beispiel Bach sicher ein besonders gut geeignetes, besonders musikalisches Hirn gehabt haben muss. Aber es braucht natürlich noch viele weitere Faktoren, bis die Fuge endlich auf dem Notenblatt erscheint. Man braucht sicher Anleitung, Erziehung, Motivation, Gelegenheit, Papier und Feder, usw.
ganimed hat geschrieben:Und ich meine mit der Religiösität als wichtigster Inspirationsquelle natürlich nicht die Disposition des Hirns, sondern eine emotionale Quelle, die den gesamten Schaffensprozess begünstigt. Man könnte vielleicht sagen, dass die Religiösität Bachs Kreativität zu besonderer Blüte gebracht hat.
ganimed hat geschrieben:ostfriese hat geschrieben:Wir suchen nach Erklärungen für Hochkultur bzw. Terrorismus. Religion ist weder für das eine noch das andere eine Erklärung. Wir finden sie im Kontext von beidem -- oder auch nicht. Ob echte kausale Beziehungen bestehen, finden wir nur heraus, wenn wir auf der Ebene hirnorganischer Dispositionen sowie elementarer Bedürfnisse, Motive und Gefühle nach notwendigen und hinreichenden Gründen menschlichen Handelns suchen.
Das stimmt nicht. Mit geeigneten Tests kann man durchaus auch ursächliche Beziehungen zwischen etwas so komplexem wie Religion einerseits und Tendenzen zu gewissen Handlungen andererseits ermitteln. Als Beispiel fiel mir wieder eine dieser Geist&Gehirn Folgen ein:
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