Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Myron » Mi 29. Apr 2009, 14:13

HFRudolph hat geschrieben:@Myron: Zum einen kann sich jeder Bright positionieren, wie er oder sie will. So etwas wie „jeder Bright muss das vertreten“ geht schon mal gar nicht.


Ich habe nicht "muss", sondern "müsste[n] eigentlich" geschrieben, was ein feiner Unterschied ist.
Und wenn wir Brights schon kaum philosophische Gemeinsamkeiten haben, dann sollten sich wenigstens einige klare politische Ziele formulieren lassen, die der Gleichberechtigung der Atheisten und Naturalisten dienen.
Ich muss mir doch ständig anhören, dass die Brights-Bewegung keine philosophische, sondern eine politische Bewegung sei.

HFRudolph hat geschrieben:Und wenn Du eine realpolitische Position einnimmst, weil Du im vorauseilenden Gehorsam meinst, mit einer solchen (inkonsequenten) Position weiter zu kommen, als mit einer solchen, die offen und ehrlich sagt, was sie meint, dann ist das eigentlich Deine Sache.


Wir beide können radikale Forderungen noch und nöcher aufstellen und damit unsere Egos befriedigen; doch das wird uns der für eine Grundgesetzänderung erforderlichen Zweidrittelmehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat keinen Schritt näherbringen.
Und blicken wir den unschönen, aber unleugbaren faktischen Machtverhältnissen in Deutschland doch mal direkt ins Gesicht: Die CDU/CSU und die SPD werden auch in Zukunft an §7.3 und damit am konfessionellen Religionsunterricht festhalten, sodass die benötigte Zweidrittelmehrheit auf unabsehbare Zeit nicht zustande kommen wird. (Ich habe Zweifel, dass ich das überhaupt noch erleben werde.)

Als "inkonsequent" empfinde ich meine Kompromiss—Position übrigens nicht, sondern als taktisch klug; denn wenn man den Religiösen selbst das Recht auf Einrichtung eines freiwilligen Religionsunterrichtes als Wahlfach abspricht, wie ließe sich dann das Fach "Humanistische Lebenskunde" an den öffentlichen Schulen verteidigen?
(Man kann sich natürlich generell gegen jeglichen freiwilligen Weltanschauungsunterricht an den öffentlichen Schulen aussprechen.)

HFRudolph hat geschrieben:Grundsätzlich wird die Luft aber ganz dünn, wenn wir eine Position vertreten, die es zulässt, dass der Staat Aberglauben unterrichtet.


GG §4.1: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich."

Ob es uns gefällt oder nicht, die Glaubensfreiheit beinhaltet allgemein auch Aberglaubensfreiheit!

HFRudolph hat geschrieben:Im Grunde forderst Du eine staatliche Benachteiligung der nicht organisierten Naturalisten!


Sicher nicht.

HFRudolph hat geschrieben:Weiter ist es so, dass Kinder unter 14 Jahren auch gegen ihren Willen am Religionsunterricht teilnehmen müssen. Und diese Unterrichtsfächer haben die Befugnis, ihre Auffassung als Wahrheit zu lehren. Insbesondere der Religionsunterricht fällt dabei zwangsläufig manipulativ aus. Wenn das auch nur zu einem Bruchteil dazu beiträgt, dass Menschen ihr Leben lang in einem bestimmten Bereich nicht mehr zur rationalen Überlegung in der Lage sind, dann ist das ein Missbrauch der Machtverhältnisse der Erwachsenen gegenüber den Kindern. Eine solch amoralische Regelung kann ich daher kaum unterstützen…


Ich rede von einem rein freiwilligen Wahlfach, das auch frühestens ab der 5. Klasse, d.h. noch nicht an den Grundschulen, angeboten werden sollte. Und natürlich sollen grundsätzlich die SchülerInnen allein entscheiden dürfen, ob sie daran teilnehmen wollen oder nicht.

HFRudolph hat geschrieben:Und noch etwas: Es gibt Bereiche, in denen auch die Atheisten ihren „Lebenskundeunterricht“ auf der selben Basis errichtet haben, wie die Religiösen ihren Unterricht. Von diesen Personengruppen ist eine sachliche, überparteiliche Argumentation nicht zu erwarten! Es ist doch völlig klar, dass die ihren eigenen Unterricht nicht sabotieren wollen. Das ändert nichts daran, dass Myrons Kompromissposition grundfalsch und kein akzeptabler Kompromiss ist.


Wie oben schon gesagt, Du kannst natürlich auch die Humanistische Lebenskunde und damit jeglichen freiwilligen Weltanschauungsunterricht an den öffentlichen Schulen ablehnen.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Myron » Mi 29. Apr 2009, 14:53

HFRudolph hat geschrieben:Grundsätzlich müsste erst mal die Garantie des staatlichen Religionsunterrichts in Art. 7 Abs. 3 GG weg.


Damit Du mich nicht missverstehst: Ich wäre nur unter der Bedingung für ein Wahlfach Religion, dass das Wahlpflichtfach Religion abgeschafft wird. Ich fordere also sehr wohl die Änderung bzw. Abschaffung von §7.3.

HFRudolph hat geschrieben:Und im Übrigen ist es nun einmal so, dass die überwiegende Mehrheit der Konfessionslosen ihre Weltanschauung nicht organisiert und dass es per Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit der Weltanschauungsfreiheit keine Ungleichbehandlung deshalb geben darf, weil der eine seine Vorstellung organisiert, der andere aber nicht. Die Nichtorganisation darf zu keinem Nachteil führen.


Dafür, dass die Atheisten und Naturalisten derart schwach organisiert sind, sind sie in erster Linie selbst verantwortlich, findest Du nicht?
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon HF******* » Mi 29. Apr 2009, 15:22

Myron hat geschrieben:denn wenn man den Religiösen selbst das Recht auf Einrichtung eines freiwilligen Religionsunterrichtes als Wahlfach abspricht, wie ließe sich dann das Fach "Humanistische Lebenskunde" an den öffentlichen Schulen verteidigen?

Sag ich doch, daher weht der Wind. Du könntest mich ja locken, wenn der Durchschnittsnaturalist irgendwie auch seine jeweilige (!) Weltanschauung einbringen könnte: Kann er aber nicht und soetwas ist auch nicht als Silberstreif am Horizont in Sicht.

Das hat doch im Prinzip genausowenig etwas an der Schule verloren, wie Religion!

Wenn eine Ungleichbeandlung der Religionen und Weltanschauungen nicht daran knüpfen darf, ob diese organisiert sind oder nicht, dann kann man auch nicht ein Unterrichtsfach daran anknüpfen und den Inhalt nach den Organisationen ausrichten. Und da kann der Staat eben nicht sagen: Ja, pech gehabt, wenn Ihr nicht durchorganisiert seid! - Genau das wäre dann eben verfassungswidrig. Allein schon, dass man den Religionsunterricht an den Kirchen festmacht. Da kann man die nichtkirchlichen Christen ebenso befragen - beim Islamunterricht geht das dann plötzlich, weil die ohnehin keine Kirchen in unserem Sinne haben.

Und da müssen sich die tollen Herrn Organisatoren schon mal selbst in den Arsch treten, um die Menschenrechte einzuhalten. Das geht einfach, Religion raus, oder eben turbo kompliziert…

Myron hat geschrieben:
HFRudolph hat geschrieben:Grundsätzlich wird die Luft aber ganz dünn, wenn wir eine Position vertreten, die es zulässt, dass der Staat Aberglauben unterrichtet.


GG §4.1: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich."

Ob es uns gefällt oder nicht, die Glaubensfreiheit beinhaltet allgemein auch Aberglaubensfreiheit!

Du willst mir jetzt nicht weißmachen, dass aus der Freiheit des Aberglaubens dem Staat gegenüber resultiert, dass der Staat den Unsinn auch noch transportieren muss?
Das ist ja nun gerade nicht der Fall.

Myron hat geschrieben:
HFRudolph hat geschrieben:Im Grunde forderst Du eine staatliche Benachteiligung der nicht organisierten Naturalisten!


Sicher nicht.

Dann schlag doch einen Ausgleich vor.
Eine Benachteiligung wäre das nur dann nicht, wenn Unterricht, Materialien, Lehrerausbildung, Gehalt pp zu 100% von den Eltern getragen werden, die ihre Kinder dorthin schicken (nicht von den Kirchen, wer in der Kirche ist, muss sein Kind noch lange nicht zum Religionsunterricht schicken und wer zum Religionsunterricht geschickt wird, muss noch lange nicht in der Kirche sein...). Von mir aus kann man das auch familienfreundlich gestalten: Wer sein Kind nicht zum Konfessionsunterricht schickt, bekommt das Geld ausbezahlt, bei den anderen wird es für die Kosten verwendet...

Myron hat geschrieben:Ich rede von einem rein freiwilligen Wahlfach, das auch frühestens ab der 5. Klasse, d.h. noch nicht an den Grundschulen, angeboten werden sollte. Und natürlich sollen grundsätzlich die SchülerInnen allein entscheiden dürfen, ob sie daran teilnehmen wollen oder nicht.

Ja, schön. Da müsste erst mal Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz (Art.=Artikel, Abs.= Absatz) gestrichen werden… wo wir wieder beim Thema wären… und da sind wir uns anscheinend ja doch einig: Auch wenn Du das aus taktischen Gründen erst nicht wolltest, weil eine Grundgesetzänderung doch nicht durchgeht?

Myron hat geschrieben:Wie oben schon gesagt, Du kannst natürlich auch die Humanistische Lebenskunde und damit jeglichen freiwilligen Weltanschauungsunterricht an den öffentlichen Schulen ablehnen.

Von Freiwilligkeit kann man bei der gegenwärtigen Rechtslage bestenfalls in Berlin und Bremen sprechen.
Ich weiß nicht, wo das noch unterrichtet wird, aber in anderen Bundesländern wäre es mit der Freiwilligkeit vorbei.
Zuletzt geändert von HF******* am Mi 29. Apr 2009, 16:17, insgesamt 6-mal geändert.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon HF******* » Mi 29. Apr 2009, 15:28

Ich bin der Meinung, dass über Religionen und Philosophie unterrichtet werden soll, was etwas anderes ist, als wenn der Staat Aberglauben ansich unterrichtet - und zwar nicht über alle Religionen, sondern über die wesentlichen für die deutsche Gesellschaft Relevanten…

Ich habe etwa Anfang 2008 die verschiedenen Fraktionen dazu angeschrieben, zumnindest CDU/CSU und SPD.
Die CDU war ablehnend, meine ich.

Dr. Wiefelspütz von der SPD fand den Vorschlag eines Religionskundlichen Unterrichts für alle jedenfalls interessant.
Ich müsste die Schreiben dazu mal heraus suchen. Gemeinsdame Auffassungd er Fraktionen war jedenfalls, dass der Religionsunterricht in der jetzigen Form als Religionskundeunterricht wahrgenommen wird (und das, obwohl in Bayern und NRW wohl sogar in der Schule gebetet wird, da kann man sich vorstellen, wie kundlich der Unterricht ausfällt...) und keinerlei Problembewusstsein in unserer Hinsicht bestand - das hat sich durch die Abstimmung wohl etwas geändert.

Ich denke, dass die CDU den Wünschen ihrer eigenen Klientel widerspricht, wenn sie auch noch den Islam unterrichten lässt. Auf Dauer kann die CDU die Position nicht halten.

Andererseits sehe ich konkrete Mehrheiten für eine Grundgesetzänderung nicht, nach der Bundestagswahl wird es jedenfalls schwierig werden und Orakeln lohnt jetzt noch nicht. Gegenwärtig hat der Bund auch ganz andere Probleme.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Klaus » Mi 29. Apr 2009, 15:45

Genau so, wie die Götter der Griechen und Römer, oder Germanen in Sagen-Sammelbüchern zusammengefasst sind, und die eine oder andere Sage, Fabel, z.B. im Deutschunterricht vermittelt wird, genauso sollte Wissen über christliche, jüdische und islamische Religion vermittelt werden. Ist doch interessant, dass der olle Zeus seine Tochter Aphrodite im Oberschenkel eingenäht mit sich herumschleppte, um den Nachstellungen ihrer Umwelt zu entgehen, und sie dann ganz jungfräulich von ihrem Vater geboren wurde.
Oder wer glaubt heute noch an die Weltesche Yggdrasil?
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon HF******* » Mi 29. Apr 2009, 16:14

@Klaus: Genau!

Allerdings wäre schön, wenn neben der üblichen Märchenstunde auch die Problematiken thematisiert würden, die mit den real existierenden Religionen (und Weltanschauungen) verbunden sind.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Myron » Mi 29. Apr 2009, 16:30

HFRudolph hat geschrieben:Sag ich doch, daher weht der Wind. Du könntest mich ja locken, wenn der Durchschnittsnaturalist irgendwie auch seine jeweilige (!) Weltanschauung einbringen könnte: Hat er aber nicht und soetwas ist auch nicht als Silberstreif am Horizont in Sicht.


Ich bin kein Insider, aber kann es sein, dass sich der HVD sowieso nicht als Vorreiter des Naturalismus sieht?

HFRudolph hat geschrieben:Das hat doch im Prinzip genausowenig etwas an der Schule verloren, wie Religion!


Das ist durchaus ein vertretbarer Standpunkt, gegen den ich im Grunde gar nichts einzuwenden habe.
(Nur 'ne spontane Idee: Vielleicht sollte der ganze Weltanschauungskram in die Volkshochschulen ausgelagert werden.)

HFRudolph hat geschrieben:Wenn eine Ungleichbeandlung der Religionen und Weltanschauungen nicht daran knüpfen darf, ob diese organisiert sind oder nicht, dann kann man auch nicht ein Unterrichtsfach daran anknüpfen und den Inhalt nach den Organisationen ausrichten.


Gibt es konkrete rechtliche Grundlagen, bei denen der Organisationsgrad einer Weltanschauungsanhängerschaft eine Rolle spielt?

HFRudolph hat geschrieben:Du willst mir jetzt nicht weißmachen, dass aus der Freiheit des Aberglaubens dem Staat gegenüber resultiert, dass der Staat den Unsinn auch noch transportieren muss? Das ist ja nun gerade nicht der Fall.


Soll etwa der Staat ex cathedra entscheiden, was als wahrer Glaube gilt und was als Aberglaube?
Auch wenn wir vielleicht manchmal davon träumen, können wir die Millionen Religiösen nicht einfach aus der Gesellschaft ausblenden. Sie sind de facto da und verfolgen natürlich—wie wir ja auch—ihre eigenen Interessen.

HFRudolph hat geschrieben:Eine Benachteiligung wäre das nur dann nicht, wenn Unterricht, Materialien, Lehrerausbildung, Gehalt pp zu 100% von den Eltern getragen werden, die ihre Kinder dorthin schicken (nicht von den Kirchen, wer in der Kirche ist, muss sein Kind noch lange nicht zum Religionsunterricht schicken und wer zum Religionsunterricht geschickt wird, muss noch lange nicht in der Kirche sein...). Von mir aus kann man das auch familienfreundlich gestalten: Wer sein Kind nicht zum Konfessionsunterricht schickt, bekommt das Geld ausbezahlt, bei den anderen wird es für die Kosten verwendet...


Wer Kirchensteuer zahlt, sollte damit einverstanden sein, dass sein Geld unter anderem für den Religionsunterricht aufgewendet wird, auch wenn seine eigenen Kinder daran nicht teilnehmen wollen.
Und die Religiösen argumentieren naheliegenderweise, dass sie als Steuerzahler ja eh schon zur Finanzierung der öffentlichen Schulen beitrügen und es somit nicht einzusehen wäre, wieso sie zusätzlich noch etwas für den Religionsunterricht zahlen sollten.

HFRudolph hat geschrieben:Da müsste erst mal Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz (Art.=Artikel, Abs.= Absatz) gestrichen werden… wo wir wieder beim Thema wären… und da sind wir uns anscheinend ja doch einig: Auch wenn Du das aus taktischen Gründen erst nicht wolltest, weil eine Grundgesetzänderung doch nicht durchgeht?


Da hast Du mich falsch verstanden. Mein Angebot war: Biete freiwilliges Wahlfach Religion für die Abschaffung des Wahlpflichtfachs Religion!
Aber traurige Tatsache ist eben, dass eine Grundgesetzänderung aufgrund der gegebenen Machtverhältnisse derzeit utopisch ist. Ich sage nicht, dass wir deswegen aufhören sollten, an der Forderung festzuhalten; aber es ist leider unwahrscheinlich, dass wir damit noch zu unseren Lebzeiten Erfolg haben werden.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Myron » Mi 29. Apr 2009, 16:43

HFRudolph hat geschrieben:Ich bin der Meinung, dass über Religionen und Philosophie unterrichtet werden soll, was etwas anderes ist, als wenn der Staat Aberglauben ansich unterrichtet - und zwar nicht über alle Religionen, sondern über die wesentlichen für die deutsche Gesellschaft Relevanten…


Die Einrichtung eines nichtkonfessionellen, nichtmissionarischen Fachs "Ideengeschichte" ist ein alter Vorschlag von mir.
Darin sollen die SchülerInnen objektiv über die philosophischen und die religiösen Ideen (die ja auch philosophischer Natur sind) informiert werden. Einen Sonderstatus sollen die religiösen Ideologien in einem solchen Fach gegenüber den säkularen Philosophien aber nicht haben.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon HF******* » Do 30. Apr 2009, 12:00

Die Kirchen haben erhebliches Mitspracherecht bezüglich des Religionsunterrichts. Das gilt besonders für die Katholiken, wo der Papst von heute auf morgen seine Meinung ändern und das damit zum Unterrichtsthem machen kann... Ich denke aber auch, dass auch ein personelles Mitspracherecht besteht. Das lässt sich natürlich hinsichtlich anderer Unterrichtsformen schwer bewerkstelligen - das System ist eben darauf ausgerichtet, dass 100% christlich sind - und dann gibt es eben massive Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz, sobald das sich wesentlich ändert - was ja der Fall ist.

Allein schon, dass etwa kein naturalistischer Weltanschauungsunterricht gegeben wird, beruht doch darauf, dass keiner "hier" schreit. Auf der anderen Seite erinnere ich mich, dass in den 80gern für 2 (!) Schüler aus zusammen zwei Klassen extra katholische Religion an der Grundschule unterrichtet wurde…

Myron hat geschrieben:Soll etwa der Staat ex cathedra entscheiden, was als wahrer Glaube gilt und was als Aberglaube?

Nein, das ist nur meine persönliche Wortwahl. Die Katholiken und Evangelen bezeichnen auch allen „Glauben“ außerhalb ihrer Weltanschauung als Aberglauben oder heidnisch - und das mache ich auch. Nur das eben die Katholen und Evangeliker demnach auch abergläubisch sind - aus unserer Sicht besteht nun mal kein Wirkungsunterschied zwischen Globuli-Anwendung, neuheidnischem Hexenzauber und dem Spritzen mit Weihwasser. Ich sage ja auch „Gottheit“, um das suggestive Element heraus zu nehmen.

Myron hat geschrieben:Und die Religiösen argumentieren naheliegenderweise, dass sie als Steuerzahler ja eh schon zur Finanzierung der öffentlichen Schulen beitrügen und es somit nicht einzusehen wäre, wieso sie zusätzlich noch etwas für den Religionsunterricht zahlen sollten.

Was ja jeder Logik entbehrt, oder? Das ergibt auf diese Weise nur Sinn, weil andere deren Unterricht über die Steuer mitfinanzieren.

Myron hat geschrieben:Da hast Du mich falsch verstanden. Mein Angebot war: Biete freiwilliges Wahlfach Religion für die Abschaffung des Wahlpflichtfachs Religion!

"Ordentliches Lehrfach" steht im Grundgesetz. Da müsste man fragen, was das heißt: Zumindest wohl, dass es Noten gibt.
Ob der Ersatzunterricht Pflicht sein muss, ist dann wieder eine weitere Frage. Ich sehe aber dennoch nicht, wie man den unorganisierten Naturalisten gerecht werden könnte: Sicherlich nicht durch "Werte und Normen". Was dort unterrichtet wird, wählen doch (zumindest im Westen) die selben Leute aus, die auch den Inhalt des Religionsunterrichts regeln...

Myron hat geschrieben:Aber traurige Tatsache ist eben, dass eine Grundgesetzänderung aufgrund der gegebenen Machtverhältnisse derzeit utopisch ist. Ich sage nicht, dass wir deswegen aufhören sollten, an der Forderung festzuhalten; aber es ist leider unwahrscheinlich, dass wir damit noch zu unseren Lebzeiten Erfolg haben werden.

Die Grundgesetzänderung sagt ja auch noch lange nicht, dass sich an der tatsächlichen Lage etwas ändert, sondern das besagt nur, dass auf einfachgesetzlicher Ebene etwas geändert werden könnte.

Die Politik steht allerdings unter Druck, weil Viele die Veränderungen in der gesellschaftlichen Realität nicht richtig registrieren und sich zudem der Islam durch den staatlichen Religionsunterricht keineswegs erledigen wird.

„Ideengeschichte“ als Unterrichtsfach hört sich auch gut an. Ich denke aber, dass eine Orientierung an der gesellschaftlichen Realität erforderlich ist, sonst läuft man Gefahr, dass plötzlich Hinduismus in gleicher Gewichtung wie das Christentum unterrichtet wird: Und das wäre dann doch wieder nicht angemessen.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Klaus » Do 30. Apr 2009, 12:10

Brightsblog hat geschrieben:Laizität dagegen ist die Abwesenheit der Religion im öffentlichen Bereich. Sie würde ein anderes Grundgesetz erfordern. Der RM-Mitherausgeber und frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof wies letzte Woche in Berlin darauf hin, dass das Grundgesetz ohne Christentum nicht nur nicht zu verstehen, sondern auch nicht zu handhaben sei, da ohne die Religion seine tragenden Überzeugungen uminterpretiert würden.

Weiter kann man hier lesen.
Damit dürfte auch ganz klar sein, wer gegen Religionsunterricht ist, muss, zutiefst politisch und demokratisch, Willens sein, das Grundgesetz zu ändern.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon HF******* » Do 30. Apr 2009, 13:13

Kirchhof hat die Bibel nicht durchgelesen oder versteht sie nur im übertragenen Sinne. Es ist ja schön, wenn er die Christen jenseits der Pius-Bruderschaft nicht als Verfassungsfeinde dastehen lässt, sondern dass sie auch für die Menschenrechte sind, auch wenn das mit dem Bibelwortlaut wohl unvereinbar ist.

Wenn er allerdings meint, ohne Christentum sei das Grundgesetz nicht zu verstehen, redet er ein in jeder Hinsicht labiles Staatsverständnis herbei, denn das Christentum lässt sich durch jeden anderen Aberglauben auswechseln wie die Unterwäsche.
Tatsächlich braucht man das Christentum zum Staatsverständnis nicht, es schadet eher:
http://freenet-homepage.de/Naturalismus ... chte.xhtml

In einigen Punkten hat allerdings das Bundesverfassungsgericht seine Kompetenzen überspannt, etwa wenn es der Eizelle ab dem Zeitpunkt der Einnistung die Würde des Menschen (nicht jeden menschlichen Lebens) zuspricht: Soetwas ist tatsächlich nur nach dem Menschenbild der Bundesverfassungsrichter verständlich und nicht aus dem Grundgesetz…
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Myron » Do 30. Apr 2009, 13:59

HFRudolph hat geschrieben:Die Kirchen haben erhebliches Mitspracherecht bezüglich des Religionsunterrichts.


Und das eben kraft §7.3: "Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt."

HFRudolph hat geschrieben:Allein schon, dass etwa kein naturalistischer Weltanschauungsunterricht gegeben wird, beruht doch darauf, dass keiner "hier" schreit.


Ehrlich gesagt, wäre es mir wohl doch am liebsten wenn jeglicher parteiischer Weltanschauungsunterricht aus den öffentlichen Schulen ausgelagert werden würde. Die Humanistische Lebenskunde mag ja an sich eine tolle Sache sein, doch gehören sie und der konfessionelle Religionsunterricht wirklich an öffentliche Schulen?
Andererseits würden die Religiösen wohl eine Vielzahl neuer Bekenntnisschulen einrichten, wenn man ihnen ihren geliebten Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen gänzlich wegnähme. Das würde die ideologische Segregation erst recht fördern. Außerdem ist anzunehmen, dass an solchen kircheneigenen Bekenntnisschulen eine erhebliche orthodoxere, konservativere Theologie herrscht. Dort könnten zum Beispiel gerade die fundamentalistischen Evangelikalen versuchen, die SchülerInnen systematisch zu indoktrinieren, in etwa so, wie man es von pakistanischen Koranschulen her kennt.

HFRudolph hat geschrieben:Die Katholiken und Evangelen bezeichnen auch allen „Glauben“ außerhalb ihrer Weltanschauung als Aberglauben oder heidnisch - und das mache ich auch.


Ein Aberglaube ist ja ein "Oberglaube", ein "Überglaube" ("superstitio"), d.i. ein Glaube, der über den (vermeintlich) wahren Glauben hinausgeht.

HFRudolph hat geschrieben:„Ideengeschichte“ als Unterrichtsfach hört sich auch gut an. Ich denke aber, dass eine Orientierung an der gesellschaftlichen Realität erforderlich ist, sonst läuft man Gefahr, dass plötzlich Hinduismus in gleicher Gewichtung wie das Christentum unterrichtet wird: Und das wäre dann doch wieder nicht angemessen.


Wenn schon Ideengeschichte, dann globale und nicht nur eurozentrische Ideengeschichte!
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon HF******* » Do 30. Apr 2009, 14:09

@Myron: Das mit der Abnabelung ist tatsächlich ein Problem.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon PW_ » Mo 11. Mai 2009, 01:15

stine hat geschrieben:
HFRudolph hat geschrieben:Tatsächlich steht fest, dass die Dinge, die im Religionsunterricht als Wahrheit gelehrt werden können, nach einem wissenschaftlichen Kenntnisstand gar nicht vorkommen.

Da gebe ich dir teilweise recht. Allerdings ist es dann umso wichtiger, dass der Religionsunterricht unter der Aufsicht des Staates ist und erzählt wird, dass der menschliche "Glaube" die Grundlage für den Inhalt des Unterrichts ist.

Nimm doch mal vom kulturbedingten christlichen Glauben Abstand: Möchtest du tatsächlich, dass sich Muslime in der Sonntagsschule stark machen? Und dass sie die Schule der Ungläubigen nur wegen des rechtsstaatlichen Drucks und der Pflicht dazu besuchen?
Gerade der Muslimische Religionsunterricht sollte öffentlich und nachvollziehbar sein.

LG stine


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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Myron » Mo 11. Mai 2009, 02:42

PW_ hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Gerade der Muslimische Religionsunterricht sollte öffentlich und nachvollziehbar sein.

Recht hast du!


Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen also sozusagen als eine Art staatlich kontrolliertes Methadon-Programm für die Muslime, damit sie vom schmutzigen und gefährlichen religiösen Heroin wegkommen, das in den Moscheen unters Volk gebracht wird.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon PW_ » Mo 11. Mai 2009, 22:30

Myron hat geschrieben:
PW_ hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Gerade der Muslimische Religionsunterricht sollte öffentlich und nachvollziehbar sein.

Recht hast du!


Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen also sozusagen als eine Art staatlich kontrolliertes Methadon-Programm für die Muslime, damit sie vom schmutzigen und gefährlichen religiösen Heroin wegkommen, das in den Moscheen unters Volk gebracht wird.


Edit - ich habe mich provizieren lassen und das tut mir leid.
1) Religionsunterricht auch in nicht-konfessionell gebundenen Schulen ermöglicht natürlich bessere Kontrolle darüber, was den Kidds vermittelt wird.
2) Wenn Religionsunterricht aus öffentlichen Schulen vollkommen oder fast vollkommen rausfällt, dann lernt irgendwann jeder fast nur noch seine eigene (Nicht-)Religion näher kennen. Ein guter Boden für das wachsen und Gedeihen von Vorurteilen wäre das meiner Meinung nach.
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Re: Was wollen die Brights bzw. Was wollt Ihr als Brights?

Beitragvon Myron » Mo 11. Mai 2009, 23:12

PW_ hat geschrieben:Wenn Religionsunterricht aus öffentlichen Schulen vollkommen oder fast vollkommen rausfällt, dann lernt irgendwann jeder fast nur noch seine eigene (Nicht-)Religion näher kennen. Ein guter Boden für das wachsen und Gedeihen von Vorurteilen wäre das meiner Meinung nach.


Wie oben schon angesprochen, wenn überhaupt, dann sollte es ein Pflichtfach namens "Ideengeschichte" geben, worin die Schüler objektiv über die philosophischen und religiösen (religionsphilosophischen) Ideen der Menschheit informiert werden.
Einen konfessionell-missionarischen Religionsunterricht, der über eine in das Fach Ideengeschichte integrierte, deskriptive Religionskunde hinausgeht, indem er normativ die Heranziehung von gläubigem Nachwuchs zum Ziel hat, sollte es an öffentlichen Schulen aber besser nicht geben.
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