Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Myron » Mo 29. Jun 2009, 15:18

HFRudolph hat geschrieben:Es gibt zahlreiche Indeterministen, die sich dennoch als Naturalisten bezeichnen.


"The causal closure of the physical domain: If a physical event has a cause at t, then it has a physical cause at t." (J. Kim)

Man beachte das "if"! Das Geschlossenheitsprinzip besagt nicht, dass jedes physische Ereignis eine Ursache hat, sondern nur, dass es eine physische Ursache hat, wenn es überhaupt eine Ursache hat.
Und was den Indeterminismus anbelangt:

"Sometimes it is suggested that the indeterminism of modern quantum mechanics creates room for sui generis non-physical causes to influence the physical world. However, even if quantum mechanics implies that some physical effects are themselves undetermined, it provides no reason to doubt a quantum version of the causal closure thesis, to the effect that the chances of those effects are fully fixed by prior physical circumstances. And this alone is enough to rule out sui generis non-physical causes. For such sui generis causes, if they are to be genuinely efficiacious, must presumably make an independent difference to the chances of physical effects, and this in itself would be inconsistent with the quantum causal closure claim that such chances are already fixed by prior physical circumstances. Once more, it seems that anything that makes a difference to the physical realm must itself be physical."
(http://plato.stanford.edu/entries/naturalism)

"[T]he chances of all physical events are determined by earlier physical events plus physical laws, including the irreducibly statistical laws of quantum mechanics."

(Melnyk, Andrew. "Some Evidence for Physicalism." In Physicalism and Mental Causation, edited by Sven Walter and Heinz-Dieter Heckmann, 155-172. Exeter: Imprint Academic, 2003. p. 160, fn. 7)
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Myron » Mo 29. Jun 2009, 16:23

M_A_V_E_R_I_C_K hat geschrieben:Für den Antinaturalisten ist nicht alles natürlich (= kontradiktorisch zum Naturalisten). Vom Supernaturalisten unterscheidet ihn, dass er nicht an wirkungsfähige übernatürliche Entitäten glaubt. Wie hält es der Antinaturalist dann aber mit dem Übernatürlichen? Kann man sagen: "Für den Antinaturalisten gibt es Übernatürliches. Dieses Übernatürliche hat für ihn aber keinen kausalen Einfluss auf das Natürliche (also unsere Welt)"?


Alle Supernaturalisten sind Nonnaturalisten/Antinaturalisten, aber nicht alle Nonnaturalisten/Antinaturalisten sind Supernaturalisten.
Man muss aber anmerken, dass sich weder im akademischen Diskurs noch im allgemeinen Sprachgebrauch eine klare, systematische Unterscheidung zwischen "nichtnatürlich" und "übernatürlich" eingebürgert hat. Mein Eindruck ist, dass die meisten diese Wörter synonym verwenden.

Und was uns Brights betrifft, so stellt sich die Frage, ob mit "frei von übernatürlichen Elementen" dasselbe gemeint ist wie mit "frei von nichtnatürlichen Elementen". Wenn nicht, dann dürften auch Platonisten Brights werden.
Allerdings vertragen sich der Naturalismus und der Platonismus nicht wirklich:

"[O]ne only needs to remember that ontological naturalism rules out at least three venerable positions—theism, Platonism and mind-body dualism. Neither a transcendent creator God, nor abstract entities beyond space and time, nor Cartesian souls, egos or selves are denizens of the spatio-temporal realm."

(Glock, Hans-Johann. What is Analytic Philosophy? Cambridge: Cambridge University Press, 2008. p. 144)

M_A_V_E_R_I_C_K hat geschrieben:Das Konzept der Agenskausalität würde der Antinaturalist deshalb ablehnen, oder wie?


Ich schätze, dass es eher die Naturalisten sind, die das Konzept einer "agent causation" ablehnen, die sich nicht auf "event causation" zurückführen lässt. Das soll aber nicht heißen, dass es per se ein antinaturalistisches Konzept ist.
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon M_A_V_E_R_I_C_K » Mo 29. Jun 2009, 16:26

"The causal closure of the physical domain: If a physical event has a cause at t, then it has a physical cause at t." (J. Kim)

Man beachte das "if"! Das Geschlossenheitsprinzip besagt nicht, dass jedes physische Ereignis eine Ursache hat, sondern nur, dass es eine physische Ursache hat, wenn es überhaupt eine Ursache hat.


Es kann nach dieser Formulierung also physische Ereignisse geben, die keine Ursachen haben, oder wie?

Warum aber braucht es das Ausschlussprinzip? Ohne das Ausschlussprinzip besagt das Geschlossenheitsprinzip ja dies:

Wenn es solche Dinge gäbe, dann besteht die einzige Einschränkung, die das Geschlossenheitsprinzip festlegt, darin, dass sie sich nicht kausal in physische Ereignisse einmischen—das heißt, es kann keine kausalen Einflüsse geben, die von außen in den physischen Bereich eindringen.


Das Ausschlussprinzip ist ja nicht mehr notwendig dann, weil sich nichtphysische Entitäten ja nicht einmischen können!
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Myron » Mo 29. Jun 2009, 17:00

M_A_V_E_R_I_C_K hat geschrieben:Es kann nach dieser Formulierung also physische Ereignisse geben, die keine Ursachen haben, oder wie?


Ja, theoretisch.

M_A_V_E_R_I_C_K hat geschrieben:Warum aber braucht es das Ausschlussprinzip?


Das Geschlossenheitsprinzip schließt zunächst nur aus, dass ein physisches Ereignis keine physische Ursache hat. Es schließt aber noch nicht die Möglichkeit aus, dass ein physisches Ereignis sowohl eine physische als auch eine nichtphysische, insbesondere eine rein psychische Ursache hat und dadurch "kausal überdeterminiert" ist. Denn "hat eine physische Ursache" ist nicht bedeutungsgleich mit "hat nur eine physische Ursache".

Man beachte: Selbst das starke Geschlossenheitsprinzip ist immer noch mit dem Substanzdualismus und dem Glauben an ein hyperphysisches Paralleluniversum vereinbar, das von Geistern und Seelen bevölkert wird. Allerdings müsste das Geisterreich vom Körperreich kausal isoliert sein, d.h. es dürfte nicht in letzteres hineinwirken.

Ein Vollblut-Naturalist sollte nicht nur das starke Geschlossenheitsprinzip akzeptieren, dem zufolge keine übernatürlichen Agenzien oder Akteure in die natürliche Welt hineinwirken, sondern die Existenz solcher Wesen schlichtweg verneinen:

Es gibt keine hyperphysischen Agenzien oder Akteure.

Das ist der maßgebliche Grundsatz des (ontologischen/metaphysischen) Naturalismus als Antisupernaturalismus.

(Anmerkung: Ein Akteur ist ein bewusst und absichtsvoll ('intentional') wirkendes Agens wie z.B. ein Mensch. Aber nicht jedes Agens ist ein Akteur, d.i. ein personales Agens; denn z.B. ist auch ein elektromagnetisches Feld ein Agens, d.i. eine wirkende, wirksame, wirkungsfähige Wesenheit.)
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Tpzlol » Di 3. Apr 2012, 23:10

M_A_V_E_R_I_C_K hat geschrieben:Aber: A glaubt nicht an eine kausal geschlossene Welt. Anders formuliert: Er glaubt nicht, dass alles in der Welt messbar ist und durch die Naturwissenschaft erklärt werden kann. Es gibt für A Dinge, die sich einer naturalistischen Beschreibung und Erklärung entziehen (Qualia-Problem, Intentionalität etc.). Ob es ein Leben nach dem Tod gibt, das kann er nicht beantworten (weder widerlegen noch beweisen).

Maverick


Jedenfalls ist er kein Naturalist, weil er behauptet, es gäbe Vorgänge, die sich der Beobachtung durch die Wissenschaft entzögen.

Zu sagen, man könnte das Leben nach dem Tod nicht beweisen oder widerlegen entspricht eher der agnostischen Weltsicht.
Agnostiker sagen banal ausgedrückt: "Entweder es gibt Gott oder es gibt ihn nicht, wir können es nicht Wissen." Diese Aussage lässt darauf schließen, dass sie die Religionen wesentlich ernster nehmen als Naturalisten, denn sie sprechen ihnen eine 50%-ige Möglichkeit zu, wahr zu sein.

Naturalisten halten Religionen und Spiritualität eher für haltlosen Irrglauben, denn sie sagen, es gäbe keinen Grund den Religionen mehr Wahrheitsgehalt zuzugestehen als beispielsweise folgender Aussage eines Waisen: "Keiner weiß wer meine Eltern sind, ich glaube ich wurde vom Storch gebracht."
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon stine » Mi 4. Apr 2012, 08:33

Naturalisten stolpern auch nur wie die Waisen herum, weil auch sie den wahren Seinsgrund lediglich in der Physik vermuten aber nicht beweisen können, so reicht es eben auch nicht aus den Storch als Erklärung nur abzulehnen.

LG stine
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon mat-in » Mi 4. Apr 2012, 12:23

Das setzt voraus, das man nach einem "wahren" "Seinsgrund" überhaupt suchen sollte, bzw. je einen finden könnte. Manche Fragen sind es nicht wert gestellt zu werden denke ich. Ich zu mindest kommt gut ohne die Antowrt aus. Sogar ohne die Antwort auf die Frage ob es eine letzte Antwort gibt.
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon stine » Mi 4. Apr 2012, 13:40

mat-in hat geschrieben:Manche Fragen sind es nicht wert gestellt zu werden denke ich. Ich zu mindest kommt gut ohne die Antowrt aus.
Tja, über was hätten alte Philosophen und andere Denker jemals so ausgiebig und breitgefächert schreiben können, wenn nicht über das eigene Sein und dem der anderen? Unsere Bücherregale wären nur gefüllt mit Sachbüchern und Mankells Wallander.

:mg: stine
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon mat-in » Mi 4. Apr 2012, 20:01

Das Sein und wie wir die Welt wahrnehmen, usw. ist durchaus ein muß. Aber die Frage der intentionalität stellt sich einfach nicht, wenn es da kein Wesen mit Intention gibt. Wenn kein Gott den Mensch erschaffen hat, muß ich auch nicht fragen, warum er das getan hat. Totaler Unsinn. (Ja, durchaus Seitenweise, Bücherweise Unsinn...)
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon stine » Sa 14. Apr 2012, 17:12

Es ist doch ganz egal, ob ein Gott die Menschen erschaffen hat oder ob die Natur sie einfach so hervorgebracht hat. Die Frage ist: Wieso nehmen wir die Welt so wahr, wie wir sie wahr nehmen?
Was treibt den Menschen zum Philosophieren und wieso scheint er das einzige Lebewesen zu sein, das das Leben als zeitliche Begrenzung seiner Wahrnehmung wahr nimmt? Ich meine, wir wissen nicht, ob Tiere und Pflanzen sich dieser Begrenzung auch bewusst sind, aber wenn sie es sind, dann haben sie nicht gelernt darüber zu reden. Wäre vielleicht mal interessant einen Hund dazu zu befragen oder den Gummibaum, ob sie ein Leben nach dem Tod für wahrscheinlich halten und ob sie an einen Gott glauben.

LG stine
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Pete » Mo 16. Apr 2012, 13:48

Hallo Stine,
Der Mensch könnte diese Fragen einfach auch auf Grund seiner Evolution stellen. Einfach eine Laune der Natur, ohne größeren Sinn.
Jedoch sind wir alle Erde! Alles was wir zu uns nehmen ist Erde oder war Erde.
Die Pflanzen kommen aus der Erde, nehmen Energie aus der Erde und werden wieder zu Erde. Wir essen diese Pflanzen oder indirekt über Tiere. Alles was wir aufnehmen ist aus der Erde gekommen und unser Körper wandelt es zusammen mit dem Wasser, welches auch zur Erde gehört, um zu Körperzellen bis hin zu Samen- und Eizelle! Und wir alle werden wieder zu Erde...
Wir sind also alle aus Einem und erleben uns trotz dem als Individuum. Wer weiß, vielleicht ist das Leben etwas völlig anderes, als was wir es heute definieren...
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Nanna » Mo 16. Apr 2012, 15:14

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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon ganimed » Mo 16. Apr 2012, 20:16

stine hat geschrieben:Die Frage ist: Wieso nehmen wir die Welt so wahr, wie wir sie wahr nehmen?

Weil unser Gehirn und unsere Sinnesorgane sich zu dem entwickelt haben, zu dem sie sich entwickelt haben und so sind.

stine hat geschrieben:Was treibt den Menschen zum Philosophieren und wieso scheint er das einzige Lebewesen zu sein, das das Leben als zeitliche Begrenzung seiner Wahrnehmung wahr nimmt?

Der Mensch hat ein ausreichend komplexes Gehirn mit einem Bewusstsein und allen nötigen Fähigkeiten, philosophisch zu werden. Inklusive der Neigung dazu.

Tja also, für einen Naturalisten sind diese Fragen irgendwie nicht besonders spannend. Weil die Antworten so auf der Hand liegen. Oder?
Naturalismus is cool man.
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Zappa » Mo 16. Apr 2012, 20:28

stine hat geschrieben: ... den wahren Seinsgrund ...


Was soll denn das sein? :grandpa:

Es gibt einen profanen Anlass für deine Existenz (den Koitus deiner Eltern), für einen Grund gibt es in der Natur keinen Bedarf.
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon stine » Di 17. Apr 2012, 09:06

Zappa hat geschrieben:Es gibt einen profanen Anlass für deine Existenz
Dass wir beide uns miteinander austauschen können?

:wink: stine
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Re: Naturalist, Antinaturalist oder Supernaturalist?

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 20. Apr 2012, 15:49

stine hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Es gibt einen profanen Anlass für deine Existenz
Dass wir beide uns miteinander austauschen können?

Kein Grund, sondern die Konsequenz dieser Existenz. Hoffentlich habe ich jetzt keinen schlafenden Hund geweckt, dass ich stine anspreche. :desperate:
Zappa hat da aber recht, wobei hier eher unterschieden werden müsste zwischen Ursache und Sinn. Vielleicht meint der eine mit Grund Sinn und der andere Ursache? Sinn hat gar nichts, aber alles Ursachen.
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