stine hat geschrieben: Meine Zweifel im Falle der Unternehmen als Superorganismen sind da, wo ich das Unternehmen nur als abstrakte Hülle menschlicher Handlungen wiederfinde. Der Mensch ist es, der innerhalb eines Unternehmens agiert und reagiert. Es liegt immer an der Führungsspitze!
Das wird von vielen Organisationsfachleuten (insbesondere von Niklas Luhmann) bestritten.
stine hat geschrieben: Es gibt doch gute und schlechte Beispiele für Unternehmensgründungen. So haben beispielsweise Familienunternehmen oft über lange Jahrzehnte und sogar über mehrere Generationen hinweg guten Erfolg, weil sie nicht nur auf Gewinn, sondern vor allem auf ihre Ware schauen.
... und auch die Mitarbeiter geschaut haben. Da hast du absolut Recht. Nur kannst du die nicht mehr mit den heutigen globalen Aktienkonzernen vergleichen.
stine hat geschrieben: Die Misere hat doch damit angefangen, wo man in Unternehmen nicht nur mehr sich selbst und den eigenen Angestellten verpflichtet war, sondern plötzlich auch noch Dividendenjäger befriedigen mußte, die Anteilsscheine wegwarfen, wenn die Dividende beim Konkurrenten ein paar Cent besser ausfiel. Plötzlich war das Fusionsfieber ausgebrochen und die Machtzentren wurden immer größer, feindliche Übernahmen konnten greifen, anhand der zuvor in den Boden gesteuerten Aktien.
Das sind nur die augenfälligsten Fehlsteuerungen. In heutigen Großunternehmen führt nicht mehr der Eigner, sondern ein Management. Das sind Angestellte, die an den Aufsichtsrat und die Aktionäre berichten. Aktionäre profitieren heute weniger von der Dividende (Zinsen), sondern vom Kursgewinn. Also heißt die Devise Shareholder Value. Wenn ein Unternehmen seine Zentrale nach Cayman Islands verlegt und hierdurch 1 Mrd. Steuern sparen kann, müssen alle anderen der gleichen Branche folgen, weil sie sonst teurer produzieren. Sie sind dann benachteiligt. Die Börse würde sie sofort abstrafen. Ein Manager kann da auch nicht untätig bleiben, andernfalls würde er sofort herausgeworfen werden. Also macht er das mit. Bei Kinderarbeit in Indien oder irgendeiner Ressourcenverschwendung in Afrika: Das gleiche Bild. Heutige Manager bezweifeln, dass sie das Unternehmen regieren. Ihre Behauptung ist: Sie werden vom Markt (also ganz massiv vom Wettbewerb unter den Konkurrenten) angetrieben. Sie sind lediglich eine Führungszelle, die dafür sorgt, dass das Unternehmen bestehen bleibt.
Im Aufsichtsrat sitzen üblicherweise Arbeitnehmervertreter. Auch hier das gleiche Bild. Sollte das Unternehmen etwas realisieren, was schlecht für die Umwelt aber gut für die Sicherung der Arbeitsplätze ist, wirst du dort das Gleiche sehen: Null Interessen für die Umwelt.
Dann das mittlere Management. Diese Manager können sich im Unternehmen profilieren, wenn sie Kosten sparen. Also werden die Zulieferer bis zum Äußersten gedrückt. Niemand vom Top-Management hat das direkt angewiesen. Das machen die ganz allein, weil sie sich im Wettbewerb (um Aufstiegschancen und Budgets) mit anderen befinden.
Dann die Forschung. Hier greift massiv die sog. Red Queen-Hypothese. Nokia bringt ein neues Handy heraus, was kurzzeitig die Nase vorn hat. Nun ist aber denkbar, dass Motorola an einem Konkurrenzmodell arbeitet, was dann noch besser (z. B. flacher) wäre. Also muss man schon präventiv die Produktpalette verbessern, ohne dass man weiß, ob die anderen dies ihrerseits tun werden. Diese Eigendynamik bringt die Evolution der Technik hervor. Eine Steuerung durch Menschen ist dort überhaupt nicht mehr dabei. Das Selbsterhaltungsinteresse der einzelnen Unternehmen und der Wettbewerb auf den Märkten bringt das völlig eigendynamisch hervor.
stine hat geschrieben: Ich bin der Meinung, dass das Konzept der Machtmetropolen langfristig nicht mehr funktionieren wird, weil Verantwortliche nur noch nach Gewinnen lechzen und längst vergessen haben, was ihr Kerngeschäft eigentlich sein soll. Die Geldwirtschaft hat sich dort längst von der Realwirtschaft verabschiedet. Geldsummen in schwindelerregender Höhe haben längst keinen realen Boden mehr. Das ist kurzfristig für Aktionäre und Geldmanager eine Freude, aber langfristig kann nur bestehen, was realen Boden hat.
Ja, die Geldwirtschaft ist ein ganz besonderes Problem. Wir hätten aber die Ressourcenverschwendung und viele andere soziale Probleme, die Unternehmen verursachen, auch ohne eine korrupte Geldwirtschaft. Der Wettbewerb auf den Märkten produziert das ganz alleine, und je unregulierter die Märkte sind, desto grausamer wird es.
stine hat geschrieben: Wenn es etwas gibt, das den Menschen steuert, dann sind das einzig seine menschlichen Eigenschaften selbst, wie Machtgier und Raffsucht, aber nicht der abstrakte Begriff "das Unternehmen", welches nur ein Ort der Ausübung genannter Eigenschaften ist.
Nein, in diesem Punkt stehen Mersch und ich auch nicht allein, sondern die Mehrzahl der Organisationstheoretiker sind exakt der gleichen Meinung.
Hier ein Zitat aus einem Buch zur Organisationstheorie:
„
Überträgt man dieses Bild auf Organisationen, so zeigt sich, dass irgendwelche sachlichen Ziele gegenüber dem reinen Selbsterhalt des Systems sekundär sind. Das macht die Organisation als Typus des sozialen Systems in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Subsystemen so vielfältig verwendbar.“
(Simon, Fritz B., Einführung in die systemische Organisationstheorie, 2007, S. 29f.)