Jonny hat geschrieben:In der Soziolgie unterscheiden wir zwischen Naturalismus und Soziologismus. Naturalistisch zu sein, bedeutet daran zu glauben, dass alles kausal erklärt werden kann. so führt die veränderung einer variablen (z.bsp. bluthochdruck) zur veränderung einer anderen variablen (z.bsp. rot werden).
naturalistisch sind in diesem sinne, biologische physikalische und generell deterministische modelle. auch die soziologie bietet die ein oder andere deterministische theorie an (z.Bsp. die theorie von Marx oder andere technikdeterministische modelle). grundlegend wird davon ausgegangen, dass eine äußere realität exisitert (die natur mit ihren objekten).
von dieser natur aus, kann dann alles erklärt werden, sofern sie entschlüsselt wurde (was allerdings eine frage der interpretation ist) indem man beispielsweise alles von dem vermeintlich erkannten naturgesetz abstrahiert und konsequent in kleine atome zerlegt (theoretisiert) und von diesen erklärungen dann die wirklichkeit beschreiben möchte. nach dieser sicht ist somit auch der mensch teil der natur ( er besteht ebenso aus atomen) und sein geist spielt primär also keine rolle und dient nicht für erklärungen. (problem der reflexion wird übersehen)
1. Ist die Angabe von Ursachen nicht Teil jeder wissenschaftlichen Erklärung? Für die Soziologie ist freilich besonders die Frage von Bedeutung, ob auch Handlungsgründe als Handlungsursachen gelten können.
(Zum Beispiel
Donald Davidson meint ja:
"Davidson sets out to defend the view that the explanation of action by reference to reasons (something we do, for instance, when we refer to an agent's intentions or motives in acting) is also a form of causal explanation.")
2. Naturalismus ist nicht gleich Determinismus. (Siehe:
http://plato.stanford.edu/entries/causa ... babilistic)
3. Der Naturalismus besteht nicht in der Behauptung, dass sich die psychologisch-soziologische Terminologie in die physikalische oder gar mikrophysikalische Terminologie übersetzen lässt.
4. Der Naturalismus ist mit der Annahme der Realität psychischer Phänomene voll und ganz vereinbar (allerdings nicht mit dem Substanzdualismus), und auch mit der Annahme, dass diese verhaltens- und handlungsrelevant sind. Ein naturalistischer Soziologe muss keineswegs davon ausgehen, dass die individuellen Akteure genauso gut bewusstseinslose
"Zombies" sein könnten, ohne dass dies in Bezug auf ihr Verhalten und Handeln und damit in Bezug auf die Gesellschaft insgesamt irgendeinen Unterschied ausmachen würde.
5. Naturalismus ist nicht gleich reduktionistischer oder gar eliminativistischer Physikalismus.
Außerdem ist zu beachten, dass der ontologische/metaphysische Naturalismus eine Sache ist und der methodologische Naturalismus bzw. dessen Anwendung in den Sozialwissenschaften eine andere. Als ontologischer Naturalist kann man sich sehr wohl gegen eine totale "Naturalisierung" der sozialwissenschaftlichen Theorien aussprechen. Mit anderen Worten, als ontologischer Naturalist kann man durchaus einen methodologischen Pluralismus gutheißen.
6. Bei dem methodologischen Projekt der "Naturalisierung" aller intentionalistisch-semantischen Aspekte des menschlichen Geistes scheint der radikale methodologische Naturalismus in der Tat an seine Grenzen zu stoßen.
(Der Ausdruck "Naturalisierung" ist eigentlich unsinnig, da die Naturalisten nichts natürlich machen können, was nicht schon
von Natur aus natürlich ist. Deutlich gesagt, geht es den methodologischen Naturalisten um die
Vernaturwissenschaftlichung der "humanities", d.h. der Sozial- und Geisteswissenschaften.)
Jonny hat geschrieben:Dummerweise kann man mit naturalistischen modellen die wirklichkeit nicht völlig erklären. klar ohne körper kein geist, aber wie sind die unterschiedlichen geschmäcker, vorlieben und ästhetische weltanschauungen als produkt des geistes naturalistisch erklärbar? durch einen transmitterüberschuss in den synapsen
? Rein materiell? wohl kaum, genau hierfür gibt es den soziologismus, der die umwelt (und somit die natur) als etwas betrachtet was außerhalb der gesellschaft liegt, wodurch die natur für erklärungen der gesellschaft nicht taugt. (zurückzuführen auf durkheims aussage, soziales nur durch soziales erklären zu dürfen). kulturalistische modelle sind daher für die erklärung von gesellschaft und somit auch für die erklärung von konstruierter wirklichkeit.
Die soziale Realität ist zweifellos vollständig in die natürliche Realität eingebettet. Auch kulturelle Produkte sind im Sinne des Naturalismus nicht unnatürlich. Es gibt in Wirklichkeit keine ontologische Kluft zwischen Natur und Kultur. Und überhaupt trägt der Mensch die Natur und deren Gesetze wesensmäßig in sich, sodass er damit auch als soziokulturelles Tier untrennbar verbunden sowie davon abhängig ist. Außerdem kann es sowohl physische als auch psychophysische Naturgesetze geben
Jonny hat geschrieben:... (zbsp. prämissen in der physik vgl. Collins) sehr brauchbar und liefern erklärungen, die naturalistisch (noch?) nicht zu leisten sind. zbsp. die frage wieso ich gerade jetzt lust auf einen schwarzen kaffee ohne milch und zucker habe statt auf ein glas wasser ist eine frage des geistes und steht nicht in unmittelbarer beziehung zu meinem körperlichen, molekularen zustand. ich persönlich favorisiere derzeitige symmetrische betrachtungsweisen, die versuchen naturalismus und soziologismus zu vereinen, wie es zbsp. latour oder rammert tun. wer meint er sei der wirklichkeit ein stück näher und somit "moderner" weil er naturalistisch ist, der möge Latours "wir sind nie modern gewesen " lesen. mfg soziologe
Der "Geist" oder die "Seele" als Inbegriff aller psychischen Zustände eines lebenden Organismus wie des menschlichen Körpers steht sehr wohl immer in unmittelbarer Beziehung zu dessen physischen (physiologischen) Zuständen.
Man kann sogar sagen, dass geistig-seelische Zustände körperliche Zustände
sind.
Das heißt, es gibt zwei Arten körperlicher Zustände, in denen sich Tiere wie der Mensch befinden können:
(a) rein physische/physiologische Zustände (Vorgänge), die mit keinem bewussten Erleben einhergehen
(b) psychophysische/psychophysiologische Zustände (Vorgänge), die mit bewusstem Erleben einhergehen (Empfindungen, Gefühle, Stimmungen, Gedanken)
Des Weiteren ist es so, dass alle psychischen Zustände und Vorgänge auf bestimmten physischen Zuständen und Vorgängen
supervenieren. Das heißt, psychische Zuständsänderungen sind ohne gleichzeitige physische Zustandsänderungen unmöglich.
Ach ja, der folgende Text könnte für dich von Interesse sein:
http://plato.stanford.edu/entries/socia ... turalistic