Zur wissenschaftlichen Methodik

Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » Sa 12. Sep 2009, 13:40

Nanna hat geschrieben:In Ordnung, selbstverständlich kann man göttliches Wirken irgendwie so definieren, dass es sich dem naturwissenschaftlichen Zugriff entzieht. Jetzt käme eher das denkökonomische Argument: Ist es plausibel? Gibt es Gründe, die die Annahme stützen, dass man einen Gott dieser Definition zur Erklärung der Welt bräuchte? Oder kommt man ohne solche zusätzlichen Annahmen einfach besser aus?

gute Frage, die an eine Geschmacksfrage grenzt.

Läuft dann auf die 'inference to the best explanation' hinaus. Geht dann in etwa so: die Evolutionsmechanismen leisten nachweislich nicht das, was sie leisten müssten. Dass (menschliche) Designer so etwas aber gebacken bekommen, ist nachgewiesen. Je nachdem, wie man diese beiden Aussagen wertet, kommt man zu anderen Schlüssen.

Recht anschaulich hat das

Draper, P. (2002) 'Irreducible Complexity and Darwinian Gradualism: A Reply to Michael Behe' Faith and Philosophy 19:3-21


unter Bezug auf Sober dargestellt. Ich habe das noch ein wenig ausgewalzt, kann das aber hier nicht posten, weil das irgendwo gedruckt erscheinen soll.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon smalonius » Sa 12. Sep 2009, 15:50

Bevor ich was zu El Schwalmos Geschmacksfrage sage, noch ein kleiner Schlenker.


Wie gut oder wie schlecht die wissenschaftliche Methode funktioniert, kann man gut an historischen Irrtümern sehen. Es kommt immer wieder mal vor, daß auch anerkannte Wissenschaftler daneben liegen.

Man denke an Galilei, der den Saturn durchs Fernrohr beobachtet, und zum Schluß gelangt, der Saturn sei von zwei Monden auf Tuchfühlung umgeben. So etwas wie Ringe konnte sich Galileo nicht vorstellen.

Man denke an Einstein, der zwar richtig gerechnet hat, dann aber willkürlich einen Term streicht, weil dieser nicht zum damaligen Weltbild eines statischen Universums passt. Wäre Einstein mutiger gewesen, hätte er die Expansion des Universums vorhersagen können. Tja.

Ebenso kommt es gelegentlich vor, daß Leute mit neuen Ideen ankommen, aber die gesammte Fachwelt sie ihnen nicht glaubt. Bekanntestes Beispiel: Alfred Wegener und seine Kontinentalverschiebung. Schon vor Wegener war es aufgefallen, daß die Küstenlinien der Kontinente erstaunlich gut zusammenpassen. Wegener hat das um geologische und biologische Übereinstimmungen ergänzt. Er kam zum Schluß, daß die Kontinente irgendwann einmal zusammen gelegen haben mussten.

Seine Idee stieß auf große Ablehung, weil Wegener keinen Mechanismus angeben konnte, wieso sich die Kontinente verschieben sollten. Er dachte, die wandern einfach so durch den Ozean, was natürlich Unsinn war.

Auf alle Fälle sollte es fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis man Wegener schließlich doch Recht gab. Dies ist wohl das bekannteste Beispiel für das Versagen der wissenschaftlichen Gemeinde.


El Schwalmo hat geschrieben:gute Frage, die an eine Geschmacksfrage grenzt.

Nicht wirklich.

Was immer es damals für Diskussionen um die Kontinentalverschiebung gab, alle haben zumindest soviel guten Geschmack bewiesen, daß niemand auf die Idee kam zu sagen: die Kontinentalverschiebung muß das Werk Gottes sein.

Läuft dann auf die 'inference to the best explanation' hinaus.

Geht dann in etwa so: die Evolutionsmechanismen leisten nachweislich nicht das, was sie leisten müssten. Dass (menschliche) Designer so etwas aber gebacken bekommen, ist nachgewiesen. Je nachdem, wie man diese beiden Aussagen wertet, kommt man zu anderen Schlüssen.

Man kann bei diesen beiden Aussagen nur zu einem Schluß kommen, genauso, wie man bei der Kontinentalverschiebung nur zu einem Schluß kommen kann.

'inference to the best explanation' - das ist Verschleierungstaktik. Die Design-Erklärung verdient den Namen "Erklärung" nicht, weil man mit ihr keinen Deut klüger wird.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » Sa 12. Sep 2009, 16:34

smalonius hat geschrieben:Bevor ich was zu El Schwalmos Geschmacksfrage sage, noch ein kleiner Schlenker.

ich erspare mir einen Schlenker und Dir, etwas zu dem zu schreiben, was Du geschrieben hast.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » Sa 12. Sep 2009, 16:36

smalonius hat geschrieben:Auf alle Fälle sollte es fast ein halbes Jahrhundert dauern, bis man Wegener schließlich doch Recht gab. Dies ist wohl das bekannteste Beispiel für das Versagen der wissenschaftlichen Gemeinde.

gestatte die Frage eines Unwissenden: hast Du Dich näher mit Wegener befasst?
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon ujmp » Sa 12. Sep 2009, 18:46

Jetzt haben wir uns in der Betrachtung des Wissenschaftsbetriebs verzettelt. Die Frage, wie man Erkenntnisse vermarktet hat doch nichts damit tun, wie man sie gewinnt! Diskurs und Konsensus habe ich auch bei der Wahrsagerin und beim Wunderheiler. Was macht aber wissenschaftliche Methodik aus?
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon ujmp » So 13. Sep 2009, 13:56

platon hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:[Es ist nichtsweiter als Trial and Error = Hypothese und Falsifikation. Durch nichts anderes lernen wir.

Na, und so ab und zu ist auch mal eine Verifikation drin. Sonst kämen wir ja überhaupt nicht voran.


Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder eine Beobachtung ist überraschend, dann hat sie eine bestehende Vorstellung falsifiziert. Oder ich teste, ob eine Beobachtung meiner Vorstellung gemäß eintritt, dann ist es ein Falsifikationsversuch, denn ich teste damit ob sie vielleicht nicht eintritt. Die Feststellung, dass etwas so ist, wie ich es erwarte, bringt keine neue Erkenntnis, eine Verifikation dient eigentlich nur der Vergewisserung.

Man könnte auch sagen, eine Falsifikation differenziert unser Weltbild aus (innovativ), während eine Verifikation es stabilisiert (konservativ).
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon smalonius » So 13. Sep 2009, 15:36

El Schwalmo hat geschrieben:ich erspare mir einen Schlenker und Dir, etwas zu dem zu schreiben, was Du geschrieben hast.

Schade.

Das hätte ich zu gerne gelesen, wie man ernsthaft meinen kann, daß biochemische Vorgänge bei Erbmolekülen nur mit Eingriff eines Designers ablaufen, während der Designer zum Beispiel bei der Entstehung des Sonnensystems nicht benötigt wird.

Da müßtest du schon konsequenterweise alles, was wir nicht bis ins Letzte verstehen, auf den Designer zurückführen.

Dann würde aber wieder Nannas Argument der Denkökonomie greifen. Das ist auch Teil der wissenschaftlichen Methode, daß man nicht nach Belieben neue Begriffe einführt, die nur vordergründig und scheinbar etwas erklären - die jedoch in Wirklichkeit keine konkreten Aussagen machen.
El Schwalmo hat geschrieben:gestatte die Frage eines Unwissenden: hast Du Dich näher mit Wegener befasst?

Nein. Fällt der Fall nicht unter Allgemeinbildung?

Kennst du die Geschichte anders?
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » So 13. Sep 2009, 15:52

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:ich erspare mir einen Schlenker und Dir, etwas zu dem zu schreiben, was Du geschrieben hast.

Schade.

nein, nur Zeitverschwendung. Du gehst von Annahmen hinsichtlich der Evolution aus, die für mich nur 'Wortgeklingel' sind.

Das Problem mit ID ist, dass man sich entweder darauf einlässt, oder nicht. Man findet, wie Du schreibst, problemlos hinreichend Möglichkeiten ('Denkökonomie'), das abzulehnen. Das Problem ist nur, dass Evolution mechanismisch bisher so schlecht bekannt ist, dass man ID nicht ausschließen kann. Wenn mathematische Modelle (AKA GIGO) das Beste sind, was wir haben, muss man schon ein wenig anspruchslos sein, sich damit zufrieden zu geben.

Selbstverständlich erklärt ein Designer nichts, aber das sagen ja auch die ID-Vertreter. Selbstverständlich ist Evolution eine historische Tatsache, und Deszendenz eine extrem plausible Annahme. Aber das sagen ja auch ID-Vertreter. Es geht um 'the edge of evolution', und das ist ein vollkommen anderer Thread. Letztendlich geht es wirklich um eine 'inference to the best explanation', und darauf kamen nicht ID-ler, sondern Menschen wie Sober, die zu den profiliertesten ID-Kritikern gehören.

Es ist übrigens interessant, dass gerade die Menschen, die meinen, gute Argumente gegen ID zu haben, recht 'kulant' gegenüber ID sind. Menschen, die merken, dass sie eigentlich kein Argument haben, eher nicht. Und noch spannender wird es, wenn die Menschen aus der ersten Gruppe merken, dass sie ein Problem haben.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:gestatte die Frage eines Unwissenden: hast Du Dich näher mit Wegener befasst?

Nein. Fällt der Fall nicht unter Allgemeinbildung?
Kennst du die Geschichte anders?

Nein, aber ich habe mich irgendwann mal mit den Details befasst. Es gab Befunde für Wegeners Annahme, und auch welche, die eher dagegen sprachen.

Nebenbei: selbstverständlich steht Kontinentalverschiebung auch in der Bibel. Es gibt Menschen, die sogar behaupten, dass das auch ein Faktor war, der Wegener zu seiner Theorie brachte. Da sind wir dann aber wieder bei 'conjectures and refutations'.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon smalonius » So 13. Sep 2009, 16:45

El Schwalmo hat geschrieben:Das Problem mit ID ist, dass man sich entweder darauf einlässt, oder nicht.

Das gilt für Homöopathie auch. :mg:

Das Problem ist nur, dass Evolution mechanismisch bisher so schlecht bekannt ist, dass man ID nicht ausschließen kann.

Ist das so?

Bei Bio-Chemie kann ich nicht mitreden. Als Laie würde ich behaupten, daß man sehr wohl genügend Mechanismen aufzählen kann, die Evolution/Variation biochemisch erklären. Unser Erbgut kann an einer einzelnen Stelle mutieren, Sequenzen können eingefügt werden, Sequenzen können sich verdoppeln oder auch verloren gehen, ganze Gene können sich verdoppeln. Hinzu kommt noch Rekombination bei geschlechtlicher Vermehrung.

Das ist ja schon mal ein kleines Arsenal an Mechanismen. Wieso reichen diese dir nicht?
Wenn mathematische Modelle (AKA GIGO) das Beste sind, was wir haben, muss man schon ein wenig anspruchslos sein, sich damit zufrieden zu geben.

Welches Modell meinst du? Das Fundamentaltheorem? (Wird schon einen Grund geben, warum es so heißt. :pfeif:) Hamiltons "inklusive Fitness", die spieltheoretischen Überlegungen, warum es zwei Geschlechter gibt?

Man kann mit mathematischen Modellen einiges zeigen. Siehe oben: Wenn Einstein seiner Mathematik vertraut hätte, dann wäre es ihm möglich gewesen, das dynamische Universum vorherzusagen. Wenn du mich fragst: solange ein Theoriegebäude nicht mathematisch quantifiziert ist, bleibt es unvollständig.

Garbage in, garbage out - das Problem hat man bei natürlichsprachlichen Aussagen auch. Nur daß es da nicht so auffällt, weil man sich eben um harte, quantitative Aussagen drückt.

Würde die Evolutionsbiologie der Mathematik vertrauen, dann könnte man die von Dawkins popularisierte Idee der Individualselektion widerlegen. Aber das ist ein anderer Thread, den ich irgendwann aufmachen werde.

El Schwalmo hat geschrieben:Nein, aber ich habe mich irgendwann mal mit den Details befasst. Es gab Befunde für Wegeners Annahme, und auch welche, die eher dagegen sprachen.

Und welche Befunde haben dagegen gesprochen?
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » So 13. Sep 2009, 18:00

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Das Problem mit ID ist, dass man sich entweder darauf einlässt, oder nicht.

Das gilt für Homöopathie auch. :mg:

natürlich. Aber warum sollte das ein Argument sein? Außerdem habe ich noch ein paar Details mehr geschrieben, die bei Homöopathie weniger stichhaltig sein dürften.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Das Problem ist nur, dass Evolution mechanismisch bisher so schlecht bekannt ist, dass man ID nicht ausschließen kann.

Ist das so?

Bei Bio-Chemie kann ich nicht mitreden. Als Laie würde ich behaupten, daß man sehr wohl genügend Mechanismen aufzählen kann, die Evolution/Variation biochemisch erklären. Unser Erbgut kann an einer einzelnen Stelle mutieren, Sequenzen können eingefügt werden, Sequenzen können sich verdoppeln oder auch verloren gehen, ganze Gene können sich verdoppeln. Hinzu kommt noch Rekombination bei geschlechtlicher Vermehrung.

Das ist ja schon mal ein kleines Arsenal an Mechanismen. Wieso reichen diese dir nicht?

Wie ich schon schrieb, es geht um 'the edge of evolution'. Selbstverständlich kennt man Mechanismen, aber bisher konnte nicht gezeigt werden, dass diese hinreichend sind. Der einfachste Beweis dafür ist, dass man vor über 50 Jahren schon behauptet hatte, dass man exakt diese Kenntnisse habe. Die meisten Mechanismen, die heute als die plausibelsten gelten, widerlegen genau das, was die Menschen damals behaupteten.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:dieWenn mathematische Modelle (AKA GIGO) das Beste sind, was wir haben, muss man schon ein wenig anspruchslos sein, sich damit zufrieden zu geben.

Welches Modell meinst du? Das Fundamentaltheorem? (Wird schon einen Grund geben, warum es so heißt. :pfeif:) Hamiltons "inklusive Fitness", die spieltheoretischen Überlegungen, warum es zwei Geschlechter gibt?

Man kann mit mathematischen Modellen einiges zeigen. Siehe oben: Wenn Einstein seiner Mathematik vertraut hätte, dann wäre es ihm möglich gewesen, das dynamische Universum vorherzusagen. Wenn du mich fragst: solange ein Theoriegebäude nicht mathematisch quantifiziert ist, bleibt es unvollständig.

Garbage in, garbage out - das Problem hat man bei natürlichsprachlichen Aussagen auch. Nur daß es da nicht so auffällt, weil man sich eben um harte, quantitative Aussagen drückt.

Natürlich. Die Frage ist, was man mit diesen Modellierungen zeigen kann, was man vorher nicht wusste.

smalonius hat geschrieben:Würde die Evolutionsbiologie der Mathematik vertrauen, dann könnte man die von Dawkins popularisierte Idee der Individualselektion widerlegen. Aber das ist ein anderer Thread, den ich irgendwann aufmachen werde.

Mach mal. Vielleicht wird dann klarer, was Mathematik kann und was nicht. Das Pikante an der Synthetischen Theorie der Evoution war bekanntlich, dass sie sich auf mathematische Modellierung stützte (die 'heilige Dreifaltigkeit der Populationsgenetik', Fisher, Haldane und Wright, die meistens in Form von 'ceremonial citations' erwähnt wurden). Angeblich hat kaum ein Biologe diese Modelle verstanden. Und heute ist ziemlich umstritten, ob man mit diesen Modellen viel anfangen kann.

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Nein, aber ich habe mich irgendwann mal mit den Details befasst. Es gab Befunde für Wegeners Annahme, und auch welche, die eher dagegen sprachen.

Und welche Befunde haben dagegen gesprochen?

Wie Du schon schriebst vor allem das Fehlen eines Mechanismus. Wenn ich mich richtig erinnere gab es natürlich noch ein paar geologische Details, die nicht so recht passten. Es gibt auch interessante Untersuchungen über das Wissenschaftsestablishment und warum das 'blockierte'.

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, welche Bücher ich damals gelesen haben, aber das, was hier steht, war in etwa das, was ich damals auch fand. Die Angabe, dass Wegener durch die Bibel beeinflusst war, findet man zwar bei Kreationisten, aber so ganz unplausibel ist das auch nicht. Ich kann Dir bei Bedarf eine Belegstelle nennen.

Die Frage, die sich in solchen Fällen immer stellt, ist, wann die Gemeinde der Wissenschaftler 'berechtigt' ist, eine Hypothese abzulehnen. Es wäre interessant, eine Statistik aufzumachen, wie oft sich 'das Establishment' und wie oft sich 'geniale Außenseiter' geirrt haben.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon darwin upheaval » Mo 14. Sep 2009, 19:32

El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:ich erspare mir einen Schlenker und Dir, etwas zu dem zu schreiben, was Du geschrieben hast.

Schade.

nein, nur Zeitverschwendung. Du gehst von Annahmen hinsichtlich der Evolution aus, die für mich nur 'Wortgeklingel' sind.

Das Problem mit ID ist, dass man sich entweder darauf einlässt, oder nicht. Man findet, wie Du schreibst, problemlos hinreichend Möglichkeiten ('Denkökonomie'), das abzulehnen. Das Problem ist nur, dass Evolution mechanismisch bisher so schlecht bekannt ist,


Stammt das Gerücht von Reinhard Junker? Oder stammt es von Menschen, die sich professionell mit Evo-Devo beschäftigen, wie beispielsweise Carroll (2008, p. 18f) Evo Devo: Das neue Bild der Evolution. Berlin?


El Schwalmo hat geschrieben:dass man ID nicht ausschließen kann.


Stimmt, prinzipiell nicht falsifizierbare Hypothesen kann man nie ausschließen. Es ist allerdings gewagt, das eine ("schlechte" Erklärung der ET) mit dem anderen (ID kann nicht ausgeschlossen werden) in einen logischen Zusammenhang zu bringen.


El Schwalmo hat geschrieben:Wenn mathematische Modelle (AKA GIGO) das Beste sind, was wir haben, muss man schon ein wenig anspruchslos sein, sich damit zufrieden zu geben.


Welcher Evolutionsforscher gibt sich eigentlich mit einem mathematischen Modell zufrieden?


El Schwalmo hat geschrieben:Selbstverständlich erklärt ein Designer nichts, aber das sagen ja auch die ID-Vertreter.


Das ist eine unzulässige Verallgemeinerung. Der "ID-Papst" in Deutschland ist beispielsweise Lönnig. Und in den USA ist Dembski einer der Wortführer, der ID als eine wissenschaftliche Alternative zur ET betrachtet. Und selbstverständlich hat der "Designer", der zum Verständnis weltlicher Vorgänge bemüht wird, eine "Erklärungs"funktion!

Aber okay, wenn Du Christoph Heilig mit "die ID-Vertreter" meinst, hast Du selbstverständlich recht.


El Schwalmo hat geschrieben:Es ist übrigens interessant, dass gerade die Menschen, die meinen, gute Argumente gegen ID zu haben, recht 'kulant' gegenüber ID sind.


Ehrlich gesagt bist Du der einzige, den ich kenne, der gegenüber ID kulant ist. Meinetwegen noch Ruse, aber der ist ohnehin ein "unsicherer Kantonist", wie seine Anbiederungsversuche gegenüber YEC-Kreationisten zeigen. Auch hier wieder: Du schließt von Deiner idiosynkratischen Position auf die Allgemeinheit.

El Schwalmo hat geschrieben:Menschen, die merken, dass sie eigentlich kein Argument haben, eher nicht.


Ich hoffe, Du verwechselst nicht den "wahren Schotten" mit einem Argument.


El Schwalmo hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:gestatte die Frage eines Unwissenden: hast Du Dich näher mit Wegener befasst?

Nein. Fällt der Fall nicht unter Allgemeinbildung?
Kennst du die Geschichte anders?

Nein, aber ich habe mich irgendwann mal mit den Details befasst. Es gab Befunde für Wegeners Annahme, und auch welche, die eher dagegen sprachen.

Nebenbei: selbstverständlich steht Kontinentalverschiebung auch in der Bibel.


Selbstverständlich [sic!]? Findest Du den Begriff in der Bibel, oder hat das jemand da hinein eisegiert?
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » Mo 14. Sep 2009, 20:00

darwin upheaval hat geschrieben:Der "ID-Papst" in Deutschland ist beispielsweise Lönnig.

danke für den Hinweis. Wieder was gelernt.

BTW, eine Mail steht in einem Kontext. Wenn Du Anspielungen nicht verstehst, weil Du die vorherigen Postings nicht kennst, kein Problem. Aber bitte nicht erwarten, dass ich darauf antworte.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon platon » Mo 14. Sep 2009, 23:46

ujmp hat geschrieben:Man könnte auch sagen, eine Falsifikation differenziert unser Weltbild aus (innovativ), während eine Verifikation es stabilisiert (konservativ).

Ist das philosophisches Vorgehen?
Für einen Naturwissenschaftler ist das völliger Humbug, denn die Verifikation sagt Dir, dass Du anfängst hinter die Zusammenhänge und Mechanismen zu blicken, während die Falsifikation nur anzeigt: Ja, Kumpel, Du stocherst im Nebel, betreibst Was-Passiert-Wenn Forschung und hast keinen blauen Dunst, wohin die Reise geht. Mein Doktorvater hätte Dir eins hinter die Ohren gegeben, wenn Du ihm mit Experimenten gekommen wärst, von deren voraussichtlichem Ergebnis Du nicht die geringste Ahnung hattest.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » Di 15. Sep 2009, 05:31

platon hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Man könnte auch sagen, eine Falsifikation differenziert unser Weltbild aus (innovativ), während eine Verifikation es stabilisiert (konservativ).

Ist das philosophisches Vorgehen?

vermutlich.

platon hat geschrieben:Für einen Naturwissenschaftler ist das völliger Humbug, denn die Verifikation sagt Dir, dass Du anfängst hinter die Zusammenhänge und Mechanismen zu blicken,

Was anders denn 'stabilisiert (konservativ)' soll das bedeuten?

platon hat geschrieben:während die Falsifikation nur anzeigt: Ja, Kumpel, Du stocherst im Nebel, betreibst Was-Passiert-Wenn Forschung und hast keinen blauen Dunst, wohin die Reise geht.

Das könnte mit 'differenziert unser Weltbild (innovativ)' recht treffend umschrieben werden.

platon hat geschrieben:Mein Doktorvater hätte Dir eins hinter die Ohren gegeben, wenn Du ihm mit Experimenten gekommen wärst, von deren voraussichtlichem Ergebnis Du nicht die geringste Ahnung hattest.

Das ist dann der Grund dafür, dass Menschen wie Du das verinnerlichen. 'Normale Wissenschaft' eben, wie Kuhn schrieb. Im Rahmen eines anerkannten Paradigmas an anerkannten Fragen arbeiten. Und nicht auf die dunklen Wölkchen am Horizont achten ...
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon ujmp » Di 15. Sep 2009, 09:31

El Schwalmo hat geschrieben:
platon hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Man könnte auch sagen, eine Falsifikation differenziert unser Weltbild aus (innovativ), während eine Verifikation es stabilisiert (konservativ).

Ist das philosophisches Vorgehen?

vermutlich.

Das ist die elementare Logik der Erkenntisgewinnung. Ich würde mich riesigst über ein Gegenbeispiel freuen - also eine Falsifikation... :mg:
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon darwin upheaval » Di 15. Sep 2009, 09:33

El Schwalmo hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Der "ID-Papst" in Deutschland ist beispielsweise Lönnig.

danke für den Hinweis. Wieder was gelernt.

BTW, eine Mail steht in einem Kontext. Wenn Du Anspielungen nicht verstehst, weil Du die vorherigen Postings nicht kennst, kein Problem. Aber bitte nicht erwarten, dass ich darauf antworte.


Och, das habe ich keineswegs erwartet. Ich mache mir nur einen Spaß daraus, Behauptungen, die besonders abstrus sind, auf ironische Weise ad absurdum zu führen.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon darwin upheaval » Di 15. Sep 2009, 09:43

smalonius hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Das Problem mit ID ist, dass man sich entweder darauf einlässt, oder nicht.

Das gilt für Homöopathie auch. :mg:

Das Problem ist nur, dass Evolution mechanismisch bisher so schlecht bekannt ist, dass man ID nicht ausschließen kann.

Ist das so?


Selbstverständlich nicht. Schau in ein Buch über evolutionäre Entwicklungsbiologie Deiner Wahl. Unübertroffen hat das Sean Carroll, den ich oben zitiert habe, formuliert:

"Tatsächlich räumen die neuen Fakten und Erkenntnisse aus der Entwicklungsbiologie und der Evo Devo mit den kläglichen Überresten einer abgedroschenen, die Evolution leugnenden Rhetorik über die Bedeutung von Zwischenformen oder die Wahrscheinlichkeit, dass sich komplexe Strukturen entwickeln, auf. Wir haben inzwischen eine Vorstellung davon, wie sich von einer einzelnen Zelle aus die Komplexität eines ausgewachsenen Tieres entwickelt. Außerdem können wir mithilfe einer Reihe vollkommen neuer effizienter Methoden beobachten, wie sich durch Veränderungen in der Embryogenese die Komplexität und Vielfalt erhöht. Die Entdeckung des uralten genetischen Werkzeugkastens ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass Tiere wie Menschen von einem einfachen gemeinsamen Vorfahren abstammen, der dann modifiziert wurde."


smalonius hat geschrieben:Bei Bio-Chemie kann ich nicht mitreden. Als Laie würde ich behaupten, daß man sehr wohl genügend Mechanismen aufzählen kann, die Evolution/Variation biochemisch erklären. Unser Erbgut kann an einer einzelnen Stelle mutieren, Sequenzen können eingefügt werden, Sequenzen können sich verdoppeln oder auch verloren gehen, ganze Gene können sich verdoppeln. Hinzu kommt noch Rekombination bei geschlechtlicher Vermehrung.

Das ist ja schon mal ein kleines Arsenal an Mechanismen. Wieso reichen diese dir nicht?


Weil El Schwalmo ein Problem mit der hypothetisch-deduktiven Methode der Wissenschaft hat. Genauer: Er hat offenbar falsche Vorstellungen davon, was eine Naturwissenschaft leisten kann und leisten soll. Kausale Erklärungen sind letztlich immer "nur" Modelle, die sich konsistent in den Rahmen des naturwissenschaftlichen Theoriensystems einfügen. Zweierlei aber sind Erklärungen ganz sicher nicht: Hinreichend im Sinne einer vollständigen Beschreibung der Wirklichkeit und streng logisch beweisbar im Sinne einer mathematischen Deduktion.

Letzlich kann der ID-ler immer sagen, eine Erklärung sei nicht hinreichend, weil dieses oder jenes Detail noch offen und dieser oder jener Schritt nicht experimentell nachvollzogen oder nicht direkt beobachtbar sei. Das ist die alte Argumentation des naiven Empirismus, die sich schon der Physiker Ernst Mach aneignete, als er gegen die Atomtheorie polemisierte: "Haben Sie schon ein Atom gesehen?" Der einzige, der sich heute noch von einer solchen Argumentation beeindrucken lässt, ist El Schwalmo.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon ujmp » Di 15. Sep 2009, 11:03

platon hat geschrieben:... denn die Verifikation sagt Dir, dass Du anfängst hinter die Zusammenhänge und Mechanismen zu blicken,.

Das ist wohl Abduktion, du schließt von einer Beobachtung auf eine Gesetzmäßigkeit. Man kann höchstens Hypothesen verifizieren, nicht Beobachtungen (Zusammenhänge und Mechanismen).


platon hat geschrieben:... während die Falsifikation nur anzeigt: Ja, Kumpel, Du stocherst im Nebel, betreibst Was-Passiert-Wenn Forschung und hast keinen blauen Dunst, wohin die Reise geht. .

Nein, andersherum: Eine Falsifikation bezieht sich immer auf eine Hypothese. Ein Experiment soll ergeben, ob die Hypothese stimmt. Die Antwort lautet "Ja" oder "Nein", und ist keine Beschreibung dessen, was passiert. Die Beschreibung ist ja die Hypothese: "Es wird das und das passieren."
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon El Schwalmo » Di 15. Sep 2009, 11:36

darwin upheaval hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
darwin upheaval hat geschrieben:Der "ID-Papst" in Deutschland ist beispielsweise Lönnig.

danke für den Hinweis. Wieder was gelernt.

BTW, eine Mail steht in einem Kontext. Wenn Du Anspielungen nicht verstehst, weil Du die vorherigen Postings nicht kennst, kein Problem. Aber bitte nicht erwarten, dass ich darauf antworte.


Och, das habe ich keineswegs erwartet. Ich mache mir nur einen Spaß daraus, Behauptungen, die besonders abstrus sind, auf ironische Weise ad absurdum zu führen.

zum Beispiel Lönnig abstrus einzuschäzen? Soviel Selbstironie habe ich Dir wirklich nicht zugetraut.

Du musst auf ihn einen enormen Eindruck gemacht haben. Niemand sonst hat geschafft, was Dir gelungen ist.
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Re: Zur wissenschaftlichen Methodik

Beitragvon darwin upheaval » Di 15. Sep 2009, 15:41

El Schwalmo hat geschrieben:Soviel Selbstironie habe ich Dir wirklich nicht zugetraut.
Du musst auf ihn einen enormen Eindruck gemacht haben. Niemand sonst hat geschafft, was Dir gelungen ist.


Geben die Buchstaben, die Du seitenlang statistisch aneinander reihst, irgendwann auch noch mal einen Sinn? Ich denke, Du hast die letzten Tage genug dilettiert. (Für den Fall, dass Du im Fieberwahn sprichst: entschuldige bitte.)
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