Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Qubit » Sa 26. Sep 2009, 22:37

Im Hinblick auf anderweitige Diskussionen möchte ich kurz die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus herausschälen, d.h. die Basis dieser Weltanschauung, die sich nicht rein wissenschaftlich, kritisch-rational begründen lässt:

- Nichts, kein Wesen und kein Prinzip dieser Welt kann Naturgesetze "außer Kraft setzen" und außerhalb dieser Vorgänge verursachen. Alles was wirkt, kann nur innerhalb Naturgesetzen wirken und ist somit durch dieses "naturalistische Prinzip infiziert": ES ist Teil der Naturgesetzlichkeit. Das ist die reflektierte Erfahrung, die sich dem kritischen menschlichen Geist erhellt.

- Insbesondere sind quantenmechanische statistische Naturgesetze der Rahmen, in dem das Wirken in RaumZeit erklärt werden muß. Diese Gesetzmäßigkeiten sind ebenfalls notwendig gültig, außerhalb derer nichts wirken kann und jede Ursache Teil dieses "naturalistischen Prinzips" wird. Dieser "Rahmen" ist bedingt durch den menschlichen Geist selbst und kann nicht außerhalb diesem gedacht werden. Ob der menschliche Geist überhaupt unabhängig der Kategorie der RaumZeit denken kann, ist m.E. unklar.

- Das führt zu dem, was wir über diese Welt wissen können. Es ist ebenso unklar, ob wir alle Naturgesetzmäßigkeiten dieser Welt verstehen können. Aber was wir verstehen können, kann nicht dem "naturalistischen Prinzip" der Naturgesetzlichkeit an sich widersprechen. Es kann nicht zur Aufhebung dieses Prinzips an sich führen. Es kann keine erkannten Naturgesetze aushebeln. Somit lässt "Unwissenheit" keinen Platz für "Glauben" an ein ubernatürliches Prinzip.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Myron » Sa 26. Sep 2009, 23:46

Dass alle wirkungsfähigen Wesen und Dinge in den universellen Kausalnexus des Raumzeitsystems eingebunden sind, ist in der Tat eine Grundauffassung des Naturalismus. Als Supernaturalist kann man allerdings behaupten, dass auch Seelen, Geister, Gespenster und unpersönliche nichtphysische Mächte Teil des raumzeitlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs sein können bzw. sind.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Qubit » So 27. Sep 2009, 09:48

Myron hat geschrieben:Dass alle wirkungsfähigen Wesen und Dinge in den universellen Kausalnexus des Raumzeitsystems eingebunden sind, ist in der Tat eine Grundauffassung des Naturalismus.


Wenn man die (natur)wissenschaftliche Erkenntnis als Basis für das Verständnis von Naturalismus versteht, dann stellt sich die Thematik etwas vielschichtiger dar =)
Sie führt nämlich mit der Quantentheorie (QT) zur Beschränkung des Verständnis raumzeitlicher Vorgänge als im "Ensemble" statistisches und im Einzelnen probabilistisches, objektiv indeterministisches Phänomen; d.h. dieses kann prinzipiell nicht raumzeitlich deterministisch beschrieben werden.
Erhebt man nun die RaumZeit zu einem (philosophisch verstandenen) "absoluten Bezugsystem der Naturvorgänge", z.B. weil jeder uns bekannte Messvorgang raumzeitlicher Natur sein muss, dann erhebt man auch den "objektiven Zufall" zu einem absoluten Prinzip der Natur. Dies war zB auch die Position der "Kopenhagener Deutung" ("Er/Sie/Es würfelt").
Es gibt allerdings auch Interpretationen der QT, welche diese Beschränkung auf raumzeitliche Beschreibung so nicht akzeptieren wollen, wenngleich sie die gleichen statistischen RaumZeit-Konfigurationen beschreiben müssen. Z.B. die "Bohmsche Mechanik" ist solcher Art und führt Elemente der Natur ein, die ausserhalb der RaumZeit liegen. "Moderne" QTs gehen genau in diese Richtung.
Aus naturalistischer Sicht besteht nun das Dilemma, jene nicht raumzeitlichen Entitäten überhaupt als Natur verstehen und beschreiben zu können, insofern unsere gesamte Sensorik wie wohl auch mentalen Vorgänge wie der Messvorgang in der RaumZeit "hängen".

Myron hat geschrieben:Als Supernaturalist kann man allerdings behaupten, dass auch Seelen, Geister, Gespenster und unpersönliche nichtphysische Mächte Teil des raumzeitlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs sein können bzw. sind.

Da gibt es für mich 2 Möglichkeiten:
1. Sie _verhalten_ sich wie Natur und wirken so. Dann _sind_ sie Natur ("Duck-Typing") =)
2. Sie _verhalten_ sich nicht wie Natur aber wirken auf diese. Dann setze ich voraus, dass sie keine bekannten Naturgesetze aushebeln können, sich somit unbekannter Naturgesetze bedienen müssen. Diese wiederum "infizieren" sie mit Natur, so dass uns ihre mögliche Übernatürlichkeit rein aus Unwissenheit als Trugschluss erscheint, der durch naturwissenschaftliche Forschung korrigiert werden kann (resp. auch vorher schon zu vermeiden ist).
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Myron » So 27. Sep 2009, 19:01

Qubit hat geschrieben:Wenn man die (natur)wissenschaftliche Erkenntnis als Basis für das Verständnis von Naturalismus versteht, dann stellt sich die Thematik etwas vielschichtiger dar =)
Sie führt nämlich mit der Quantentheorie (QT) zur Beschränkung des Verständnis raumzeitlicher Vorgänge als im "Ensemble" statistisches und im Einzelnen probabilistisches, objektiv indeterministisches Phänomen; d.h. dieses kann prinzipiell nicht raumzeitlich deterministisch beschrieben werden.


Weder der Naturalismus noch der Physikalismus ist unbedingt mit dem Determinismus verknüpft. Beide eng verwandten Ismen lassen Raum für probabilistische Kausalität.
(http://plato.stanford.edu/entries/causa ... babilistic)
Das tut der Behauptung eines universellen kosmischen Kausalnexus, in den alle konkreten Entitäten eingebettet sind, keinerlei Abbruch.

Qubit hat geschrieben:Erhebt man nun die RaumZeit zu einem (philosophisch verstandenen) "absoluten Bezugsystem der Naturvorgänge", z.B. weil jeder uns bekannte Messvorgang raumzeitlicher Natur sein muss, dann erhebt man auch den "objektiven Zufall" zu einem absoluten Prinzip der Natur.


Charles Peirce hat die Bezeichnung "Tychismus" geprägt:

"Tychism, or the doctrine that absolute chance is a factor of the universe."
(http://www.helsinki.fi/science/commens/ ... chism.html)

Als Naturalist kann man Tychist sein, d.h. an das Vorkommen absolut-objektiver Zufallsereignisse glauben.

Qubit hat geschrieben:Dies war zB auch die Position der "Kopenhagener Deutung" ("Er/Sie/Es würfelt").
Es gibt allerdings auch Interpretationen der QT, welche diese Beschränkung auf raumzeitliche Beschreibung so nicht akzeptieren wollen, wenngleich sie die gleichen statistischen RaumZeit-Konfigurationen beschreiben müssen. Z.B. die "Bohmsche Mechanik" ist solcher Art und führt Elemente der Natur ein, die ausserhalb der RaumZeit liegen. "Moderne" QTs gehen genau in diese Richtung.


Ich verstehe von der QM im Allgemeinen und von der BM im Besonderen nicht allzu viel; aber was ich weiß, ist, dass Bohm zur Erklärung der Verschränkungsphänomene einen höherdimensionalen Raum postuliert, der den gewöhnlichen dreidimensionalen Raum umfasst. Es mag also durchaus sein, dass in der QT etwas postuliert wird, das den dreidimensionalen Raum bzw. die vierdimensionale Raumzeit überragt; aber selbst eine Raumzeit mit 100 Raum- und 25 Zeitdimensionen wäre ja nichts, das außerhalb, jenseits von Raum und Zeit schlechthin existiert.

Die Sache ist allerdings doch problematischer, als es zunächst scheint.
Denn über die ontologische Interpretation der zentralen quantenphysikalischen Begriffe des Konfigurationsraumes und der Wellenfunktion herrscht große Unklarheit:

"[Objection:] [T]he wave function which is part of the state description of—and hence presumably part of the reality comprising a Bohmian universe, is not the usual sort of physical field on physical space to which we are accustomed, but a field on the abstract space of all possible configurations, a space of enormous dimension, a space constructed, it would seem, by physicists as a matter of convience." (p. 9)

"We propose that the reason, on the universal level, that there is no action of configurations upon wave functions, as there seems to be between all other elements of physical reality, is that the wave function of the universe is not an element of physical reality. We propose that the wave function belongs to an altogether different category of existence than that of substantive physical entities, and that its existence is nomological rather than material. We propose, in other words, that the wave function is a component of physical law rather than of the reality described by the law." (p. 10)

(Dürr, Detlef, Sheldon Goldstein, and Nino Zanghi. "Bohmian Mechanics and the Meaning of the Wave Function." In Experimental Metaphysics: Quantum Mechanical Studies for Abner Shimony, Volume One (Boston Studies in the Philosophy of Science, Vol. 193), edited by Robert S. Cohen, Michael Horne, and John Stachel, 25-38. Dordrecht: Kluwer Academic, 1997.)

Sind der Konfigurationsraum und die Wellenfunktion Teile der konkreten, physischen Realität oder abstrakte mathematische Entitäten oder gar nichts weiter als nützliche Fiktionen?
Die Wellenfunktion als eine nichtphysische "nomische" Entität, d.h. als eine Art Naturgesetz, wäre abstrakt.
Dagegen fasst Bohm die Wellenfunktion als eine konkret-physische Entität auf, d.h. für ihn ist sie ein "Führungsfeld", das die Teilchenbewegungen lenkt:

"What the physical world consists of besides particles and besides force fields, on this theory, is (oddly) wave functions. That's what the theory requires in order to produce its account of the particle motions. The quantum-mechanical wave functions are conceived of in this theory as genuinely physical things, as something somewhat like force fields (but not quite), and anyway as something quite distinct from the particles; and the laws of the evolutions of these wave functions are stipulated to be precisely the linear quantum-mechanical equations of motion (always, period; wave functions never collapse on this theory); and the job of these wave functions in this theory is to sort of push the particles around (as force fields do), to guide them along their proper courses; and there are additional laws in the theory (new ones, un-quantum-mechanical ones) which stipulate precisely how they do that.
([Footnote 2]: Perhaps all this is worth spelling out in somewhat more pedantic detail. Here's the idea:
What quantum mechanics takes the wave function of a particle to be is merely a certain sort of mathematical representation of that particle's state.
What this theory [= Bohmian mechanics] takes the wave function of a particle to be, on the other hand, is a certain sort of genuinely physical stuff.
And the physical properties of such wave-functions-considered-as-stuff are (as with force fields) their amplitudes at every point in space.
And those amplitudes will invariably have determinate values (just as they invariably do, as purely mathematical objects, in quantum mechanics).)"


(Albert, David Z. Quantum Mechanics and Experience. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1992. pp. 134-5)

Qubit hat geschrieben:Aus naturalistischer Sicht besteht nun das Dilemma, jene nicht raumzeitlichen Entitäten überhaupt als Natur verstehen und beschreiben zu können, insofern unsere gesamte Sensorik wie wohl auch mentalen Vorgänge wie der Messvorgang in der RaumZeit "hängen".


Die entscheidende Frage ist, ob der Naturalist durch die Quantenphysik tatsächlich genötigt wird, Dinge als real anzuerkennen, die nicht Teil eines raumzeitlichen Systems sind. — Ich bezweifle das, zumal ja unter den Physikern selbst keine Einigkeit über die ontologische Interpretation der Quantenmechanik besteht.
(Und zumindest die Bohm'sche Interpretation der Wellenfunktion als eines realen physischen Feldes bereitet dem Naturalismus und dessen "Spatiotemporalismus" keinerlei Probleme.)

Qubit hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Als Supernaturalist kann man allerdings behaupten, dass auch Seelen, Geister, Gespenster und unpersönliche nichtphysische Mächte Teil des raumzeitlichen Ursache-Wirkungs-Zusammenhangs sein können bzw. sind.

Da gibt es für mich 2 Möglichkeiten:
1. Sie _verhalten_ sich wie Natur und wirken so. Dann _sind_ sie Natur ("Duck-Typing")
2. Sie _verhalten_ sich nicht wie Natur aber wirken auf diese. Dann setze ich voraus, dass sie keine bekannten Naturgesetze aushebeln können, sich somit unbekannter Naturgesetze bedienen müssen. Diese wiederum "infizieren" sie mit Natur, so dass uns ihre mögliche Übernatürlichkeit rein aus Unwissenheit als Trugschluss erscheint, der durch naturwissenschaftliche Forschung korrigiert werden kann (resp. auch vorher schon zu vermeiden ist).


Es kommt darauf an, wie weit man den Begriff des Naturgesetzes fasst: Wenn man darunter nur die rein physikalischen Gesetze versteht, dann würden hyperphysische, d.i. rein geistige Wesen, die innerhalb der Raumzeit existieren, darunter gar nicht fallen und sie somit auch nicht "verletzen" können. Wenn aber auch (mögliche) hyperphysikalische Gesetze, d.i. psychophysikalische oder rein psychologische Gesetze zu den Naturgesetzen gezählt werden, dann würde auch das Wirken spiritueller Individuen zum raumzeitlichen Kausalnexus gehören.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon xander1 » So 27. Sep 2009, 21:28

Ich frage mich was das bringen soll , sich so in ein Gedankengut hineinzusteigern, sei es das Christentum oder sei es der Naturalismus. Was soll das denn bringen? Das ist total krank finde ich. Sollte man nicht einfach sein Leben leben und das beste draus machen, anstelle sich in so krudes Zeug hineinzusteigern?
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Myron » So 27. Sep 2009, 22:25

Myron hat geschrieben:Weder der Naturalismus noch der Physikalismus ist unbedingt mit dem Determinismus verknüpft. Beide eng verwandten Ismen lassen Raum für probabilistische Kausalität.
(http://plato.stanford.edu/entries/causa ... babilistic)
Das tut der Behauptung eines universellen kosmischen Kausalnexus, in den alle konkreten Entitäten eingebettet sind, keinerlei Abbruch. (...)
Als Naturalist kann man Tychist sein, d.h. an das Vorkommen absolut-objektiver Zufallsereignisse glauben.


Bei einem absolut ursachenlosen Ereignis, dessen Eintreten durch vorausgehende Ereignisketten nicht wahrscheinlicher wurde als dessen Nichteintreten, greift zwar auch das Konzept der probabilistischen Kausalität nicht mehr, aber da solch absolute Zufallsereignisse selbst (deterministische oder probabilistische) Ursachen weiterer Ereignisse sein könnten, wären auch sie in Richtung Zukunft in den universellen Kausalnexus der konkreten Wirklichkeit integriert.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Myron » So 27. Sep 2009, 22:31

xander1 hat geschrieben:Ich frage mich was das bringen soll , sich so in ein Gedankengut hineinzusteigern, sei es das Christentum oder sei es der Naturalismus. Was soll das denn bringen? Das ist total krank finde ich. Sollte man nicht einfach sein Leben leben und das beste draus machen, anstelle sich in so krudes Zeug hineinzusteigern?


Wenn "einfach sein Leben leben" "gedankenlos sein Leben leben" bedeutet, dann sollte man nicht einfach sein Leben leben.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Nanna » So 27. Sep 2009, 22:39

@xander1:
Nur hängt Lebensweise und -qualität nunmal sehr stark von den Grundannahmen ab, die man persönlich und die die Gesellschaft über die Welt hat. Dass Menschen auf diesem Gebiet nach größtmöglicher Erkenntnis und konsequentem Verständnis streben, ist in meinen Augen kein Hineinsteigern. Das wäre erst gegeben, wenn für diese Person ein Leidensdruck entstanden wäre, das Streben also wahnhafte Züge annehmen würde. Gerade Naturalisten habe ich bisher aber doch meist als recht unverkrampft und tolerant erlebt.

Ich stimme dir zu, dass man aus seinem Leben das Beste machen sollte, nur, wie soll das gehen, wenn man nicht weiß, wie? Um ein gutes Leben zu schaffen, muss man wissen, wie man mit anderen Menschen umgehen sollte (man muss das Wesen des Menschen erforschen), man muss wissen, wie man Krankheiten behandelt (medizinische Forschung), wie man alle Menschen gut ernähren kann (biologische und geografische Forschung), wie man Naturkatastrophen vermeiden oder kann (naturwissenschaftliche Forschung) oder hilfreiche Maschinen bauen kann (technische Entwicklung). Und das ließe sich jetzt sehr lange weiterführen. Man muss, kurz gesagt, wissen, wie die Welt funktioniert, wenn man das besagte gute Leben haben will. Verschiedene Denksysteme auf ihre dahingehende Leistungsfähigkeit zu prüfen ist ein Teil des Erkenntnisprozesses und auch engagierter Streit gehört hier dazu.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon xander1 » So 27. Sep 2009, 22:49

dazu braucht man aber nicht dieses forum.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon stine » Mo 28. Sep 2009, 06:30

Nanna hat geschrieben:...man muss wissen, wie man Krankheiten behandelt (medizinische Forschung), wie man alle Menschen gut ernähren kann (biologische und geografische Forschung), wie man Naturkatastrophen vermeiden oder kann (naturwissenschaftliche Forschung) oder hilfreiche Maschinen bauen kann (technische Entwicklung). Und das ließe sich jetzt sehr lange weiterführen. Man muss, kurz gesagt, wissen, wie die Welt funktioniert, wenn man das besagte gute Leben haben will.
Aber in welcher Hinsicht soll man das alles wissen müssen?
Muss man nicht vielmehr lernen, mit der Natur zu leben, als zu lernen, wie man all das bekämpft, was sich dem sogenannten "guten" Leben natürlicherweise in den Weg stellt?
Es gibt Menschen, die sind nicht gesund, wenn sie nicht krank sind, brauchen den Arzt als Freund und Ansprechpartner. Es gibt Menschen, die bauen ihre Häuser in Gebiete mit Erdbeben, Hochwasser- und Murengefahr, es gibt Menschen, die Kinder in die Welt setzen, ohne sich Gedanken über deren Ernährung zu machen, es gibt hilfreiche Maschinen, die den Menschen arbeitslos, alle menschliche Energie überflüssig und künstliche Energie notwendig machen, usw.
So mancher technische, unnatürliche Fortschritt könnte deshalb immer auch ein Fehltritt sein.
Über das gute Leben nachzudenken ist sicher notwendig. Wie ein gutes Leben allerdings aussieht, bleibt Ansichtssache.

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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon Nanna » Mo 28. Sep 2009, 15:31

xander1 hat geschrieben:dazu braucht man aber nicht dieses forum.


Dieses Forum braucht man aus dem Grund, dass es auf der Welt leider sehr viel mehr Menschen gibt, die andere Lösungsstrategien bevorzugen würden, beispielsweise im Bereich der Medizin Homöopathie, Geistheilung oder traditionelle Medizin mit objektiv unwirksamen Stoffen, als die, die eine konsequente Erfassung der realen Verhältnisse nahelegen würden. Die Menschen, deren Weltbild sich lieber auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse, als auf die Phantasien charismatischer Persönlichkeiten, stützt, brauchen eine Lobby und wenn man sich Auswüche wie den wuchernden Kreationismus in manchen Teilen der Welt ansieht, dann fragt man sich, ob die Wissenschaft als solche nicht auch eine bräuchte. Auch wenn Wissenschaft gut funktioniert und all das ermöglicht, was ich aufgezählt habe, so ist sie leider noch lange kein gesellschaftlicher Selbstläufer.

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Man muss, kurz gesagt, wissen, wie die Welt funktioniert, wenn man das besagte gute Leben haben will.
Aber in welcher Hinsicht soll man das alles wissen müssen?
Muss man nicht vielmehr lernen, mit der Natur zu leben, als zu lernen, wie man all das bekämpft, was sich dem sogenannten "guten" Leben natürlicherweise in den Weg stellt?


Wo siehst du denn den Widerspruch? Auch die natürliche Evolution ist ein Weg, gut mit der Natur zu leben. Ist es im Endeffekt denn relevant, ob ein krankheitshemmender Stoff von der Evolution oder vom Menschen in einem Labor erfunden wurde? Und was war es denn anderes, als unser Kopf, der uns in den letzten Jahrzehntausenden das Überleben ermöglicht hat? Wir haben schwache Muskeln, kaum gut ausgeprägte Sinne mit Ausnahme unserer Augen und sind nur stark in der Horde mit einer guten Organisationsstruktur. Wir haben das im Vergleich zu vor zehntausend Jahren etwas optimiert, aber das ist mehr ein quantitativer Unterschied, denn das Grundprinzip des Überlebens durch Nachdenken ist bis heute erhalten.

stine hat geschrieben:Es gibt Menschen, die sind nicht gesund, wenn sie nicht krank sind, brauchen den Arzt als Freund und Ansprechpartner. Es gibt Menschen, die bauen ihre Häuser in Gebiete mit Erdbeben, Hochwasser- und Murengefahr, es gibt Menschen, die Kinder in die Welt setzen, ohne sich Gedanken über deren Ernährung zu machen, es gibt hilfreiche Maschinen, die den Menschen arbeitslos, alle menschliche Energie überflüssig und künstliche Energie notwendig machen, usw.
So mancher technische, unnatürliche Fortschritt könnte deshalb immer auch ein Fehltritt sein.


Was du da aufzählst, das ist in erster Linie unvernünftig. Gerade ein Naturalist würde doch nicht sagen, dass man diese Dinge tun soll, weil er nämlich ganz genau weiß, dass Häuser in Erdbebenregionen eine hirnlose Idee sind. Ein Naturalist vertraut ganz sicher nicht darauf, dass das Kreuz über der Tür das Haus schon beschützen wird, wenn, dann wird er eher auf eine erdbebensichere Architektur setzen. Um also die Gefahren der Natur zu erkennen und mit ihnen leben zu können (also entweder von der Gefahr fortbleiben oder ihr angemessen begegnen) muss man sie aber erforschen. Solltest du unter "mit der Natur leben" verstehen, dass man, jetzt mal überspitzt gesagt, in Demut das Erdbeben erträgt, das man nicht hat kommen sehen, weil man dem Dorfpfarrer geglaubt hat, dass die Erde eine Scheibe ist und es keine Plattentektonik gibt, dann ist das in meinen Augen eine etwas seltsame Art "mit etwas zu leben" - im Grunde hieße es nämlich, es nicht verstehen zu wollen und zu ignorieren.

Du hast auch davon gesprochen, dass Maschinen den Menschen überflüssig machen können. Nun, wer weiß, vielleicht haben wir eines Tages wirklich den alten Traum der Menschheit erfüllt, dass Maschinen uns jede Arbeit abnehmen. Vielleicht wird sogar der Kommunismus wieder hoffähig, wenn Menschen keine Arbeit mehr selber machen und es keinen vernünftigen Grund gibt, dass der eine Mensch mehr Maschinenleistung zugeteilt bekommt, als ein anderer. Keine Ahnung, was wir dann machen, vermutlich den ganzen Tag in irgendwelchen Cyberwelten verbringen. Man kann das von mir aus als schlecht ansehen, aber lieber kämpfe ich in einer virtuellen Realität gegen komische Monster, als in der echten Realität gegen sadistische Diktatoren. Insgesamt ist das ganze mehr ein soziales Problem, es geht darum, wie wir mit dem Fortschritt umgehen und ob wir seine Fürchte halbwegs gerecht verteilen. Immerhin gibt uns das vielleicht eines Tages endlich eine realistische Chance, mit Dritte-Welt-Slums, Kriegen und Ausbeutung Schluss zu machen, jedenfalls hat der bisherige Fortschritt unter'm Strich doch relativ klar zu mehr persönlicher Freiheit und Entlastung geführt.

stine hat geschrieben:Über das gute Leben nachzudenken ist sicher notwendig. Wie ein gutes Leben allerdings aussieht, bleibt Ansichtssache.

Das mag ja sein, ich sehe allerdings keine andere Möglichkeit, dem Elend, das die Menschheit seit Anbeginn der Zivilisation mit herumschleppt, ein Ende zu machen, als mit der Erforschung der Zusammenhänge. Ganz sicher wird nur dann jeder seine persönliche Vorstellung vom guten Leben verwirklichen können, wenn er nicht mehr täglich mit dem Kampf um das nackte Überleben beschäftigt ist und genau in diese Richtung zeigt der Trend der Forschung.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon stine » Mo 28. Sep 2009, 17:07

Nanna hat geschrieben:Solltest du unter "mit der Natur leben" verstehen, dass man, jetzt mal überspitzt gesagt, in Demut das Erdbeben erträgt,
Da haben wir aber elegant aneinander vorbeigeredet. :/
Mit der Natur leben, heißt für mich selbstverständlich den natürlichen Gewalten bewußt aus dem Weg zu gehen und nicht auf Gott zu vertrauen. Ich meinerseits dachte du meintest, man könne alle Naturgewalt mit Forschung und Technik besiegen.

Nanna hat geschrieben:Nun, wer weiß, vielleicht haben wir eines Tages wirklich den alten Traum der Menschheit erfüllt, dass Maschinen uns jede Arbeit abnehmen.
Selbst wenn wir keine körperliche Arbeit mehr für Bezahlung machen müssten, könnten wir nicht den ganzen Tag rauchen, saufen und Karten spielen. Dann wird der entlastete Mensch seine Energie in seiner Freizeit loswerden wollen und damit die Umwelt zusätzlich belasten.
Menschliche Arbeitskraft ist heute leider viel zu teuer! Mein Lieblingsbeispiel ist hier die Baumfällmaschine, die den Baum absägen, entasten, die Rinde entfernen, den Stamm in gleichlange Stücke sägen und die Stämme ordentlich ablegen kann. Bedient von einem einzigen Mann.
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Re: Die Glaubensbekenntnisse des Naturalismus

Beitragvon stine » Mo 28. Sep 2009, 17:09

Nanna hat geschrieben:Ganz sicher wird nur dann jeder seine persönliche Vorstellung vom guten Leben verwirklichen können, wenn er nicht mehr täglich mit dem Kampf um das nackte Überleben beschäftigt ist und genau in diese Richtung zeigt der Trend der Forschung.
Genau und deshalb gibt es dann für die Superreichen, die alles haben, das Outdoortraining. :mg:

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