Wie sozial kann der Staat sein?

Re: Staatssysteme

Beitragvon platon » Di 10. Nov 2009, 22:44

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Eltern mit niedrigem IQ, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Kinder mit niedrigem IQ, aber wahrscheinlich mit höherem IQ als sie selber. Aber eben wahrscheinlich niedriger als der Durchschnitt.

Da Du IQ als Synonym für Bildungsgrad benutzt, hast Du recht.
Unser Bildungssystem fördert leider die Bildung der Kinder nicht unabhängig vom Bildungsgrad der Eltern.
Über die jeweilige Intelligenz sagt der IQ aber genauso wenig aus wie Deine Hausnummer.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Di 10. Nov 2009, 23:25

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:a) Es gibt keinen idealen Würfel.
Wenn du keine Ahnung hast, dann wirf anderen nicht vor von Statistik nichts zu wissen.
Der ideale Würfel ist ein Fachbegriff und zugleich ein theoretisches Konstrukt in der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Der ideale Würfel hat eben als Definition eine absolut gleichverteilte Wahrscheinlichkeit seiner sechs möglichen Ergebnisse.
Das Ergebnis jeden Wurfes ist reiner Zufall. Ein idealer Würfel wird nicht in Sandkästen geworfen, in die sollte man vielleicht zum Spielen gehen.


Ich wollte damit keine Diskussion über die Sandkastenspiele der mathematischen Theoretiker vom Zaun brechen, mein Würfeln war ja nur eine Metapher. Das Konstrukt des idealen Wüfels ist halt ein wenig komisch, denn was ist denn der Unterschied zwischen Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit? Übrigens fällt ein Würfel in der Schwerelosigkeit überhaupt nicht :mg:

Ich wollte nur sagen, dass die Abweichung, mit der der IQ vererbt wird, zwar zufällig aber nicht beliebig sein kann. Es wird sich wohl in der Regel bloß um ein paar Prozentpünktchen handlen.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Di 10. Nov 2009, 23:47

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Wenn du keine Ahnung hast, dann wirf anderen nicht vor von Statistik nichts zu wissen

Ich hab bestimmt soviel Ahnung, dass ich beurtilen kann, dass dies hier von wenig Ahnung zeugt:

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die Verteilung der Fähigkeiten unter den Menschen sind statsitisch nachweisbar "noramalverteilt", was bedeutet, dass sie den Gesetzen des Zufalls unterliegt.
Und?
Statisisch gesehen sind also alle normal intelligent?


Aber vielleicht war Stines Frage ja eine salomonische Frage und ich bin reingefallen.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Mi 11. Nov 2009, 09:13

platon hat geschrieben:Die Tatsache, dass in unserem Land Akademikerkinder deutlich höhere Schulabschlüsse erzielen als Arbeiterkinder liegt schlichtweg an unserem Schulsystem und nicht daran, dass Akademikerkinder etwa intelligenter wären.
Das liegt nicht am Schulsystem.
Im Gegenteil ist es so, dass sich gerade hochgearbeitete Arbeiterfamilien gerne das Abitur für den Sprössling wünschen und die Eltern wesentlich mehr in der Schule auftauchen, um dies sicher zu stellen. Wie gut aber Kinder in der Schule schließlich zurecht kommen liegt nicht zuletzt am häuslichen Umfeld, insofern stimmt der letzte Teil deiner Aussage. Kinder die von klein an ihre Fragen beantwortet bekommen, wissen einfach mehr, als solche, die mit Fernseher und Computer ruhig gestellt werden.
Ein hochintelligentes Kind dagegen wird immer auffallen, egal, wie es aufwächst, da bin ich mir ganz sicher. Ob Lehrer das aber immer zur Kenntnis nehmen können bei überfüllten Klassen ist allerdings weniger zu vermuten. Insofern wäre das Schulsystem zu bekriteln.

Was man unserem Bildungssystem allerdings nicht vorwerfen kann ist, dass nicht wirklich JEDER daran teilhaben dürfte. Die Ignoranz einzelner Schüler (und Eltern) gegenüber einer verpflichtenden Einrichtung ist hierbei das größere Problem. Die meisten Lehrer bringen den Stoff gar nicht mehr rüber, weil die Aufmerksamkeit der Klasse fehlt. (Gruppenevolution?) Wer mitmacht gilt als Streber und wer sich seine Zoten ins Gesicht kämmt ist mega-in. Lernen gilt in den meisten Fällen als uncool.

Eigentlich müsste man sogar sagen, dass es erstaunlich ist, mit wie wenig Ehrgeiz doch soviele dennoch ihren Abschluss irgendwie hinbekommen. Hier wäre das System dann wieder eher überdurchschnittlich gut zu nennen. Nimmt es doch viele mit.
Da jedes Kind sein ganz eigenes Lernpensum mitbringt, halte ich das dreigliedrige Schulsystem für eins der besten. Dass es natürlich Eltern dazu verleitet ihren Kindern oft den falschen Weg zuzumuten ist eine Folge der überzogenen Forderungen aus der Wirtschaft.
Einige Lehrherren haben inzwischen allerdings auch schon wieder umgeschwenkt und bevorzugen gute Hauptschüler gegenüber schlechten Abiturienten. Sie sind nämlich oft williger und fleißiger, als die Konkurrenz aus der Oberschule.

@ujmp: Wer ständig am Bildunssystem rummäkelt sollte auch mal sagen, was er denn falsch findet und was besser zu machen wäre. Würde mich sehr interssiern!

Ich persönlich finde falsch, wenn Bildungsausgaben im Kultusministerium bei Schreibtischbeamten versickern, die nichts anderes tun, als sich Jahr für Jahr neue Tests zur Bildungsfeststellung auszudenken, um dann die Lerninhalte wieder mal rigoros umzuschmeißen, anstatt an der Basis vermehrt Lehrer einzustellen und diese besser zu bezahlen.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Mi 11. Nov 2009, 10:42

stine hat geschrieben:@ujmp: Wer ständig am Bildunssystem rummäkelt sollte auch mal sagen, was er denn falsch findet und was besser zu machen wäre. Würde mich sehr interssiern!


Ich habe ja schon gesagt, was ich problematisch finde. Es ist ein Problem, dass Lehrer nachgewiesen vorurteilsgesteuert Kinder in Schubladen sortieren, aus denen sie nicht mehr rauskönnen. Es ist ein Schulsystem, dass die Privilegien der Privilegierten sichert.

Dass die Anlagen, die Menschen mitbekommen haben, nachgewiesen einer gewissen Zufälligkeit und Unabhängigkeit von den Fähigkeiten ihrer Eltern unterliegen, muss sich im Leistungsspektrum der unterschiedlichen Sozialschichten widerspiegeln. D.h. Es muss immer Auf- und Absteiger geben. Wo das nicht geschieht, ist etwas faul, da bestimmt nicht mehr die Leistung den Status. Da Anlagen auch entfaltet werden müssen, sprich gefördert, bedeutet dies, dass das Leistungsniveau insgesamt absinkt, denn man lässt die Anlagen der Besseren zu Gunsten der Privilegierten brach liegen. Ich bin nicht für Gleichmacherei, ganz im Gegenteil, ich bin für objektive und faire Beurteilung (so weit es menschenmöglich ist) der Unterschiedlichkeit der Menschen.

Die Argumente für das dreigliedrige Schulsystem hören sich gut an, mir gefielen sie zunächst auch. Ich sehe sie aber mittlerweile als Euphemismen an, die die Zementierung einer Klassengesellschaft verschleiern sollen.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Mi 11. Nov 2009, 12:40

ujmp hat geschrieben: Es ist ein Problem, dass Lehrer nachgewiesen vorurteilsgesteuert Kinder in Schubladen sortieren, aus denen sie nicht mehr rauskönnen. Es ist ein Schulsystem, dass die Privilegien der Privilegierten sichert.
Hast du selbst diese Erfahrungen gemacht? Oder woraus schließt du das?
Ich selbst kann das nicht bestätigen. Auch aus Erfahrung.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Mi 11. Nov 2009, 13:47

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben: Es ist ein Problem, dass Lehrer nachgewiesen vorurteilsgesteuert Kinder in Schubladen sortieren, aus denen sie nicht mehr rauskönnen. Es ist ein Schulsystem, dass die Privilegien der Privilegierten sichert.
Hast du selbst diese Erfahrungen gemacht? Oder woraus schließt du das?
Ich selbst kann das nicht bestätigen. Auch aus Erfahrung.

LG stine


Meine persönlichen Erfahrungen sind zweitrangig, da das Feld, was man persönlich übersieht, zufälligerweise so oder so sein kann. Fehlurteile merkt man erstmal nicht, wer würde sonst falsch urteilen? Deshalb laufen wir alle trotz besster Absichten mit Vorurteilen herum. Es gibt aber wissenschaftliche Methoden zum Zwecke der Objektivierung. Eine solche Untersuchung ist die genannte Studie aus Bayern. Man kann diese Studie anzweiflen, entweder ihre Methodik oder mit anderen Studien, aber nicht mit persönlichen Erfahrungen, die können höchstens Indizien sein.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Mi 11. Nov 2009, 15:03

Könntest du die Studie aus Bayern mal verlinken?
Was war denn konkret die Aussage?
Ein Rückschluss auf Vorurteile der Lehrer?
Ich versteh das nicht.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Mi 11. Nov 2009, 15:55

stine hat geschrieben:Könntest du die Studie aus Bayern mal verlinken?
Was war denn konkret die Aussage?
Ein Rückschluss auf Vorurteile der Lehrer?
Ich versteh das nicht.


Kann ich leider nicht verlinken, ich weiß nichtmal mehr ob ich es im Fersehen gesehen oder in der Zeitung gelesen habe. Vielleicht findest ud es selbst, ich würde es mir auch gerne nochmal durchlesen.

Das hab ich eben schnell gefunden (keine Ahnung ob http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=2278 seriös ist):
"Noch gravierender wirkt sich die soziale Herkunft bei der Durchlässigkeit des Schulsystems aus. Die 15jährigen verteilen sich alles andere als gleichmäßig auf die angebotenen Schularten: In Bayern beispielsweise hat eine Arzttochter eine fast siebenmal so große Chance, das Gymnasium zu besuchen, wie der Sohn einer arbeitslosen Verkäuferin – und das bei vergleichbarem Leistungspotential. Damit führt Bayern deutlich die Rangliste der sozialen Selektion beim Zugang zu den verschiedenen Schultypen an, denn im nationalen Durchschnitt haben Kinder aus einkommensstarken Familien „nur“ eine viermal höhere Chance, das Abitur zu erlangen."

An die Grundaussage kann ich mich aber gut erinnern. Sie besagt, dass bayrische Lehrer für Schüler, die auf der Kippe stehen (also prinzipiell den gleichen Leistungsstand haben) Gymnasium-Empfehlungen aussprechen, die stark mit dem Status der Eltern korrelieren. Das bedeutet, je höher der Status der Eltern ist, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Empfehlung ausgesprochen wird. Da aber alle Schüler, die hier betrachtet werden, den selben Leistungsstand erreicht haben, müssten sich die Empfehlungen auch auf alle sozialen Schichten gleichmäßig verteilen.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon xander1 » Mi 11. Nov 2009, 16:18

ujmp hat geschrieben:Die Argumente für das dreigliedrige Schulsystem hören sich gut an, mir gefielen sie zunächst auch. Ich sehe sie aber mittlerweile als Euphemismen an, die die Zementierung einer Klassengesellschaft verschleiern sollen.

In den Nachrichten habe ich vor einigen Wochen gelesen, dass die Arbeitslosigkeit besonders ehemalige Gymnasiasten erfassen. Also so einfach wie du kann man es sich auch nicht machen, aber es stimmt schon, dass man von einer Klassengesellschaft reden kann, nur dass die Übergänge fließend sind und die Menschen auf einer höheren Stufe sind auch nicht glücklicher. Ich sehe das eher so, dass ich Realschüler und Hauptschüler beneide, da sie einen geringeren Leistungsdruck haben, nach meiner Einschätzung.

Ich studiere zur Zeit etwas bei dem man größtenteils keine Patente anmelden kann in Europa. Viele Produkte die man herstellt, wenn man mein Studium studiert gibt es kostenlos, weil der Konkurrenzdruck hoch ist und wegen einer "Philosophie". 2/3 die das Studium beginnen werden es nicht vollenden. Die Burnout-Rate ist im Vergleich mit vergleichbaren Berufen deutlich höher, wenn man dann darin arbeitet. Das Studium ist sehr theoretisch und das meiste wird nie praktisch zur Anwendung kommen, praxisfern. Letztlich stelle ich fest, dass ich besser Handwerker geworden wäre, anstelle Akademiker werden zu wollen. Aber alles läuft noch, und ich schätze es 50/50, dass ich alles bestehen werde und mir weiterhin Bafög gezahlt wird. Kann mir bitte jemand schreiben, ob ich die Scheiße weitermachen soll? Ich bin irgendwie perspektivlos was ich dann machen soll? Noch einen neuen Beruf wählen? Umschulung?

Und wenn mir jemand schreibt wie @stine, dass das System die sozial Schwachen nicht unterstützen soll, dann macht mich das einfach fassungslos. Ich glaube nicht, dass @stine will, dass nicht mehr alle ernährt werden, aber ich wäre dann echt am Boden tief gefallen, wenn mich das System nicht irgendwie halten würde, im Falle des Falles.

Es ist genauso nicht fair, dass es Superreiche gibt, wie dass es nicht gerecht ist, dass es Armut gibt. Ich stelle es zur Frage, ob man Menschen mit mehr als nur einer Erbkrankheit unfruchtbar machen könnte, denn ich kenne einen, der sich beschwert geboren worden zu sein, weil er eine Krankheit hat, die ihn behindert macht.

In einer Agrargesellschaft gibt es keine Arbeitslosigkeit, wenn alles gleich verteilt ist. Unsere Arbeitslosigkeit ist durch das System gegeben, und wegen Billigimporten, so dass weniger hier hergestellt werden muss. Es ist eine Globalisierung an der die ohnehin schon Reichen immer reicher werden, obwohl andere das Geld viel nötiger hätten.

Wer sozial schwach ist kann auch einfach Pech gehabt haben oder so wie ich das Leben falsch geplant haben (Naja, mit Bafög bin ich doch nicht soo arm.). Wenn man ein System in Frage stellen sollte, dafür dass es die sozial schwachen unterstützt, dann vielleicht aus evolutionärer Sicht, aber das ist ein anderes Thema und das macht mir auch etwas Angst, weil es sensibel ist. Die wohlhabenderen Bürger brauchen doch die sozial schwachen Menschen damit das System sich selbst hält. Das hat mit dem globalen Wirtschaftssystem zu tun, das reiche Menschen in armen Ländern reicher macht, damit in Deutschland Menschen mit Harz 4 abgespeist werden.

Ich habe mich beworben zum putzen. Ich habe mich beworben für einen Kassiererjob. Mehrere Bewerbungen in meinem Fachbereich. Nichts. Allerdings frage ich mich auch, ob ich mit den jeweiligen Jobs auch glücklich gewesen wäre.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 16:22

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben: Es ist ein Problem, dass Lehrer nachgewiesen vorurteilsgesteuert Kinder in Schubladen sortieren, aus denen sie nicht mehr rauskönnen. Es ist ein Schulsystem, dass die Privilegien der Privilegierten sichert.
Hast du selbst diese Erfahrungen gemacht? Oder woraus schließt du das?
Ich selbst kann das nicht bestätigen. Auch aus Erfahrung.


Ich kann das bei meinen Kindern auch nicht bestätigen. Die Empfehlungen für das Gynnasium gingen quer durch alle Schichten. In der Klasse von meiner Tochter bekamen genau die Kinder eine Empfehlung fürs Gymnasium, die sie selbst als gute Schüler empfand.

Auch ist der Anteil der Schüler, die auf der Kippe stehen, nicht so wahnsinnig groß. Bei einer Arztfamilie empfände ich es eher als ungewöhnlich, wenn die Kinder schon in der Grundschule Schwierigkeiten haben, sodass eine Empfehlung für das Gymnasium nicht ausgesprochen wird. Deshalb sollte man genau prüfen, was in den Studien ermittelt wurde. Wurde z. B. ermittelt, dass ein Arzt-Kind in Bayern 7x so häufig eine Empfehlung für ein Gymnasium bekam wie ein Kind aus einer sozial schwachen Schicht, dann kann ich nur sagen: Was ist daran überraschend? Wurde dagegen ermittelt, dass die Kinder von Ärzten, die am Ende der Grundschule auf der Kippe standen, 7x so häufig eine Empfehlung fürs Gymnasium bekamen wie Kinder aus sozial schwachen Schichten, deren Leistung mit den Arztkindern vergleichbar war, dann wäre das eine üble Diskriminierung.

Soziologen tendieren leider dazu, sehr fahrlässig mit solchen Daten umzugehen. Beispielsweise ist in der BRD der Anteil der Studenten mit mindestens einem akademischen Elternteil seit Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Soziologen weisen dann darauf hin, dass dies der Ausdruck einer zunehmenden Ungerechtigkeit im Bildungssystem sei. Tatsächlich wäre aber genau diese Entwicklung bei fairen und durchlässigen Bildungssystemen zu erwarten.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Mi 11. Nov 2009, 16:36

xander1 hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die Argumente für das dreigliedrige Schulsystem hören sich gut an, mir gefielen sie zunächst auch. Ich sehe sie aber mittlerweile als Euphemismen an, die die Zementierung einer Klassengesellschaft verschleiern sollen.

In den Nachrichten habe ich vor einigen Wochen gelesen, dass die Arbeitslosigkeit besonders ehemalige Gymnasiasten erfassen. Also so einfach wie du kann man es sich auch nicht machen, aber es stimmt schon, dass man von einer Klassengesellschaft reden kann, nur dass die Übergänge fließend sind und die Menschen auf einer höheren Stufe sind auch nicht glücklicher.

Ich hab das unklar ausgedrückt. Mit "Klassengesellschaft" meinte ich eine Gesellschaft, in der der Status von der Geburt abhängt und es keine Chancengleichheit mehr gibt, die es erlaubt den Status zu wechseln . Die Menschen sind unterschiedlich und es wird immer unterschiedliche gesellschaftliche Statusse geben.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Mi 11. Nov 2009, 16:50

jackle hat geschrieben:Soziologen tendieren leider dazu, sehr fahrlässig mit solchen Daten umzugehen.

Nicht nur Soziologen! Deswegen ist es ja gut, solche Studien zu diskutieren.

jackle hat geschrieben: Bei einer Arztfamilie empfände ich es eher als ungewöhnlich, wenn die Kinder schon in der Grundschule Schwierigkeiten haben, sodass eine Empfehlung für das Gymnasium nicht ausgesprochen wird.

Das interessante an dieser Aussage ist, warum man das als ungewöhnlich empfindet. Ich befürchte, es beruht auf Vorurteilen.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 17:05

ujmp hat geschrieben: Das interessante an dieser Aussage ist, warum man das als ungewöhnlich empfindet. Ich befürchte, es beruht auf Vorurteilen.


Warum sollte etwas, was die Basis der Evolutionstheorie ist (Nachkommen ähneln ihren Eltern), auf Vorurteilen beruhen? Also ich denke da ganz pragmatisch naturalistisch und nicht so sehr wunschorientiert.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Mi 11. Nov 2009, 17:35

jackle hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben: Das interessante an dieser Aussage ist, warum man das als ungewöhnlich empfindet. Ich befürchte, es beruht auf Vorurteilen.


Warum sollte etwas, was die Basis der Evolutionstheorie ist (Nachkommen ähneln ihren Eltern), auf Vorurteilen beruhen? Also ich denke da ganz pragmatisch naturalistisch und nicht so sehr wunschorientiert.


Es gibt viele Eigenschaften, die sind multigenetisch bedingt, dazu zählen auch Charaktereigenschaften und intellektuelle Fähigkeiten. Die Erblichkeit solcher Eigenschaften unterliegt, jenach dem wieviele Einzelfaktoren hineinspielen, einer viel höheren Varianz, die irgendwann so hoch ist, dass man sie als zufällig (im Sinne von "unvorhersehbar") ansehen kann. Schon ein Mann von 1,80m und eine Frau von 1,70m haben nicht zwangsläufig ein Kind, dass mal 1,75 groß wird. Es kann sogar kleiner oder größer als beide Eltern werden.
Zuletzt geändert von ujmp am Mi 11. Nov 2009, 18:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon stine » Mi 11. Nov 2009, 17:55

xander1 hat geschrieben:Und wenn mir jemand schreibt wie @stine, dass das System die sozial Schwachen nicht unterstützen soll, dann macht mich das einfach fassungslos.
Ganz ehrlich macht mich fassungslos, dass ich permanent falsch verstanden werde.
Aber O.K. ich schreibe das mal den Vorurteilen zu, die man gegen mich ganz allgemein hat.

Ich schrieb, dass ich von einem guten System mehr erwarte, als Bürgergeld und Nachmittgsfernsehen. Ich erwarte die Einbindung in eine starke Gesellschaft. Wo man zulässt, dass sich jeder nach seiner Begabung engagieren kann, hat man auch ein gutes Polster, um andere mitzuziehen.

Die Problematik der Orientierungslosigkeit war, glaube ich, noch nie so stark wie heute. Es gibt Studienfächer zum Abwinken und es gibt Studenten, die sich in Modefächern klug machen, die keiner braucht. Kommunikationswissenschaftler zB. Ich habe einige gefragt, was sie denn anschließend mit ihrem Abschluß machen wollen und können und es wußte keiner etwas.
Xander, du hast recht ins Handwerk zu wechseln, wenn das eine Leidenschaft von dir ist. Leider herrschte lange Zeit der Eindruck, man müsse nur studieren, egal was, um dann mit wenig Arbeit viel Geld zu verdienen. Dieses Bild ist trügerisch. Fleiß und Ehrgeiz sind immer noch der Garant für Erfolg und da ist es ganz egal, was man macht, man muss es nur mit Liebe und Interesse tun.
Arbeiten um Geld zu verdienen ist gut, aber Geld verdienen, weil man etwas mit Erfolg machen kann ist besser.

Was mir vorschwebt sind weniger staatlich verordnete Stolpersteine in eine unternehmerische Zukunft.
Beispiele gibt es zuhauf. Wenn Eltern die mittägliche Unterbringung und Essensversorgung ihrer Kinder selber übernehmen, weil die Gemeinden dies nicht schaffen, dann werden sie dafür noch gezwungen, komplizierte Steuererklärungen und sonstige Formulare auszufüllen und pünktlich abzugeben, auch wenn sie dabei noch nicht einmal was verdienen. So etwas halte ich für absluten Irrsinn und reine Schikane.
Viele Ideen die ich selber schon hatte, musste ich wieder verwerfen, weil der behördliche Aufwand das dadurch Verdiente übertraf. Außer Spesen nichts gewesen. Das sollte sich schleunigst ändern.

Und ich bin schon der Meinung, dass vorrübergehende Hilfe sein muss, vielleicht in manchen Fällen sogar lebenslange Hilfe, aber das kann kein Modell für einen gesunden 20jährigen bis zur Rente sein. Auch Familien, die bereits in der zweiten und dritten Generation vom Staat leben, halte ich für asozial.

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Re: Staatssysteme

Beitragvon ujmp » Mi 11. Nov 2009, 18:09

stine hat geschrieben:
xander1 hat geschrieben:Und wenn mir jemand schreibt wie @stine, dass das System die sozial Schwachen nicht unterstützen soll, dann macht mich das einfach fassungslos.
Ganz ehrlich macht mich fassungslos, dass ich permanent falsch verstanden werde.
Aber O.K. ich schreibe das mal den Vorurteilen zu, die man gegen mich ganz allgemein hat.

Armes Opfer!
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Re: Staatssysteme

Beitragvon platon » Mi 11. Nov 2009, 18:50

stine hat geschrieben:Das liegt nicht am Schulsystem.
Im Gegenteil ist es so, dass sich gerade hochgearbeitete Arbeiterfamilien gerne das Abitur für den Sprössling wünschen und die Eltern wesentlich mehr in der Schule auftauchen, um dies sicher zu stellen.

Liebe stine,
jetzt halt mal einen Moment inne und versuch nachzudenken: Warum gibt es weniger Akademikerfamilien in Deutschland als Nichtakademikerfamilien und trotzdem besuchen mehr Akademikerkinder das Gymnasium als Nichtakademikerkinder? Und das, obwohl die Akademikerfamilien weniger Kinder haben?
Wenn Du die Antwort darauf gefunden hast, weißt Du dass Du erst gepostet und dann nachgedacht hast.
Dein (möglicherweise) privates Beispiel aus dem Bekanntenkreis ist statistisch nicht relevant!!!
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Re: Staatssysteme

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 19:01

ujmp hat geschrieben: Es gibt viele Eigenschaften, die sind multigenetisch bedingt, dazu zählen auch Charaktereigenschaften und intellektuelle Fähigkeiten. Die Erblichkeit solcher Eigenschaften unterliegt, jenach dem wieviele Einzelfaktoren hineinspielen, einer viel höheren Varianz, die irgendwann so hoch ist, dass man sie als zufällig (im Sinne von "unvorhersehbar") ansehen kann. Schon ein Mann von 1,80m und eine Frau von 1,70m haben nicht zwangsläufig ein Kind, dass mal 1,75 groß wird. Es kann sogar kleiner oder größer als beide Eltern werden.


Ach tatsächlich? Dann lassen wir mal Richard Dawkins dazu zu Wort kommen (aus "Was ist Ihre gefährlichste Idee", S. 336):

"Doch wenn man Kühe für hohen Milchertrag, Pferde für Schnelligkeit bei Rennen und Hunde für umsichtiges Hüten kann, warum eigentlich sollte es unmöglich sein, Menschen für mathematische, musikalische oder sportliche Leistungen zu züchten? Solche Einwände wie der, dass es keine 'eindimensionalen' Fähigkeiten gibt, gelten genauso für Kühe, Pferde und Hunde und haben in der Praxis nie jemanden aufgehalten. Ich frage mich, ob wir etwa 60 Jahre nach Hitlers Tod nicht wenigstens einmal darüber nachdenken dürfen, worin der moralische Unterschied liegt zwischen dem Heranzüchten von Musikalität und dem auf Kinder ausgeübten Zwang, Musikunterricht zu nehmen. Oder wieso es annehmbar ist, Sprinter und Hochspringer zu trainieren, aber nicht sie zu züchten."

Auch der geht also davon aus, dass Kinder ihren Eltern ähneln.

Außerdem geht es nicht nur um Gene. Eltern geben an ihre Kinder auch andere Dinge weiter, z. B. sich sprachlich gewählt ausdrücken zu können, sachlich und logisch zu argumentieren etc. Das gucken sich Kinder alles von ihren Eltern ab. Und da sehe ich bei Ärztekindern einen gewissen Startvorteil.
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Re: Staatssysteme

Beitragvon jackle » Mi 11. Nov 2009, 19:03

platon hat geschrieben: Warum gibt es weniger Akademikerfamilien in Deutschland als Nichtakademikerfamilien und trotzdem besuchen mehr Akademikerkinder das Gymnasium als Nichtakademikerkinder? Und das, obwohl die Akademikerfamilien weniger Kinder haben?


Nehmen wir mal an, es würde stimmen: Warum?
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