platon hat geschrieben: Das ist wiederum Deine persönliche Meinung.
Ich kenne Kinder, die waren todunglücklich, wenn die Krippe Ferien gemacht hat und sie nicht hin konnten. Der "Stress pur" fing zu Hause an, wenn sie vor lauter Langeweile nichts mit sich anzufangen wussten und Mama wegen Hausarbeiten sie nicht auf Kommando "bespielen" konnte.
Zwei- und Dreijährige sind (von Einzelfällen abgesehen) sehr gerne unter Gleichaltrigen, auch wenn sie mit denen noch gar nicht richtig zusammen spielen.
Ich finde, da wird die falsche Diskussion geführt. Das Problem der Gleichberechtigung in der jetzt druchgeführten Form ist nicht, dass dann die Kinder zu sehr in Krippen abgeschoben werden. Das Problem ist, dass dieses Modell überhaupt nicht funktionieren kann (weder in der Natur noch beim Menschen). Es wird unseren Sozialstaat restlos ruinieren. Auf Amazon sind von einer Mersch-Rezensentin die Argumentationen aus Merschs Evolutionsbuch zusammengefasst worden. Interessant ist ja, dass selbst die 100% weiblichen Bienen nicht ohne eine Arbeitsteilung zwischen Arbeiterinnen und Hausfrauen (Königinnen) auskommen. Es wird in aller Deutlichkeit gezeigt: Diese Arbeitsteilung ist eine organisatorische Notwendigkeit. Lässt man sie wegfallen, geht der Staat zugrunde:
In einem Bienenstaat werden alle Aufgaben von den Weibchen (Königinnen, Arbeiterinnen) erledigt. Die männlichen Drohnen dienen nur der Fortpflanzung. Es gibt sie bei der westlichen Honigbiene ohnehin nur von April bis Juni. Deshalb denken wir sie uns einfachheitshalber weg. Ein Bienenstaat ist also weiblich. Stellen wir uns jetzt vor, die Königinnen verlangten Gleichberechtigung, und zwar exakt so wie in menschlichen Gesellschaften: sie wollten ebenfalls von Blüte zu Blüte durch die wunderschöne Natur fliegen und köstlichen Nektar und Blütenpollen sammeln, d.h. eine Arbeiterin und nicht länger die 'Queen' von jemand anderem sein. Jede Biene sollte ihre eigenen Eier legen dürfen, und zwar so viele, wie sie haben möchte. Man überlegte sich, wie man dafür die Vereinbarkeit von Nektarsammeln und Eierlegen verbessern könnte.
Einfache Frage: Könnte dieses Modell funktionieren? (Offenkundig meinten die Bienen, es sei nicht sinnvoll, denn sie haben sich für ein ganz anderes Modell entschieden.)
Die Verwandtenselektion gibt darauf kryptische Antworten. Sie behauptet nämlich, dass die Arbeiterinnen mit ihren Schwestern stärker verwandt sind (75%), als mit ihren eigenen Nachkommen (50%), weswegen es sich für sie aus genetischen Gründen mehr lohne, die Königin bei der Produktion weiterer Schwestern zu unterstützen, als eigene Nachkommen zu haben. Leider gilt das Argument in der Form nur für Ameisen, nicht jedoch für die westliche Honigbiene (eine Königin paart sich mit mehreren Männchen, einige Stämme haben mehrere Königinnen), und für Termiten sowieso nicht.
Die Antwort der Systemischen Evolutionstheorie ist: Der Insektensozialstaat würde dann an den Opportunitätskosten für Nachkommen zugrunde gehen. Denn es würden diejenigen die meisten Nachkommen haben können, die die wenigste soziale Arbeit leisten (wie in menschlichen Gesellschaften). Altruistisches Verhalten hätte auf Dauer keine Chance mehr, und der Sozialstaat löste sich auf (wie bei uns).
Das Argument funktioniert für alle eusozialen Fortpflanzungsgemeinschaften, und nicht nur für Feuerameisen.
Es handelt sich hierbei um haarklein das gleiche Argument, mit dem Richard Dawkins in Das egoistische Gen: Jubiläumsausgabe begründet, warum Tiere ihre Nachwuchszahlen bei knappen Ressourcen nicht im Sinne der Arterhaltung reduzieren. Denn würden altruistische Individuen das tun, dann hätten sie weniger Nachkommen als die egoistischen Individuen. Egoismus würde sich dann in der Population ausbreiten. Egoisten wären im dem Sinne Trittbrettfahrer der Geburtenreduzierung der Altruisten.
Bei einem Sozialstaat werden die sozialen Arbeiten gemeinschaftlich erbracht. Die Resultate gehören nicht den einzelnen Individuen, sondern allen, d. h. der Gemeinschaft. Die Nachkommen enthalten jedoch die Gene der Eltern. Aus einer gen-egoistischen Sicht sind sie privat. Wer mehr Nachkommen als der Durchschnitt hat und hierdurch seinen Beitrag zur sozialen Arbeit reduziert, verhält sich egoistisch. Er ist ein Trittbrettfahrer der sozialen Arbeit der anderen. Wer weniger Nachkommen als der Durchschnitt hat und entsprechend mehr soziale Arbeit leistet, verhält sich altruistisch. Altruistische Gene sind hierdurch in der nächsten Generation schwächer vertreten, egoistische Gene dafür umso stärker.
Aus exakt diesen Gründen empfiehlt Mersch übrigens auch den Beruf der Familienmanagerin für gleichberechtigte menschliche Gesellschaften. Man braucht dann neben "Arbeiterinnen" auch noch Königinnen (Familienmanagerinnen). Das ist keine beliebige politische Forderung unter vielen, sondern eine zwangsläufige Folgerung aus der Evolutionstheorie. Es sind sicherlich gewisse Varianten dieses Konzeptes möglich. Gesellschaften, die nichts dergleichen machen (wie aktuell unsere), dürften jedoch verarmen, da sie sich aufgrund der ungünstigen Opportunitätskostenverteilung in der Population selbst zugrunde richten werden. Allein das zeigt, wie leistungsstark die Systemische Evolutionstheorie tatsächlich ist.