Dissidenkt hat geschrieben:Sklave [...] Der Begriff ist natürlich provokant und führt auch ein bisschen auf eine falsche Fährte, was den historischen Überbau anbetrifft.
Dissidenkt hat geschrieben:Dennoch ist er dahingegend sehr treffend und angemessen, als dass er uns unsere Unfreiheit am radikalsten vor Augen führt.
Ich sehe uns nicht als Sklaven der Natur, sondern im Schopenhauerschen Sinne als Produkte und Werkzeuge eines "Willens" der die Natur und damit auch uns hervorgebracht hat.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Du hast Schopenhauers Werk nicht wirklich gelesen, oder? Ich frage nur, weil sein Denken dich anscheinend nicht geprägt hat. Sekundärliteratur ist nützlich sich einen Überblick zu verschaffen, aber wenn man ersthaft Anhänger einer Philosophie sein will...
Vielleicht ist das auch eine sehr verleumderische Unterstellung, die ich dir da mache.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Wenn du aber im Ursprung gar nicht auf Kant zurückgehen magst, sondern auf den genialen Schopenhauer, dann möchte ich, dass du dir einmal einen Reim darauf machst, weswegen er gerade dem Unbewußten den Namen "Willen" gab
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Er selber benutzt das die Bezeichnung des "freien Willens" ja auch weiterhin; ich glaube, es war die norwegische Preisschrift, in der er darlegte, dass es in Folge der Erkenntnisse, welche die Wissenschaften bisher gewannen, unvermeidlich sei damit folgendes zu meinen: "dass einem gegebenen Menschen, in einer gegebenen Lage, zwei verschiedene Handlungen möglich seien."
Ganz klar nicht das, was heute noch als "freier Wille" diskutiert wird.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Jedenfalls ist die Bezeichnung als "Sklave" gerade wegen dessen Semantik ziemlich unbegründet. Du darfst uns aber gern eröffnen, aus welchen Gründen du es für eine gelungene Bezeichung hältst.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:ps: Dein Bedürfnis nach Sinn ist kein Argument.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Zumindest ist es deinen Ausführungen nach kein Argument, denn Feiheit ist ein Etwas, dass im menschlichen Erlebenshorizont auch wirklich da ist, egal ob es dafür ein genau bestimmbares physikalisches Korrelat gibt, oder eine mentale Repräsentation oder derlei.
AgentProvocateur hat geschrieben:Ist Dir schon mal in den Sinn gekommen, dass alles nur eine Frage der persönlichen Perspektive sein könnte? So, wie man die Welt, die anderen und sich selber sieht?
AgentProvocateur hat geschrieben:So weit, so gut, dabei könnte man es nun einfach belassen. Problematisch wird es erst dann, wenn jemand die eine Sichtweise als einzig wahr ansieht und andere davon überzeugen will. Das kann er aber nicht, dazu hat er keine Grundlage, er hat nur eine andere Sichtweise.
AgentProvocateur hat geschrieben:Und ganz, ganz furchtbar problematisch wird es dann, wenn jemand der einen Sichtweise anhängt, aber die Anderen aus Gründen, die ihm nutzen, zu der anderen manipulieren will. (-> z.B. Gregor Gysi: "Für den Pöbel brauchen wir Religion, damit der in Zaum gehalten wird.")
AgentProvocateur hat geschrieben:Und irgendwie habe ich oft den Verdacht, dass jemand, der Sklavenmoral predigt, der selber gar nicht anhängt.
Dissidenkt hat geschrieben:In meinen Augen ist die Einsicht in unsere Sklavenexistenz die wichtigste Erkenntnis seit Gottes Beerdigung
Dissidenkt hat geschrieben:Persönlich denke ich, dass daraus eine Verpflichtung resultiert. Die Verpflichtung, unsere persönlichen Grade an Freiheit so weit wie möglich zu erweitern.
Dissidenkt hat geschrieben:Je größer unser Handlungsspielraum, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass unser Gehirn für uns die angemessenste Entscheidung trifft.
Dissidenkt hat geschrieben:Ein Leben in Harmonie mit uns selbst und unserer Umwelt ist aber auch die Grundlage für befriedigendes und dauerhaftes Glück und Erkenntnis ist der einzig wahre Sinn des Lebens,
oder?
Dissidenkt hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Ist Dir schon mal in den Sinn gekommen, dass alles nur eine Frage der persönlichen Perspektive sein könnte? So, wie man die Welt, die anderen und sich selber sieht?
Ja, das ist aber schon ein paar Jahrzehnte her, muss in der Schule gewesen sein, beim Käsekästchenspielen. Wirklich keine große Erkenntnis, aber gerade in dieser banalen Erkenntnis liegt doch auch schon ein Beweis, das Schopenhauer Recht hat.
Dissidenkt hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Und ganz, ganz furchtbar problematisch wird es dann, wenn jemand der einen Sichtweise anhängt, aber die Anderen aus Gründen, die ihm nutzen, zu der anderen manipulieren will. (-> z.B. Gregor Gysi: "Für den Pöbel brauchen wir Religion, damit der in Zaum gehalten wird.")
Dir ist schon klar, dass Gysi das - wenn überhaupt - nur als Advocatus Diaboli gesagt haben könnte?
Dissidenkt hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Und irgendwie habe ich oft den Verdacht, dass jemand, der Sklavenmoral predigt, der selber gar nicht anhängt.
Ich weiss nicht, was das Thema mit Sklavenmoral zu tun haben soll.
Die Einsicht Sklave zu sein, ist der erste Schritt in Richtung Freiheit. Moralische Fragen sind damit noch gar nicht tendiert.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Agent, lass dich doch mal drauf ein - mit jemanden Höhlen zu erforschen ist doch eine spannende Angelegenheit; in dem Moment musst du deinem Expeditionsführer eben das nötige Vertrauen zubilligen; oder noch besser, du denkst gar nicht an Vertrauen oder Mißtrauen und folgst ihm einfach mal.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Als müssten wir zueinander finden!
ganimed hat geschrieben:Also ich gebe Disiidenkt ja in Sachen Unfreiheit ziemlich recht, mal abgesehen von der Formulierung hier und da, die ja offenbar teilweise auch bewusst provozieren will. Aber warum auch nicht.
ganimed hat geschrieben:Ich sehe das auch als ein wichtiges Thema an. Was mich interessieren würde: wieso erscheint es dir wichtig? Wie ist die Wichtigkeit begründet? Was hat Lieschen Müller davon, wenn sie ihre Sklavenexistenz erkennt?
ganimed hat geschrieben:Wenn ich ein Sklave bin, soll ich mich befreien (soweit das möglich ist) ? Wieso das denn?
ganimed hat geschrieben:Aber genau diesen Handlungsspielraum sehe ich nicht, wenn ich die Unfreiheit erkenne. Was meinst du mit Handlungsspielraum? Nenn mal bitte ein konkretes Beispiel!
ganimed hat geschrieben:Ich würde sagen: Glück ist der wahre Sinn des Lebens. Aber auf welche Weise das Glück zu erreichen und zu mehren ist, das bleibt die Frage, die vermutlich höchst individuell beantwortet werden müsste. Insofern sehe ich eigentlich gar keine Verknüpfung zur Unfreiheits-Erkenntnis. Glücklich sein kann man auch ohne, vielleicht sogar besser.
Dissidenkt hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Und ganz, ganz furchtbar problematisch wird es dann, wenn jemand der einen Sichtweise anhängt, aber die Anderen aus Gründen, die ihm nutzen, zu der anderen manipulieren will. (-> z.B. Gregor Gysi: "Für den Pöbel brauchen wir Religion, damit der in Zaum gehalten wird.")
Dir ist schon klar, dass Gysi das - wenn überhaupt - nur als Advocatus Diaboli gesagt haben könnte?
AgentProvocateur hat geschrieben:Nö, hat er, glaube ich, keineswegs. Einen Link erspare ich mir, kannst Du selber nach googeln, "gregor gysi religion", das müsste reichen.
Kompass - Soldat in Welt und Kirche - Der katholische Militärbischof für die deutsche Bundeswehr, Berlin, Ausgabe 11/09 hat geschrieben:Gregor Gysi: [...] Ohne die Religionen, ohne den Glauben, ohne die Kirchen gäbe es keine Grundlage für allgemein verbindliche Moralnormen gegenwärtig in unserer Gesellschaft. Das hätte zerstörerische Konsequenzen. Obwohl ich nicht religiös bin, fürchte ich also eine gottlose Gesellschaft nicht weniger als jene, die religiös gebunden sind.
Ganz anders der Determinist. Er stiehlt nicht, weil er weiss, dass eine Gesellschaft in der Diebstahl toleriert würde nicht funktionieren kann, handelt also primär nach einer Art mildem kategorischem Imperativ - aus eigener vernünftiger Einsicht!
Es wäre aus seiner Sicht auch kein moralisches Dilemma in der Not zu stehlen, weil er ein klares rationales Wertesystem hat, in dem das Leben selbstverständlich über materiellen Gütern steht.
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