Freiheit - ein Hirngespinst

Die Einsicht, dass ich ein Sklave bin...

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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon xander1 » Sa 20. Feb 2010, 15:42

Dissidenkt hat geschrieben: Gibt es eine größere Provokation/Kränkung für den Menschen, als ihm zu sagen, er sei ein Reiz-Reaktionssystem mit nachgeschaltetem Rechtfertigungsmodul?

Das lässt mich kalt, weil der Mensch weitaus mehr ist. Das was du beschreibst könnte man mit einer Turing-Maschine, die nicht mal ein PC sein muss nachprogrammieren als billige KI sozusagen.

Das Reiz-Reaktions-System des Menschen besteht aus weitaus mehr als Reaktion auf Reizen. Wir können z.B. Planen und das ist schon ein Enhancement. Etwas das die meisten Tiere nicht können.

Außerdem haben wir einen gewissen minimalen Einfluss auf unsere Umwelt, so dass wir nicht nur reagieren, sondern auch agieren können. Der Mensch passt seine Umwelt an sich an, wohingegen in der Evolution bisher sich die Tiere an die Umwelt anpassen mussten.

Und das geschieht alles im Rahmen des Determinismus. Nebenbei bemerkt gilt der Determinismus möglicherweise doch nicht ganz aus quantenmechanischen Gründen. Aber ich denke, dass sich da die Physiker uneinig sind. Da ist noch vieles unklar.

Wir können nicht alles vorberechnen. Die Zukunft ist uns nicht ersichtlich. Das Ergebnis ist offen. Und das ist so als wäre es für uns Zufall, mal ganz abgesehen davon, dass es eigentlich deterministisch zugeht. (Wovon ich ausgehe, trotz Quantenhypthese)

Im Forum gibts übrigens Themen zum Determinismus, die ich u.a. erstellt habe. Dabei ist manchmal nicht deutlich was Determinismus ist und was nicht. Physikalisch gibts bei dem Begriff andere Implikationen als Philosophisch. Es gibt scheinbar feine unterschiede.

Alles ist Berechenbar ist ungleich Determinismus, das Gesetzt von Ursache und Wirkung ist auch ungleich Determismus.

Und selbst das Gesetz von Ursache und Wirkung könnte sich als Falsch erweisen, auch aus Quantenmechanischen Gründen, aber Quantenmechanik hatte ich bisher nur angerissen im Studium, kann dazu nur sehr wenig sagen.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » Sa 20. Feb 2010, 19:51

Zappa hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben: Gibt es eine größere Provokation/Kränkung für den Menschen, als ihm zu sagen, er sei ein Reiz-Reaktionssystem mit nachgeschaltetem Rechtfertigungsmodul?


Ich persönliche finde die These nicht ganz so provokant, ... Trotz aller Reiz-Reaktionsketten hat es die Natur irgendwie geschafft uns diese Entscheidungs"freiheit" doch zu bieten.


Vielleicht liegt es daran, dass du die Tatsache, dass du nicht bist, was du denkst, das du bist, nicht wirklich in ihrer ganzen Bedeutung erfasst hast.
Ich denke, ich habe das auch noch nicht bis in die letzte Konsequenz verstanden, aber ich denke auch, dass es eine ausserordentlich wichtige Erkenntnis ist. Halte dir das Libet-Experiment mal vor Augen und sinniere eine Weile darüber, was es bedeutet, dass dein Gehirn Entscheidungen trifft, BEVOR du glaubst du hättest diese Entscheidung getroffen. Die Entscheidungsfreiheit, von der du sprichst, gibt es nicht. Sie ist eine Illusion.
Dein Gehirn "entscheidet", indem es eine neuronale Funktion ausführt und dir danach suggeriert, du hättest eine Entscheidung getroffen.
Theoretisch könnte jemand mit einem Finger in deinem Hirn den Schalter für "Aufstehen" umlegen, wenn du dann aufgestanden bist, wirst du auf Nachfrage steif und fest behaupten, du seist aufgestanden, weil du aufstehen WOLLTEST.

Zappa hat geschrieben:Und wie zieht sich dieses Meta-Ich selber am Schopf aus dem Sumpf des Determinismus?


Wie gesagt werden wir niemals absolut frei sein, weil es eine absolute Freiheit nicht geben kann. Die ist ein Hirngespinst.
Aber wir können uns ein größeres Maß an relativer Freiheit erarbeiten, indem wir unseren Handlungsspielraum aktiv selbst erweitern.

Zappa hat geschrieben:Die harte deterministische Weltsicht würde sagen, dass die Handlungsintention des Menschen auf einem Reiz-Reaktionsmodell beruht und so gesehen "unfrei" ist (mal gewisse Zufälligkeiten auf quantenphysikalischem Niveau außen vorgelassen, die aber natürlich auch keine Freiheit sondern Zufälligkeiten generieren).


Zufälle gibt es nicht. Ich denke auch auf Quantenniveau kann es die nicht geben, weil basierend auf Zufall keine Naturgesetze funktionieren könnten.
Wahrscheinlicher ist, dass wir die Gesetze, die auf Quantenniveau gelten, einfach noch nicht verstanden haben und deshalb von Zufall sprechen.

Zappa hat geschrieben:Die Folgen der Handlung sind dann ja sowas von determiniert, warum sollen wir die als Maßstab für irgendetwas nehmen?


Determiniert heisst nicht, dass wir keinen Einfluss nehmen könnten!
Ein Computer ist in gewisser Weise determiniert, braucht z.B. eine Stunde um mit einer bestimmten Software eine Berechnung auszuführen.
Wenn ich die Software aber aktiv verändere, oder die CPU austausche, kann er die selbe Rechenarbeit schneller erledigen.

Übertragen auf den Mensch bedeutet das: Wenn ich weiss, dass mein Gehirn aus einem Pool an Handlungsmöglichkeiten auswählt, kann ich den Pool durch das Erlernen neuer Methoden erweitern und dann besteht die Chance, dass mein Gehirn diese neuen Handlungsmöglichkeiten auch benutzt.

Zappa hat geschrieben:Zumal die Folgen einer Handlung für unseren armen Computer Gehirn ja auch nur näherungsweise "berechenbar" sind.


Aber je größer die Zahl der bekannten (weil erlernten) Parameter, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass unser Gehirn die richtige Entscheidung trifft.


Zappa hat geschrieben:Natürlich gehen wir davon aus, dass ein Mörder auch die Freiheit gehabt hätte nicht abzudrücken, deswegen verurteilen wir ihn ja moralisch und juristisch. Selbst wenn wir nach stundenlangen philosophischen Diskussionen zugeben würden, dass letztendlich die Tat zwingend war (vom Urknall bis zu diesem Moment), wenden wir dann doch unsere Kriterien der Entscheidungsfreiheit an (von mir aus ebenso determiniert, was solls?). Anders funktionieren wir halt nicht als soziale Individuen.


Wir können aber lernen! Und wir können lernen, dass der Mörder tatsächlich keine andere Möglichkeit hatte. Das bedeutet aber nicht, dass wir sein Verhalten hinnehmen müssen - im Gegenteil! Weil wir wissen, dass er gefährlich ist, haben wir die Pflicht alles zu tun, dass er nicht wieder mordet. Wenn wir ihn einsperren (oder behandeln) tun wir das nicht aus religiös begründeter Rache oder zur Abschreckung um gesellschaftliche Normen durchzusetzen, sondern wir tun das aus der vernunftgeleiteten Einsicht, dass wir verhindern müssen, dass er wieder mordet. Das ist ein völlig neuer Ansatz und darin liegt auch ein ganz neues Gesellschaftsmodell.

Zappa hat geschrieben:Was mir auch aufgefallen ist: Auf der einen Seite attackierst Du den Begriff der (absoluten) Freiheit, den des Sinn (zumindest ebenso problematisch) lässt Du aber einfach so stehen.



"Sinn" gibt es auch immer nur in Bezug auf irgendetwas. Ist aber ein Thema für sich und ich mags nicht so wenn man in Diskussionen zu sehr abschweift. Mach doch einen neuen Beitrag zu diesem Thema und leg deine Sichtweise dar, das würde mich interessieren.



xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben: Gibt es eine größere Provokation/Kränkung für den Menschen, als ihm zu sagen, er sei ein Reiz-Reaktionssystem mit nachgeschaltetem Rechtfertigungsmodul?


Das lässt mich kalt, weil der Mensch weitaus mehr ist. Das was du beschreibst könnte man mit einer Turing-Maschine, die nicht mal ein PC sein muss nachprogrammieren als billige KI sozusagen.


Daran wird ja auch bereits gearbeitet. So leicht ist das aber nicht :mg:

xander1 hat geschrieben:Das Reiz-Reaktions-System des Menschen besteht aus weitaus mehr als Reaktion auf Reizen. Wir können z.B. Planen und das ist schon ein Enhancement. Etwas das die meisten Tiere nicht können.


Selbst Schleimpilze können planen :mg: Das ist kein Kriterium für Freiheit!

xander1 hat geschrieben:Außerdem haben wir einen gewissen minimalen Einfluss auf unsere Umwelt, so dass wir nicht nur reagieren, sondern auch agieren können. Der Mensch passt seine Umwelt an sich an, wohingegen in der Evolution bisher sich die Tiere an die Umwelt anpassen mussten.


Es gibt Bakterien, die die Umwelt an ihre Bedürfnisse anpassen. Es gibt Tiere, die andere Tiere an ihre Bedürfnisse anpassen (züchten, manipulieren,etc), um sie auszubeuten. Das hat aber alles mit Freiheit nichts zu tun. Das sind Verhaltensschemata, die in der Evolution erlernt wurden.

xander1 hat geschrieben:Und das geschieht alles im Rahmen des Determinismus. Nebenbei bemerkt gilt der Determinismus möglicherweise doch nicht ganz aus quantenmechanischen Gründen. Aber ich denke, dass sich da die Physiker uneinig sind. Da ist noch vieles unklar.
Wir können nicht alles vorberechnen. Die Zukunft ist uns nicht ersichtlich. Das Ergebnis ist offen. Und das ist so als wäre es für uns Zufall, mal ganz abgesehen davon, dass es eigentlich deterministisch zugeht. (Wovon ich ausgehe, trotz Quantenhypthese)


Natürlich ist die Zukunft offen. Wiir können nur anhand der uns bekannten Parameter und Gesetzmäßigkeiten bedingte Vorhersagen machen.
Das sagt aber nichts über die Freiheit.

xander1 hat geschrieben:Alles ist Berechenbar ist ungleich Determinismus, das Gesetzt von Ursache und Wirkung ist auch ungleich Determismus.


Natürlich kann man es nicht gleichsetzen, weil es unterschiedliche Begriffe sind, aber was sagt uns das über unsere Illusion von Freiheit?

xander1 hat geschrieben:Und selbst das Gesetz von Ursache und Wirkung könnte sich als Falsch erweisen, auch aus Quantenmechanischen Gründen, aber Quantenmechanik hatte ich bisher nur angerissen im Studium, kann dazu nur sehr wenig sagen.


Das erklär doch mal bitte oder schreib nicht, was du nicht begründen kannst!
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Zappa » Sa 20. Feb 2010, 21:16

Dissidenkt hat geschrieben:Vielleicht liegt es daran, dass du die Tatsache, dass du nicht bist, was du denkst, das du bist, nicht wirklich in ihrer ganzen Bedeutung erfasst hast.


Ich denke Du magst solche Argumente nicht, oder nur nicht, wenn man Sie auf dich bezieht :^^:

Dissidenkt hat geschrieben:Halte dir das Libet-Experiment mal vor Augen und sinniere eine Weile darüber, was es bedeutet, dass dein Gehirn Entscheidungen trifft, BEVOR du glaubst du hättest diese Entscheidung getroffen. Die Entscheidungsfreiheit, von der du sprichst, gibt es nicht. Sie ist eine Illusion.


Zunächst mal zur Datenlage: In die Richtung gibt es einige Experimente, mittlerweile mittels funktioneller MRT, die wesentlich besser geeignet ist als EEG und EMG. Da gibt es teilweise ähnliche Ergebnisse. Z.B. kann man in bestimmten Streßmodellen "messen", dass eine Person gleich mit ziemlicher Sicherheit einen Fehler machen wird (bevor die Person dies realisiert).

Nur, ist das wirklich überraschend? Ich denke nicht. Handlungen werden ja auch von Organismen ausgeführt, denen wir kein Bewusstsein zusprechen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es dem Bewusstsein "vorgeschaltete" bzw. grundlegendere Prozesse sind. Das sind evolutionär ganz alte Prozesse im Bereich Abwehr, Flucht, Gefahrenvermeidung etc. pp. Das muss natürlich extrem schnell gehen und damit vorbewusst (s.u.).

Sind diese Prozesse deshalb unabhängig vom Bewusstsein. Wohl nicht, wie aktuelle Daten zeigen (sorry, kann nur einen Zeitschriftenartikel dazu verlinken): http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/psychologie/hirnforschung-reagieren-geht-schneller-als-agieren_aid_476587.html

Was lernen wir daraus: Bewusstsein übt offenbar doch eine wie auch immer geartete Kontrollfunktion aus. Ich sehe es als evolutionär jüngere, nachgeschaltete Hirnfunktion an, die die alten angeborenen vorbewußten deterministischen "Reflexe" modlulieren kann. Ist dass Freiheit? Ich weiß es nicht, wird aber von uns als Freiheit empfunden. Nicht mehr und nicht weniger.

Dissidenkt hat geschrieben:Theoretisch könnte jemand mit einem Finger in deinem Hirn den Schalter für "Aufstehen" umlegen, wenn du dann aufgestanden bist, wirst du auf Nachfrage steif und fest behaupten, du seist aufgestanden, weil du aufstehen WOLLTEST.


Das ist - wahrscheinlich - korrekt, beweist aber nur, dass das was wir als Entscheidungsfreiheit empfinden eine neurophysiologische und damit materielle Basis hat. Ein solches System lässt sich beeinflussen und damit in die Irre führen.

Dissidenkt hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Und wie zieht sich dieses Meta-Ich selber am Schopf aus dem Sumpf des Determinismus?


Wie gesagt werden wir niemals absolut frei sein, weil es eine absolute Freiheit nicht geben kann. Die ist ein Hirngespinst.
Aber wir können uns ein größeres Maß an relativer Freiheit erarbeiten, indem wir unseren Handlungsspielraum aktiv selbst erweitern.


Du eierst rum. Auf einmal tauchen hier wieder Handlungsspielräume und "relative" Freiheit auf. Vielleicht meinst Du auch nur dass, was ich mit den Bewusstseinskonstrukten zu umschreiben versuche?

Dissidenkt hat geschrieben:Zufälle gibt es nicht. Ich denke auch auf Quantenniveau kann es die nicht geben, weil basierend auf Zufall keine Naturgesetze funktionieren könnten.
Wahrscheinlicher ist, dass wir die Gesetze, die auf Quantenniveau gelten, einfach noch nicht verstanden haben und deshalb von Zufall sprechen.


Schönes Beispiel für eine Voraussetzung. Weil wir uns Naturgesetzte nur auf dem Kausalitätsgesetz basierend vorstellen können, darf es davon keine Abweichung geben. Leider lassen sich die Daten der modernen Quantentheorie so nicht einfach deuten, so habe ich zumindest Heisenberg verstanden.

Dissidenkt hat geschrieben:Determiniert heisst nicht, dass wir keinen Einfluss nehmen könnten!


Jetzt bin ich verwirrt, oder Du oder wir beide :mg:
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon xander1 » Sa 20. Feb 2010, 23:30

Dissidenkt hat geschrieben:Daran wird ja auch bereits gearbeitet. So leicht ist das aber nicht :mg:

KIs zu programmieren ist schwer. Nächstes Semester werden in diesem Fach bei mir auch wieder viele durchfallen. Und dann fehlen wieder viele Akademiker auf dem Arbeitsmarkt, aber das ist ein anderes Thema. Aber diese KI, die ich beschrieben habe müsste wirklich nicht viel können und das wäre verhältnismäßig einfach im Vergleich wette ich.

Dissidenkt hat geschrieben:Selbst Schleimpilze können planen :mg: Das ist kein Kriterium für Freiheit!

Schleimpilze können nicht so planen wie Menschen das können, niemals. Und man hat definitiv mehr Freiheit, wenn man zusätzlich die Option besitzt zu entscheiden was man später macht.
Dissidenkt hat geschrieben:Es gibt Bakterien, die die Umwelt an ihre Bedürfnisse anpassen. Es gibt Tiere, die andere Tiere an ihre Bedürfnisse anpassen (züchten, manipulieren,etc), um sie auszubeuten. Das hat aber alles mit Freiheit nichts zu tun. Das sind Verhaltensschemata, die in der Evolution erlernt wurden.

Welche Bakterien passen denn die Umwelt an sich an und welche Tiere züchten andere Tiere außer als Eltern und das an Bedürfnisse anpassen ist nicht das gleiche wie die Umwelt an sich anpassen. Je besser man an die Evolion angepasst ist, desto mehr Freiheitsgrade hat man auch. Ist doch logisch.
Dissidenkt hat geschrieben:Natürlich ist die Zukunft offen. Wiir können nur anhand der uns bekannten Parameter und Gesetzmäßigkeiten bedingte Vorhersagen machen.
Das sagt aber nichts über die Freiheit.

Das sagt nichts gegen die Freiheit im Determinismus und gegen die fehlende Willensfreiheit. Aber wir haben eine Freiheit der Entscheidung, was auch philsophisch anerkannt ist. Da wir nicht alle Kausalitäten überschauen können müssen wir manchmal Glückstreffer versuchen.
Dissidenkt hat geschrieben:Das erklär doch mal bitte oder schreib nicht, was du nicht begründen kannst!

Doch ich kann schon schreiben, was mir woanders zugesteckt wurde, als eine Behauptung von jemandem anderen Kompetenten. Es gibt da verschiedene Erklärungsmodelle für Quantenmechanische Phänomene, die noch unklar sind. Du kannst ja mal in Wikipedia selbst schaun oder googeln. Diese Theorien haben auch unterschiedliche Bezeichnungen. Oder gehe mal ins IRC auf Quakenet unter #physik und frage da selbst mal nach. Ich habe nicht so die Lust mich genauer zu informieren und zu recharchieren. Außerdem handelt es sich sowieso nur um physikalische Spekulationen. Und ich kann gar nicht mal sagen, was die Quantenmechanik für eine Rolle für unsere normale Welt spielt. Das ist doch nur ein Mikrokosmos. Bewegungen von Elektronen und Photonen spielen da eine Rolle, die verschiedene Niveaus annehmen. Mehr habe ich dazu auch nicht behandelt.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 21. Feb 2010, 00:05

Zappa hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Vielleicht liegt es daran, dass du die Tatsache, dass du nicht bist, was du denkst, das du bist, nicht wirklich in ihrer ganzen Bedeutung erfasst hast.


Ich denke Du magst solche Argumente nicht, oder nur nicht, wenn man Sie auf dich bezieht :^^:


Ich verstehe nicht, was du meinst. Ich habe kein Problem damit, die Selbstwahrnehmung meiner Existenz zu hinterfragen.

Zappa hat geschrieben:Nur, ist das wirklich überraschend? Ich denke nicht. Handlungen werden ja auch von Organismen ausgeführt, denen wir kein Bewusstsein zusprechen.


Von denen wir uns bisher u.a. mit der Behauptung abgegrenzt haben, wir würden bewusst entscheiden.

Zappa hat geschrieben:Insofern ist es nicht verwunderlich, dass es dem Bewusstsein "vorgeschaltete" bzw. grundlegendere Prozesse sind. Das sind evolutionär ganz alte Prozesse im Bereich Abwehr, Flucht, Gefahrenvermeidung etc. pp. Das muss natürlich extrem schnell gehen und damit vorbewusst (s.u.).


Richtig. Das bedeutet aber immer noch, dass nicht unser bewusstes Ich Entscheidungen trifft, sondern dass unser Gehirn diese Entscheidung trifft und es dann unserem Bewusstsein meldet. Ich glaube dir ist der fundamentale Unterschied noch nicht wirklich klar geworden.

Zappa hat geschrieben:Sind diese Prozesse deshalb unabhängig vom Bewusstsein. Wohl nicht, wie aktuelle Daten zeigen (sorry, kann nur einen Zeitschriftenartikel dazu verlinken): http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/psychologie/hirnforschung-reagieren-geht-schneller-als-agieren_aid_476587.html


In dem Artikel steht doch überhaupt nichts über das Bewusstsein. Alles was das Experiment sagt, ist, dass man schneller reagiert, als agiert. Wo die Entscheidung zur Handlung gefällt wurde und wann diese im Bewusstsein auftauchte, ist doch gar nicht Thema der Untersuchung gewesen.

Zappa hat geschrieben:Was lernen wir daraus: Bewusstsein übt offenbar doch eine wie auch immer geartete Kontrollfunktion aus.


Das geht aus dem Artikel überhaupt nicht hervor. ich verstehe auch nicht, wie du das da hineininterpretieren willst.

Zappa hat geschrieben:Ich sehe es als evolutionär jüngere, nachgeschaltete Hirnfunktion an, die die alten angeborenen vorbewußten deterministischen "Reflexe" modlulieren kann. Ist dass Freiheit? Ich weiß es nicht, wird aber von uns als Freiheit empfunden. Nicht mehr und nicht weniger.


Es geht bei der Frage nach dem freien Willen nicht um unser "Es", oder unser "Über-ich" und wie diese unser Ich formen. Es geht einzig darum, dass die Entscheidungen, die von unserem Unterbewusstsein getroffen werden, erst anschliessend an unser Bewusstsein gemeldet werden, das sich dann einbildet es habe entschieden.
Das Libet-Experiment und andere, die das bestätigen, sind letzlich nur experimentelle Beweise, einer Idee, die man schon vorher formulieren konnte, nämlich, dass Bewusstsein in Form einer causa sui gar nicht möglich ist.

Zappa hat geschrieben:Du eierst rum. Auf einmal tauchen hier wieder Handlungsspielräume und "relative" Freiheit auf. Vielleicht meinst Du auch nur dass, was ich mit den Bewusstseinskonstrukten zu umschreiben versuche?


Nein, ich eiere nicht, ich argumentiere stringent und ziemlich klar, wie ich finde :/
Der Handlungsspielraum ist die Summe der potentiellen Möglichkeiten zu handeln.
Diese sind bei einem Kind noch sehr begrenzt. Es kann nicht z.B. noch nicht Auto- oder Fahrradfahren, ist also was seine Bewegegungsmöglichkeiten anbetrifft eingeschränkt und käme auch niemals auf die Idee mit dem Auto zum Kindergarten zu fahren. Sobald es Fahrradfahren gelernt hat, hat es seinen Handlungsspielraum erweitert und kann in Zukunft darauf zurückgreifen. Ob es das tut entscheidet aber immer noch das Gehirn und nicht das Bewusstsein.

Zappa hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Zufälle gibt es nicht. Ich denke auch auf Quantenniveau kann es die nicht geben, weil basierend auf Zufall keine Naturgesetze funktionieren könnten.
Wahrscheinlicher ist, dass wir die Gesetze, die auf Quantenniveau gelten, einfach noch nicht verstanden haben und deshalb von Zufall sprechen.


Schönes Beispiel für eine Voraussetzung. Weil wir uns Naturgesetzte nur auf dem Kausalitätsgesetz basierend vorstellen können, darf es davon keine Abweichung geben. Leider lassen sich die Daten der modernen Quantentheorie so nicht einfach deuten, so habe ich zumindest Heisenberg verstanden.


Heisenbergs Unschärfe sagt nur, dass man Zustände nicht erschöpfend beschreiben kann, weil sie sich in der Betrachtung ändern. Führt aber hier nicht weiter.
Was ich sage ist, dass wir unsere Welt ausnahmslos als logische Abfolge von Ursache-Wirkungsereignissen erleben. Darauf baut auch unser ganzes Denken und alles was sich Wissenschaft nennen darf auf. Ich denke, dass alles diesem Prinzip unterworfen ist und wir nur noch nicht alle Gesetze und Regeln dahinter verstanden haben.

Zappa hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Determiniert heisst nicht, dass wir keinen Einfluss nehmen könnten!

Jetzt bin ich verwirrt, oder Du oder wir beide :mg:


Ich glaube du bist verwirrt, weil du es letzendlich noch nicht ganz verstanden hast.

Determiniert bedeutet, dass Ereignisse innerhalb eines Systems schon feststehen.
Ob das Kind also morgen mit dem Fahrrad zur Schule fährt steht jetzt schon fest. Ob es das tut, können wir aber selbstverständlich noch nicht wissen. Aber wir können es beeinflussen, indem wir dem Kind Radfahren beibringen oder eben nicht.

Nochmal anders:
Ich bin zwar völlig determiniert und es steht deshalb schon fest wie mein Leben verlaufen wird. Ich kann aber selbstverständlich nicht wissen, wie es verläuft.
Ich habe im Moment nicht die Freiheit xy zu tun, wenn ich xy nicht beherrsche. Ich kann mich aber dazu entscheiden xy zu lernen und damit meinen Handlungsspielraum und meine persönliche Freiheit erweitern.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Jarl Gullkrølla » So 21. Feb 2010, 00:11

Dissidenkt hat geschrieben:Ich kann mich aber dazu entscheiden xy zu lernen und damit meinen Handlungsspielraum und meine persönliche Freiheit erweitern.


Das heißt, du kannst vermeinen, entscheiden zu können xy zu lernen - oder nicht? Ich meine, ist die Entscheidung dazu xy zu lernen selber determiniert, oder nicht?

In jenem Sinne also? "Man kann also einräumen, dass, wenn es für uns möglich wäre, in eines Menschen Denkungsart, so wie sie sich durch innere sowohl als durch äußere Handlungen zeigt, so tiefe Einsicht zu haben, dass jede, auch die mindeste Triebfeder dazu uns bekannt würde, imgleichen alle auf diese wirkenden äußeren Veranlassungen, man eines Menschen Verhalten auf die Zukunft, mit Gewißtheit, so wie eine Mond- oder Sonnenfinsterniß ausrechnen könnte."

Aber ausrechen müsste man dann auch die Entscheidung. Ach und bitte, kannst du vllt noch deine Prämissen dafür darlegen, welche es für dich als eine Pflicht erscheinen lassen, den Handlungsspielraum zu erweitern?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 21. Feb 2010, 00:18

xander1 hat geschrieben:Schleimpilze können nicht so planen wie Menschen das können, niemals.
Welche Bakterien passen denn die Umwelt an sich an und welche Tiere züchten andere Tiere außer als Eltern und das an Bedürfnisse anpassen ist nicht das gleiche wie die Umwelt an sich anpassen.


Hier hast du was zum gruseln: :mg:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,611415,00.html
Es gibt massenhaft weitere Beispiele, wie Tiere andere Tiere benutzen.

xander1 hat geschrieben:Aber wir haben eine Freiheit der Entscheidung, was auch philsophisch anerkannt ist.


Das war noch nie uneingeschränkt anerkannt und ist es heute weniger als je zuvor.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 21. Feb 2010, 00:40

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Das heißt, du kannst vermeinen, entscheiden zu können xy zu lernen - oder nicht? Ich meine, ist die Entscheidung dazu xy zu lernen selber determiniert, oder nicht?


Ja, die ist selbstverständlich auch determiniert. Obwohl ich von dieser Vorstellung (der systembedingten Unfreiheit) mittlerweile zutiefst überzeugt bin, fange ich jetzt nicht an alles mögliche zu lernen. Natürlich halten mich andere Faktoren, die mich auch bestimmen, im Zaum.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:In jenem Sinne also? "Man kann also einräumen, dass, wenn es für uns möglich wäre, in eines Menschen Denkungsart, so wie sie sich durch innere sowohl als durch äußere Handlungen zeigt, so tiefe Einsicht zu haben, dass jede, auch die mindeste Triebfeder dazu uns bekannt würde, imgleichen alle auf diese wirkenden äußeren Veranlassungen, man eines Menschen Verhalten auf die Zukunft, mit Gewißtheit, so wie eine Mond- oder Sonnenfinsterniß ausrechnen könnte."


Das ist natürlich nicht möglich und wäre obendrein sinnlos.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Aber ausrechen müsste man dann auch die Entscheidung. Ach und bitte, kannst du vllt noch deine Prämissen dafür darlegen, welche es für dich als eine Pflicht erscheinen lassen, den Handlungsspielraum zu erweitern?


Die Pflicht, sich aus der "Sklaverei" so weit es geht zu befreien, resultiert aus dem persönlichen Streben nach Weiterentwicklung und dem Kampf ums Überleben.
Die Fähigkeit unsere Handlungsmöglichkeiten aktiv und rasant zu erweitern, hat uns an die Spitze der Evolution gesetzt. Wir kämpfen jetzt nur noch gegeneinander und gegen uns selbst.
Mich persönlich treibt allerdings die Suche nach dem Sinn meiner Existenz.
Ich muss mich mit niemandem mehr messen :santagrin:
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Jarl Gullkrølla » So 21. Feb 2010, 00:45

Ja, dann beginnt man wohlfeil zu leben.
Wie kam es denn dazu, dass du findest, es sei jedem Menschen eingeboren das persönliche Streben nach Weiterentwicklung und der Kampf ums Überleben?

ps dein Smilie hat eine Wichtelmütze auf
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 21. Feb 2010, 00:55

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Ja, dann beginnt man wohlfeil zu leben.
Wie kam es denn dazu, dass du findest, es sei jedem Menschen eingeboren das persönliche Streben nach Weiterentwicklung und der Kampf ums Überleben?

Ein kurzer Blick in die Geschichte reicht aus.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:ps dein Smilie hat eine Wichtelmütze auf

Ups, ich dachte, das sei ne Narrenkappe! :santagrin:
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Jarl Gullkrølla » So 21. Feb 2010, 01:00

Nein nein, mit einem Blick in die Geschichte kann man hunderte möglicher Dummheiten sich ausdenken; "Geist der Geschichte" - "Geschichte von Klassenkämpfen" - "die unergründlichen Wege des Herren": warum aus der Vielfalt gerade diese beiden als in jedem verankert ansehen? Ich würde vielmehr sagen, dass der Mensch einen ihm innewohnenden Hang zur Faulheit hegt, und kein Streben nach Weiterentwicklung; oder meinst du dabei gar nicht den Einzelnen, sondern die Art? oder wie jetzt?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Zappa » So 21. Feb 2010, 07:57

Dissidenkt hat geschrieben:Ich bin zwar völlig determiniert und es steht deshalb schon fest wie mein Leben verlaufen wird. Ich kann aber selbstverständlich nicht wissen, wie es verläuft.
Ich habe im Moment nicht die Freiheit xy zu tun, wenn ich xy nicht beherrsche. Ich kann mich aber dazu entscheiden xy zu lernen und damit meinen Handlungsspielraum und meine persönliche Freiheit erweitern.


Sorry, das ist und bleibt für mich ein Widerspruch. Wenn ich mich frei entscheiden kann xy zu lernen oder nicht, dann kann und werde ich auch meine Zukunft beeinflussen. Da spalten sich dann ja parallele Zukünfte für mich auf. Selbst kleinste Veränderungen (sagen wir mal ich sitze zum Zeitpunkt z im Chinesischunterricht statt vor dem PC, weil ich mich entschlossen habe Chinesisch zu lernen) können ja dramatische Folgen haben (wenn z.B. zu dem Zeitpunkt ein Flugzeug auf mein Haus fällt).

Um bei deinen Ausführungen oben zu bleiben und dies Beispiel entsprechend zu formulieren: Wenn Du glaubst einen Handlungsspielraum zu haben und dich zu "entscheiden" ob Du xy lernst oder nicht, dann sind das nur Projektionen deines Gehirns. Es gaukelt Dir einen Entscheidungsspielraum vor, den Du in Wirklichkeit nicht hast. Die Entscheidung etwas zu tun oder zu lassen ist längst determiniert, nur Du denkst dich dazu entscheiden zu können. So würde das in deinem Modell Sinn machen. Dann darfst Du aber deine moralischen Argumente ein paar Stufen runter fahren.

Ich denke dein Determinismus ist kein wirklicher Determinismus.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 21. Feb 2010, 12:33

Zappa hat geschrieben:Sorry, das ist und bleibt für mich ein Widerspruch.


Das ist kein Widerspruch.

Zappa hat geschrieben:Wenn ich mich frei entscheiden kann xy zu lernen oder nicht, dann kann und werde ich auch meine Zukunft beeinflussen.


Richtig! Aber nicht du entscheidest, sondern dein Gehirn.
Ich gebe dir jetzt hier einen philosophischen Input, indem ich dir meine Sicht auf die Welt darlege und dein Gehirn wird daraufhin entscheiden, ob es meine Sicht plausibel findet oder nicht.
Wenn dein Gehirn meine Sicht plausibel findet, besteht die Möglichkeit, dass es den Gedanken der persönlichen Befreiung aus der beschränkten Handlungsfrieheit so wichtig findet, dass es dich in Zukunft dazu anregt, mehr zu lernen, als du es getan hättest, wenn dir deine persönliche Unfreiheit nicht so bewusst geworden wäre.

Zappa hat geschrieben:Um bei deinen Ausführungen oben zu bleiben und dies Beispiel entsprechend zu formulieren: Wenn Du glaubst einen Handlungsspielraum zu haben und dich zu "entscheiden" ob Du xy lernst oder nicht, dann sind das nur Projektionen deines Gehirns. Es gaukelt Dir einen Entscheidungsspielraum vor, den Du in Wirklichkeit nicht hast. Die Entscheidung etwas zu tun oder zu lassen ist längst determiniert, nur Du denkst dich dazu entscheiden zu können. So würde das in deinem Modell Sinn machen. Dann darfst Du aber deine moralischen Argumente ein paar Stufen runter fahren.


Zunächst einmal, Projektionen sind etwas anderes. Der Begriff ist belegt und führt hier in eine falsche Richtung, die du auch nicht meinst. Darüber hinaus hast du nicht ganz Unrecht. Der Handlungsspielraum ist nicht ein Handlungsspielraum meines "Ichs", sondern es ist der Handlungsspielraum meines Gehirns. Das musst du ganz sauber trennen! Die unglaublich vielen Möglichkeiten, die wir haben, sind unserem Ich nämlich gar nicht bewusst, damit wäre der Mensch vollkommen überfordert. Dennoch befinden sie sich in unserem Gehirn, überformt von Instinkten, Gefühlen und Erfahrungen. Aus diesem Schatz - der durchaus schlimme Dinge enthalten kann, die unser Gehirn unterdrückt, um unser "Ich" davor zu schützen - wählt das Gehirn aus. Die Entscheidung meldet es danach an das Bewusstsein und dies glaubt dann, es hätte sich selbst entschieden.

In dem Augenblick, in dem mir klar wird, dass ich den Handlungsspielraum meines Gehirns erweitern kann, habe ich gelernt, dass ich mich befreien kann und es besteht zumindest die Chance, dass ich dies auch tue. Bevor mir niemand erklärt hat, worin mein Sklaventum besteht, werde ich dies nicht erkennen und habe auch keine Möglichkeit mich zu befreien.

Beispiel:
Ein Mensch hat während einer entscheidenden Entwicklungsphasen der frühen Kindheit nicht gelernt Vertrauen zu fassen, weil seine Mutter sich nicht ausreichend um ihn kümmern konnte. Er wird ein Leben lang Sklave dieser inneren Unfreiheit sein, die ihm möglicherweise nicht einmal bewusst wird. Wenn er aber diesen Mangel erkennt, hat er die Chance etwas dagegen zu unternehmen. Beispielsweise durch eine psychiatrische Behandlung. Er hat also die Chance sich aktiv aus seiner Unfreiheit zu befreien, ob das gelingt ist eine andere Frage.


Zappa hat geschrieben:Ich denke dein Determinismus ist kein wirklicher Determinismus.


Determinismus bedeutet nicht, dass unser wir ohnmächtig sind. Wir können zwar nicht frei handeln, aber wir können auf die Instanz, die für uns handelt, Einfluss nehmen. Ob wir das tun und wie wir das tun, ist in der tat auch determiniert. Deshalb sage ich, dass wir uns nur erweiterte Handlungsspielräume erarbeiten können, letztlich aber Sklaven bleiben. Das klingt zwar zunächst paradox, ist es aber nicht. Mehr Freiheit ist einfach nicht möglich.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 21. Feb 2010, 12:43

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Nein nein, ... Ich würde vielmehr sagen, dass der Mensch einen ihm innewohnenden Hang zur Faulheit hegt, und kein Streben nach Weiterentwicklung; oder meinst du dabei gar nicht den Einzelnen, sondern die Art? oder wie jetzt?


Evolution der Arten, Evolution des Menschen, Evolution von Gesellschaften, Evolution der Philosophie, etc...
Nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung, ist das Prinzip der Evolution ein weiteres elementares Grundprinzip der Welt in der wir leben. Vermeintliche "Faulheit" ist auch nur ein Teil der ständigen Weiterentwicklung.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon ganimed » So 21. Feb 2010, 12:48

Dissidenkt hat geschrieben:Deshalb sage ich, dass wir uns nur erweiterte Handlungsspielräume erarbeiten können, letztlich aber Sklaven bleiben.

Dem stimme ich ja eigentlich zu. Ich sehe nur keine Verbindung zwischen den beiden Teilen.
Teil 1) erweiterte Handlungsspielräume erarbeiten, also sagen wir besser ausbilden, bessere Menschen werden, Gewalt vermeiden, Frieden, Freude, Eierkuchen
Teil 2) wir sind unfreie Sklaven und werden es bleiben

Ich hatte dich nun so verstanden, dass (2) einem Veranlassung gibt, (1) zu betreiben. Also weil man ein Sklave ist, soll man die Karateschule besuchen. Aber ich verstehe diese Begründung nicht. Friede, Freude und Eierkuchen sind immer gut. Ganz egal und ganz unabhängig ob ich Sklave bin oder nicht. Oder nicht?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 21. Feb 2010, 13:23

ganimed hat geschrieben:Dem stimme ich ja eigentlich zu. Ich sehe nur keine Verbindung zwischen den beiden Teilen.
Teil 1) erweiterte Handlungsspielräume erarbeiten, also sagen wir besser ausbilden, bessere Menschen werden, Gewalt vermeiden, Frieden, Freude, Eierkuchen


Meine Sichtweise enthält zunächst keine ethischen oder moralischen Eckpunkte. Ob du die Einsicht dazu nutzt, sozial verträgliche oder sozial unverträgliche Handlungsmuster zu erweitern ist nicht vorgegeben. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass sozial unverträgliche Handlungsweisen keine dauerhafte Zukunft haben, da der Mensch ein soziales Wesen ist und sich die Gemeinschaft dahingehend reguliert.

ganimed hat geschrieben:Teil 2) wir sind unfreie Sklaven und werden es bleiben


Du darfst unser Sklaventum nicht schwarz-weiss sehen. Es gibt unterschiedliche Freiheitsgrade und ich sage, unsere Aufgabe als Teil der Evolution ist es, ein größtmögliches Maß an Freiheit zu erarbeiten. Das kann unser bewusstes "Ich" tun, indem es sein Gehirn mit Handlungsmöglichkeiten füttert. Zunächst füttert uns ja unsere Umwelt, z.B. Eltern oder alle, die wir beobachten und nachahmen können. Das ist aber ein unbewusstes Lernen, ohne dass wir eigentlich wissen warum wir das tun. Es ist unsere Prägung.

In dem Moment, in dem ich mich als ICH erkenne, muss ich dann feststellen, dass meine Existenz großen Einschränkungen und Abhängigkeiten unterworfen ist. Und von diesem Augenblick an KANN ich mich dafür entscheiden ganz bewusst und systematisch mein ICH Stück für Stück zu befreien, indem ich mir aktiv neue Handlunsmöglichkeiten aneigne.

Die absolute Freiheit spielt dagegen auf einer ganz anderen - rein philosophischen - Ebene und ist auch gar nicht erstrebenswert, da sie in der totalen Auflösung unseres Ich bestünde. Wirklich frei sind wir erst im Tod. Und das ist nicht wirklich erstrebenswert, da wir diese Freiheit nicht geniessen könnten.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon xander1 » So 21. Feb 2010, 13:30

Dissidenkt hat geschrieben:Hier hast du was zum gruseln: :mg:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,611415,00.html
Es gibt massenhaft weitere Beispiele, wie Tiere andere Tiere benutzen.

Du kannst aber niemals von züchten sprechen und dass Parasiten andere Lebewesen benutzen ist nichts neues. Wenn sie das Verhalten tatsächlich beeinflussen sollten, wie in dem Bericht geschrieben wurde, was noch nicht einmal klar ist, dann gibt es trotzdem einen Unterschied. Die Parasiten machen das nicht weil sie denken können, sondern weil sich diese Funktion im Laufe der Zeit entwickelt hat. Das hat also nichts damit zu tun was du schreibst, mit planen nichts und auch nicht mit züchten.

Dissidenkt hat geschrieben:
xander1 hat geschrieben:Aber wir haben eine Freiheit der Entscheidung, was auch philsophisch anerkannt ist.

Das war noch nie uneingeschränkt anerkannt und ist es heute weniger als je zuvor.

Dann musst du etwas anderes darunter verstehen als ich. Du verstehst sicher die Willensfreiheit darunter. Das ist ein Unterschied. Wir alle können uns frei entscheiden was wir machen. Wenn du meinst, dass wir aber determiniert sind, dann fällt das in den Bereich der Willensfreiheit.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Jarl Gullkrølla » So 21. Feb 2010, 18:17

Also die Entwicklung auch egal ob "vorwärts" oder "rückwärts"? Denn Entwicklung als Evolution, will nichts als Entwicklung - oder meinst du nun, dass sie eine bestimmte Entwicklung bevorzugt?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon AgentProvocateur » So 21. Feb 2010, 18:58

Dissidenkt hat geschrieben:
Zappa hat geschrieben:Wenn ich mich frei entscheiden kann xy zu lernen oder nicht, dann kann und werde ich auch meine Zukunft beeinflussen.

Richtig! Aber nicht du entscheidest, sondern dein Gehirn.

Hier 'ich' - da drüben mein Gehirn? "Hallo Gehirn, mir geht es gut und wie geht es dir denn heute so?"

Wie kann ein Gehirn entscheiden? Ein Gehirn ist doch so eine graue Masse, in der Neuronen feuern, nicht? Wie kann die 'entscheiden'? Ist 'Entscheidung' nicht etwas, das Personen tun? Sollte man nun auch sagen, dass Beine gehen, Augen sehen und Fäuste hauen?

Nasen können laufen, aber Beine sicher nicht. So wenig, wie Gehirne entscheiden können.

Dissidenkt hat geschrieben:Ich gebe dir jetzt hier einen philosophischen Input, indem ich dir meine Sicht auf die Welt darlege und dein Gehirn wird daraufhin entscheiden, ob es meine Sicht plausibel findet oder nicht.
Wenn dein Gehirn meine Sicht plausibel findet, besteht die Möglichkeit, dass es den Gedanken der persönlichen Befreiung aus der beschränkten Handlungsfrieheit so wichtig findet, dass es dich in Zukunft dazu anregt, mehr zu lernen, als du es getan hättest, wenn dir deine persönliche Unfreiheit nicht so bewusst geworden wäre.

Das müsste aber nun in Deiner Nomenklatur korrekterweise heißen:

"Mein Gehirn gibt deinem Gehirn jetzt einen philosophischen Input, indem es deinem Gehirn seine Sicht auf die Welt darlegt und dein Gehirn wird daraufhin entscheiden, ob es die Sicht meines Gehirnes plausibel findet oder nicht.
Wenn dein Gehirn die Sicht meines Gehirnes plausibel findet, besteht die Möglichkeit, dass es den Gedanken der persönlichen Befreiung aus der beschränkten Handlungsfreiheit so wichtig findet, dass es dazu anregt wird, mehr zu lernen, als es getan hätte, wenn ihm seine persönliche Unfreiheit nicht so bewusst geworden wäre."

Wenn schon, dann aber bitte kohärent.

Was ist aber die 'persönliche Freiheit' eines Gehirnes? Wenn es aus dem es in seiner Bewegungsfreiheit beschränkenden Kopf hinausflutschen und sich in alle Himmelsrichtungen verteilen kann?

Und woher weißt Du eigentlich, was Dein Gehirn so vor sich hin entscheidet? Du scheinst zu meinen, Dein Gehirn würde Dir korrekte Informationen liefern. Aber wie kommst Du darauf, wieso sollte Dein Gehirn das tun, was hätte es davon? Wo es es doch eh alles entscheidet, ohne auf Dich angewiesen zu sein? Da liegt es doch nahe, anzunehmen, dass es Dir irgendwas vormacht, um Dich ruhig zu stellen, wo Du doch nur ein überflüssiges fünftes Rad am Wagen bist, nicht? Andererseits gibt es ja noch nicht einmal dafür einen Grund. Warum sollte sich Dein Gehirn überhaupt um Dich scheren, wo Du doch nur ein machtloser Homunkulus bist, der eh nichts zu melden hat?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon xander1 » So 21. Feb 2010, 20:07

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:oder meinst du nun, dass sie eine bestimmte Entwicklung bevorzugt?

Na einfach nach den Gesetzen, die Darwin aufgestellt hat und nach den Gesetzen der Gene. Ich spekuliere da nichts weiter. Das einzige was in meiner Meinung von der offiziellen Meinung abweicht ist, dass ich darauf spekuliere, dass Gene lernen können und dass es nicht immer nur bloße Mutation ist.
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