Zappa hat geschrieben:Dissidenkt hat geschrieben: Gibt es eine größere Provokation/Kränkung für den Menschen, als ihm zu sagen, er sei ein Reiz-Reaktionssystem mit nachgeschaltetem Rechtfertigungsmodul?
Ich persönliche finde die These nicht ganz so provokant, ... Trotz aller Reiz-Reaktionsketten hat es die Natur irgendwie geschafft uns diese Entscheidungs"freiheit" doch zu bieten.
Vielleicht liegt es daran, dass du die Tatsache, dass du nicht bist, was du denkst, das du bist, nicht wirklich in ihrer ganzen Bedeutung erfasst hast.
Ich denke, ich habe das auch noch nicht bis in die letzte Konsequenz verstanden, aber ich denke auch, dass es eine ausserordentlich wichtige Erkenntnis ist. Halte dir das Libet-Experiment mal vor Augen und sinniere eine Weile darüber, was es bedeutet, dass dein Gehirn Entscheidungen trifft, BEVOR du glaubst du hättest diese Entscheidung getroffen. Die Entscheidungsfreiheit, von der du sprichst, gibt es nicht. Sie ist eine Illusion.
Dein Gehirn "entscheidet", indem es eine neuronale Funktion ausführt und dir danach suggeriert, du hättest eine Entscheidung getroffen.
Theoretisch könnte jemand mit einem Finger in deinem Hirn den Schalter für "Aufstehen" umlegen, wenn du dann aufgestanden bist, wirst du auf Nachfrage steif und fest behaupten, du seist aufgestanden, weil du aufstehen WOLLTEST.
Zappa hat geschrieben:Und wie zieht sich dieses Meta-Ich selber am Schopf aus dem Sumpf des Determinismus?
Wie gesagt werden wir niemals absolut frei sein, weil es eine absolute Freiheit nicht geben kann. Die ist ein Hirngespinst.
Aber wir können uns ein größeres Maß an relativer Freiheit erarbeiten, indem wir unseren Handlungsspielraum aktiv selbst erweitern.
Zappa hat geschrieben:Die harte deterministische Weltsicht würde sagen, dass die Handlungsintention des Menschen auf einem Reiz-Reaktionsmodell beruht und so gesehen "unfrei" ist (mal gewisse Zufälligkeiten auf quantenphysikalischem Niveau außen vorgelassen, die aber natürlich auch keine Freiheit sondern Zufälligkeiten generieren).
Zufälle gibt es nicht. Ich denke auch auf Quantenniveau kann es die nicht geben, weil basierend auf Zufall keine Naturgesetze funktionieren könnten.
Wahrscheinlicher ist, dass wir die Gesetze, die auf Quantenniveau gelten, einfach noch nicht verstanden haben und deshalb von Zufall sprechen.
Zappa hat geschrieben:Die Folgen der Handlung sind dann ja sowas von determiniert, warum sollen wir die als Maßstab für irgendetwas nehmen?
Determiniert heisst nicht, dass wir keinen Einfluss nehmen könnten!
Ein Computer ist in gewisser Weise determiniert, braucht z.B. eine Stunde um mit einer bestimmten Software eine Berechnung auszuführen.
Wenn ich die Software aber aktiv verändere, oder die CPU austausche, kann er die selbe Rechenarbeit schneller erledigen.
Übertragen auf den Mensch bedeutet das: Wenn ich weiss, dass mein Gehirn aus einem Pool an Handlungsmöglichkeiten auswählt, kann ich den Pool durch das Erlernen neuer Methoden erweitern und dann besteht die Chance, dass mein Gehirn diese neuen Handlungsmöglichkeiten auch benutzt.
Zappa hat geschrieben:Zumal die Folgen einer Handlung für unseren armen Computer Gehirn ja auch nur näherungsweise "berechenbar" sind.
Aber je größer die Zahl der bekannten (weil erlernten) Parameter, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass unser Gehirn die richtige Entscheidung trifft.
Zappa hat geschrieben:Natürlich gehen wir davon aus, dass ein Mörder auch die Freiheit gehabt hätte nicht abzudrücken, deswegen verurteilen wir ihn ja moralisch und juristisch. Selbst wenn wir nach stundenlangen philosophischen Diskussionen zugeben würden, dass letztendlich die Tat zwingend war (vom Urknall bis zu diesem Moment), wenden wir dann doch unsere Kriterien der Entscheidungsfreiheit an (von mir aus ebenso determiniert, was solls?). Anders funktionieren wir halt nicht als soziale Individuen.
Wir können aber lernen! Und wir können lernen, dass der Mörder tatsächlich keine andere Möglichkeit hatte. Das bedeutet aber nicht, dass wir sein Verhalten hinnehmen müssen - im Gegenteil! Weil wir wissen, dass er gefährlich ist, haben wir die Pflicht alles zu tun, dass er nicht wieder mordet. Wenn wir ihn einsperren (oder behandeln) tun wir das nicht aus religiös begründeter Rache oder zur Abschreckung um gesellschaftliche Normen durchzusetzen, sondern wir tun das aus der vernunftgeleiteten Einsicht, dass wir verhindern müssen, dass er wieder mordet. Das ist ein völlig neuer Ansatz und darin liegt auch ein ganz neues Gesellschaftsmodell.
Zappa hat geschrieben:Was mir auch aufgefallen ist: Auf der einen Seite attackierst Du den Begriff der (absoluten) Freiheit, den des Sinn (zumindest ebenso problematisch) lässt Du aber einfach so stehen.
"Sinn" gibt es auch immer nur in Bezug auf irgendetwas. Ist aber ein Thema für sich und ich mags nicht so wenn man in Diskussionen zu sehr abschweift. Mach doch einen neuen Beitrag zu diesem Thema und leg deine Sichtweise dar, das würde mich interessieren.
xander1 hat geschrieben:Dissidenkt hat geschrieben: Gibt es eine größere Provokation/Kränkung für den Menschen, als ihm zu sagen, er sei ein Reiz-Reaktionssystem mit nachgeschaltetem Rechtfertigungsmodul?
Das lässt mich kalt, weil der Mensch weitaus mehr ist. Das was du beschreibst könnte man mit einer Turing-Maschine, die nicht mal ein PC sein muss nachprogrammieren als billige KI sozusagen.
Daran wird ja auch bereits gearbeitet. So leicht ist das aber nicht
xander1 hat geschrieben:Das Reiz-Reaktions-System des Menschen besteht aus weitaus mehr als Reaktion auf Reizen. Wir können z.B. Planen und das ist schon ein Enhancement. Etwas das die meisten Tiere nicht können.
Selbst Schleimpilze können planen
Das ist kein Kriterium für Freiheit!
xander1 hat geschrieben:Außerdem haben wir einen gewissen minimalen Einfluss auf unsere Umwelt, so dass wir nicht nur reagieren, sondern auch agieren können. Der Mensch passt seine Umwelt an sich an, wohingegen in der Evolution bisher sich die Tiere an die Umwelt anpassen mussten.
Es gibt Bakterien, die die Umwelt an ihre Bedürfnisse anpassen. Es gibt Tiere, die andere Tiere an ihre Bedürfnisse anpassen (züchten, manipulieren,etc), um sie auszubeuten. Das hat aber alles mit Freiheit nichts zu tun. Das sind Verhaltensschemata, die in der Evolution erlernt wurden.
xander1 hat geschrieben:Und das geschieht alles im Rahmen des Determinismus. Nebenbei bemerkt gilt der Determinismus möglicherweise doch nicht ganz aus quantenmechanischen Gründen. Aber ich denke, dass sich da die Physiker uneinig sind. Da ist noch vieles unklar.
Wir können nicht alles vorberechnen. Die Zukunft ist uns nicht ersichtlich. Das Ergebnis ist offen. Und das ist so als wäre es für uns Zufall, mal ganz abgesehen davon, dass es eigentlich deterministisch zugeht. (Wovon ich ausgehe, trotz Quantenhypthese)
Natürlich ist die Zukunft offen. Wiir können nur anhand der uns bekannten Parameter und Gesetzmäßigkeiten bedingte Vorhersagen machen.
Das sagt aber nichts über die Freiheit.
xander1 hat geschrieben:Alles ist Berechenbar ist ungleich Determinismus, das Gesetzt von Ursache und Wirkung ist auch ungleich Determismus.
Natürlich kann man es nicht gleichsetzen, weil es unterschiedliche Begriffe sind, aber was sagt uns das über unsere Illusion von Freiheit?
xander1 hat geschrieben:Und selbst das Gesetz von Ursache und Wirkung könnte sich als Falsch erweisen, auch aus Quantenmechanischen Gründen, aber Quantenmechanik hatte ich bisher nur angerissen im Studium, kann dazu nur sehr wenig sagen.
Das erklär doch mal bitte oder schreib nicht, was du nicht begründen kannst!