Freiheit - ein Hirngespinst

Die Einsicht, dass ich ein Sklave bin...

habe ich akzeptiert
2
15%
fällt mir schwer, aber ich ahne es
1
8%
halte ich für Unsinn
10
77%
 
Abstimmungen insgesamt : 13

Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 1. Mär 2010, 19:02

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Falls Du mit 'frei' hier 'indeterminiert' meinst, dann denkt die Mehrheit das nicht. Siehe meinen Link oben.

Indeterminiert gibt es nicht.

Also nochmal: Deine Aussage oben war: "Die Mehrheit denkt, wir könnten uns frei entscheiden, genau genommen unser Bewusstsein."

Wenn Du 'frei' hier in dem absoluten Sinne verstanden wissen willst, den Du in Deinem Eingangsbeitrag beschrieben hast, dann ist diese Deine Aussage falsch. Durch meinen Link auf die empirische Untersuchung widerlegt. Und da Deine Argumentation offensichtlich auf dieser falschen Behauptung beruht, solltest Du sie noch einmal überdenken und berücksichtigen, dass unsere Gesellschaft und deren Rechtssystem nicht auf der Annahme einer absoluten metaphysischen Freiheit beruht.

Fragt sich dann halt, was und warum sich das ändern muss, wenn die wesentliche Grundlage Deiner Argumentation so ersatzlos entfällt.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Also, wie jetzt, ist Zuweisung von Verantwortung in Ordnung oder nicht?

Schwierige Frage. Das kommt drauf an, was du darunter verstehst.
Juristisch, moralisch, kausal? Klar ist ein Kind kausal verantwortlich, wenn es einen Blumentopf auf den Gehsteig wirft. Ob es moralisch oder juristisch verantwortlich ist, steht auf ganz anderen Blättern. Gleiches gilt in ähnlicher Weise auch für Erwachsene.

Ist Zuweisung von moralischer Verantwortung gerechtfertigt? Ist die Zuweisung persönlicher Rechte und Pflichten gerechtfertigt?

Oder spricht die Erkenntnis, dass es keine absolute metaphysische Freiheit geben kann, da irgend wie gegen? Wenn ja: wieso?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon xander1 » Mo 1. Mär 2010, 19:41

Mark hat geschrieben:Es ist unlogisch wenn man denkt man könnte etwas über eine etwaige Determination oder Indetermination in unserem Universum aussagen ,

Nein, wir müssen etwas aussagen über Determination oder Indetermination. Denn gäbe es dazu keine Aussage bzw. keine Spekulation, könnten wir gar nichts folgern und die ganze Wissenschaft hätte keine Bedeutung, weil Determination etwas fundamentales in der Wissenschaft ist.
Mark hat geschrieben: von einem nötigen Standpunkt aus der theoretisch AUSSERHALB unseres Universums liegen muss,

Was für eine komische Logik steckt denn dahinter, dass wir außerhalb unseres Universums sein müssten dazu? Es ist dabei nicht einmal bekannt welche Gesetze bestimmen wie der Blick aus einem anderen Universum sein würde.
Mark hat geschrieben: um das überblicken zu können. Alles was wir können ist relativieren, sonst nix !

Das ist eine Behauptung ohne ausreichende Begründung. Kannst du auch referenzieren woher du das hast oder entspringt das deiner eigenen Denke?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » Di 2. Mär 2010, 12:35

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Du hast uns immer noch nicht verraten, welche der vorgestellten Evolutionstheorien Darwins du meinst...


Such dir eine aus!

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Manchmal glaube ich, du veräppeltest uns.


Dann begründe das mal!
Ich breite hier ein blitzsauberes, stringentes Weltbild aus. Wer sich da veräppelt fühlt, sollte sich fragen, warum er da nicht folgen kann.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Und "indirekt" ein wenig Freiheit erwirken, das magst du: aber nicht einmal von dieser Prägung dich entfernen und diesen schnöden "Ich-brauch-einen-Grund"-Denkzwang versuchen abzulegen? Ich befürchte du gehst nicht weit genug. Nicht tief genug.


Die Frage ist nicht, ob ich das mag, sondern, ob es unserer Erfahrung entspricht, dass es sich hierbei um ein Grundprinzip der Evolution handelt. Das scheint mir ziemlich offensichtlich.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Was kann allein unsre Lehre sein? ....


Wenn du schon ständig zitierst, dann tu das doch bitte korrekt unter Angabe des Autors.
Es wäre auch hilfreich, wenn du den Inhalt des Zitats in eigenen Worten wiedergeben und in den Zusammenhang stellen könntest.


------------------------------



xander1 hat geschrieben:Das glaube ich nicht, dass das unter den Begriff Züchten zählt. Du behauptest wieder einmal blos und lieferst keinen Nachweis. Die Quellen die du hast, die das züchten nennen, nennen das sicher nur aus Populistischen Gründen so.


Du sollst nicht glauben! Du sollst deinen Verstand selbständig benutzen, um dich aus deiner Unmündigkeit zu befreien! Wieso muss ich dich hier über die Fähigkeiten der Ameisen aufklären, wenn du dich ganz einfach selber informieren könntest?
http://en.wikipedia.org/wiki/Ants#Relationships_with_other_organisms

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben: Klar kannst du denen absprechen, dass die planvoll handeln und nur aus Instinkt, das kann man dir dann aber genauso absprechen.

Das nenne ich ein Paradebeispiel von irrationaler Argumentation.


Unsinn. Du sprichst anderen Organismen einfach mal so die Fähigkeit zu planvollem Handeln ab. Ich tue es dir gleich, indem ich das auf dich anwende. Das ist stringent und soll dich zum Nachdenken über deine Aussagen bringen.

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Es gibt Krähen, die Werkzeuge benutzen um an Futter zu kommen...

Ja, und das soll jetzt ein Gegenargument sein oder was? Das ist kein Planen.


Ich gebe dir mal den ersten google Link zum Thema Krähen und Planen
http://www.br-online.de/wissen/forschung/intelligenz-der--DID1188596455/raben-kraehen-tiere-ID1207648888181.xml?_requestid=10238
Warum bist du nicht selbst in der Lage dich zu informieren, obwohl du dich anderen Spezies so offensichtlich überlegen fühlst?

xander1 hat geschrieben:Raucher?....Man ist nur eingeschränkt durch die Sucht, dass es schwer fällt aufzuhören, man ist aber nicht vollkommen unfrei.


Selbstverständlich bist du unfrei. Du kannst nicht mal so eine schlechte Angewohnheit ablegen, von der du weisst, dass sie dein Leben potentiell um Jahre verkürzen kann.
Trotzdem redest du dir ein du seist frei? DAS ist irrational! :lachtot:

xander1 hat geschrieben:Alles was du in diesem Thema machst ist unser Zwischending aus Freiheit und Unfreiheit, das wir haben, zu relativieren und zu betrachten als sei es eine Unfreiheit.


Es gibt kein Zwischending. Wir sind unfrei. DU als Raucher bist Sklave deiner Nikotinsucht.
Es gibt allerdings die Möglichkeit dich aus dieser bestimmten Sklaverei zu befreien, indem du es deinem Gehirn abgewöhnst. Das ist ein Beispiel, wie wir uns aus Einsicht in die Unfreiheit ein zunehmendes Maß an Freiheit erarbeiten können.

xander1 hat geschrieben:Auf diese Art wie du argumentierst kann man genauso gut das Gegenteil folgern. Wenn man die gleichen Argumente nur umgekehrt benutzt.


Dann mach das doch mal bitte!

xander1 hat geschrieben:Was du betreibst ist eine Induktion. Weil du nichts indeterminiertes kennst, schließt du nicht, dass es auch andere Fälle geben kann. Induktionen sind aber nicht möglich. Also kannst du auch nicht folgern, dass es indeterminiertes nicht gibt.


VOLLKOMMEN FALSCH!
Ich habe nirgends induktiv argumentiert. Ich habe ganz zu Beginn stringent logisch erklärt, warum es Freiheit gar nicht geben kann. Gehe zurück zum Start, lies noch einmal nach!


------------------------------


AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du 'frei' hier in dem absoluten Sinne verstanden wissen willst, den Du in Deinem Eingangsbeitrag beschrieben hast, dann ist diese Deine Aussage falsch.


Ich habe doch eingangs recht deutlich erklärt, dass es eine absolute Freiheit gar nicht geben kann. Diese einfache Einsicht, ist der Mehrheit gar nicht bewusst, da sie sich mit philosophischen Fragen gar nicht in solcher Tiefe beschäftigt. Alles was wir uns erarbeiten können ist ein gewisses Maß an potentieller Freiheit im Hinblick auf ....

AgentProvocateur hat geschrieben: .... dass unsere Gesellschaft und deren Rechtssystem nicht auf der Annahme einer absoluten metaphysischen Freiheit beruht.


Selbstverständlich tut sie das. Wir kommen nur allmählich dahin, dass wir einsehen, dass es diese Freiheit nicht gibt. Das zeigt sich ansatzweise im Rechtssystem, wenn es um die Schuldfähigkeit geht. Alleine die Tatsache, die Schuldfähigkeit in Einzelfällen anzuzweifeln, unterstreicht aber das Grundprinzip, wonach jeder angeblich in der Lage ist, sich frei für oder gegen eine Handlung zu entscheiden.



AgentProvocateur hat geschrieben:Ist Zuweisung von moralischer Verantwortung gerechtfertigt? Ist die Zuweisung persönlicher Rechte und Pflichten gerechtfertigt?


Du pauschalisierst und vermengst hier fröhlich vor dich hin, ohne zu differenzieren.
Rechte und Pflichten sind völlig unterschiedliche Begriffe. Eine pauschale moralische Verantwortung für alle Menschen in allen Situationen, verlangt - soweit ich weiss - nicht einmal die katholische Kirche.

Grundsätzlich ist es das Gehirn, das unsere Handlungen steuert. Und es ist gesellschaftlicher Konsens, dass der Mensch eben nicht immer für das verantwortlich gemacht werden kann, was sein Gehirn ihm aufträgt. Dennoch ist es ebenfalls gesellschaftlicher Konsens, dass der Mensch in der Regel dafür verantwortlich ist, was er tut.

Ich sage, der Mensch ist IMMER nur Handlanger seines Gehirns.
Es ist semantische Spielerei "Verantwortung" zuzuweisen. Wenn eine Handlung mit gesellschaftlichen Regeln nicht vereinbar ist, muss man angemessene Maßnahmen ergreifen, damit sie nicht geschieht.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 2. Mär 2010, 13:39

Dissidenkt hat geschrieben:
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Manchmal glaube ich, du veräppeltest uns.

Dann begründe das mal!
Ich breite hier ein blitzsauberes, stringentes Weltbild aus. Wer sich da veräppelt fühlt, sollte sich fragen, warum er da nicht folgen kann.


Veräppelt fühle ich mich, weil du auf "Offensichtlichkeiten" verweist, die in ihrer Art nach aber bloße Annahmen sind. Du bleibst in deinen Prämissen beim common sense stehen; was du ja auch tuen musst, wenn du deiner Rede Sinn wahrlich der ist, den du uns an folgender Stelle nanntest:

Dissidenkt hat geschrieben:Die Aufgabe lautet, auf Basis des Verstandes und der Einsicht in unsere determinierte Existenz eine Gesellschaftsordnung aufzubauen, die den Menschen gerecht wird.



Du breitest eben kein vollständiges Weltbild vor uns aus; appelliert wird an die Gutgläubigkeit, dass das, was du offensichtlich nennst, von anderen in gleicher Weise unhinterfragt als eine gültige Prämisse angenommen wird. Eigentlich möchte ich nämlich wissen, weswegen du das und das "offensichtlich" nennst. Die eigentlichen Grundlagen deines Weltbildes bleiben undargestellt und nur die letzten Schlüsse, die Außenwerke, werden uns hier gezeigt.
Veräppelt glaubt man sich nun dadurch, dass gemeint wird, dies alles sei tatsächlich etwas logisches, obwohl eben nur das aus den Dingen herausgenommen wird, was zwei Sätze vorher in sie hinengelegt wurde.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon xander1 » Di 2. Mär 2010, 15:39

@Dissidenkt:
Züchten bedeutet, dass man eine kontrollierte Fortpflanzung betreibt mit dem Ziel der genetischen Umformung. Das lese ich bei deinem Link nicht heraus. Außerdem glaubt man etwas dann wenn man seinen Verstand selbstständig benutzt und darauf kommt oder wenn man überzeugt wird. Also musst du mir nicht schreiben, dass ich mich aus einer Unmündikeit befreien muss. Wir sind bereits in einem aufgeklärten Zeitalter und ich bin kein Christ mit einer imaginären Autorität, die mir irgendetwas vorschreibt. Ich könnte mich auch selbst informieren und ich wäre auch in der Lage dazu, aber ich brauche deine Quellen, damit ich genau dazu etwas schreiben kann, damit wir nicht aneinander vorbei reden. Das sollte ja wohl klar sein. Dass Krähen sehr intelligent sind war mir auch bekannt.

Im Prinzip ist es ja schon planen, wenn man überlegt was man als nächstes macht. Insofern kann fast jede tierische Lebensform planen, weil sie immer irgendetwas tut. Aber das kann ich ja wohl kaum mit planen gemeint haben. Tiere können nicht so weit vorrausschauend denken wie Menschen. Das will ich einfach als Grundaussage vermitteln. Mir ist auch bekannt, dass Zugvögel ihren Flug auch irgendwie planen müssen, um zusammen loszufliegen und anzukommen.

Wenn es nach dir ginge, dann könnte man gar nicht mit dem Rauchen aufhören, prinzipiell nicht, denn das wäre die Unfreiheit die du beschreibst. Da das aber nicht so ist, kann auch deine propagierte Unfreiheit nicht wahr sein. Dass du dich darüber totlachst, dass ich mir einrede dass ich frei wäre liegt nur daran, dass du meinen Text nicht richtig gelesen hast. Ich gehe nicht davon aus, dass wir frei sind, sondern davon dass wir halb frei halb unfrei sind. Und ich meinte zu dir, dass es im Auge des Betrachters liegt zu beschreiben ob das Unfreiheit oder Freiheit ist.

Auch wenn man der Sklave einer Sucht ist, kann man sich aus dieser Unfreiheit potentiell befreien. Eine Unfreiheit aus der man sich potentiell befreien kann ist keine absolute Unfreiheit. Man kann es sowohl als Freiheit als auch als Unfreiheit bezeichnen. Aber damit, dass wir die Einsicht in die Unfreiheit brauchen, um uns zu befreien hast du prinzipiell Recht. So arbeiten auch Racherentwöhnungsmotivatoren.

xander1 hat geschrieben:Auf diese Art wie du argumentierst kann man genauso gut das Gegenteil folgern. Wenn man die gleichen Argumente nur umgekehrt benutzt.

Dann mach das doch mal bitte!

Ich bin gar nicht von der Freiheit überzeugt, was du mir aber unterstellst und dabei dann lachst. Wieso soll ich für etwas argumentieren, von dem ich nicht überzeugt bin. Genauso bin ich nicht vom Gegenteil überzeugt, von dem du ausgehst. Außerdem legst du nur die primitive Wirklichkeit so aus wie du es vermitteln willst. Man könnte also behaupten Drogensüchtige sind unfrei, weil sie süchtig sind und man kann behaupten Drogensüchtige sind frei, weil sie die Sucht beenden können, was ja durchaus vorkommt. Letztendlich basiert beides auf Argumentationen die einseitig sind und die andere Betrachtungen einfach weglassen. Das ist übrigens eine Strategie, die viele Denker, Religiöse, Philosphen wie Nietzsche etc. verwenden, um anderen Menschen etwas einzureden. Deshalb habe ich auch geschrieben, dass ich mich veralbert fühle wie @Jarl meinte.

VOLLKOMMEN FALSCH!
Ich habe nirgends induktiv argumentiert.

Ja das ist auf der einen Seite richtig. Du hast nicht in deinen Texten Induktion betrieben, aber das meine ich auch nicht. Ich meine dass eine Induktion aber notwendig ist, um das zu folgern, was ich vorher kritisiert habe. Das heißt du musst eine Induktion betrieben haben, um zu folgern, dass es keinen Indeterminismus geben kann. Die Wahrheit ist, dass wir nicht wissen können, dass es keinen Indeterminismus gibt. Es ist wieder mal so: Ich weiß dass ich nichts weiß.

Ich habe ganz zu Beginn stringent logisch erklärt, warum es Freiheit gar nicht geben kann.

Wenn das so stringent gewesen sein soll, frage ich mich warum es in der Umfrage nur einen gibt, der diese Unfreiheit akzeptieren kann.

Gehe zurück zum Start, lies noch einmal nach!

Ich habe aber nicht die Unfreiheit in diesem Punkt kritisiert, sondern deine Prämisse dass es keinen Indeterminismus gibt.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 2. Mär 2010, 16:06

Ja, wir reden eigentlich gar nicht mehr über das Problem der Freiheit, sondern über die Art, wie du sie vorträgst; oder anders: was die Unfreiheit letztlich für dich bedeutet: "der Mensch ist der Sklave seines Gehirns" und dergleichen - du hast schon damals nicht darauf geantwortet, weswegen du diese Analogie richtig findest.
Eine andere Sache ist eben die Aufgabe die da für den Menschen ableiten magst.

"Das ist zunächst mal schockierend und scheinbar eine ausweglose Situation. Schliesslich könnte man zu der dummen Einsicht gelangen, "wass solls, ich kann ja doch nichts ändern, ich bin ja programmiert".

Das ist aber genau der falsche Schluss. Wie ich versucht habe darzulegen, haben wir zwar keinen direkten Einfluß auf die Entscheidungen unseres Gehirns, aber einen indirekten, nämlich, indem wir unseren Handlungsspielraum erweitern und unserem Gehirn eine größere Auswahlmöglichkeiten in bestimmten Situationen zur Verfügung stellen."

Noch hast du uns nicht genannt, was die Deduktion jenes Schlusses verhindert. Auch danach fragte ich und es kam lediglich die Antwort von "Offensichtlichkeiten", redlicher dürftest du sagen "heilige Vorurteile". Dazu kannst du ja mal weiter vorn nachsehen, Ende von Seite 2.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon AgentProvocateur » Di 2. Mär 2010, 16:23

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du 'frei' hier in dem absoluten Sinne verstanden wissen willst, den Du in Deinem Eingangsbeitrag beschrieben hast, dann ist diese Deine Aussage falsch.

Ich habe doch eingangs recht deutlich erklärt, dass es eine absolute Freiheit gar nicht geben kann. Diese einfache Einsicht, ist der Mehrheit gar nicht bewusst, da sie sich mit philosophischen Fragen gar nicht in solcher Tiefe beschäftigt.

Ja, was man ja auch nicht erwarten kann. Mein Punkt ist hier jedoch immer noch: ich bestreite, dass absolute Freiheit in der Alltagsintuition diejenige Rolle spielt, die Du anscheinend behauptest. Siehe Link. Was hast Du denn für einen Beleg für Deine Behauptung "Die Mehrheit denkt, wir könnten uns frei entscheiden, genau genommen unser Bewusstsein.", wobei Du da wohl 'absolut frei' meinst, nicht? Nur Deine eigene Intuition?

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben: .... dass unsere Gesellschaft und deren Rechtssystem nicht auf der Annahme einer absoluten metaphysischen Freiheit beruht.

Selbstverständlich tut sie das.

Beleg für diese Behauptung?

Gegenbeleg hier:
SCHULZ, Björn. “Willensfreiheit und Strafrecht im Spannungsfeld zwischen moderner Neurowissenschaft und Philosophie” S. 21-22: hat geschrieben:Eine Minderheit in der Strafrechtswissenschaft geht davon aus, dass die strafrechtlichen Grundbegriffe (persönliche Verantwortlichkeit, Schuld, Zurechnungsfähigkeit) notwendig auf der Annahme von Willensfreiheit im Sinne eines „Unter-denselben-physiologischen-Bedingungen-willentlich-andershandeln-Könnens“ (sog. „Libertarianismus“) beruhen.
[...]
In der Strafrechtswissenschaft sind kompatibilistische Theorien vorherrschend. Strafrechtliche Schuld und neurophysiologischer Determinismus sind danach verträglich; strafrechtliche Schuld setzt keine Willensfreiheit im indeterministischen (kontra-kausalen) Sinne voraus.


Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Ist Zuweisung von moralischer Verantwortung gerechtfertigt? Ist die Zuweisung persönlicher Rechte und Pflichten gerechtfertigt?

Du pauschalisierst und vermengst hier fröhlich vor dich hin, ohne zu differenzieren.
Rechte und Pflichten sind völlig unterschiedliche Begriffe. Eine pauschale moralische Verantwortung für alle Menschen in allen Situationen, verlangt - soweit ich weiss - nicht einmal die katholische Kirche.

Hum? Natürlich sind Rechte und Pflichten unterschiedliche Begriffe, sie hängen jedoch insofern zusammen, als dass es zu jedem Recht eine zugehörige Pflicht eines Subjektes gibt. Ohne Pflichten keine Rechte.

Und dann habe ich da nirgends was von "pauschal" gesagt. Meine Frage zielte darauf ab, ob es Fälle gibt, in denen die Zuweisung von moralischer Verantwortung gerechtfertigt ist. Oder ob die Erkenntnis, dass es keine absolute Freiheit geben kann, dem grundsätzlich entgegensteht, das also ausschließt.

Dissidenkt hat geschrieben:Grundsätzlich ist es das Gehirn, das unsere Handlungen steuert. Und es ist gesellschaftlicher Konsens, dass der Mensch eben nicht immer für das verantwortlich gemacht werden kann, was sein Gehirn ihm aufträgt. Dennoch ist es ebenfalls gesellschaftlicher Konsens, dass der Mensch in der Regel dafür verantwortlich ist, was er tut.

Ja, so ist es. Und ebenso ist es übrigens gesellschaftlicher Konsens, dass ein Mensch nicht merkwürdigerweise als etwas von seinem Gehirn Getrenntes angesehen wird.

Sind diese Konsense nun Deiner Ansicht nach falsch?

Dissidenkt hat geschrieben:Es ist semantische Spielerei "Verantwortung" zuzuweisen. Wenn eine Handlung mit gesellschaftlichen Regeln nicht vereinbar ist, muss man angemessene Maßnahmen ergreifen, damit sie nicht geschieht.

Und das bedeutet was genau? Im Unterschied zu den Maßnahmen, die heute so ergriffen werden? Was muss sich ändern?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Zappa » Di 2. Mär 2010, 21:31

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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » Do 4. Mär 2010, 23:02

xander1 hat geschrieben:@Dissidenkt:
Züchten bedeutet, dass man eine kontrollierte Fortpflanzung betreibt mit dem Ziel der genetischen Umformung. Das lese ich bei deinem Link nicht heraus.


Wortklaubereien bringen uns nicht weiter. Natürlich züchten Ameisen nicht wie Menschen das tun.
http://de.wikipedia.org/wiki/Ameisen#Pilzz.C3.BCchter

xander1 hat geschrieben:Aber das kann ich ja wohl kaum mit planen gemeint haben. Tiere können nicht so weit vorrausschauend denken wie Menschen. Das will ich einfach als Grundaussage vermitteln. Mir ist auch bekannt, dass Zugvögel ihren Flug auch irgendwie planen müssen, um zusammen loszufliegen und anzukommen.


Grundsätzlich ist der Mensch - unter bestimmten Bedingungen - vermutlich den meisten Tieren in mancherlei Hinsicht überlegen. Das sollte man aber unbedingt auf eine realistische Sichtweise herunterbrechen. Die Überlegenheit resultiert ausschliesslich aus den sozial entwickelten kognitiven Fähigkeiten des Menschen.

Ohne Familie, Sippe oder Gesellschaft sind wir NICHTS! Ohne die Kulturtechniken die wir von Generation zu Generation weitergeben, würden wir in der Wildnis mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht lange überleben. Ein menschlicher Säugling, der nur genährt, aber nicht unterrichtet würde, bliebe intellektuell auf dem Niveau eines Schimpansen. Selbst das Laufen auf zwei Beinen muss man uns beibringen. Es besteht also kein Grund sich unbedacht über andere Kreaturen zu erheben.

xander1 hat geschrieben:Wenn es nach dir ginge, dann könnte man gar nicht mit dem Rauchen aufhören, prinzipiell nicht, denn das wäre die Unfreiheit die du beschreibst.


Du hast immer noch nicht verstanden, was ich die ganze Zeit erkläre.
Ich sage doch ununterbrochen, dass wir uns nicht nur weiterentwickeln können, sondern, dass das auch unsere Aufgabe ist. Dein Scheitern bezügl. des Rauchens ist doch die beste Bestätigung dafür, dass wir uns zwar neue Handlungsmuster aneignen können, dass es aber unser Gehirn ist, das letztendlich entscheidet, ob wir diese anwenden.


xander1 hat geschrieben:Man könnte also behaupten Drogensüchtige sind unfrei, weil sie süchtig sind und man kann behaupten Drogensüchtige sind frei, weil sie die Sucht beenden können, was ja durchaus vorkommt.


Nochmal: Niemand ist frei! Es gibt nur Freiheit IN BEZUG AUF irgendetwas.
Natürlich kann sich ein Süchtiger uU. von der Sucht befreien. Dann ist er frei von der Sucht, nicht mehr und nicht weniger.

xander1 hat geschrieben:Wenn das so stringent gewesen sein soll, frage ich mich warum es in der Umfrage nur einen gibt, der diese Unfreiheit akzeptieren kann.


Weil es unserer Selbsterfahrung scheinbar widerspricht und wir das Bedürfnis haben uns als freie Individuen zu empfinden. Das ist primär eine Frage der Sozialisation, Erziehung und Einsicht. Zur Zeit kommen die ersten Spiele oder Anwendungen mit Gedankensteuerung auf den Markt. Warte ab, was es für ein Umdenken gibt, wenn die ersten Spiele den "Libet-Effekt" benutzen. Spätestens dann erleben wir einen breiten Paradigmenwechsel in der Selbstwahrnehmung, dessen gesellschaftliche Auswirkungen noch gar nicht abzusehen sind.

xander1 hat geschrieben:Ich habe aber nicht die Unfreiheit in diesem Punkt kritisiert, sondern deine Prämisse dass es keinen Indeterminismus gibt.


Ich bin nicht in der Pflicht nachzuweisen, dass es keinen Indeterminismus gibt. Genausowenig muss ich nachweisen, dass es keinen Gott gibt.
Dafür verschwende ich keine Energie :mg:
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » Do 4. Mär 2010, 23:32

AgentProvocateur hat geschrieben:Ja, was man ja auch nicht erwarten kann. Mein Punkt ist hier jedoch immer noch: ich bestreite, dass absolute Freiheit in der Alltagsintuition diejenige Rolle spielt, die Du anscheinend behauptest.


Das kannst du natürlich bestreiten, so wie hier viele bestreiten, dass sie keinen freien Willen haben. :/

AgentProvocateur hat geschrieben:Hum? Natürlich sind Rechte und Pflichten unterschiedliche Begriffe, sie hängen jedoch insofern zusammen, als dass es zu jedem Recht eine zugehörige Pflicht eines Subjektes gibt. Ohne Pflichten keine Rechte.


Die Menschenrechte gelten bedingungslos.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und dann habe ich da nirgends was von "pauschal" gesagt. Meine Frage zielte darauf ab, ob es Fälle gibt, in denen die Zuweisung von moralischer Verantwortung gerechtfertigt ist. Oder ob die Erkenntnis, dass es keine absolute Freiheit geben kann, dem grundsätzlich entgegensteht, das also ausschließt.


Das ist eine Frage des gesellschaftlichen Konsens. Es wäre durchaus möglich eine Gesellschaft OHNE Schuld und moralische Verurteilungen zu organisieren.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und ebenso ist es übrigens gesellschaftlicher Konsens, dass ein Mensch nicht merkwürdigerweise als etwas von seinem Gehirn Getrenntes angesehen wird.
Sind diese Konsense nun Deiner Ansicht nach falsch?


Ich sehe doch nicht den Mensch als von seinem Gehirn getrennt :kopfwand:
Ich sage, dass unser Bewusstsein nur die winzige Spitze eines Eisberges darstellt, dessen Masse unter einer Wasseroberfläche liegt, und sich somit unserem direkten Zugriff entzieht.
Der Unterschied ist, du denkst, dein Bewusstsein hätte Kontrolle über das was unter der Wasseroberfläche liegt.
Ich sage, umgekehrt, das was unter der Wasseroberfläche liegt, kontrolliert unser Bewusstsein.

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Es ist semantische Spielerei "Verantwortung" zuzuweisen. Wenn eine Handlung mit gesellschaftlichen Regeln nicht vereinbar ist, muss man angemessene Maßnahmen ergreifen, damit sie nicht geschieht.

Und das bedeutet was genau? Im Unterschied zu den Maßnahmen, die heute so ergriffen werden? Was muss sich ändern?


Die Ausnahme muss zur Regel werden. Nicht die Frage nach "Schuld" oder "Verantwortung" muss im Vordergrund stehen, sondern die Problemlösung.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 5. Mär 2010, 00:44

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Ja, was man ja auch nicht erwarten kann. Mein Punkt ist hier jedoch immer noch: ich bestreite, dass absolute Freiheit in der Alltagsintuition diejenige Rolle spielt, die Du anscheinend behauptest.

Das kannst du natürlich bestreiten, [...]

Ja, genau, ich kann es bestreiten und zwar mit Beleg. Wohingegen Du nur eine unbelegte Behauptung hast, mehr nicht.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Hum? Natürlich sind Rechte und Pflichten unterschiedliche Begriffe, sie hängen jedoch insofern zusammen, als dass es zu jedem Recht eine zugehörige Pflicht eines Subjektes gibt. Ohne Pflichten keine Rechte.

Die Menschenrechte gelten bedingungslos.

Was hat das damit zu tun, was ich gesagt habe? Verlangen die Menschenrechte etwa keine Pflichten von Subjekten, nämlich so zu handeln, dass diese gewährleistet werden? Ohne eine solche Pflicht keine Menschenrechte. Das sollte doch hoffentlich evident sein.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und dann habe ich da nirgends was von "pauschal" gesagt. Meine Frage zielte darauf ab, ob es Fälle gibt, in denen die Zuweisung von moralischer Verantwortung gerechtfertigt ist. Oder ob die Erkenntnis, dass es keine absolute Freiheit geben kann, dem grundsätzlich entgegensteht, das also ausschließt.

Das ist eine Frage des gesellschaftlichen Konsens. Es wäre durchaus möglich eine Gesellschaft OHNE Schuld und moralische Verurteilungen zu organisieren.

Das mag zwar sein, wenn das gezeigt werden könnte, hat nun aber nichts mehr mit Deinem eigentlichen Thema, nämlich 'absolute Freiheit', zu tun. Aber damit wolltest Du dieses von Dir proklamierte Sollen doch eigentlich begründen, damit, dass es keine 'absolute Freiheit' geben kann. Oder nicht? Wenn nicht: womit sonst? Mit Mitleidsethik gegenüber den Tätern? Oder womit genau?

Dissidenkt hat geschrieben:Ich sehe doch nicht den Mensch als von seinem Gehirn getrennt :kopfwand:

Dann solltest Du Dir eine andere Redeweise angewöhnen, um nicht missverstanden zu werden.

Dissidenkt hat geschrieben:Ich sage, dass unser Bewusstsein nur die winzige Spitze eines Eisberges darstellt, dessen Masse unter einer Wasseroberfläche liegt, und sich somit unserem direkten Zugriff entzieht.

Ja, sicher.

Dissidenkt hat geschrieben:Der Unterschied ist, du denkst, dein Bewusstsein hätte Kontrolle über das was unter der Wasseroberfläche liegt.

Nö, denke ich nicht, ich denke lediglich, dass ich eine ganze Person bin, inkl. meines Körpers und meiner Gefühle, Triebe, Intuitionen, Gedanken, meinem Wissen, meinen Erfahrungen usw. die ich nicht als etwas von mir Getrenntes ansehen kann. All dies bin ich als Person, das konstituiert mich erst als Person. Die Frage nach 'Freiheit' muss daher für mich immer die ganze Person einbeziehen. Es ist mE von Vorneherein völlig sinnlos, zu fragen, ob das Bewusstsein an sich 'frei' sein kann, denn es gibt kein isoliertes 'Bewusstsein an sich'. 'Ist eine Person frei?' - das wäre hingegen eine sinnvolle Frage.

Dissidenkt hat geschrieben:Ich sage, umgekehrt, das was unter der Wasseroberfläche liegt, kontrolliert unser Bewusstsein.

Du möchtest damit sagen, dass das Bewusstsein ein auswirkungsloses Epiphänomen ist? D.h. existierte es nicht, gäbe es keinen Unterschied im Weltablauf?

Und wenn nicht: müsste man das dann nicht eher eine Wechselbeziehung nennen? Natürlich gibt es kein 'Bewusstsein an sich', 'ich' wäre schlicht nichts ohne meinen Körper und meine Gehirnabläufe, die ich zweifellos nicht direkt kontrollieren kann, was auch irgendwie keinen Sinn macht, das so zu sagen, denn 'ich' bin ja das alles. Aber das Bewusstsein für so wirkungslos zu erklären, wie Du es tust, als ein reines Epiphänomen, erscheint mir wenig plausibel. Jedenfalls nicht ohne Argumente dafür, warum dem so sein sollte. Nur weil Du grundlos etwas Beliebiges behauptest, muss es noch lange nicht wahr sein.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Es ist semantische Spielerei "Verantwortung" zuzuweisen. Wenn eine Handlung mit gesellschaftlichen Regeln nicht vereinbar ist, muss man angemessene Maßnahmen ergreifen, damit sie nicht geschieht.

Und das bedeutet was genau? Im Unterschied zu den Maßnahmen, die heute so ergriffen werden? Was muss sich ändern?

Die Ausnahme muss zur Regel werden. Nicht die Frage nach "Schuld" oder "Verantwortung" muss im Vordergrund stehen, sondern die Problemlösung.

Welche Ausnahme? Meinst Du die 'Maßnahmen zur Sicherung und Besserung', die zum Tragen kommen, wenn jemand als nicht zurechnungsfähig angesehen wird? Was bedeutet das konkret? Wie sieht eine 'Problemlösung' in Deiner Sicht aus?

Nehmen wir doch mal 2 Beispiele:

1. Jemand hat Steuern hinterzogen und wird erwischt. Er ist nicht einsichtig.
2. Jemand tötet seine Schwester wegen 'Beschmutzung der Familienehre'. Da es seine einzige Schwester war, wird er voraussichtlich sowas nie wieder tun, denn seine 'Familienehre' ist sein höchster Wert; ansonsten ist er ein ganz friedlicher Zeitgenosse.

Welche Problemlösungen schlägst Du nun vor? Ohne moralischen Vorwurf? Wie soll das genau vonstatten gehen? Darf man ihnen nicht sagen, dass sie gegen das Recht verstoßen haben und das nicht hätten tun sollen? Sie im Gegenteil dazu verpflichtet waren, die Regeln einzuhalten und sie deswegen, weil dieser Vorwurf berechtigt ist, da sie das absichtlich und im Wissen um die Folgen, bestraft werden dürfen? Und nicht deswegen willkürlicher freiheitseinschränkender Maßnahmen unterworfen werden dürfen, weil man das jetzt gerade mal ohne vorher genannte Kriterien als opportun ansieht, um ein nicht genanntes nebulöses Ziel zu verwirklichen?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » Sa 6. Mär 2010, 13:50

AgentProvocateur hat geschrieben:Ja, genau, ich kann es bestreiten und zwar mit Beleg. Wohingegen Du nur eine unbelegte Behauptung hast, mehr nicht.


Du hast offenbar die falschen Schlüsse aus der Studie gezogen.

a significant majority of our participants judged that such agents are free and responsible for their actions.


Das bestätigt doch genau was ich sage, nämlich, dass die Mehrheit eine naive Vorstellung vom freien Willen hat. Die Mehrheit kann nicht einmal zwischen Willens- oder Handlungsfreiheit differenzieren. Die Mehrheit weisst selbst dort deshalb Schuld und Verantwortung zu, wo Menschen offensichtlich gar nicht anders handeln konnten. Die differenzierte Sichtweise, dass absolute Freiheit gar nicht möglich ist und erst recht nicht Basis für eine funktionierende Geselllschaft sein könnte, ist damit noch gar nicht berührt.
Diese Erkenntnis hat nur eine verschwindende Minderheit.

AgentProvocateur hat geschrieben:Verlangen die Menschenrechte etwa keine Pflichten von Subjekten, nämlich so zu handeln, dass diese gewährleistet werden? Ohne eine solche Pflicht keine Menschenrechte. Das sollte doch hoffentlich evident sein.


In der Natur gibt es weder Rechte noch Pflichten. In der menschlichen Gesellschaft gibt es die Menschenrechte des Individuums als ideelles Kulturgut OHNE damit verbundene Pflichten des Individuums. AUCH jemand der die Menschenrechte eines anderen missachtet, verliert NICHT seine eigenen Rechte. Pflichten für das Individuum gibt es also weder von Natur aus, noch als codifizierte allgemeine Menschenpflichten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Das mag zwar sein, wenn das gezeigt werden könnte, hat nun aber nichts mehr mit Deinem eigentlichen Thema, nämlich 'absolute Freiheit', zu tun. Aber damit wolltest Du dieses von Dir proklamierte Sollen doch eigentlich begründen, damit, dass es keine 'absolute Freiheit' geben kann. Oder nicht? Wenn nicht: womit sonst? Mit Mitleidsethik gegenüber den Tätern? Oder womit genau?


Die absolute Freiheit habe ich von vorneherein ausgeschlossen, weil klar ist, dass sie gar existieren kann und somit nicht zur Diskussion steht. Die ist somit gar nicht mein Thema. Mein Thema ist die angebliche Willens- oder auch Handlungsfreiheit, die wir uns einbilden. Ich sage, wir haben weder das eine, noch das andere, aber wir haben indirekt EINFLUSS auf die Instanzen in unserem Gehirn, die Entscheidungen treffen und Handlungen in Gang setzen.

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Ich sehe doch nicht den Mensch als von seinem Gehirn getrennt :kopfwand:

Dann solltest Du Dir eine andere Redeweise angewöhnen, um nicht missverstanden zu werden.


Ich habe nichts dergeleichen gesagt. Ich differenziere, das ist aber etwas völlig anderes, als zu separieren.

AgentProvocateur hat geschrieben:'Ist eine Person frei?' - das wäre hingegen eine sinnvolle Frage.


Nein, das wäre ein sinnlose, weil unkonkrete Frage.
Du kannst nur sinnvoll Fragen, ob eine Person frei ist, MIT BLICK AUF etwas konkretes.
Also hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit, hinsichtlich ihrer finanziellen Situation, hinsichtlich ihrer beruflichen Verpflichtung, etc...

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Ich sage, umgekehrt, das was unter der Wasseroberfläche liegt, kontrolliert unser Bewusstsein.

Du möchtest damit sagen, dass das Bewusstsein ein auswirkungsloses Epiphänomen ist? D.h. existierte es nicht, gäbe es keinen Unterschied im Weltablauf?


Wie kommst du auf so eine komische Idee? Das habe ich nirgends gesagt. Das was unter der Wasseroberfläche liegt ist Resultat unserer Veranlagung, Sozialisation, Erziehung, Erfahrungen, etc... Wir können uns aber BEWUSST dafür entscheiden Informationen und Erfahrungen in unser Unterbewusstsein zu bringen.
Das ist Lernen! Das wird sich auch in unserem späteren Handeln niederschlagen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und wenn nicht: müsste man das dann nicht eher eine Wechselbeziehung nennen? Natürlich gibt es kein 'Bewusstsein an sich', 'ich' wäre schlicht nichts ohne meinen Körper und meine Gehirnabläufe, die ich zweifellos nicht direkt kontrollieren kann, was auch irgendwie keinen Sinn macht, das so zu sagen, denn 'ich' bin ja das alles. Aber das Bewusstsein für so wirkungslos zu erklären, wie Du es tust, als ein reines Epiphänomen, erscheint mir wenig plausibel. Jedenfalls nicht ohne Argumente dafür, warum dem so sein sollte. Nur weil Du grundlos etwas Beliebiges behauptest, muss es noch lange nicht wahr sein.


Wenn du diskutieren möchtest, halte dich bitte an das, was ich konkret geschrieben habe und unterstelle mir nicht Dinge, die nur in deinem Kopf vorgehen. Der Quatsch über das Epiphänomen stammt nicht von mir und widerspricht allem, was ich bisher erläutert habe.
Selbstverständlich entsteht mein Bewusstsein UND auch mein Unterbewusstsein in ständiger Auseinandersetzung mit der Umwelt und meiner Disposition.

AgentProvocateur hat geschrieben:Welche Ausnahme? Meinst Du die 'Maßnahmen zur Sicherung und Besserung', die zum Tragen kommen, wenn jemand als nicht zurechnungsfähig angesehen wird? Was bedeutet das konkret? Wie sieht eine 'Problemlösung' in Deiner Sicht aus?


Problem: Soziopathisches Verhalten einer Person
Problemlösung: Behandlung, Heilung der Ursachen oder Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten bei Unheilbarkeit

Heute ist es immer noch so, dass Regelverletzungen durch Individuen von der Gesellschaft als Sühne oder zur vermeindlichen Durchsetzung der Regeln bestraft werden. Aber die Ursachen und damit eine Problemlösung ausser Betracht bleiben.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir doch mal 2 Beispiele:
Welche Problemlösungen schlägst Du nun vor?

1. Jemand hat Steuern hinterzogen und wird erwischt. Er ist nicht einsichtig.


Es gibt verschiedene Möglichkeiten problemorientiert vorzugehen, diese muss man mit anderen gesellschaftlichen Regeln in Einklang bringen. Theoretisch könnte man sämtliche Konten zu 100% überwachen und Geldabflüsse somit aufdecken. Das widerspricht aber dem Grundsatz der informellen Selbstbestimmung.
In Betracht kommt realistischerweise:
- Steuerschlupflöcher stopfen
- Steuern senken
- die Steuermoral durch die Förderung der Einsicht in die Notwendigkeit von Steuern innerhalb der Bevölkerung fördern
- Steuerzahler belohnen (Held der Steuer, Steuerorden am Band, etc...) :kg:

AgentProvocateur hat geschrieben:2. Jemand tötet seine Schwester wegen 'Beschmutzung der Familienehre'. Da es seine einzige Schwester war, wird er voraussichtlich sowas nie wieder tun, denn seine 'Familienehre' ist sein höchster Wert; ansonsten ist er ein ganz friedlicher Zeitgenosse.


In einer Gesellschaft, in der die Einsicht, dass wir alle nur unter den gegebenen Möglichkeiten unser Bestes tun und in unserem Handeln keine freie Wahl haben, wirklich verankert ist, würde es zu einer solchen Tat nicht kommen, weil es absurde Begriffe wie Ehre dort gar nicht gibt. Mal ganz abgesehen davon, dass ganz friedliche Zeitgenossen nicht ihre Schwester aus heiterem Himmel ermorden. Bei solchen Tragödien gibt es immer eine lange Vorgeschichte zumeist gekennzeichnet von Gewalt und Unterdrückung.

Wenn ein Mensch aber einen anderen ermordet, muss zunächst einmal alles getan werden, damit dies nicht wieder geschieht. Es muss also untersucht werden, warum die Tat geschehen konnte und wie weitere Taten verhindert werden können. Ich würde ihn zur Einsicht in sein Fehlverhalten bringen und dann auf Tournee durch deutsche Schulen schicken, damit andere Jugendlichen von seiner Einsicht in die eigenen Fehler profitieren können.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon AgentProvocateur » So 7. Mär 2010, 01:26

Dissidenkt hat geschrieben:
a significant majority of our participants judged that such agents are free and responsible for their actions.

Das bestätigt doch genau was ich sage, nämlich, dass die Mehrheit eine naive Vorstellung vom freien Willen hat. Die Mehrheit kann nicht einmal zwischen Willens- oder Handlungsfreiheit differenzieren. Die Mehrheit weisst selbst dort deshalb Schuld und Verantwortung zu, wo Menschen offensichtlich gar nicht anders handeln konnten.

Die Mehrheit hält nach dieser Studie nicht, so wie Du, die metaphysische und logisch unmögliche Fähigkeit, in ein und derselben Situation anders zu handeln, als man letztlich handelt, für eine Zuweisung von Verantwortung und Schuld für notwendig. Wenn Du, entgegen der Mehrheit, das dennoch tust, musst Du es begründen, Du kannst Dich also nicht mehr einfach auf die Mehrheit beziehen, die das angeblich tut und eine Gegenposition einnehmen zu einer angeblichen Position, die aber so nachgewiesenermaßen gar nicht existiert. Das reicht dann nicht mehr.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Verlangen die Menschenrechte etwa keine Pflichten von Subjekten, nämlich so zu handeln, dass diese gewährleistet werden? Ohne eine solche Pflicht keine Menschenrechte. Das sollte doch hoffentlich evident sein.

In der Natur gibt es weder Rechte noch Pflichten. In der menschlichen Gesellschaft gibt es die Menschenrechte des Individuums als ideelles Kulturgut OHNE damit verbundene Pflichten des Individuums. AUCH jemand der die Menschenrechte eines anderen missachtet, verliert NICHT seine eigenen Rechte. Pflichten für das Individuum gibt es also weder von Natur aus, noch als codifizierte allgemeine Menschenpflichten.

Verstehe ich nicht. 'Rechte' existieren nicht 'einfach so', Rechte sind immer etwas Zugewiesenes, von anderen (Subjekten) Akzeptiertes. Wenn Menschenrechte gelten sollen, dann tun die das nicht 'einfach so', sondern deswegen, weil sie akzeptiert und eingehalten werden. Jeder Staat, der Menschenrechte proklamiert, verpflichtet sich damit, diese zu schützen. Und auch eine Selbstverpflichtung ist selbstverständlich eine Pflicht, sie hindert die Regierung (die aus Subjekten besteht) daran, bestimmte Regelungen zu treffen, die sie treffen könnte, wenn die Menschenrechte nicht gälten.

Dissidenkt hat geschrieben:Mein Thema ist die angebliche Willens- oder auch Handlungsfreiheit, die wir uns einbilden. Ich sage, wir haben weder das eine, noch das andere, aber wir haben indirekt EINFLUSS auf die Instanzen in unserem Gehirn, die Entscheidungen treffen und Handlungen in Gang setzen.

Woher weißt Du, was 'wir' uns einbilden? Warum redest Du erst mal nicht nur von Dir selber und verkneifst Dir eine Übertragung von dem, was Du meinst, was Du bist, auf das, was andere meinen, was sie sind?

Ich sehe das nämlich ziemlich anders als Du. Ich (als Person) bin (u.a.) die Instanzen in meinem Gehirn, es erscheinst mir sogar ziemlich absurd, anzunehmen, es gäbe einen Unterschied zwischen mir und den Instanzen in meinem Gehirn. Weil ich nämlich monistischer Materialist bin kann es in meiner Sicht da keinen (ontologischen) Unterschied geben. Zwei Seiten einer Medaille, unterschiedliche Beschreibungsebenen, mehr nicht. Nicht ontologisch getrennt, nicht zwei Entitäten, was aber Voraussetzung wäre, um aufeinander einwirken zu können.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:'Ist eine Person frei?' - das wäre hingegen eine sinnvolle Frage.

Nein, das wäre ein sinnlose, weil unkonkrete Frage.
Du kannst nur sinnvoll Fragen, ob eine Person frei ist, MIT BLICK AUF etwas konkretes.
Also hinsichtlich ihrer Bewegungsfreiheit, hinsichtlich ihrer finanziellen Situation, hinsichtlich ihrer beruflichen Verpflichtung, etc...

Öhm, ja, das stimmt natürlich. Aber so habe ich es nicht gemeint, ich meinte es es als Gegensatz der beiden Fragen: a) "Ist das Bewusstsein frei?" und b) "Ist die Person frei?" Wobei ich a) als von Vorneherein als absurd empfinde, weil ein 'unabhängiges Bewusstsein' ein 'Bewusstsein an sich' annimmt, b) aber als sinnvoll. Natürlich muss man immer dazu fragen, in Bezug auf was X frei ist, eine 'Freiheit an sich' ist ein mE unverständliches Konzept. Das war aber nicht mein Punkt hier, wie gesagt.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Ich sage, umgekehrt, das was unter der Wasseroberfläche liegt, kontrolliert unser Bewusstsein.

Du möchtest damit sagen, dass das Bewusstsein ein auswirkungsloses Epiphänomen ist? D.h. existierte es nicht, gäbe es keinen Unterschied im Weltablauf?

Wie kommst du auf so eine komische Idee? Das habe ich nirgends gesagt. Das was unter der Wasseroberfläche liegt ist Resultat unserer Veranlagung, Sozialisation, Erziehung, Erfahrungen, etc... Wir können uns aber BEWUSST dafür entscheiden Informationen und Erfahrungen in unser Unterbewusstsein zu bringen.
Das ist Lernen! Das wird sich auch in unserem späteren Handeln niederschlagen.

Zufälligerweise bezeichne ich nun genau das als freien Willen, nämlich dass man aufgrund eigener rationaler Überlegungen / Abwägungen die Zukunft hinsichtlich der Erreichung seiner eigenen Ziele beeinflussen kann. Und dass man seine Ziele reflektieren und anpassen kann.

Ja, naja, wennn Du das Bewusstsein nicht als reines Epiphänomen ansiehst, sondern eine Fähigkeit zur bewussten Erkenntnis der Realität und zur Erreichung seiner Ziele, der Fähigkeit zur Abwägung verschiedener Alternativen und der Fähigkeit zu einer Entscheidung für die beste zu einem Subjekt (dessen Zielen und Absichten, die nicht statisch, sondern dynamisch zu verstehen sind) passenden Alternative anerkennst, was hast Du dann eigentlich dagegen einzuwenden, dass jemand (z.B. ich) meint, Willensfreiheit zu haben? Was sonst sollte Willensfreiheit denn eigentlich darstellen? Dass ich das wählen / wollen soll, was ich letztlich gar nicht will, wenn mein Entscheidungsvorgang abgeschlossen ist? Nee, oder, wäre doch absurd, nicht?

Warum sollte ich nun das wollen, was ich nicht will? Dafür müsste es doch einen nachvollziehbaren Grund geben, das erscheint mir wenig plausibel, sogar völlig irrational. Wieso also sollte ich was anderes wollen wollen, als das, für das ich mich letztlich aufgrund meiner Persönlichkeit und meiner Gründe entschieden habe?

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Welche Ausnahme? Meinst Du die 'Maßnahmen zur Sicherung und Besserung', die zum Tragen kommen, wenn jemand als nicht zurechnungsfähig angesehen wird? Was bedeutet das konkret? Wie sieht eine 'Problemlösung' in Deiner Sicht aus?

Problem: Soziopathisches Verhalten einer Person
Problemlösung: Behandlung, Heilung der Ursachen oder Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten bei Unheilbarkeit

Frage: was genau ist ein 'soziopathisches Verhalten einer Person'? Was sind die Kriterien dafür? Gibt es Kriterien oder ist das nur ein (individuelles) Gefühl: 'der ist soziopathisch' und 'der könnte vielleicht eventuell gefährlich sein'? Und wenn Letzteres: das könnte auch jeder willkürlich von Dir denken, oder? Du wärest also immer in der Gefahr, einer Maßnahme zu Deiner 'Besserung' augeliefert zu sein, (was eine Einschränkung Deiner persönlichen Freiheit bedeutete), nicht wahr?

Dissidenkt hat geschrieben:Heute ist es immer noch so, dass Regelverletzungen durch Individuen von der Gesellschaft als Sühne oder zur vermeindlichen Durchsetzung der Regeln bestraft werden. Aber die Ursachen und damit eine Problemlösung ausser Betracht bleiben.

Ja, aber es könnte theoretisch auch so sein, dass die Welt nicht so monokausal funktioniert und es daher keine einfachen Lösungen gibt, (-> monokausale Ursache beseitigt = alles ok), wie Du anzunehmen scheinst. Und es könnte ebenfalls daran liegen, dass es keinen einzig richtigen objektiv richtigen Standpunkt gibt, sondern mehrere Standpunkte, die miteinander gleichberechtigt konkurrieren.

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir doch mal 2 Beispiele:
Welche Problemlösungen schlägst Du nun vor?

1. Jemand hat Steuern hinterzogen und wird erwischt. Er ist nicht einsichtig.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten problemorientiert vorzugehen, diese muss man mit anderen gesellschaftlichen Regeln in Einklang bringen. Theoretisch könnte man sämtliche Konten zu 100% überwachen und Geldabflüsse somit aufdecken. Das widerspricht aber dem Grundsatz der informellen Selbstbestimmung.
In Betracht kommt realistischerweise:
- Steuerschlupflöcher stopfen
- Steuern senken
- die Steuermoral durch die Förderung der Einsicht in die Notwendigkeit von Steuern innerhalb der Bevölkerung fördern
- Steuerzahler belohnen (Held der Steuer, Steuerorden am Band, etc...) :kg:

Aber was ist nun mit dem konkreten Steuerhinterzieher, der erwischt wurde und der nicht einsichtig ist? Was kann und was soll mit ihm geschehen? Darf man seine Rechte auf Selbstbestimmung einschränken (Art. 2 GG Abs. 1)? Oder nicht oder doch (z.B. Geldstrafe) und wenn ja: warum?

Dissidenkt hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:2. Jemand tötet seine Schwester wegen 'Beschmutzung der Familienehre'. Da es seine einzige Schwester war, wird er voraussichtlich sowas nie wieder tun, denn seine 'Familienehre' ist sein höchster Wert; ansonsten ist er ein ganz friedlicher Zeitgenosse.

In einer Gesellschaft, in der die Einsicht, dass wir alle nur unter den gegebenen Möglichkeiten unser Bestes tun und in unserem Handeln keine freie Wahl haben, wirklich verankert ist, würde es zu einer solchen Tat nicht kommen, weil es absurde Begriffe wie Ehre dort gar nicht gibt.

Glaubst Du im Ernst, es gäbe einen Einheitsmenschen mit einer Einheitsmoral, eine objektive normative Wahrheit? Wie sollte das möglich sein? Wie sollte man die feststellen können?

Dissidenkt hat geschrieben:Mal ganz abgesehen davon, dass ganz friedliche Zeitgenossen nicht ihre Schwester aus heiterem Himmel ermorden. Bei solchen Tragödien gibt es immer eine lange Vorgeschichte zumeist gekennzeichnet von Gewalt und Unterdrückung.

Ja, klar, aber in diesem Beispiel soll es so sein, dass sich die Gewalt nur auf die Familie (die weiblichen jungen Mitglieder der Familie) richtet und sich (durch Psychologen) nachweislich nicht auf andere Mitglieder der Gesellschaft. Nun ist das einzige junge weibliche Mitglied der Familie tot und es verbleibt niemand, auf den sich zukünftig die bisher vorhandene Gewalt richten kann. Mit anderen Worten: der Typ ist voraussichtlich keine zukünftige Gefahr mehr. Und da er das nicht ist: woraus ziehst Du die Legitimation, ihn in seiner (verfassungsmäßig garantierten) Freiheit einzuschränken? Möchtest Du die verfassungsmäßig garantierte Freiheit negieren, hältst Du also den §2 GG für überflüssig und abschaffungswürdig oder meinst Du, aufgrund seiner vergangenen Tat habe er sein Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit verwirkt (unabhängig davon, dass er persönlich keine Gefahr mehr darstellt)?

Dissidenkt hat geschrieben:Wenn ein Mensch aber einen anderen ermordet, muss zunächst einmal alles getan werden, damit dies nicht wieder geschieht. Es muss also untersucht werden, warum die Tat geschehen konnte und wie weitere Taten verhindert werden können. Ich würde ihn zur Einsicht in sein Fehlverhalten bringen und dann auf Tournee durch deutsche Schulen schicken, damit andere Jugendlichen von seiner Einsicht in die eigenen Fehler profitieren können.

Nehmen wir nun an, es gelingt Dir nicht, ihn zu einer Einsicht dazu zu bringen, dass er moralisch falsch gehandelt hat, Deine Bemühungen fruchten nicht. Was dann? Was schlägst Du vor?
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon xander1 » So 7. Mär 2010, 03:15

Dissidenkt hat geschrieben:Wortklaubereien bringen uns nicht weiter. Natürlich züchten Ameisen nicht wie Menschen das tun.

Wenn du die ganze Zeit von züchten redest, dann denke ich auch, dass du das meinst. Woher soll ich wissen, dass du den Begriff ungenau definierst. Außerdem ist Wikipedia nicht die Quelle der Wahrheit. Wortklauberei ist eine abwertende Bezeichnung. Und ich sehe dich nicht im Recht, da hilft auch nicht das Mogeln, dass meine Betrachtung Wortklauberei wäre.
Dissidenkt hat geschrieben:Ohne Familie, Sippe oder Gesellschaft sind wir NICHTS! .... Ein menschlicher Säugling, der nur genährt, aber nicht unterrichtet würde, bliebe intellektuell auf dem Niveau eines Schimpansen.

Kannst du das überhaupt wissen? Gibt es dafür Belege?
Dissidenkt hat geschrieben:Du hast immer noch nicht verstanden, was ich die ganze Zeit erkläre.
.... Dein Scheitern bezügl. des Rauchens ist doch die beste Bestätigung dafür, dass wir uns zwar neue Handlungsmuster aneignen können, dass es aber unser Gehirn ist, das letztendlich entscheidet, ob wir diese anwenden.

Also ist Freiheit Unfreiheit und alles andere ist Wortklauberei?
Dissidenkt hat geschrieben:Nochmal: Niemand ist frei! Es gibt nur Freiheit IN BEZUG AUF irgendetwas.

Niemand ist frei, es gibt nur manche Freiheiten. Und wenn es manche Freiheiten gibt, ist niemand frei. Siehst du den Widerspruch?
Dissidenkt hat geschrieben:Natürlich kann sich ein Süchtiger uU. von der Sucht befreien. Dann ist er frei von der Sucht, nicht mehr und nicht weniger.

Ja und er hat die Freiheit mit einer gewissen Möglichkeit frei zu werden und das ist auch eine Teil-Freiheit.
Dissidenkt hat geschrieben:Weil es unserer Selbsterfahrung scheinbar widerspricht und wir das Bedürfnis haben uns als freie Individuen zu empfinden.

Niemand bestreitet, dass die Dinge die du als Unfrei brandmarkst für uns das Gegenteil von Freiheit bedeuten. Alles andere ist nur eine Frage der Betrachtung, des Aspektes. Das was du die ganze Zeit betreibst, ist zu sagen, dass das Glas halb leer ist, während andere meinen dass das Glas entweder halb voll ist oder dass man beides sagen kann. Wenn es nach dir ginge, müsste man Gott sein, damit man frei ist und alles andere wäre Unfreiheit.
Dissidenkt hat geschrieben:Das ist primär eine Frage der Sozialisation, Erziehung und Einsicht.

Damit verrätst du eigentlich schon dein Geheimnis, dass es nur eine Frage der Betrachtungsweise ist. Kein Wunder dass einige der Meinung sind, dass du uns veräppelst.
Dissidenkt hat geschrieben:Spiele den "Libet-Effekt"

Ja ich könnte auch googeln, aber entweder du zeigst einen Link, was sicher schnell gehen würde, oder du sagst ein paar Worte dazu. Wenn du schon von etwas schreibst, was unbekannt ist, dann würde ich an deiner Stelle nicht erwarten, dass andere gleich eifrig danach suchen werden, wenn du eigentlich in der Position bist überzeugen zu wollen. Das bist du doch, oder? Oder willst du dir keine Mühe geben?
Dissidenkt hat geschrieben:Ich bin nicht in der Pflicht nachzuweisen, dass es keinen Indeterminismus gibt. Genausowenig muss ich nachweisen, dass es keinen Gott gibt.
Dafür verschwende ich keine Energie :mg:

Naja man muss atmen und essen und trinken, aber wenn du diese Prämisse nicht erfüllen kannst, dann kippt dein Modell, dass wir unfrei sind. Das müsstest du eigentlich wissen. Dein Modell steht also auf wackeligen Füßen, genauso wie die allgemeine Meinung der Philsophen heutzutage, dass wir keinen freien Willen haben.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Qubit » So 7. Mär 2010, 13:29

Dissidenkt hat geschrieben:"Die Freiheit" ist ein Hirngespinst!


Ja, "die Freiheit ist ein Hirngespinst".
Aber eins, das man sich frei auswählen kann =)
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 7. Mär 2010, 13:41

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:
a significant majority of our participants judged that such agents are free and responsible for their actions.

Das bestätigt doch genau was ich sage, nämlich, dass die Mehrheit eine naive Vorstellung vom freien Willen hat. Die Mehrheit kann nicht einmal zwischen Willens- oder Handlungsfreiheit differenzieren. Die Mehrheit weisst selbst dort deshalb Schuld und Verantwortung zu, wo Menschen offensichtlich gar nicht anders handeln konnten.

Die Mehrheit hält nach dieser Studie nicht, so wie Du, die metaphysische und logisch unmögliche Fähigkeit, in ein und derselben Situation anders zu handeln, als man letztlich handelt, für eine Zuweisung von Verantwortung und Schuld für notwendig.


Falsch.
1. Die Mehrheit sagt "agents are free". Deine Behauptung, die Mehrheit würde den Agents Unfreiheit in der Entscheidung attestieren und dennoch Schuld und Verantwortung zuweisen, stimmt nicht.
2. Ich sage: Niemand ist frei in irgendeiner Entscheidung.

AgentProvocateur hat geschrieben:Verstehe ich nicht. 'Rechte' existieren nicht 'einfach so', Rechte sind immer etwas Zugewiesenes, von anderen (Subjekten) Akzeptiertes. Wenn Menschenrechte gelten sollen, dann tun die das nicht 'einfach so', sondern deswegen, weil sie akzeptiert und eingehalten werden.


Ich schrieb, Menschenrechte sind ideelles Kulturgut, das impliziert, dass sie nicht "einfach so" existieren, sondern auf einer humanistischen Einsicht beruhen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Jeder Staat, der Menschenrechte proklamiert, verpflichtet sich damit, diese zu schützen.


Menschenrechte gelten nicht erst durch staatliche Proklamation. Das wäre ja völlig unsinnig, da sie dann erstens abgeschafft werden könnten und zweitens nur für die Individuen dieses Staates gelten würden. Ich sags noch einmal: Menschenrechte sind ein ideelles Kulturgut! Sie gelten bedingungslos für ALLE Menschen und sind weder aberkennbar, noch einschränkbar.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und auch eine Selbstverpflichtung ist selbstverständlich eine Pflicht, sie hindert die Regierung (die aus Subjekten besteht) daran, bestimmte Regelungen zu treffen, die sie treffen könnte, wenn die Menschenrechte nicht gälten.


Eine Regierung kann die Menschenrechtscharta der UN ratifizieren und sich damit zwar verpflichten, die Menschenrechte einzuhalten, ob sie das tut ist eine ganz andere Sache. Genausogut kann ein Staat die Menschenrechte achten ohne die Charta zu unterzeichnen oder sich für irgendetwas zu verpflichten, ganz einfach aus der Erkenntnis, dass die Menschenrechte ohne wenn-und-aber Geltung haben.

AgentProvocateur hat geschrieben:Woher weißt Du, was 'wir' uns einbilden? Warum redest Du erst mal nicht nur von Dir selber und verkneifst Dir eine Übertragung von dem, was Du meinst, was Du bist, auf das, was andere meinen, was sie sind?


Weil wir hier nicht über unterschiedliche Geschmäcker, Vorlieben oder individuell einmalige Erfahrungen diskutieren, sondern über Grundprinzipien der Funktionsweise des menschlichen Gehirns.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich sehe das nämlich ziemlich anders als Du. Ich (als Person) bin (u.a.) die Instanzen in meinem Gehirn, es erscheinst mir sogar ziemlich absurd, anzunehmen, es gäbe einen Unterschied zwischen mir und den Instanzen in meinem Gehirn.


DU bist ua das, was die Instanzen in deinem Gehirn hervorbringen. Selbstverständlich bist "DU" als Gesamtperson etwas anders, als die Instanzen in deinem Gehirn, die ja nur ein Teil von dir sind. Du bist ja auch nicht deine Leber oder deine Träume. DU und die Instanzen in deinem Gehirn sind also de facto etwas völlig unterschiedliches, das aber zweifellos zusammen gehört.

AgentProvocateur hat geschrieben:Weil ich nämlich monistischer Materialist bin kann es in meiner Sicht da keinen (ontologischen) Unterschied geben. Zwei Seiten einer Medaille, unterschiedliche Beschreibungsebenen, mehr nicht. Nicht ontologisch getrennt, nicht zwei Entitäten, was aber Voraussetzung wäre, um aufeinander einwirken zu können.


Nur weil du das so "siehst", wird es nicht wahr! :^^:
Beispiel: Eine "Entität" wie du es so nennst, also eine Instanz in deinem Gehirn ist zB. dein Gewissen. Das sitzt in einer Region im vorderen Stirnlappen und wird immer dann besonders aktiv, wenn es darum geht "moralische" Entscheidungen zu treffen.
Du denkst offenbar, du und dein Gewissen, ihr wärt "eins", eine untrennbare Einheit, "kein ontologischer Unterschied". Jetzt komme ich mit dem präzisen semantisch-chirurgischem Messer und entferne dir dein Gewissen, schneide es vom Rest des Gehirns ab oder betäube es vorübergehend.

Was passiert?
1. Du wirst dich erheblich anders verhalten als vorher.
2. Du wirst Dinge anders beurteilen, als vorher.
2. Du wirst vermutlich immer noch glauben, du seist der selbe, wie vorher :lachtot:

AgentProvocateur hat geschrieben:Öhm, ja, das stimmt natürlich. Aber so habe ich es nicht gemeint, ich meinte es es als Gegensatz der beiden Fragen: a) "Ist das Bewusstsein frei?" und b) "Ist die Person frei?" Wobei ich a) als von Vorneherein als absurd empfinde, weil ein 'unabhängiges Bewusstsein' ein 'Bewusstsein an sich' annimmt, b) aber als sinnvoll. Natürlich muss man immer dazu fragen, in Bezug auf was X frei ist, eine 'Freiheit an sich' ist ein mE unverständliches Konzept. Das war aber nicht mein Punkt hier, wie gesagt.


Prima, jetzt kommen wir uns näher.
a) Unser Bewusstsein ist natürlich nicht frei und das ist auch weder "denkbar" noch wünschenswert. Das dürfte auch jedem klar werden, der etwas länger darüber nachdenkt.

b) Jetzt ist die Frage, was meinst du mit Person? Person ist ja nur ein größeres Konzept, das aber das Bewusstsein des Menschen mit einschliesst. Genauso wie das Unbewusstsein oder andere Instanzen des Gehirns Teil des Begriffs "Person" sind.

AgentProvocateur hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:...Wir können uns aber BEWUSST dafür entscheiden Informationen und Erfahrungen in unser Unterbewusstsein zu bringen.
Das ist Lernen! Das wird sich auch in unserem späteren Handeln niederschlagen.

Zufälligerweise bezeichne ich nun genau das als freien Willen, nämlich dass man aufgrund eigener rationaler Überlegungen / Abwägungen die Zukunft hinsichtlich der Erreichung seiner eigenen Ziele beeinflussen kann. Und dass man seine Ziele reflektieren und anpassen kann.


Damit sind wir beim Kern des Problems. Das, was du als "freien Willen" bezeichnest, ist kein "freier Wille". Die Vorgänge, die du beschreibst: "Überlegungen / Abwägungen /beeinflussen / Ziele reflektieren / anpassen" das kann auch ein Roboter, der einen Parcours durchfahren muss. Daran ist nichts "frei", sondern alles ist determiniert und durch innere und äussere Parameter gelenkt. Das ist aber auch gut so, denn nur so kann ein Mensch funktionieren. "Freiheit" wäre Unberechenbarkeit, Beliebigkeit im Handeln und Denken, eine völlig aberwitzige Vorstellung.

Wir müssen also nur Einsehen, dass wir nicht im absoluten Sinne frei sind und dies auch gar nicht erstrebenswert wäre. Wenn wir zu der Einsicht gelangen, dass wir unsere Handlungsmöglichkeiten erweitern können, können wir uns eventuell dafür entscheiden, uns möglichst viele Handlungsmöglichkeiten anzueignen, aus denen wir dann auswählen können. Das bezeichnen Leute wie Schmidt-Salomon als Handlungsfrieheit.

Ich dagegen sage, auch diese sogenannte "Handlungsfreiheit" ist keine wirkliche Freiheit, sondern ein Prozess, der in den verschiedensten Instanzen unseres Gehirns abläuft und schlussendlich unserem Bewusstsein - das in der Regel (aber nicht immer) auch am Entscheidungsablauf beteiligt ist - in Form einer Entscheidung gemeldet wird.

AgentProvocateur hat geschrieben:...was hast Du dann eigentlich dagegen einzuwenden, dass jemand (z.B. ich) meint, Willensfreiheit zu haben? Was sonst sollte Willensfreiheit denn eigentlich darstellen? Dass ich das wählen / wollen soll, was ich letztlich gar nicht will, wenn mein Entscheidungsvorgang abgeschlossen ist? Nee, oder, wäre doch absurd, nicht?


Ich störe mich an dem Begriff "Freiheit". Sagt doch einfach, du hast einen "Willen"!
Den kann dir niemand absprechen. Den reklamiere ich selbstverständlich für mich auch.
Ich weiss aber, dass dieser Wille nicht "frei" ist, sondern sehr streng determiniert, zwar hochkomplex und nicht im Einzelnen zu durchschauen, aber determiniert.

AgentProvocateur hat geschrieben:Frage: was genau ist ein 'soziopathisches Verhalten einer Person'? Was sind die Kriterien dafür? Gibt es Kriterien oder ist das nur ein (individuelles) Gefühl: 'der ist soziopathisch' und 'der könnte vielleicht eventuell gefährlich sein'? Und wenn Letzteres: das könnte auch jeder willkürlich von Dir denken, oder? Du wärest also immer in der Gefahr, einer Maßnahme zu Deiner 'Besserung' augeliefert zu sein, (was eine Einschränkung Deiner persönlichen Freiheit bedeutete), nicht wahr?


Soziopathisches Verhalten kann sich unterschiedlich äussern. Sanktioniert werden muss es dann, wenn andere Menschen in ihren grundlegenden Rechten massiv beeinträchtigt werden. Das ist letztendlich in den Einzelfragen eine gesellschaftliche Entscheidung.
Eine Gesellschaft hat selbstverständlich das Recht und in diesem Fall auch die Pflicht, ihre Mitglieder zu schützen. Dafür definiert die Mehrheit das, was sie als normal erachtet und wer sich daran nicht hält, muss mit Sanktionen rechnen. Die Mehrheit selbst, möchte aber selbstverständlich auch nicht sanktioniert werden, weshalb sie Sanktionen auch nur für Minderheitenverhalten codifiziert, das nicht hinnehmbar ist. Das sehen wir aktuell an der Datenvorratsspeicherung. Selbstverständlich möchten alle einen freien und unkontrollierten Zugang zum Internet. Wenn der Staat - in diesem Fall eine unfähige, weil verfassungsfeindliche Regierung - Gesetze erlässt, die diese Freiheit unangemessen einschränkt, kann sich der Bürger dagegen zu Wehr setzen und Regeln einfordern, die eine kriminelle Minderheit einschränken, aber nicht die nicht-kriminelle Mehrheit.


AgentProvocateur hat geschrieben:Aber was ist nun mit dem konkreten Steuerhinterzieher, der erwischt wurde und der nicht einsichtig ist? Was kann und was soll mit ihm geschehen? Darf man seine Rechte auf Selbstbestimmung einschränken (Art. 2 GG Abs. 1)? Oder nicht oder doch (z.B. Geldstrafe) und wenn ja: warum?



Sein Recht zur Selbstbestimmung ist schon durch die Pflicht der Steuerabgaben eingeschränkt. Das ist ja auch weitestgehend gesellschaftlicher Konsens.
Die Gesellschaft kann ihn natürlich auch bestrafen. Zum einen, um dem Steuerrecht zur Durchsetzung zu verhelfen, zum anderen, um eine Handlungsänderung herbeizuführen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Glaubst Du im Ernst, es gäbe einen Einheitsmenschen mit einer Einheitsmoral, eine objektive normative Wahrheit? Wie sollte das möglich sein? Wie sollte man die feststellen können?


Natürlich gibt es das nicht. Wie kommst du darauf?
Es gibt aber einen evolutionären Weg zur Wahrheit, Erkenntnis und Gerechtigkeit.
Der zeigt sich in den Wissenschaften, dem Rechtswesen und im humanistisch-aufgeklärten Denken der Menschen. Ein Einheitsdenken oder ein Einheitsmensch sind alles andere als erstrebenswert, weil sie Stillstand und Ende der Entwicklung bedeuten würden.

AgentProvocateur hat geschrieben:Mit anderen Worten: der Typ ist voraussichtlich keine zukünftige Gefahr mehr.


Das ist falsch. Wer einmal in dieser Form gemordet hat, hat gezeigt, dass er zum Töten aus niederen Beweggründen in der Lage ist und vernunftmäßig muss man einsehen, dass so ein Mensch gefährlich ist und es wieder tun kann. Zumal er die natürliche Ersthemmung beim Töten bereits einmal überwunden hat, wenn er sie überhaupt hatte.
Es gibt also gute Gründe, alles zu tun, um weitere Taten zu verhindern.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir nun an, es gelingt Dir nicht, ihn zu einer Einsicht dazu zu bringen, dass er moralisch falsch gehandelt hat, Deine Bemühungen fruchten nicht. Was dann? Was schlägst Du vor?


Ich würde ihn dennoch durch die Schulen schicken. Dann dürfte er sich von Kindern und Jugendlichen erklären lassen, warum sein Handeln gesellschaftlich nicht hinnehmbar ist. :lachtot:
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 7. Mär 2010, 13:44

Qubit hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:"Die Freiheit" ist ein Hirngespinst!


Ja, "die Freiheit ist ein Hirngespinst".
Aber eins, das man sich frei auswählen kann =)



Nein, frei auswählen kann man sich das nicht!
Aber man kann sich einbilden, man hätte sie sich frei ausgewählt :2thumbs:
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 7. Mär 2010, 14:40

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Wortklaubereien bringen uns nicht weiter. Natürlich züchten Ameisen nicht wie Menschen das tun.

Wenn du die ganze Zeit von züchten redest, dann denke ich auch, dass du das meinst.


Richtig, ich meine das auch. Mir ist aber klar, dass es nicht das gleiche Züchten ist, das Menschen mit Rindviechern oder Schweinen betreiben. Ameisen züchten durch Aufzucht, Hege, Pflege und Aussortierung, einen Bestand an Pilzen oder Läusen, der ihren Anforderungen entspricht. Sie züchten sich sogar selbst, ua durch das Verfahren, mit dem sie ihre Königin bestimmen. Ähnliches finden wir bei Wolfsrudeln, oder Löwen, bei denen Alphatiere an der Spitze des Rudels den Genpool kontrollieren. Nicht zuletzt dadurch, dass sie zB die Nachkommen anderer Männchen töten, bevor sie die Löwinnen mit ihren eigenen Genen schwängern.

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Ohne Familie, Sippe oder Gesellschaft sind wir NICHTS! .... Ein menschlicher Säugling, der nur genährt, aber nicht unterrichtet würde, bliebe intellektuell auf dem Niveau eines Schimpansen.

Kannst du das überhaupt wissen? Gibt es dafür Belege?


1. Ist es logisch: Wie soll ein neugeborener Mensch den aufrechten Gang, das Werkzeug oder Waffen herstellen, das Radfahren lernen, wenn es ihm niemand beibringt? So intelligent sind wir eben nicht. Es ist erst die Kultur, die unsere Überlegenheit ausmacht.

2. Es gibt sehr seltene Fälle von Wolfskindern, bei denen man dies beobachten kann. Normalerweise haben die NULL Chance in der Natur zu überleben. Wäre die Chance nur minimal größer - zB wenn wir als Individuen anderen Tieren ebenbürtig wären - gäbe es viel mehr Wolfskinder und man hätte sie mit Fähigkeiten entdeckt, die sie sich selbst angeeignet haben müssten.

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Nochmal: Niemand ist frei! Es gibt nur Freiheit IN BEZUG AUF irgendetwas.

Niemand ist frei, es gibt nur manche Freiheiten. Und wenn es manche Freiheiten gibt, ist niemand frei. Siehst du den Widerspruch?


Nein, das ist Unsinn. Es gibt keine ABSOLUTE Freiheit. Es gibt nur eine RELATIVE Freiheit in einem konkreten Bezug.

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Natürlich kann sich ein Süchtiger uU. von der Sucht befreien. Dann ist er frei von der Sucht, nicht mehr und nicht weniger.

Ja und er hat die Freiheit mit einer gewissen Möglichkeit frei zu werden und das ist auch eine Teil-Freiheit.


Nein, er hat keine Freiheit frei von den Drogen zu werden. Es besteht für ihn die Möglichkeit von Drogen loszukommen. Das ist aber etwas anderes, als eine "freie Entscheidung" für oder gegen Drogen. Das ich mich gegen Drogen "entscheide" ist auch keine "freie Entscheidung", sondern Ergebnis meiner Sozialisation und genetischen Anlagen.

xander1 hat geschrieben:Wenn es nach dir ginge, müsste man Gott sein, damit man frei ist und alles andere wäre Unfreiheit.


Auch Gott wäre nicht frei, wenn es ihn/sie/es gäbe!
Ich schrieb bereits in meinem Ausgangsbeitrag, dass es diese absolute Freiheit nicht geben kann. Sie ist ein Hirngespinst, genauso wie der Begriff Gott.

xander1 hat geschrieben:Damit verrätst du eigentlich schon dein Geheimnis, dass es nur eine Frage der Betrachtungsweise ist. Kein Wunder dass einige der Meinung sind, dass du uns veräppelst.


Ich erwarte nicht, dass mir jeder folgen kann. Meine Ansicht geht schliesslich sogar über das hinaus, was Schmidt-Salomon oder andere kluge Deterministen vertreten. Wer sich veräppelt fühlt, ist entweder überfordert oder hat andere Assoziationen zu den Begrifflichkeiten.

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Spiele den "Libet-Effekt"

Ja ich könnte auch googeln, aber entweder du zeigst einen Link, was sicher schnell gehen würde, oder du sagst ein paar Worte dazu. Wenn du schon von etwas schreibst, was unbekannt ist, dann würde ich an deiner Stelle nicht erwarten, dass andere gleich eifrig danach suchen werden, wenn du eigentlich in der Position bist überzeugen zu wollen. Das bist du doch, oder? Oder willst du dir keine Mühe geben?


Wenn du noch nicht einmal von Libet gehört hast, frage ich mich, wie du dich an dieser Diskussion beteiligen willst. Ich sehe mich tatsächlich nicht in der Pflicht derartige Grundlagen zu vermitteln, dazu ist die Thematik viel zu komplex. Ich gehe ja auch nicht in ein christliches Forum und versuche dort mit Leuten über Determinismus zu diskutieren.

xander1 hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Ich bin nicht in der Pflicht nachzuweisen, dass es keinen Indeterminismus gibt. Genausowenig muss ich nachweisen, dass es keinen Gott gibt.
Dafür verschwende ich keine Energie :mg:

Naja man muss atmen und essen und trinken, aber wenn du diese Prämisse nicht erfüllen kannst, dann kippt dein Modell, dass wir unfrei sind.


Was soll das jetzt für eine Logik sein? Wer sich weigert zu essen, wäre ein Beweis für einen "freien Willen", oder was? :erschreckt:

xander1 hat geschrieben:Das müsstest du eigentlich wissen. Dein Modell steht also auf wackeligen Füßen, genauso wie die allgemeine Meinung der Philsophen heutzutage, dass wir keinen freien Willen haben.


Jeder, der diese Tatsache einmal wirklich durchschaut hat, weiss wie unumstösslich sie ist.
So sicher, wie die Erde um die Sonne kreist, der Mensch einer Evolution entstammt und unser Ich einem unzugänglichem Unbewussten entstammt, so sicher ist, dass es einen freien Willen nicht gibt. :up:
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Pete » So 7. Mär 2010, 14:57

Das Problem mit dem freien Willen ist ganz einfach.

Wäre er frei, so müssten wir uns ständig entscheiden, was wir wollen. Das ist tatsächlich auch manchmal der Fall. Die meisten Dinge was den Willen betreffen gehen aber automatisch, da er tastächlich nicht frei, sondern bedingt ist.
Wir sind aber meist frei zu tun was unser bedingter Wille vorgibt.

Dennoch können wir den Willen etwas aus seiner Bedingtheit befreien und so zusagen seinen Rahmen etwas erweitern. Was wir wollen ist ja geprägt auch Erfahrungen, Bildung und Genetik bzw. Evolution. Zumindest unsere Erfahrungen können wir beeinflussen in dem wir sie z.B. analysieren oder auch bewusst bestimmte Erfahrungen suchen. Bildung ist ganz klar ein Punkt, den wir beeinflussen können. Dieser Punkt hat auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss.
Gleichzeitig können wir durch Übung - z.B. durch Meditation - bewusst einen Zwischenschritt einbauchen zwischen Impuls und Reaktion, was auch nach und nach im Großen eine Rolle spielt in der Hinterfragung unseres Willen.
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Re: Freiheit - ein Hirngespinst

Beitragvon Dissidenkt » So 7. Mär 2010, 15:50

Pete hat geschrieben:Dennoch können wir den Willen etwas aus seiner Bedingtheit befreien und so zusagen seinen Rahmen etwas erweitern. Was wir wollen ist ja geprägt auch Erfahrungen, Bildung und Genetik bzw. Evolution. Zumindest unsere Erfahrungen können wir beeinflussen in dem wir sie z.B. analysieren oder auch bewusst bestimmte Erfahrungen suchen. Bildung ist ganz klar ein Punkt, den wir beeinflussen können. Dieser Punkt hat auch einen nicht zu unterschätzenden Einfluss.


Das sehe ich genauso! :2thumbs:
Bildung und Erfahrungen sind der Schlüssel zu einem erweiterten Handlungsspielraum.
Mit dieser Einsicht können wir bewusst Einfluss auf unser Gehirn nehmen, bevor es Entscheidungen trifft.

Wenn ich mich entschliesse Kampfsport zu betreiben und mit Hooligans abhänge, werde ich einen anderen Menschen aus mir machen, als wenn ich meditiere und meine Freizeit mit Buddhisten verbringe.
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