ostfriese hat geschrieben:Prinzipiell halte ich es für sehr wichtig, denen, die man von blindem Glauben zu kritischem Denken umpolen möchte, ein seelsorgerisches Angebot zu machen.
Das ist doch mal ein Wort! Wäre ich auch unbedingt dafür!
- soziale Geborgenheit
Ja, eine Funktion, wo ich sonst keinen Ort mehr kenne, der dies für Erwachsene erfüllt. Wo man auch offen sein kann, mit seinen Problemen. Und: Zumindest in guten Gemeinden: Auch mit seinen Zweifeln an Gott, Hass auf Gott, oder Unglauben...
- zutreffendes Weltbild, Letzterklärung des Seienden
Da gibt es für mich nur eine einzige Erklärung: Was ist das ist. Die Frage ist höchstens, ob man sagen darf: Die Dinge sind gut so wie sind (weil Gott sie so gewollt hat). Oder ob man sich über alles Gedanken machen muss, ob es nicht noch besser ginge - wegen der Selbstverantwortung.
- sinnvolles Handeln, Letztsinn des persönlichen Daseins
Nicht nur "Handeln" wäre gut, sondern auch wie man seine Gedanken und v.a. die Gefühle sinnvoll steuern kann. (Entschuldigung, aber ich kann es mir nicht verkneifen: V.a. im Hinblick auf die riesige Verantwortung, die man als Bright irgendwie tragen können muss und der man gerecht werden können muss. Jederzeit. Rund um die Uhr und das ganze Leben lang...)
- Erlösung von Leiden, Aufhebung der Sterblichkeit
Anspruch 1 werden Atheisten und Naturalisten künftig genauso gut bedienen können wie Christen.
Die Behauptungen der Religionen zu 2 bis 4 sind unschlüssig und werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten, hier sind Atheismus und Naturalismus klar im Vorteil und können dies begründet darlegen.
Zu Punkt 5 können wir letztlich nur vorbringen, dass Naturgesetze kein Wunschkonzert sind und man das ewige Leben nicht dadurch erzwingt, dass man daran glaubt. Wer dies mit "Doch!" erwidert, dem ist wahrscheinlich nicht zu helfen...
Dem Wunsch nach dem Aufheben der rein physischen Sterblichkeit kann der Athesmus sicher nicht befriedigen. Aber wie ist es denn mit der Sicherheit, dass jeder Tod, der im Leben stattfindet oder auch nur stattfinden könnte, überwunden werden kann? Was ist mit dem Vorbild, was Christen in Jesus Christus sehen, wie er mit dem Wissen um seinen Tod umgegangen ist, mit der Angst und mit dem Schmerz und der Einsamkeit bei seinem Tod am Kreuz? Wie ist es mit dem Wissen, dass (und v.a. WIE) man das alles überwinden kann, in dem man es loslässt? Ich denke, in diesem Sinne könnten auch Brights sinnvolle Strategien sammeln zum Umgang mit dem Tod, mit dem man im Leben schon immer wieder konfrontiert wird. Tod von Träumen, IdeaVORBILDERlen, Zielen, Abschied von Orten, von Menschen und Tieren, von Gedanken, Einstellungen, Hoffnungen, falschen Vorstellungen, von Fähigkeiten und von Geld und letztlich irgendwann auch von seinem eigenen Leben - oder dem der Eltern - wenn man gerade 5 Jahre alt geworden ist...
Auch wie man Vorbilder findet...
Und vom Leid können nicht nur Christen erlöst werden. Der wahrscheinlich berühmteste und wirkungsvollste Entdecker eines sicheren Weges zur Erlösung von Leid war Buddha.
Die Psychologieprofessorin Marsha M. Linehan schreibt in Ihrem Script zur Dialektisch-Behavioralen-Therapie auf Seite 66:
"Was ist der Unterschied zwischen Schmerz und Leid?
Schmerz ist teil des Lebens und kann nicht immer vermieden werden. Im Gegenteil, manchmal müssen unangenehme Gefühle ertragen werden, da die Stituation sich nicht verändern lässt. Versuchen wir Schmerzen zu vermeiden und zu verdrängen, leiden wir oft noch mehr darunter. Leid besteht aus Schmerz und dessen Nicht-Akzeptanz. Leiden entsteht, wenn Menschen an dem haften, was sie wollen, und sich weigern, das anzunehmen, was sie haben. Leiden ist schwieriger zu ertragen als Schmerzen. Nur mit Hilfe von radikaler Akzeptanz kann man Leiden in Schmerzen verwandeln."
Ich behaupte, dass es möglich ist, sich von allem oder fast allem Leid durch radikale Akzeptanz zu erlösen.
Die entscheidende Frage, um die es in diesem Board gehen sollte, ist aber, wo nimmt man das Vertrauen her, dass das so ist? Und wo das Vorbild?
Wer sich auf das Abenteuer "Denken statt Glauben" erst einmal eingelassen hat, der braucht keine Bibeln und kein Manifest mehr, der wird an tausend Stellen fündig.
Denken hilft mir in vielen Situationen wirklich nicht mehr weiter! Nähmlich immer dann, wenn ich zu dem Schluss komme, dass alles furchtbar ist und sich auch nichts mehr ändert. Gestern habe ich z.B. erfahren, dass der Vater einer guten letztlich, nach langem und harten Kampf, 1/2 Jahr Schmerzen, nur im Krankenhaus im Bett liegen und max. noch mit aller Kraft den Arm bewegen aber nicht mal mehr Sprechen können, wo es zwischendurch so gut aussah - aber leider immer und immer wieder Komplikationen aufgetreten sind, letztlich doch gestorben ist.
Auf was für "Lösungen" soll ich da mit Denken noch kommen? Dass die Menschen auf dieser Welt zum grössten Teile grausame, sadistische Monster sind - selbst wenn man es ihnen nicht anmerkt? Die Ursache für den Tod waren nähmlich 2 ärztliche Kunstfehler. Der erste war schon vor Jahren, hat ihn von da an seine Gesundheit gekostet. Vorher war er vital und fit und konnte Arbeiten. Danach konnte er nur noch im Pflegeheim im Bett liegen. Tja und die nächste OP war dann sein Tod - incl. Sterbeprozess von einem 1/2 Jahr... Da hilft mir nur Vertrauen - also Glauben daran, dass die Dinge eben gut so sind, wie sie sind.
LG,
PW_