Humanismus contra Religion

Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Gernot Back » Mo 26. Apr 2010, 11:18

Hallo Arathas!

Arathas hat geschrieben:Was denkst du, wieviele katholische (und gläubige) Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren gibt es wohl, die schonmal einen Seitensprung begangen haben? Glaubst du, deren Anzahl wäre bedeutend kleiner als die derjenigen, die keiner Religion angehören und schonmal einen Seitensprung begangen haben?
(...)
Ich bin Atheist, aber in den 10 Jahren, die ich jetzt mit meiner Freundin zusammen bin, war ich strikt monogam. Weil ich das wollte. Um meiner Freundin nicht weh zu tun - eine ganz einfache, rational begründbare Handlungsweise.

Das würde ich schon als zwanghaftes Verhalten ansehen: Du solltest dir ihretwegen nichts nur mit Rücksicht auf sie verkneifen, sondern -wenn überhaupt- lieber, weil du mit dem, was sie dir gibt, voll und ganz zufrieden bist, gar nicht erst auf die Idee eines Seitensprungs kommen.

Männer, die sexuell mit anderen Männern verkehren, sehen das untereinander meist lockerer: Für mich und meinen Freund ist es selbstverständlich, dass wir uns unsere sexuellen Abenteuer mit unterschiedlichen, teilweise sogar denselben Dritten (egal ob gleichzeitig oder nacheinander) gegenseitig gönnen. Das tut unserer Liebe keinen Abbruch, im Gegenteil: Ich würde darin sogar sogar eine moralische Überlegenheit gegenüber Menschen sehen, die sich das in eifersüchtiger Weise gegenseitig verwehren.

Diese ganzen religiös verbrämten Keuschheits-, Monogamie- und Treueforderungen haben historisch gesehen ja auch nichts mit Romantik zu tun, sondern es handelt sich um ein evolutionäres Relikt aus den Zeiten vor Erfindung von Verhütungsmitteln, wo sie ursprünglich dazu dienten, ökonomisch stabile Verhältnisse zur Aufzucht der Brut sicherzustellen.

Gruß Gernot
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Mo 26. Apr 2010, 12:46

Gebote sind eine Richtschnur, das ist vergleichbar mit Tempo 130 auf der Autobahn.
Ob man das halten will oder nicht ist jedermanns eigene Sache, aber man weiß, innerhalb welcher Grenzen es vernünftig zugeht. Und man muss sich immer bewusst sein, dass man andere bei Nichteinhaltung gefährdet.

Gernot Back hat geschrieben:...teilweise sogar denselben Dritten (egal ob gleichzeitig oder nacheinander) gegenseitig gönnen.
Das ist wie mit 300 auf der Autobahn. Schlimmstenfalls hat das ein tödliches Ende.

LG stine
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Arathas » Mo 26. Apr 2010, 13:06

Gernot Back hat geschrieben:Das würde ich schon als zwanghaftes Verhalten ansehen: Du solltest dir ihretwegen nichts nur mit Rücksicht auf sie verkneifen, sondern -wenn überhaupt- lieber, weil du mit dem, was sie dir gibt, voll und ganz zufrieden bist, gar nicht erst auf die Idee eines Seitensprungs kommen.


Öhm, hallo? Ich bin ein Mann. :mg: Und das bedeutet, dass ich durchaus gerne auch mal Sex mit ner anderen Frau als meiner Freundin hätte. Reinen körperlichen ungezwungenen Sex aus Spaß am Sex und wegen nix anderem. Das hat gar nichts damit zu tun, dass ich mit ihr als Freundin nicht voll und ganz zufrieden wäre. Monogamie ist halt, wie du schon bemerkt hast, nicht gerade die natürlichste Sache der Welt. Zumindest nicht für meine Libido, die erzählt mir andere Sachen. :^^:

Und ja, für mich wäre es durchaus OK und denkbar, das so zu regeln wie du es mit deinem Freund tust. Habe auch schon mit ihr drüber gesprochen. Und rausgefunden, dass sie sich nicht nach Sex mit einem anderen sehnt. Und dass sie es überhaupt nicht OK fänd, wenn wir eine Beziehung führen würden, wie du sie führst. Sie wäre nunmal verletzt. Und deshalb ist es genau so, wie ich es gesagt hab: Ich bin aus Liebe zu ihr monogam. Würde sie sagen: "Hey, ich will diesen scharfen Typen da vögeln, geht das in Ordnung, wenn du dafür auch rumvögeln darfst?" - Ich würde sofort drauf eingehen und das Angebot akzeptieren. :mg: Schön für dich, wenn du und dein Partner das so sehen und ihr eure Beziehung so auf die Reihe kriegt. Bei meiner Beziehung würde das einfach nicht gehen - und ich bin auch nicht traurig drüber. =)
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon ujmp » Mo 26. Apr 2010, 13:13

stine hat geschrieben:Gebote sind eine Richtschnur, das ist vergleichbar mit Tempo 130 auf der Autobahn.


Es ist nicht ganz dasselbe. Dass bestimmte Gesetze zum Vorteil für die Teilnehmer einer Gesellschaft sind, ist einsehbar. Das aber ein Gesetz gottgegeben und damit unfehlbar ist, ist nicht einsehbar. "Du sollst nicht stehlen" ist ok, aber die Begründung "Weil das Gott will" ist falsch. Es gibt jede Menge göttliche Willensbekundungen, die nach heutigen Maßstäben Unmenschliches verlangen. Sollen wir einen Jugendlichen steinigen, weil er seinen Eltern ungehorsam ist - bloß weil das Gott gesagt hat?

Ich komme mal wieder nicht umhin, eine gewisse Selbstüberschätzung auf christlicher Seite zu monieren: Als ob die Moral aufhören würde, bloß weil die Menschen nicht mehr an Gott glauben. Ich sags mal mit Nietzsche "Es kommt nur darauf an, was man als seinen Vorteil versteht - gerade das rohe Individuum ... wird ihn auch am rohesten verstehen".
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Gernot Back » Mo 26. Apr 2010, 13:17

Hallo Stine!

stine hat geschrieben:
Gernot Back hat geschrieben:...teilweise sogar denselben Dritten (egal ob gleichzeitig oder nacheinander) gegenseitig gönnen.
Das ist wie mit 300 auf der Autobahn. Schlimmstenfalls hat das ein tödliches Ende.

Das ganze Leben hat ein tödliches Ende.

Aber im Ernst: darauf willst du ja wahrscheinlich gar nicht hinaus; sei da mal ganz beruhigt, Stine:

Unsere moralische Überlegenheit zeigt sich u.a. auch darin, dass wir mit der Gefahr einer Ansteckung durch sexuell übertragbare Krankheiten von/an Dritten bei weitem bewusster umgehen, als dies viele Heterosexuelle zu tun pflegen, die zu einem erschreckend großen Teil sogar beim Anal- und Vaginalverkehr keine Kondome benutzen, weil sie dies zu einem Vertrauensbeweis in einer (sequentiell) "monogamen" Beziehung pervertieren.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Arathas » Mo 26. Apr 2010, 13:27

Gernot Back hat geschrieben:Unsere moralische Überlegenheit zeigt sich u.a. auch


Du musst bedenken, dass ihr zwei Männer seid. Ich als Mann könnte mir wie gesagt durchaus vorstellen, eine offenere Beziehung mit meiner Freundin zu haben. Aber da sie dies nicht kann und will, tue ich es nicht. Es wäre nicht gerade ein Zeichen von moralischer Überlegenheit, wenn ich dennoch fremdgehen würde. Oder? :/

Ich denke, unter Männern ist das Ganze (meist) etwas anderes als bei Hetero-Paaren. Frauen reagieren zum Teil allergisch darauf, wenn ihre Männer fremdgehen mit der Begründung, dass dies ihre moralische Überlegenheit demonstriert. :mg:
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Gernot Back » Mo 26. Apr 2010, 14:01

Hallo Arathas!

Arathas hat geschrieben:Es wäre nicht gerade ein Zeichen von moralischer Überlegenheit, wenn ich dennoch fremdgehen würde. Oder? :/

Nein, ganz im Gegenteil, aber genau das passiert ja umso häufiger, je unterschiedlicher die beiden Partner diesbezüglich ticken, übrigens auch in schwulen Beziehungen.

Arathas hat geschrieben:Ich denke, unter Männern ist das Ganze (meist) etwas anderes als bei Hetero-Paaren. Frauen reagieren zum Teil allergisch darauf, wenn ihre Männer fremdgehen mit der Begründung, dass dies ihre moralische Überlegenheit demonstriert.


Worauf beziehst du hier den Possesivartikel "ihre" auf die fremdgehenden Männer selbst oder auf die Frauen, die ihren Männern das gönnen? In letzterem Fall zeugt es meines Erachtens tatsächlich von Größe, wenn eine Frau es schafft, sich von ihrem biologischen Programm zu emanzipieren. Eine gewisse Bewunderung kann ich aber auch so jemandem wie dir nicht absprechen, der du ja im Prinzip aus Liebe zu deiner Frau nichts anderes machst. Ich finde es wirklich schade, und das sage ich als Schwuler jetzt ganz ohne Häme, dass Frauen und Männer im Grunde so wenig zueinander passen.

Tröste dich, vielleicht ist eine heterosexuelle Beziehung im Ausgleich dafür ja auch "leidenschaftlicher". Der Ausdruck hat ja wohl nicht von Ungefähr etwas mit "Leiden" zu tun. :(

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Mo 26. Apr 2010, 15:31

ujmp hat geschrieben:Dass bestimmte Gesetze zum Vorteil für die Teilnehmer einer Gesellschaft sind, ist einsehbar. Das aber ein Gesetz gottgegeben und damit unfehlbar ist, ist nicht einsehbar. "Du sollst nicht stehlen" ist ok, aber die Begründung "Weil das Gott will" ist falsch.
Spätestens hier drehen wir uns doch im Kreis, nicht wahr?
Die Gebote basieren auf einer kulturell religiösen Erziehung. Wenn ich nun diese kulturelle Basis ablehne, weil ich einen Gottesbeweis brauche, eh ich solcherlei Gebote anerkenne, dann muss ich für die Erziehung meiner Kinder allgemeingültige Alternativen schaffen, die gesellschaftlich vertretbar sind.
Du sollst nicht stehlen, weil Papi das sagt, wäre keine Alternative, weil nicht allgemeingültig. Dies kann in der Schule nicht gelehrt werden, weil es Kinder ausschließt, die keinen Papi zu Hause haben.
Du sollst nicht stehlen, weil das Eigentumsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist, wäre da schon eher eine Alternative, ist aber politisch bedingt und damit keine unumstößliche Regel.

Nun beinhalten aber die christlichen Regeln des Zusammenlebens noch mehr, als das Eigentumsrecht. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut, zB. Das steht nicht im BGB und ist dennoch eine sinnvolle Regel, weil der Neid ein schlechter Ratgeber ist und die Menschen nur unglücklich macht.
Und da kannst du jedes der Gebote nehmen, als Richtschnur sind sie durchaus zu gebrauchen. Und der Witz dabei: Sie sind überall in der christlichen Welt gleich. Da braucht niemand etwas neu dazu erfinden.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon ujmp » Mo 26. Apr 2010, 16:05

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Dass bestimmte Gesetze zum Vorteil für die Teilnehmer einer Gesellschaft sind, ist einsehbar. Das aber ein Gesetz gottgegeben und damit unfehlbar ist, ist nicht einsehbar. "Du sollst nicht stehlen" ist ok, aber die Begründung "Weil das Gott will" ist falsch.
Spätestens hier drehen wir uns doch im Kreis, nicht wahr?

Zu wissen, dass das passieren kann, ist schon mal ein guter Ansatz...

stine hat geschrieben:Wenn ich nun diese kulturelle Basis ablehne, weil ich einen Gottesbeweis brauche,

Ich brauche keinen Gottesbeweis und keinen Rumpelstilzchenbeweis.

stine hat geschrieben: Du sollst nicht stehlen, weil Papi das sagt, wäre keine Alternative, weil nicht allgemeingültig. Dies kann in der Schule nicht gelehrt werden, weil es Kinder ausschließt, die keinen Papi zu Hause haben.,

Diese Alternative ist dein Einfall. Sieh mal aus dem Fenster: So was fällt da draußen kaum jemanden ein.

stine hat geschrieben:Du sollst nicht stehlen, weil das Eigentumsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist, wäre da schon eher eine Alternative, ist aber politisch bedingt und damit keine unumstößliche Regel.

Es gibt keine unumstößliche Regel.

stine hat geschrieben:Nun beinhalten aber die christlichen Regeln des Zusammenlebens noch mehr, als das Eigentumsrecht. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut, zB. Das steht nicht im BGB und ist dennoch eine sinnvolle Regel, weil der Neid ein schlechter Ratgeber ist und die Menschen nur unglücklich macht.

Das kann man alles gerne lehren, dazu ist aber kein Christentum nötig. Außerdem pickst du dir mal wieder Beispiele aus der chrsitlichen Lehre raus, die dir durch deine humanistische Erziehung "gut" erscheinen. Ich hab ja ein Gegenbeipiele genannt. Es gibt ganz viele davon. Was den Christen am Christentum gefällt ist der Humanismus, den Rest verstecken sie im Giftschrank.


stine hat geschrieben:Und da kannst du jedes der Gebote nehmen, als Richtschnur sind sie durchaus zu gebrauchen. Und der Witz dabei: Sie sind überall in der christlichen Welt gleich. Da braucht niemand etwas neu dazu erfinden.

Viele Richtschüre sind nicht nur in der christlichen Welt gleich, weil sie im Menschen angelegt sind. Wenn das Chrsitentum sich nun hinstellt und behauptet, es wäre für dieser Verhaltensweisen die Ursache ist das etwa so, wie wenn ein katholischer Geistlicher sich auf Kosten von Waisenhauskindern bereichert: Beschiss.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Mo 26. Apr 2010, 16:14

ujmp hat geschrieben: Außerdem pickst du dir mal wieder Beispiele aus der chrsitlichen Lehre raus, die dir durch deine humanistische Erziehung "gut" erscheinen. Ich hab ja ein Gegenbeipiele genannt. Es gibt ganz viele davon. Was den Christen am Christentum gefällt ist der Humanismus, den Rest verstecken sie im Giftschrank.
Und?
Wenn das das Ergebnis einer weltlich christlichen Erziehung ist, dann wäre das doch der Beweis dafür, dass es sich hierbei um ein erfolgreiches Modell handelt.
Das Problem, welches ich aufzeigen wollte ist, wie der Threadtitel schon vermuten lässt, dass der Humanismus allein gestellt, noch keine Erziehungsmethode ist, sondern nur eine philosophische Weltanschauung, die den Menschen in die Mitte stellt.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon platon » Mo 26. Apr 2010, 21:53

stine hat geschrieben:Da bin ich ganz anderer Meinung.

Dann mal los: Was sagt ein Achtjähriger zu: Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Weib! Oder:
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.?
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon platon » Mo 26. Apr 2010, 22:00

stine hat geschrieben: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut, zB. Das steht nicht im BGB und ist dennoch eine sinnvolle Regel, weil der Neid ein schlechter Ratgeber ist und die Menschen nur unglücklich macht.

Das ist Quatsch. Dieses Gebot verbietet das Denken. Der Gedanke, dass das Haus des Nachbars mir ebenfalls gut gefallen könnte, ist ein Gedanke, nicht mehr. Und die Gedanken von Männern beim Anblick gut aussehender Frauen (vielleicht auch umgekehrt?) sind evolutionär vorgegeben und entziehen sich unserer Steuerung. Das diese Dinge "Sünden" seien sollen ist ein groteskes Kasperltheater.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Di 27. Apr 2010, 07:49

platon hat geschrieben:Dieses Gebot verbietet das Denken.
Du darfst denken, was du willst, solange dir bewusst ist, ob es ein guter oder ein schlechter Gedanke ist. :mg:

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Arathas » Di 27. Apr 2010, 09:53

stine hat geschrieben:dann muss ich für die Erziehung meiner Kinder allgemeingültige Alternativen schaffen, die gesellschaftlich vertretbar sind.
Du sollst nicht stehlen, weil Papi das sagt, wäre keine Alternative, weil nicht allgemeingültig.


Was spräche denn dagegen, diese Dinge Kindern einfach so zu erklären, wie sie sind? Wenn ich einen 6-jährigen Sohnemann hätte, der von mir wissen will, warum man nicht stehlen soll, dann würde ich ihm erklären, dass eine Gesellschaft, in der viele Menschen auf engen Raum zusammenleben, nicht funktionieren würde ohne bestimmte Regeln und Gesetze. Ich würde ihm erklären, was passieren würde, wenn es das "Du sollst nicht stehlen"-Gesetz nicht gäbe und welche Konsequenzen daraus erwüchsen.

Ich würde es einem Kind vor allem mit dem Vergleich eines Spiels näherbringen: Man muss sich an die Regeln des Spiels nicht halten, aber wenn man sich nicht daran halt (also falsch spielt bzw. bescheißt, denn mit diesen Konzepten können auch Kinder was anfangen) und entdeckt wird, dann muss man auch bedenken und akzeptieren, dass man dafür bestraft wird. Hält man sich jedoch an die Spielregeln, klappt das Zusammenleben mit anderen Menschen besser und man wird nicht bestraft.


Ich sehe keinen Grund, Kinder wie minderbemittelte Idioten zu behandeln und ihnen zu sagen "Das ist so, weil Papi das sagt" oder "Das ist so, weil Gott das sagt".
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Di 27. Apr 2010, 15:49

Arathas hat geschrieben:Ich würde es einem Kind vor allem mit dem Vergleich eines Spiels näherbringen: Man muss sich an die Regeln des Spiels nicht halten, aber wenn man sich nicht daran halt (also falsch spielt bzw. bescheißt, denn mit diesen Konzepten können auch Kinder was anfangen) und entdeckt wird, dann muss man auch bedenken und akzeptieren, dass man dafür bestraft wird.

Der Unterschied zur religiösen Erziehung ist, dass auch Schandtaten als bemerkt gelten, die kein Erdenbewohner mit angesehen hat. Es schult sozusagen das Gewissen, auch wenn man alleine ist.
Der Idealfall ist doch, dass man aufgrund dessen nichts mehr anstellt, dann braucht es auch keine irdische Strafe mehr.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Nanna » Di 27. Apr 2010, 22:51

Und die Realität ist doch, dass genau dieser Gedanke bei vielen Menschen Schuldkomplexe auslöst, von denen sie sich dann u.U. auch noch durch bizarre Rituale zu reinigen versuchen (100x das Vaterunser aufsagen beispielsweise).

Zudem funktioniert auch dieses System wieder nur aufgrund der Furcht vor Strafe. Sorry, aber das erinnert mich immer an Experimente zu positiver Konditionierung an Tieren, die u.a. Stromschläge beinhalten. So, wie Arathas eine Erklärung für ein Kind skizziert, baut dieser Weg in erster Linie auf Einsicht und erst in zweiter, wenn gewisse egoistische Triebe halt nicht anders einzuhegen sind, auf Strafe. In der religiösen Erziehung dagegen ist alles, was dem religiösen Regelwerk widerspricht, schlimmstenfalls sogar alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, eine Sünde, unabhängig davon, ob es nun tatsächlich gemeinschafts- bzw. selbstschädigend war oder nicht. Unehelicher Sex beispielsweise fällt meist in diese Kategorie. Nicht nur, dass diese willkürliche Maßregelung keinen konkreten Nutzen für eine moderne Gesellschaft hat, sie schürt auch eine völlig unbegründete Angst vor der ultimativen Strafe, nämlich der Hölle oder vergleichbarer Schreckensszenarien. Mancher Gläubiger wird schon allein deshalb psychische Schmerzen empfinden, weil er seine Vaterersatzfigur "Gott" enttäuscht hat und den Verlust der Wertschätzung und Aufmerksamkeit fürchtet, zumindest sofern er nicht irgendwelches devoten Verhaltensweisen ausführt ("um Vergebung flehen"), womit wir wieder bei den bizarren Ritualen wären.

Wer, wie Gott, seine Kinder nur durch die Androhung brutaler Strafen disziplinieren kann, der eignet sich nicht als Schutzherr einer gereiften Gesellschaft, die ihren Mitgliedern Freiheit anbietet und im Gegenzug Verantwortung fordert. Übrigens, bei dem Machtgefälle, das zwischen Gott und seinen Geschöpfen herrscht und dem Strafverhalten, das ihm zugeschrieben wird, bewegt der Gute sich schon haarscharf an der Grenze zur Misshandlung. Von solchen Erziehungsstilen halte ich nichts, die fördern nur Denkfaulheit, Heimlichtuerei und Schuldkomplexe, sowas braucht kein Mensch außer Pharmareferenten für Psychopharmaka.
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon stine » Mi 28. Apr 2010, 06:41

Dass ihr nicht von diesem strafenden und eogoistischen, alttestamemtarischen Gott lassen könnt?
Ist wohl ein gutes Stilmittel, tief verankert, um alles Religiöse konsequent abzulehnen?
Das Bild welches du beschreibst kann nur die Folge falschverstandener Bigotterie sein und zeigt niemals einen aufgeklärten Christen.

Gerade die christliche Erziehung baut auf Einsicht und Rücksicht und nicht auf körperliche Züchtigung. Klar, ich weiß, jetzt werdet ihr wieder die Fehlhaltungen einzelner Kirchendiener aus der Vergangenheit aufzählen, aber die sind wie alle anderen Fehlhaltungen auch menschlichen Ursprungs und der Zeit, in der sie stattfanden, zu zollen. Da gab es auch reihenweise weltliche Schullehrer und Lehrerinnen die ihre Erziehungsmethoden mit dem Tatzensteckerl und Schlimmeren unterstrichen.

Nanna hat geschrieben:...Schutzherr einer gereiften Gesellschaft...
Du sprichst von einer Gesellschaft der Erwachsenen und ich spreche von Kindern und Jugendlichen, die noch reifen müssen. Sie sind erst auf dem Weg in diese Gesellschaft und brauchen einen kulturellen Boden, der kein politischer ist.

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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Pete » Mi 28. Apr 2010, 16:21

Die Frage, die Stine doch bereits gestellt hat (zwar nicht wörtlich aber impliziert) ist doch...

wie stellen wir uns eine Erziehung unserer Kinder vor, ohne Religion, die aber dazu fähig ist unseren Kindern den nötigen Rahmen zu geben um später im Leben bestehen zu können.
Also wie können wir unseren Kindern die nötige Selbstdisziplin fürs Leben mitgeben.
Logik und Verstand zählen hier nicht. Der kommt erst später... Einen 3-6jährigen brauchts du gar nicht erst mit Logik kommen. Das Bedürfnis steht im Vordergrund... Also welche Hilfsmittel nimmt ein Humanist um Grenzen aufzuzeigen?
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon smalonius » Mi 28. Apr 2010, 22:09

stine hat geschrieben:Dass ihr nicht von diesem strafenden und eogoistischen, alttestamemtarischen Gott lassen könnt?
Ist wohl ein gutes Stilmittel, tief verankert, um alles Religiöse konsequent abzulehnen?
Das Bild welches du beschreibst kann nur die Folge falschverstandener Bigotterie sein und zeigt niemals einen aufgeklärten Christen.

Gerade die christliche Erziehung baut auf Einsicht und Rücksicht und nicht auf körperliche Züchtigung.

Da frage ich mich, wer die Deutungshoheit über das Christentum hat. Du, ich, der Vatikan, der Patriarch, die Zeugen Jehovas, die Quäker, die Katharer? (OK, die Katharer/Albigenser nicht mehr. :veg: )

Das offizielle Christentum ist eine griechisch-römische (Fehl-)Interpretation dessen, was Yoshua ben Yussuf gesagt hat. Bereits die Frühchristen sind auf den strafenden, alt-testamentarischen Gott zurückgefallen. Das Christentum müßte richtigerweise die Paulinische Religion heißen. Und die ist, mit Verlaub, zum Kotzen.

"Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des HERRN und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn welchen der HERR liebhat, den züchtigt er; und stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt."
So ihr die Züchtigung erduldet, so erbietet sich euch Gott als Kindern; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Seid ihr aber ohne Züchtigung, welcher sind alle teilhaftig geworden, so seid ihr Bastarde und nicht Kinder. Und so wir haben unsre leiblichen Väter zu Züchtigern gehabt und sie gescheut, sollten wir denn nicht viel mehr untertan sein dem Vater der Geister, daß wir leben?

Paulus in Hebräer 12-6

Irgendwann mache ich mal einen Thread, was Christentum sein könnte - aber leider nicht ist. :/
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Re: Humanismus contra Religion

Beitragvon Nanna » Mi 28. Apr 2010, 22:35

Ich habe nichts von körperlicher Züchtigung gesagt, stine. Es geht mir um den totalitären Zug, den der allwissende, allmächtige Gott trägt und der es demjenigen, der an ihn und diese Eigenschaften glaubt, unmöglich macht, sich gegen ihn aufzulehnen, seine Anweisungen zu hinterfragen und sie ggf. auch abzulehnen. Es geht um das Machtgefälle, das hier existiert und vor allem um die Vermischung von Strafe und Liebe, wie smalonius ja auch passend dazu zitiert hat.
Wenn jemand vor Gericht gestellt wird, weil er sich gegen die Gemeinschaft der Menschen oder ein bestimmtes Individuum schädlich verhalten hat, dann hat er im Normalfall zum Richter bzw. den Strafverfolgungsbehörden keine emotionale Beziehung. Anders als bei Gott, der die Einhaltung der Regeln ja nicht neutral überwacht, sondern Fehltritte auch bis ins Mark treffend emotional sanktioniert und Taktiken emotionaler Erpressung benutzt ("Nur, wenn du meine Macht anerkennst und meine Vergebung für deine eigentlich sowieso unvermeidlichen Fehltritte bedingungslos erbittest, stellst du mich zufrieden und erhältst meine volle Anerkennung"), droht der Richter nicht mit Liebesentzug (jaja, Jesus liebt auch den Sünder; das vordergründig zu behaupten und dann hintenrum doch spüren zu lassen, dass der Herr vom Sünder maßlos enttäuscht ist und gefälligst Unterwerfung fordert, ist eine ziemliche miese Form von emotionaler Erpressung).
Egal, wie aufgeklärt der Christ ist, sofern er wirklich an einen personifizierten allmächtigen Gott glaubt - und alles andere ist nun wirklich kein Christentum mehr -, steckt er hundertprozentig in dieser Form von emotionaler Abhängigkeit und Erpressbarkeit. Das mag nach außen hin konformes Verhalten erzeugen (nicht unbedingt ethisch höherstehendes, das würde situationsbedingte Anpassung und damit das Bilden und Anwenden eigener Wertmaßstäbe erfordern), Wohlbefinden aber noch lange nicht.

Nun gebe ich dir recht, dass das alles bei Kindern nochmal einen Unterschied macht. Der Vergleich mit dem Richter bezieht sich nur auf Erwachsene, aber auch da wollte ich eben nochmal deutlich machen, dass "aufgeklärte Christen", was immer man im Einzelnen darunter nun genau versteht, entweder in diesem Dilemma feststecken oder aber keine Christen sind - was mir übrigens auch recht sein soll: Jeder, der eine Religion, besonders die offensiven wie Christentum und Islam, mit humanen Elementen durchtränkt, sei mir willkommen, auch, wenn die Einzelheiten mit den ursprünglichen Gepflogenheiten der Religion dann im Widerspruch stehen sollten. Das ist ja deren Problem.


Petes Beitrag führt uns wohl eher zum Kern. Erlaubt mir, dass ich mich morgen dazu äußere. ;-)
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