von Nanna » Sa 29. Mai 2010, 21:21
Unter dem Titel "Die Welt ist nicht nett" hat die Süddeutsche heute einen recht ausführlichen Artikel gebracht (S.22). Der Tenor ist ein Plädoyer für einen verantwortlichen, aber auch realistischen Umgang mit dem Thema, insgesamt fand ich ihn sehr ausgewogen. Er spricht auch eine simple Wahrheit an, die der politische Veganismus meiner Meinung nach gerne umgeht: "Die Wesen dieses Planeten können nicht alle in Eintracht leben.
Es standen darin Sachen, die mir noch nicht bekannt waren, beispielsweise, dass ein Metzger in einem Schlachthof im Durchschnitt alle zwei Sekunden einem Tier die Kehle durchschneidet. Dabei unterlaufen in etwa einem Prozent der Fälle Fehler, so dass die Tiere bei Bewusstsein bleiben und im anschließenden Kochbad lebendig gekocht werden. Aufgrund der enormen Summe betrifft das etwa eine halbe Million Tiere im Jahr allein in Deutschland.
Andersherum werden durch die Landwirtschaft, von der nun auch einmal die Veganer leben, eine weitere halbe Million Wildtiere, darunter 90 000 Rehkitze, von Mähmaschinen zerstückelt. Eine weitere komplette Million geht auf das Konto des Straßenverkehrs. Am extremsten fällt allerdings die Zahl der aus Hygienegründen getöteten Kanalbewohner (Ratten) aus: 300 Millionen. Das übertrifft die letztjährige Rekordhaltung von 60 Millionen Tiere, die zum Verzehr getötet werden, bei weitem. Die 2,7 Millionen Tiere, v.a. Kleintiere, die für medizinische Versuche getötet wurden, nehmen sich dagegen fast schon marginal aus, der Nutzen der Forschung ist riesig, wenn man bedenkt, wie viele Impfstoffe oder z.B. die Anti-Baby-Pille dadurch entdeckt wurden. Hauptsächlich zur Forstschonung wurden weiterhin fünf Millionen Wildtiere erlegt, das geht zumindest zum Teil als Naturschutz durch.
In einem anderen Artikel habe ich vor einiger Zeit ferner gelesen, dass die Bahn tierische Schmiermittel einsetzt.
Lange Zahlenkolonnen, kurzer Sinn:
Vegan zu leben, im Sinne, dass man an keinem einzigen Tiertod beteiligt ist, ist einfach unmöglich, wenn man nicht das Steuerzahlen einstellt und sich in irgendein wildbelassenes Naturschutzgebiet zurückzieht und dort nur von dem lebt, was man selbst geernet hat. Dass man irgendwann möglicherweise an einer fiesen, aber prinzipiell behandelbaren Krankheit verendet, sollte man wegen der Tierversuchsproblematik auch von vornherein einplanen. So erschreckend die Zahl der getöteten Tiere sein mag, ein Großteil der Tötungen, nämlich fast alle, die nicht dem Verzehr dienen, sind nicht oder nicht prinzipiell vermeidbar.
Pragmatisch sein und Leid vermeiden, wo es geht, beispielsweise Vegetarier werden oder im mindesten Fleisch aus Massentierhaltung meiden, das finde ich ist den Menschen an Verantwortungsbewusstsein abzuverlangen, aber uns zivilisatorisch komplett rückzuentwickeln, weil wir uns für die hässlichen Seiten des Überlebens zu fein geworden sind? Nein, danke.