Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Zappa » Sa 10. Jul 2010, 10:53

Klaus hat geschrieben:Wenn also in der Petri-Schale dem Wunsche der Eltern entsprochen wird, ist dass das kleinere Übel.


So ja nun auch nicht!

Der Wunsch der Eltern ist natürlich wichtig und zu berücksichtigen, aber ihm müssen Grenzen gesetzt werden. Wir hatten ja schon Beispiele für problematische Selektionskriterien, z.B. Wunschgeschlecht, Wunschhaar- oder -augenfarbe oder Wunsch-IQ. Ich denke hier muss schon eine ordentliche, öffentliche Debatte geführt werden, was erlaubt sein darf und was nicht. Neben finanziellen Aspekten spielen hier moralische Aspekte eine wichtige Rolle. Schließlich werden hier auch die potentiellen Interessen eines zukünftigen Menschen betroffen.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Klaus » Sa 10. Jul 2010, 11:24

Zappa hat geschrieben:Der Wunsch der Eltern ist natürlich wichtig und zu berücksichtigen, aber ihm müssen Grenzen gesetzt werden.


Warum? Ich maße mir nicht an, anderen Menschen vorschreiben zu wollen, was sie mit ihren "befruchteten Eizellen" machen und was sie sich wünschen. Es wäre völlig normal den Menschen diesbezüglich so zu behandeln wie er ist, frei entscheiden zu können, wie und vor allem welchen Nachwuchs er sich wünscht. In solche Entscheidungen hat die Gesellschaft, so sie denn wirklich frei ist, nicht hineinzureden.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Nanna » So 11. Jul 2010, 17:56

Es geht aber nicht nur um die Eltern, es geht auch um das Kind und dessen würdiges Dasein, meiner Meinung nach sogar primär. Wenn die Eltern sich ein Designerbaby zusammenbauen, dann muss das Kind lebenslang mit dem Wissen leben, dass es nicht einfach auf herkömmlichem, reichlich zufälligen Wege entstanden ist, sondern dass es von Menschen nach deren Vorstellungen geformt wurde. Die psychische Belastung und das Abhängigkeitsverhältnis, das in diesem Fall weit über das hinausgeht, was zwischen Eltern und Kindern ohnehin besteht, sind nicht zu unterschätzen. Es ist ein großer Unterschied, ob wir Menschen erlauben, im eng umgrenzten Rahmen Präimplantationsdiagnostik aus gesundheitlichen Gründen zu erlauben, oder ob wir, jetzt mal auf die Spitze getrieben gesagt, die Herstellung von Wunschprodukten erlauben, die zeitlebens mit dieser Machtdemonstration der Eltern leben müssen ("Du bist so, weil wir es so wollten und du kannst dem nicht entkommen").

Die Frage, bestimmte Kinder nicht zu wollen, weil sie schwer krank sind, und bestimmte Kinder zu wollen, weil sie dem eigenen Schönheitsideal eher entsprechen, sind zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon arcalexx » So 11. Jul 2010, 18:43

Ach, so sehr elend und abhängig würde ich mich mit einem IQ von 140 und Aussehen von Pierce Brosnan / Jessica Alba, dazu einer musikalischen Begabung von Beethoven und einem sprachlichen Ausdruck von Thomas Mann gar net fühlen :-) Anders wäre es nur, wenn meine Eltern von dem Wunsch besessen wären, unbedingt ein Kind mit nur einem Bein und grüner Hautfarbe zu haben. Aber das kann ja kein normaler Mensch wollen.

Ich glaube es geht bei der Debatte primär um die "Zurückgebliebenen", nämlich die, die es sich nicht leisten können, Wunschkinder zusammenzuschustern. Da würde ein Bruch durch die Gesellschaft gehen, gegen den die aktuellen Klagen über die Einkommensschere wie ein Kinderspiel aussehen würde. Es gäbe die (diesmal reale) "Herrenrasse" und die "Nautrburschen/-damen", auf die herabgeschaut werden würde. Das ist die Hölle, gegen die man sich wehren muss.
Aber nochmal, in dem aktuellen Fall ging es nicht um kranke Kinder - gesunde Kinder, sondern um lebensfähige - nicht lebensfähige schlechthin. Und eine "Nachhilfe" bei der Befruchtung in der Konstellation zu verbieten ist zynischer Moralismus. Deshalb hat der BGH richtig entschieden.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon stine » So 11. Jul 2010, 19:16

Klaus hat geschrieben: In solche Entscheidungen hat die Gesellschaft, so sie denn wirklich frei ist, nicht hineinzureden.
Meinst du?
Es geht darum, wenn die ausdrückliche Befürwortung der Präimplantationsdiagnostik kommt, werden damit weitere Tore geöffnet werden. Es wird Ausnahmeregelungen und Listen geben, welche Schädigungen zu verwerfen sind und bis zu welchem Grad sie noch ausgetragen werden müssen. Menschen die irgendwo in ihrer Ahnenreihe einen genetischen Schwachpunkt haben, werden die Möglichkeit selbstverständlich nützen (dürfen, wollen, sollen), dieses Gen nicht weitertragen zu müssen. Das scheint erst einmal ein großer Segen zu sein, macht aber beim genaueren Hinschauen die Menschen nicht freier, sondern im Gegenteil abhängiger davon, sich keine natürliche Erbkrankheit mehr leisten zu dürfen.
Mit jedem medizinischen Fortschritt laden wir uns mehr Verantwortung auf. Die Entscheidungsfreiheit wird nicht größer, sondern im Gegenteil, sie wird weniger.
Und dass die Gesellschaft da nicht mitreden will? Klaus: wer zahlt, schafft an!

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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Klaus » So 11. Jul 2010, 20:37

Quatsch stine. Der Staat und die Gesellschaft muss doch nun nicht alles regulieren wollen. Den einzigen Aspekt den es zu beachten gilt hat arcalexx genannt. Alles andere ist Stuss. Weil es eh gemacht wird und zum anderen nicht negativ ist, sowohl gesellschaftlich nicht als auch individuell.
PID für Alle muss das Ziel sein.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon stine » Mo 12. Jul 2010, 06:43

Hatte man bei der Forschung nach der Kernspaltung die Atombombe im Auge?
Die Geister, die ich rief...
Ich hoffe, ihr blauäugigen Naturforscher behaltet recht!
Möge jegliche Erfindung künftig dem "Guten" dienen.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Klaus » Mo 12. Jul 2010, 08:26

Man kann grundsätzlich alles Positive zum Negativen benutzen. Ein nützliches Nudelholz kann zur Tatwaffe werden. Brecht hat schon mal von der Hexemeisterrolle des Wissenschaftlers gesprochen, in seinem Galilei.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon ganimed » Mo 12. Jul 2010, 18:35

arcalexx hat geschrieben:Ich glaube es geht bei der Debatte primär um die "Zurückgebliebenen", nämlich die, die es sich nicht leisten können, Wunschkinder zusammenzuschustern. Da würde ein Bruch durch die Gesellschaft gehen, gegen den die aktuellen Klagen über die Einkommensschere wie ein Kinderspiel aussehen würde.

Diese Zukunftsbefürchtung wurde sehr schön in dem SciFi-Film Gattaca thematisiert. Der normal gezeugte Held versucht Astronaut zu werden, obwohl der Beruf nur den genetisch designten Leuten offen steht.

Mir selber erscheinen die Gefahren der Zukunft meistens hoffnungslos übertrieben zu sein. Der Bruch, der heute durch unsere Gesellschaft geht, sieht aus keinem Winkel der Welt wie ein Kinderspiel aus. Untersuchungen belegen, dass Kinder, die in Armut aufwachsen, statistisch wenig Chancen haben, einfach weil durch bestimmte Armutsfaktoren die Gehirnentwicklung (IQ, motorische Fähigkeiten, soziale Fähigkeiten) erheblich leidet. Ob ich also deshalb kein Astronaut werde, weil ich natürlich gezeugt bin oder weil ich arm aufwuchs, scheint mir da völlig nebensächlich. Wir haben bereits heute schwer erträgliche Zustände der Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft, wenn man mal überlegt. Irgendwie lächerlich, sich vor einer Zukunft mit Ungerechtigkeiten zu fürchten, während man in einer Gegenwart voller Ungerechtigkeiten und Chancenungleichheiten lebt.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Mark » Di 13. Jul 2010, 12:18

Es gab da zur Schulzeit auch mal eine nette fiktive Kurzgeschichte die wir in Englisch zu lesen hatten, in der die Gesellschaft allen irgendwie Hochbegabten oder Talentierten anordnete entsprechende "Hemmvorrichtungen" zu tragen, besonders starke mussten zB immer zusätzliches Gewicht angurten, Leute mit sehr guten Augen mussten Brillen tragen um die Sehkraft auf 100 zu begrenzen, sehr kluge Menschen mussten bestimmte Drogen nehmen welche die Denkfähigkeit auf einen IQ von 100 in etwa begrenzten usw.. Die Geschichte hat schön gezeigt wo die Grenzen der machbaren Gerechtigkeit liegen. Man kann nicht den Trieb kontrollieren besser zu sein als andere, denn er ist die treibende Kraft des Lebens. Es liegt nur in unserer Hand Einfluss darauf zu nehmen was als "besser" empfunden wird.. unser Wirtschaftssystem.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon ganimed » Di 13. Jul 2010, 19:39

Auch das habe ich als Film gesehen. Harrison Bergeron

Ich frage manchmal meine Kinder am Tisch, wenn es zu Verteilungskämpfen kommt: Ist Gerechtigkeit eigentlich, wenn alle gleich viel kriegen? Oder wenn jeder gemäß seiner Größe oder seines Körpergewichts kriegt? Oder wenn jeder gemäß seines aktuellen Hungergefühls bekommt?

Objektive Gerechtigkeit gibt es vermutlich nicht. Nur Zustände, die mehr oder weniger gut den Gerechtigkeitssinn der beteiligten menschlichen Hirne befriedigen.

Mark hat geschrieben:Man kann nicht den Trieb kontrollieren besser zu sein als andere, denn er ist die treibende Kraft des Lebens.

Ist dieser Trieb wirklich so stark und zentral? Ich habe eher den Eindruck, es ist ein Aspekt von vielen. Manchmal wollen wir besser sein, oft aber reicht es uns auch, anders zu sein und eine eigene Nische ohne viel Konkurrenz zu besetzen. Das Besser-Sein-Wollen als treibende Kraft des Lebens zu bezeichnen, klingt mir viel zu sehr nach falsch verstandenem Sozialdarwinismus.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon stine » Mi 14. Jul 2010, 07:48

ganimed hat geschrieben:Ich frage manchmal meine Kinder am Tisch, wenn es zu Verteilungskämpfen kommt: Ist Gerechtigkeit eigentlich, wenn alle gleich viel kriegen? Oder wenn jeder gemäß seiner Größe oder seines Körpergewichts kriegt? Oder wenn jeder gemäß seines aktuellen Hungergefühls bekommt?
Du willst doch deinen Kindern nicht alles wegessen? :mg:

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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Mark » Mi 14. Jul 2010, 15:46

man könnte ja im Sinne der "Gerechtigkeit"
- aus allen Menschen genetisch identische Zwitter machen
- die "Borg" Methode (online-Hive-Bewusstsein, darin verliert sich das Individuum und es ensteht keine empfundene Ungerechtigkeit)
- Oder die Menschen und die Gesellschaft so weit in Klassen unterteilen, daß nur noch in etwa gleich Starke gegeneinander antreten. Das ist die Methode die wir aktuell benutzen, die Ungerechtigkeit besteht dann aber in der Aufteilung der Gesellschaft in Gruppen und Aufgaben die nur von bestimmten Gruppen bearbeitet werden dürfen. Unter den Einäugigen fühlt sich der Einäugige ganz normal.

Aber wer WILL denn schon, daß alles auf der Welt völlig Gerecht zugeht, zumal Gerechtigkeit ja nur subjektiv empfunden ist.. Unsere naturalistische Ethik bezeichnet sich ja ganz bewusst niemals mit dem Terminus der "Gerechtigkeit". Wir suchen nicht nach Gerechtigkeit sondern nach Praktikabilität.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Aeternitas » Mi 14. Jul 2010, 16:45

aus allen Menschen genetisch identische Zwitter machen

das wäre wohl wenig praktikabel, zumal wir erst noch den perfekten Universal Menschen designen müssten und was passiert dann mit den anderen, den Schöpfern, werden wir dann zu einer Herrenrasse oder zu Sklaven.

@Topic hat arcalexx glaube ich den einzigen relevanten Punkt genannt, was passiert mit den
Zurückgebliebenen

wobei ganimed zustimmen möchte, der Bruch existiert bereits nur wird gut verdeckt, einmal weil die Diskriminierung nicht so offen ist wie beispielsweise in dem Film gattaca und weil es für unterschiedliche Schichten/Klassen unterschiedliche Aufgabenbereiche gibt
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon stine » Mi 14. Jul 2010, 18:05

BildBild
DAS kann man sowieso nicht verhindern...


Bild
...und diese zwei wären nie geboren worden.

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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon ujmp » Mi 14. Jul 2010, 19:10

Nanna hat geschrieben:Wenn die Eltern sich ein Designerbaby zusammenbauen, dann muss das Kind lebenslang mit dem Wissen leben, dass es nicht einfach auf herkömmlichem, reichlich zufälligen Wege entstanden ist, sondern dass es von Menschen nach deren Vorstellungen geformt wurde. Die psychische Belastung und das Abhängigkeitsverhältnis, das in diesem Fall weit über das hinausgeht, was zwischen Eltern und Kindern ohnehin besteht, sind nicht zu unterschätzen.

Nach meinen Gefühl überschätzt du dieses Problem. Dies würde nämlich den Gedanken beinhalten, jemand anders sein zu können - der gelingt keinem Menschen. Außerdem machen ein paar Gene keine Person. Eineiige Zwillinge haben kein Problem damit, die Kopie ihrer Geschwister zu sein. Sie fühlen sich nicht als Klone und sind es auch nicht.

Dann ist es doch auch so, dass Partnerwahl letzlich dem "Design" der Nachkommen dient. Der selbe Instinkt wirkt eben in den "Designentwürfen" von den Eltern solcher Kinder. Ich sehe darin kein Problem.

Man könnte auch mal darüber nachdenken, ob das, was du da sagst, nicht eine Art Diskriminierung von "Designerbabys" darstellt: "sie sind nicht normal, sie sind bloß zusammengebaut, sie haben ein Problem"
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Bionic » Mi 14. Jul 2010, 20:04

ujmp hat geschrieben:Man könnte auch mal darüber nachdenken, ob das, was du da sagst, nicht eine Art Diskriminierung von "Designerbabys" darstellt: "sie sind nicht normal, sie sind bloß zusammengebaut, sie haben ein Problem"

Du hast da schon auch recht, aber machst du es dir nicht etwas zu einfach?
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon ujmp » Mi 14. Jul 2010, 21:07

Der Ausdruck "Design" ist übrigens völlig überzogen. Man kann beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Technik bestenfalls Zellen aussortieren, dir irgendwelche Gene haben oder auch nicht. Das ist nichtweiter, als eine Selektion. Keine Frau kann ihre Hunderttausend Eizellen zu Kindern austragen, von den Samenschwärmen der Männer ganz zu schweigen. Da findet auch eine Selektion statt. So, jetzt haben wir also 5 befruchtete Eizellen in einer Petrischale und es kommt zu einer finalen Selektion, die vom zufälligen Geschmack der Eltern abhängt. Was ist dabei? Fragt sonst einer Mutti und Vati: "Warum gerade ich?"
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Nanna » Mi 14. Jul 2010, 22:17

ujmp hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Wenn die Eltern sich ein Designerbaby zusammenbauen, dann muss das Kind lebenslang mit dem Wissen leben, dass es nicht einfach auf herkömmlichem, reichlich zufälligen Wege entstanden ist, sondern dass es von Menschen nach deren Vorstellungen geformt wurde. Die psychische Belastung und das Abhängigkeitsverhältnis, das in diesem Fall weit über das hinausgeht, was zwischen Eltern und Kindern ohnehin besteht, sind nicht zu unterschätzen.

Nach meinen Gefühl überschätzt du dieses Problem. Dies würde nämlich den Gedanken beinhalten, jemand anders sein zu können - der gelingt keinem Menschen. Außerdem machen ein paar Gene keine Person. Eineiige Zwillinge haben kein Problem damit, die Kopie ihrer Geschwister zu sein. Sie fühlen sich nicht als Klone und sind es auch nicht.

Eineiige Zwillinge sind zufällig so entstanden, nicht, weil die Eltern es explizit so wollten. Es ist daher auch keine Erwartungshaltung der Eltern daran geknüpft.
Ich bin sehr sensibel, was die Erwartungshaltung von Eltern angeht, ihre Kinder zu perfekten Produkten ihrer Vorstellung machen zu können, weil ich das aus eigener Anschauung kenne (ich hab eine Karriere im Leistungssport abgebrochen, wo ich beinahe täglich Leuten über den Weg gelaufen bin, die solche als Eltern getarnten Generäle zum Vormund hatten. Psychisch unauffällig war keine(r) von denen). Ich will gar nicht wissen, was passiert, wenn Eltern besonders muskulöse Kinder "zeugen" können und diesen dann die Erwartung, ein berühmter Sportler zu werden, geradezu in die Wiege legen. Entzieh dich mal als emotional abhängiges Wesen der Begründung "Wir haben so viel Geld und Sorgfalt darauf verwendet, dass du ein noch besserer Sportler als Papa wirst und du willst partout Informatik studieren. Warum tust du nicht, wozu du geformt wurdest und was deine wahre Bestimmung ist?".

ujmp hat geschrieben:Dann ist es doch auch so, dass Partnerwahl letzlich dem "Design" der Nachkommen dient. Der selbe Instinkt wirkt eben in den "Designentwürfen" von den Eltern solcher Kinder. Ich sehe darin kein Problem.

Warum lassen wir es nicht erstmal dabei, wie Mutter Natur es uns in Jahrmillionen Evolution beigebracht hat? Man setzt auch keinen Affen an den Computer, um einen BMW zu designen. Ein im evolutionären Sinne erfolgreicher Nachwuchs besitzt nicht nur eine modisch ansprechende Augenfarbe, sondern hat auch ein robustes Immunsystem (weshalb wir besonders auf Menschen mit anderem Immunsystem als dem eigenen anspringen) und trägt eine vielleicht momentan nutzlos erscheinende Mutation mit sich herum, die in der nächsten Umweltkatastrophe oder Pandemie unerwarteterweise lebensrettend ist. Das alles bastelt der Kollege Zufall zusammen und ich finde, wir sollten ihm diese Arbeit schon wegen der psychischen Komponente nicht abnehmen. Es ist einfacher, eine autonome Persönlichkeit zu entwickeln, wenn man weiß, dass man eben nicht von gestaltungsgeilen Eltern geplant wurde, sondern einfach Glück in der Lotterie hatte. Das macht einen zu einem gewissen Grad unabhängiger von den Eltern. Im anderen Fall ist man immer ein Produkt, das in einer kapitalistischen Welt eben gefälligst zu funktionieren hat. Ich für meinen Teil will kein Produkt sein.

(Und ich sehe schon die ersten Klagen gegen Eltern losrollen, in denen Kinder Schadensersatz für schlechtes Design fordern. ;-) )

ujmp hat geschrieben:Man könnte auch mal darüber nachdenken, ob das, was du da sagst, nicht eine Art Diskriminierung von "Designerbabys" darstellt: "sie sind nicht normal, sie sind bloß zusammengebaut, sie haben ein Problem"

Designerbabys werden das Glück haben, dass Ihnen keiner ansieht, dass sie zu einem gewissen Teil geplant wurden, daher lassen sie sich im Alltag schlecht direkt diskriminieren. Ich behaupte auch nicht, dass jedes Designerkind ein Problem haben wird, schon gar nicht, wenn es nur um Haar- und Augenfarbe geht, aber ich sehe ein Potential dafür, dass Eltern ihre Kinder als Eigentum ansehen und als Produkt, das die Erwartungen zu erfüllen hat. Es ist ein gewaltiger Unterschied in der grundsätzlichen Geisteshaltung zu Kindern generell, wenn man ein Kind bekommt und es annimmt und liebt, egal, wie es nun aussieht, oder ob man nur ein Kind akzeptiert, das zum Teppich passt.

ujmp hat geschrieben:Der Ausdruck "Design" ist übrigens völlig überzogen. Man kann beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Technik bestenfalls Zellen aussortieren, dir irgendwelche Gene haben oder auch nicht. Das ist nichtweiter, als eine Selektion. Keine Frau kann ihre Hunderttausend Eizellen zu Kindern austragen, von den Samenschwärmen der Männer ganz zu schweigen. Da findet auch eine Selektion statt. So, jetzt haben wir also 5 befruchtete Eizellen in einer Petrischale und es kommt zu einer finalen Selektion, die vom zufälligen Geschmack der Eltern abhängt. Was ist dabei?

Dabei ist relativ wenig. Ich warne aber vor einem Dammbruch. Der gegenwärtige Zustand ist schon morgen der verganene Zustand und irgendwann ist die Technik auch soweit, dass man Kinder zusammenbauen kann. Mr. Venter legt heute die Grundlagen und in 50 Jahren ist es vielleicht so weit. Wir sollten uns möglichst vorher darauf einigen, ob nicht vielleicht ein Menschenrecht auf Unabhängigkeit von Genexperimenten formuliert werden sollte, denn klar ist: Ein einmal geborener Designmensch ist Zeit seines Lebens in psychischer Abhängigkeit von seinem Schöpfer. Ist nicht gerade da das Unterwerfungsdenken der Religion unter einen allmächtigen Erschaffer abschreckendes Beispiel genug - nur, dass er hier nachgewiesenermaßen nicht eingebildet ist?
Ich will jedenfalls, dass Menschen ihre Autonomie so weit erhalten können, dass sie selbst entscheiden können, ob sie sich mit irgendwelchen Produkten aufmotzen (und ich meine hier keine Brillen oder Krücken, sondern Anabolika oder vielleicht eines Tages künstliche Muskeln) oder eben es eben bleiben lassen. Das darf auf keinen Fall vorbestimmt werden. Und wohlgemerkt, es geht nicht um das Verhindern von extremen Gesundheitsschäden, sondern um das Aufrüsten und Spezialisieren eines zukünftigen Menschen, der damit bereits vor seiner Geburt einem bestimmten Zweck zugewiesen wird.
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Re: Präimplantationsdiagnostik erlaubt

Beitragvon Bionic » Mi 14. Jul 2010, 23:05

Nanna hat geschrieben:Warum lassen wir es nicht erstmal dabei, wie Mutter Natur es uns in Jahrmillionen Evolution beigebracht hat?

Wo wären wir heutzutage, wenn wir uns immer an die Natur gehalten hätten?
Nanna hat geschrieben:Es ist einfacher, eine autonome Persönlichkeit zu entwickeln, wenn man weiß, dass man eben nicht von gestaltungsgeilen Eltern geplant wurde, sondern einfach Glück in der Lotterie hatte. Das macht einen zu einem gewissen Grad unabhängiger von den Eltern. Im anderen Fall ist man immer ein Produkt, das in einer kapitalistischen Welt eben gefälligst zu funktionieren hat. Ich für meinen Teil will kein Produkt sein.

Das mit der Persönlichkeitsentwicklung würde ich mal hinterfragen. Abhängiger könnte man schon mehr sein. Da wäre ich aber auch vorsichtig.
Ob du ein Produkt sein willst, oder nicht, tut hier eigentlich nichts zur Sache.
Nanna hat geschrieben:(Und ich sehe schon die ersten Klagen gegen Eltern losrollen, in denen Kinder Schadensersatz für schlechtes Design fordern. ;-) )

Eigentlich nicht zulässig! Aber ihn unserer gestörten Welt könnte das schon sein.
Nanna hat geschrieben:aber ich sehe ein Potential dafür, dass Eltern ihre Kinder als Eigentum ansehen und als Produkt, das die Erwartungen zu erfüllen hat. Es ist ein gewaltiger Unterschied in der grundsätzlichen Geisteshaltung zu Kindern generell, wenn man ein Kind bekommt und es annimmt und liebt, egal, wie es nun aussieht, oder ob man nur ein Kind akzeptiert, das zum Teppich passt.

Das stimmt schon, nur gibt es diese *Eigentumsdenken* ja heutzutage schon.
Nanna hat geschrieben:Ich will jedenfalls, dass Menschen ihre Autonomie so weit erhalten können, dass sie selbst entscheiden können, ob sie sich mit irgendwelchen Produkten aufmotzen (und ich meine hier keine Brillen oder Krücken, sondern Anabolika oder vielleicht eines Tages künstliche Muskeln) oder eben es eben bleiben lassen. Das darf auf keinen Fall vorbestimmt werden. Und wohlgemerkt, es geht nicht um das Verhindern von extremen Gesundheitsschäden, sondern um das Aufrüsten und Spezialisieren eines zukünftigen Menschen, der damit bereits vor seiner Geburt einem bestimmten Zweck zugewiesen wird.

Man kann aber auch fragen ob es nicht eigentlich unsere ethische Pflicht wäre, gesundheitliche Anfälligkeiten zu beheben. Ich denke schon!
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