Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Gernot Back » So 11. Jul 2010, 11:10

Hallo Julia und die anderen,

ich habe in diesem ellenlangen Thread zwar nicht alles mitverfolgt, aber doch so einiges und ich glaube mittlerweile, ich kann verstehen, warum die Wellen hier so hoch schlagen. Du, Julia hast nämlich einen sehr wunden Punkt getroffen: Letztlich können auch Naturalisten nur mit einem moralischen Tabu (also etwas quasi Religiösem, Supra-Naturalistischem) begründen, warum sie es für vertretbar halten, das Leben von einigen Individuen zu opfern, das Leben anderer Individuen aber nicht.

Diejenigen, die das Opfern anderer Lebewesen für vertretbar halten, machen das heute meist an der Zugehörigkeit zu einer anderen Spezies fest.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Grenzen, ab wann ein Individuum nicht mehr nur einer anderen Rasse, sondern einer anderen Spezies angehört, fließend sind, ist dieses Unterscheidungsmerkmal ein absolut willkürliches. Du steckst die Grenzen halt nur sehr strikt, aber bleibst letztlich genau so willkürlich, denn Pflanzen, von denen du dich ernährst, sind ja schließlich auch Lebewesen.

Bis noch nicht vor allzu langer Zeit fand man es auch in unserem Kulturkreis noch vollkommen in Ordnung, Menschen anderer Rasse als Sklaven zu halten und man fand auch nichts dabei, wenn ein Sklavenhalter seinen "Leibeigenen" einfach tötete. Das war sein gutes Recht.

Julia hat geschrieben:P.S.: Man kann halt schwer einerseits Tierversuche an nichtmenschlichen Tieren unter Umständen gut heißen und Tierversuche an menschlichen Tieren kategorisch ablehnen. Oder würdest du auch letzteres befürworten? Für ein lebensrettendes Medikament?

Die Versuche an "menschlichen Tieren" sind gängige Praxis. 20 Jahre lang hat man wild, ins Blaue hinein, an Menschen herumexperimentiert um Medikamente zu finden, die gegen HIV wirken. Jetzt, nachdem dadurch eher zufällig tatsächlich wirksame, lebensverlängernde Medikamente gefunden wurden, bin ich ich Nutznießer davon: Hätte ich mich schon vor 25 Jahren auf HIV testen lassen und wäre vorzeitig in die Mühlen unserer Pharmaforschung geraten, wäre ich längst selbst als Versuchskaninchen verbraucht worden.

Die ernüchternde Erkenntnis, die man daraus ziehen kann: Jeder ist sich selbst der Nächste und heute Abend esse ich für meinen Teil ein schönes Steak und das noch nicht einmal vom Metzger, ...
... sondern vom Rind!

Gruß Gernot

P.S.: Calamari würde ich nicht essen!
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » So 11. Jul 2010, 15:41

Gernot Back hat geschrieben:Die Versuche an "menschlichen Tieren" sind gängige Praxis. 20 Jahre lang hat man wild, ins Blaue hinein, an Menschen herumexperimentiert um Medikamente zu finden, die gegen HIV wirken. Jetzt, nachdem dadurch eher zufällig tatsächlich wirksame, lebensverlängernde Medikamente gefunden wurden, bin ich ich Nutznießer davon: Hätte ich mich schon vor 25 Jahren auf HIV testen lassen und wäre vorzeitig in die Mühlen unserer Pharmaforschung geraten, wäre ich längst selbst als Versuchskaninchen verbraucht worden.


Das erste wirksame Medikament kam meines Wissens nach 6 Jahre nach Ausbruch der Erkrankung auf dem Markt, etwas rasch für "ins Blaue hinein" forschen, oder? Das Beispiel ist also selten ungeschickt gewählt, wenn es eines gegen Humanversuche sein soll.

Die Position selber nicht "Versuchskaninchen" sein zu wollen aber gerne von den Ergebnissen dieser Forschung zu profitieren ist Beispiel/Vorbild für was?

Abgesehen davon sind Humanversuche natürlich sowohl sinnvoll, als auch unersetzlich. Die Medizinhistorie ist voll von erheblichen Erkenntnissen, die ohne Humanversuche nicht möglich gewesen wären: Von der Anästhesie über Antibiotika bis hin zur Herzchirurgie.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Arathas » Mo 12. Jul 2010, 08:07

smalonius hat geschrieben:Genausogut könnte man sagen:

Was wäre, wenn alle Pflanzenfresser verschwinden würden? Dann wäre die Erde bald von Pflanzen überwuchert und es entstünde ein krasses Ungleichgewicht.

Die Behauptung, es brauche Fleischfresser, damit die Natur im Gleichgewicht bleibt, ergibt biologisch nicht viel Sinn.


Na ja, dann stell dir mal vor, was passieren würde, wenn alle Pflanzenfresser mit einem Schwupps weg wären. Natürlich würde das Grünzeug an sich weiterhin überleben. Aber alle Blumen, die mit Bienen in Symbiose stehen und auf Bestäubung von Bienen angewiesen sind, würden aussterben. Und es gibt deutlich mehr Vegetarier als nur Bienen ...

Die Natur muss im Übrigen keinen Sinn ergeben. Es reicht doch, wenn sie funktioniert. :^^: (Bzw.: Der einzige Sinn von Leben ist (denke ich), sich zu reproduzieren. Insofern ergibt die Natur sehr viel Sinn.)
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Gernot Back » Mo 12. Jul 2010, 10:27

Hallo Zappa!
Zappa hat geschrieben:Das erste wirksame Medikament kam meines Wissens nach 6 Jahre nach Ausbruch der Erkrankung auf dem Markt, etwas rasch für "ins Blaue hinein" forschen, oder? Das Beispiel ist also selten ungeschickt gewählt, wenn es eines gegen Humanversuche sein soll.

... damit kannst du eigentlich nur AZT meinen, einen Wirkstoff, für den man auch heute noch die passende Krankheit sucht, gegen die er wirkt:
  • Bei einem Drittel der damit behandelten HIV-Positiven führte AZT tatsächlich zu Verbesserungen,
  • bei einem Drittel hatte er gar keine Wirkung und
  • bei einem Drittel verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand sogar.
Auf so etwas konnte ich damals -zumal ich ja, abgesehen von den ersten Immunreaktionen, die den Verdacht sehr nahelegen, dass ich mich bereits 1983 infiziert habe, in den folgenden 25 Jahre lang fast beschwerdefrei war- gut verzichten.

Zappa hat geschrieben:Die Position selber nicht "Versuchskaninchen" sein zu wollen aber gerne von den Ergebnissen dieser Forschung zu profitieren ist Beispiel/Vorbild für was?

... Beispiel dafür, dass sich "jede(r)" und das unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen oder anderen Spezies "selbst der Nächste ist", ich dachte eigentlich, ich hätte mich diesbezüglich klar ausgedrückt; auch dass ich deswegen kein schlechtes Gewissen habe und mir sicherlich auch von anderen kein solches einreden lasse, genau so wenig wie ich es für den Verzehr von Rindfleisch habe oder im Bedarfsfall sogar von Menschenfleisch hätte!

Gruß Gernot
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon smalonius » Mo 12. Jul 2010, 14:51

Julia hat geschrieben:Langsam habe ich den Eindruck, dass meine Position nicht nur nicht geteilt, sondern nicht mal wirklich nachvollzogen wird.

Bist du dir da wirklich sicher?

Ich fasse die Meinungen mal zusammen:

a) Fleisch ist ein Stück Lebenskraft. Mein Schnitzel lasse ich mir nicht nehmen.
b) Fleisch aus Massentierhaltung ist ethisch problematisch, Fleisch von glücklichen Kühen nicht.
c) Fleisch von höherentwickelten Tieren ist problematisch, egal ob es aus Massen- oder Freilandhaltung stammt.
d) Tierische Nahrung ist immer problematisch, auch wenn es nur Schnecken, Würmer oder Insekten geht.

Julia hat geschrieben:Da ich dazu noch die einzige bin, die diese Position vertritt [...]

Bist du dir da sicher? Ich glaube, daß einige hier durchaus die Positionen b) und c) vertreten haben.

Julia hat geschrieben:Ja. Wie schon oft erwähnt ist mein Kriterium Bewusstsein, respektive Leidensfähigkeit.

Also c).

...und demnach gar kein so singulärer Standpunkt. ;-)
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon ujmp » Mo 12. Jul 2010, 16:38

Gernot Back hat geschrieben: Letztlich können auch Naturalisten nur mit einem moralischen Tabu (also etwas quasi Religiösem, Supra-Naturalistischem) begründen, warum sie es für vertretbar halten, das Leben von einigen Individuen zu opfern, das Leben anderer Individuen aber nicht.


Nein. Als Naturalist bin ich im Gegensatz zur Religion an überhaupt keine ethischen Dogmen gebunden, ich kann alles diskutieren und meine Meinungen auch ändern. Ich muss auch überhaupt nichts begründen, ich kann eine Ethik einfach wollen - oder auch nicht. Und da es eine Letztbegründung auch nicht geben kann, ist das einzige was man argumentativ erreichen kann das, dass man zeigt, das eine Ehtik eben nur Geschmackssache ist - und nicht mehr.

Ich weiß ja, dass ich kein göttliches Geschöpf bin, sondern nur ein Organismus unter vielen, der irgendwann mal ein Festessen für nicht vegan lebende Würmer sein wird. Das ist auch eine gute Nachricht: Ich muss mich nicht mehr um andere Spezies kümmern, als andere um mich (nämlich gar nicht). Die Natur hat mich hervor gebracht - sie wird sich nicht beschweren! Lediglich ein paar Artgenossen machen Stress!
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Mo 12. Jul 2010, 18:06

Muss ganz schön einsam sein, wenn man sich selbst der Nächste ist.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Gernot Back » Mo 12. Jul 2010, 20:56

Hallo Julia, hallo Ujump!

ujmp hat geschrieben:Und da es eine Letztbegründung auch nicht geben kann, ist das einzige was man argumentativ erreichen kann das, dass man zeigt, das eine Ehtik eben nur Geschmackssache ist - und nicht mehr.
(...)
Das ist auch eine gute Nachricht: Ich muss mich nicht mehr um andere Spezies kümmern, als andere um mich (nämlich gar nicht). Die Natur hat mich hervor gebracht - sie wird sich nicht beschweren! Lediglich ein paar Artgenossen machen Stress!

Wie begründest du denn dann überhaupt, dich um irgendeinen Angehörigen deiner eigenen Spezies zu kümmern. Das Kriterium, der gleichen Spezies anzugehören, ist doch bei der Sympathie für andere Individuen letztlich vollkommen willkürlich, findest du nicht?! Rational ist es nicht zu begründen, warum du nicht auch andere Menschen zu deinem Nutzen ausbeuten solltest und de facto geschieht das ja auch allenthalben!

Julia hat geschrieben:Muss ganz schön einsam sein, wenn man sich selbst der Nächste ist.

Natürlich gibt es Individuen, die dir näher stehen als andere, aber am nächsten steht man als Individuum im Allgemeinen sich selbst, ohne dass man deshalb gleich einsam sein muss. Sich dies einzugestehen, ist bei den meisten Individuen einfach nur ehrlich und gesund! Eben das macht sie zu Individuen! Um sich für ein anderes Individuum aufzuopfern, bedarf es meines Erachtens entweder des supranaturalistischen Glaubens an eine jenseitige individuelle Belohnung und/oder einer großen Schnittmenge im Gen- oder Mempool mit dem/den anderen, in Verbindung mit einem fast zynisch zu nennenden ökonomistischen Kalkül, dass das andere Individuum oder eine Gemeinschaft von Individuen einen höheren Wert hätte als man selbst.

Wie einsam ist eigentlich eine Soldatin im Ameisenstaat? Ist die Frage nicht sowieso vollkommen daneben, weil es sich dabei ebenso wenig um ein Individuum handelt wie bei einer Fresszelle im Immunsystem eines Organismus?

Gruß Gernot
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Zappa » Mo 12. Jul 2010, 22:11

Gernot Back hat geschrieben:... damit kannst du eigentlich nur AZT meinen ...


Mein ich. Trotzdem finde ich den Weg von den ersten Meldungen des CDC über die Etablierung eines Retrovirus als Ursache bis hin zu den ersten Therapieversuchen innerhalb von 6 Jahren flott. Das AZT schon bei der Pharmafirma "rumlag" schmälert diese Erfolgsstory ja nur ein bischen :mg:

Gernot Back hat geschrieben:... Beispiel dafür, dass sich "jede(r)" ... "selbst der Nächste ist


Interessante ethische Position. Wenn ich mir selber am Nächsten bin, wenn ich andere massakrieren kann, dann geht das also durchaus, oder?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon ujmp » Mo 12. Jul 2010, 22:26

Gernot Back hat geschrieben:Wie begründest du denn dann überhaupt, dich um irgendeinen Angehörigen deiner eigenen Spezies zu kümmern. Das Kriterium, der gleichen Spezies anzugehören, ist doch bei der Sympathie für andere Individuen letztlich vollkommen willkürlich, findest du nicht?! Rational ist es nicht zu begründen, warum du nicht auch andere Menschen zu deinem Nutzen ausbeuten solltest und de facto geschieht das ja auch allenthalben!

Ich begründe es überhaupt nicht. Es gefällt mir, mich um andere Menschen zu kümmern, und es gefällt mir nicht, sie zu versklaven. Vielleicht klingt "Geschmackssache" etwas lapidar. Man kann meinetwegen "Wille" dazu sagen. Schopenhauer hat das den "Grund des Willens" genannt. "Willkürlich" trifft es aber m.E. nicht ganz, weil es so etwas wie ein inneres Bedürfnis ist, dem ich nachgebe. Eventuell ist ein Teil davon angeboren, aber vieles sicher durch äußere Einflüsse bedingt, weshalb es sich auch ändern kann. Begründungen sind m.E. immer willkürlich. Wenn man etwas will, fallen einem auch die Begründungen dafür ein.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Julia » Di 13. Jul 2010, 09:13

Gernot Back hat geschrieben:Um sich für ein anderes Individuum aufzuopfern...

Es geht erst mal gar nicht darum, dass du dich für eine Kuh vor den rollenden Zug wirfst, sondern darum, dass du erkennst, dass es sowohl für die Kuh als auch für deine Gesundheit und den Planeten das Beste ist, wenn du keine Steaks ist.

Klar gibt es auch Leute, die bereit sind für nichtmenschliche Tiere die eigene Freiheit zu gefährden und ins Gefängnis zu gehen oder durch einen Hungerstreik die eigene Gesundheit und das eigene Leben aufs Spiel zu setzen, aber das verlange ich gar nicht. Es kann ja nicht jeder ein Held sein. Aber vegan zu leben, das kann eigentlich jeder leisten.

Auch wenn es keine Letztbegründungen gibt, heißt das IMHO nicht, dass alles willkürlich ist, zumindest nicht, wenn man Wert auf eine gewisse Rationalität und Konsistenz legt.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon ujmp » Di 13. Jul 2010, 09:58

Julia hat geschrieben:Auch wenn es keine Letztbegründungen gibt, heißt das IMHO nicht, dass alles willkürlich ist, zumindest nicht, wenn man Wert auf eine gewisse Rationalität und Konsistenz legt.


Sehe ich auch so. Eine Begründung beruht aber immer auf einer Festsetzung, einem Haltepunkt, den man nicht mehr begründet. Einen solchen Haltepunkt legen wir fest, weil er uns gefällt. Man kann Ethik daher nicht wirklich begründen, sondern bestenfalls gegebenenfalls ihre Inkonsistenz kritisieren. Man kann z.B. sagen "Du machst eine Unterschriftensammlung zum Schutz von Delphinen, weil Tiere sich nicht quälen sollen - was ist mit den Tunfischen ?" Wenn seine Begründung inkonsistent ist - und ihm das nicht gefällt - wird er nicht unbedingt auf seine Pizza "Tunfisch" verzichten. Er kann auch einen anderen Haltepunkt festsetzen - einen, der seinem "Geschmack" besser entspricht und ihn nicht in Widersprüche verwicklet. Z.B. kann er sagen "Delephine sind leidensfähiger, weil sie intelligent sind, außerdem sind sie süß." Letzlich nützt dir also dein Argument nichts, wenn der Wille deines Gegenübers nicht mit dem deinen übereinstimmt.

Ich muss m.E. also den Willen der Menschen ansprechen oder verändern, wenn mir ihr Verhalten nicht gefällt. Man kann da sehr viel für Tiere tun. Es gibt bekanntlich mehr Mitglieder in Tierschutzvereinen als in Kinderschutztvereinen. Die meisten Menschen wollen keine Tierquälerei. Man muss bloß auf eine Tierquälerei aufmerksam machen, um sie in Bewegung zu setzen. Wenn es ums Essen geht, dürfte der Wille aber schwerer beeinflussbar sein.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon ujmp » Di 13. Jul 2010, 10:11

Nachtrag: Man könnte mir entgegnen "Du begründest ja doch deine Ethik, nämlich mit deinem Willen, mit deinem Geschmack"- Nein, denn ich verstehe den Willen als eine Ursache im Sinne von Kausalität und nicht als eine Begründung. Ich meine mit "Wille" auch nicht "Willkür", sondern etwas, was mich antreibt, was ich aber nicht einfach so beeinflussen kann - ich kann bekanntlich nicht wollen, was ich will.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon stine » Di 13. Jul 2010, 11:11

Und damit bist also nicht wertvoller, als andere Tiere?

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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon ujmp » Di 13. Jul 2010, 11:30

Wieso "also"?
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon stine » Di 13. Jul 2010, 12:12

ujmp hat geschrieben:...ich verstehe den Willen als eine Ursache im Sinne von Kausalität und nicht als eine Begründung. Ich meine mit "Wille" auch nicht "Willkür", sondern etwas, was mich antreibt, was ich aber nicht einfach so beeinflussen kann - ich kann bekanntlich nicht wollen, was ich will.
...also ein Tier wie jedes andere!
Damit hast du die Frage nach langer Diskussion beantwortet.
Wir können nicht anders, wir müssen essen, was für uns vorgesehen ist.

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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Arathas » Di 13. Jul 2010, 12:23

Gernot Back hat geschrieben:Um sich für ein anderes Individuum aufzuopfern, bedarf es meines Erachtens entweder des supranaturalistischen Glaubens an eine jenseitige individuelle Belohnung und/oder einer großen Schnittmenge im Gen- oder Mempool mit dem/den anderen, in Verbindung mit einem fast zynisch zu nennenden ökonomistischen Kalkül, dass das andere Individuum oder eine Gemeinschaft von Individuen einen höheren Wert hätte als man selbst.


Gernot, den wichtigsten Punkt hast du gar nicht angeschnitten, warum manche Individuen sich für andere opfern: Liebe. Da braucht man nicht Religionen oder sonstige abstruse Kalküle ins Feld führen. Die Liebe (so abstrus sie selbst auch sein mag) reicht oft aus.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon ujmp » Di 13. Jul 2010, 12:58

stine hat geschrieben:also ein Tier wie jedes andere! [...]Wir können nicht anders, wir müssen essen, was für uns vorgesehen ist.

Diese Schlüsse sind nicht zulässig. Ich bin ein Mensch und kein Affe, habe aber mit den Affen vieles gemeinsam. In der Gedankenwelt eines Naturalisten ist außerdem nichts "vorgesehen" in der Natur. Unsere Vorfahren waren Pflanzenfresser. Dann zogen einige von ihnen vom Wald in die Steppe um, wo es wahrscheinlich jede Menge Aas gegeben haben muss (Geier und Hyänen sind an das Aasverwerten angepasst, woraus sich schließen lässt, dass es eine Zeit gegeben haben muss, wo sehr viel Fleisch von den Raubtieren nicht aufgefressen wurde). Da Fleisch einen sehr viel höheren Energiegehalt hat, als die meiste pflanzliche Kost, mussten diese Affen nicht mehr den ganzen Tag Blätter und Früchte in sich hineinstopfen und hatten Zeit, sich "Gedanken" zu machen, z.B. wie man Knochen spaltet. Als sie anfingen zu jagen, konnten sie auch Misserfolge verkraften, weil dann bei Erfolg die nötigen Kalorien zusammen kamen. Durch den Nahrungsumstieg und den dadurch vorhandenen Kalorienüberschuss wurde es den Weibchen möglich, mehr als die sonst bei Affen nur üblichen ein bis zwei Jungen auszutragen. Dies führte vermutlich zu der gegenüber unseren nächsten Verwandten vergleichsweise gigantischen Ausbreitung unserer Spezies. Außerdem hat das tierische Eiweiß zur Gehirnentwicklung beigetragen. Das hat nichts mit "Vorsehung" zu tun. Unsere Vorfahren hatten sich nur eine komfortable ökologische Nische erschlossen. Wenn es so stimmt, verdanken wir dem Fleischessen teilweise unsere Menschwerdung. Wir könnten uns jedenfalls heute nicht mehr nur von Pflanzen ernähren, wenn wir nicht wüssten, was "Kalorien" sind. Wir hätten nämlich vor lauter Gemüseesserei gar keine Zeit, etwas außer Essen zu machen, sondern müssten, wie die Kühe, den ganzen Tag kauen! Man kann es mit Ernärungswissenschaftlichen Kenntnissen auch so hinbekommen, wenn man nämlich weiß, was Sojabohnen bringen und grüne Gurken nicht.

Der dahinter liegende "Wille" ist hier ein ganz einfacher: Hunger, der stärkste Trieb! Darin dürfte ich mich kaum von Tieren unterscheiden.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon Mark » Di 13. Jul 2010, 13:05

Dann kann man ja auch damit schön beantworten warum wir für uns wertvoller sind als andere Tiere.. die Liebe !
Ach nein, das ist mir zu pathetisch..
Sagen wir doch lieber : weil wir es können. Das "wertvoller sein", mein ich.
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Re: Sind wir wertvoller als andere Tiere?

Beitragvon smalonius » Di 13. Jul 2010, 17:36

Arathas hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Die Behauptung, es brauche Fleischfresser, damit die Natur im Gleichgewicht bleibt, ergibt biologisch nicht viel Sinn.

Die Natur muss im Übrigen keinen Sinn ergeben. Es reicht doch, wenn sie funktioniert. :^^:

Aber eine Behauptung muß Sinn ergeben. ;-)

Die Erde ist ziemlich lange ohne Carnivoren ausgekommen.

Die Vorstellung, daß die Natur im "Gleichgewicht sein muß", ist eine ziemlich romantische. Die Natur ist immer in einem Gleichgewicht, wenn auch einem labilen. Etwa so wie ein schwingendes Pendel in einem labilen Gleichgewicht von Lage- und Bewegungsenergie ist.

Gernot Back hat geschrieben:Um sich für ein anderes Individuum aufzuopfern, bedarf es meines Erachtens entweder des supranaturalistischen Glaubens an eine jenseitige individuelle Belohnung und/oder einer großen Schnittmenge im Gen- oder Mempool mit dem/den anderen, in Verbindung mit einem fast zynisch zu nennenden ökonomistischen Kalkül, dass das andere Individuum oder eine Gemeinschaft von Individuen einen höheren Wert hätte als man selbst.

Reh verprügelt Hund:

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