Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 20. Jul 2010, 06:35

Myron hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Frege sagst selbst irgendwo, dass die Grundlage der Mathematik die Logik ist. Ich denke, dass die logischen Funktionen fest verdrahtet in uns eingebaut sind.


Die Logik ist für Frege keine psychologische Disziplin, die unsere tatsächlichen Denkvorgänge untersucht und beschreibt, sondern wie die Ethik eine normative Disziplin, die vorschreibt, wie man zu schlussfolgern hat, wenn man wahrheitsgetreu denken will.
Und wie die Erfahrung lehrt, ist uns folgerichtiges Denken keineswegs angeboren.

Letzteres beweist gar nichts. Logik ist eben nur eine Option. Dass sie nicht immer eingesetzt wird, wo es angebracht wäre oder dort eingesetzt wird, wo es nicht angebracht ist, ist eine andere Frage. Wenn Vergleichsoperationen verdrahtet in uns eingebaut sind, wie so nicht auch logischer Operationen? Und wieso nicht auch das Zählen? Die formale Logik lehrt nicht logische Operationen, sondern wie man diese Operationen richtig gebraucht. Genau so wie man nicht lernen kann, eine Hand zu haben, wohl aber, wie man sie gebraucht.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 20. Jul 2010, 07:01

Myron hat geschrieben:Wenn sich also unser Gehirn naturgeschichtlich anders entwickelt hätte, dann hätte es z.B. sein können, dass 2 + 2 = 5?

"…Sonst kommen wir noch dahin, dass man beim Beweise des pythagoräischen Lehrsatzes es nötig findet, des Phosphorgehaltes unseres Gehirnes zu gedenken, und dass ein Astronom sich scheut, seine Schlüsse auf längst vergangene Zeiten zu erstrecken, damit man ihm nicht einwende: "Du rechnest da 2 x 2 = 4; aber die Zahlvorstellung hat ja eine Entwickelung, eine Geschichte! Man kann zweifeln, ob sie damals schon so weit war. Woher weißt du, dass in jener Vergangenheit dieser Satz schon bestand? Könnten die damals lebenden Wesen nicht den Satz 2 x 2 = 5 gehabt haben, aus dem sich erst durch natürliche Züchtung im Kampf ums Dasein der Satz 2 x 2 = 4 entwickelt hat, der seinerseits vielleicht dazu bestimmt ist, auf demselben Wege sich zu 2 x 2 = 3 fortzubilden?" Est modus in rebus, sunt certi denique fines! Die geschichtliche Betrachtungsweise, die das Werden der Dinge zu belauschen und aus dem Werden ihr Wesen zu erkennen sucht, hat gewiss eine große Berechtigung; aber sie hat auch ihre Grenzen."


Der hochgeschätzte Frege ist leider auf dem Holzweg. Wenn sich unser Gleichgewichtssinn naturgeschichtlich so entwickelt hätte, dass er eine instabile Lage für stabil hält - würden wir dann umfallen? - Ja, natürlich!

Dass wir mit "2 x 2 = 4" besser durchs Leben kommen als mit "2 x 2 = 5" beweist nicht, dass "2 x 2 = 4" eine von unserem Oranismus unabhängige Realität zukommt. Die Existenz unserer Hand legt nahe, dass des Gegenstände gibt, die wir damit anfassen können, aber nicht, dass es keine Gegenstände gibt, die wir damit nicht anfassen können.

Die Zahl Pi ist m.E. ein Beispiel für die Unzulänglichkeit unserer Hardware. Wir können Pi als Zahl nicht eindeutig angeben, obwohl das Verhältnis von Kreisdurchmesser und Kreisumfang eindeutig ist.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 20. Jul 2010, 07:19

Myron hat geschrieben:Und was (2) anbelangt, so bin ich der Auffassung, dass "2" weder für eine konkret-physische noch für eine konkret-psychische Entität steht, sondern für eine abstrakte: die Zahl 2.
Da ich als Naturalist überdies meine, dass es keine abstrakten mathematischen Entitäten gibt, ist die Zahl 2 für mich ein fiktives Objekt, ein unwirkliches "Gedankending" (was nicht heißen soll, dass sie "in meinen Gedanken existiert").

Bild

Hier hast du ein Bild von deinem fiktiven Objekt - oder was meinst du, wo sich dein fiktives Objekt befindet und wie es aussieht?

Deine Zweien sind Modelle von etwas, was real existiert, aber nicht mit etwas realem identisch. Als Modelle sind sie real. Deshalb ist auch der Gegenstand der Mathematik real. Wie gut dieses Modell ist, hängt nicht von der Relität ab, sondern davon, was du mit dem Modell machen willst.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 20. Jul 2010, 19:17

Dissidenkt hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Wenn sich also unser Gehirn naturgeschichtlich anders entwickelt hätte, dann hätte es z.B. sein können, dass 2 + 2 = 5?


Wenn 1+1+1+1=5, dann wäre auch 2+2=5 wahr. Zumindest als sprachliche Interpretation einer wahrgenommenen Realität. Wir würden dann vielleicht 1 2 3 5 4 6 7 8 9 10 zählen. Die Ziffern sind doch nur geistige Begriffe für reale Erscheinungen.


Das meint Frege m.E. nicht. Du meinst so etwas wie, dass das Wort "Vier" die Bedeutung von "5" haben könnte. Das ist nur eine Frage, welches Symbol man für eine Zahl auswählt. Symbole sind letztlich zufällig. Frege gesteht aber Zahlen eine Realität zu, wie sie Planeten haben. Sein Argument ist: Wenn eine Zahl sich naturgeschichtlich entwickelt hat, dann war sie nicht immer diesselbe. Deshalb war auch nicht schon immer 1+1 = 2 und das Verhältnis von Kreisumfang und Kreisdurchmesser nicht schon immer 3,1415927... - Es würde bedeuten, dass die Berechnungen der Astronomen nur heute stimmen, weil der Entwicklungsstand der Zahlen eben gerade das gegenwärtige Stadium erreicht hat. Das wäre absurd! Daraus lässt sich aber nicht ableiten, was Frege gern ableiten möchte. Es bedeutet m.E. nur, dass wir uns früher (mit "2+2=5") verrechnet hätten. Es bedeutet nur, dass unser Modell von Quantitäten, die wir mit den Zahlen ausdrücken, früher falsch war und heute besser passt. Ich glaube aber, dass die Grundlage der Mathematik, die Logik, schon in ganz primitiven Einzellern angelegt ist. Das "Wenn-dann" scheint eine Grundlage des Lebens zu sein. Mit anderen Wort: Dass mal 2+2=5 war müsste verdammt lange her sein.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Mi 21. Jul 2010, 07:14

ujmp hat geschrieben:Deine Zweien sind Modelle von etwas, was real existiert, aber nicht mit etwas realem identisch. Als Modelle sind sie real. Deshalb ist auch der Gegenstand der Mathematik real. Wie gut dieses Modell ist, hängt nicht von der Relität ab, sondern davon, was du mit dem Modell machen willst.


Das war sehr schlecht ausgedrückt. Ich mein das so:

Eine Zahl ist steht für eine Quantität. Wir können verschiedene Quantitäten unterscheiden und deshalb auch Ähnlichkeiten und Unterschiede unter ihnen feststellen. Die Mengen (oder Qunatitäten) [A,B,C] und [X,Y,Z] ähneln sich in einer bestimmten Weise. Wenn wir diese Ähnlichkeit abstrahieren, also auf die Gemeinsamkeiten beider Objekte reduzieren, bekommen wir [ , , ] - und das nennen wir Drei. Es ist ein Muster, ein Modell für weitere Mengen, die ebenfalls diese Gemeinsamkeit aufweisen.

Dieses Modell der Drei existiert aber nur im Kopf. Es ist keine Eigenschaft der Gegenstände A, B und C. Drei mag eine Eigenschaft der Gruppe, also der Menge [A,B,C] sein, aber Menge ist ebenfalls etwas, was nur in unserem Kopf besteht. Eine Menge ist eine Subsumierung von Dingen unter einen Begriff, z.B. unter "die Stühle in meinem Zimmer". Will ich deren Quantität angeben, vergleiche ich sie mit meinen Mengen-Modellen und finde, dass [Stuhl , Stuhl , Stuhl ] am besten zu [ , , ] passt, welches wir Drei genannt haben.

Im Kopf sind diese Mengen-Modelle real. Die Qualität eines Modelles hängt aber nicht von der Realität ab, welche dieses Modell darstellt, sondern von dem, der das Modell aufstellt und davon, was er damit machen will. Es kommt nur auf den Erfolg des Organismus an. Es ist genau so, wie mit der Hand und den Gegenständen, die sie greifen soll: Dass ein Apfel die Eigenschaft "greifbar" hat, hat seine Ursache nicht in dem Apfel, sondern in der Hand, also in dem Organismus, der etwas mit diesem Apfel machen will. Für die Hände einer Maus oder eines Elefanten hat der Apfel nicht dieselbe Eigenschaft.

Es ist ein ganz allegemeines Problem, ob die Eigenschaften eines Gegenstandes ihm tatsächlich anhaften - oder besser gesagt, was eine Eigenschaft überhaupt ist. Ich spekuliere, dass Schopenhauer in diesen Fragen die Antwort schon halbwegs gefunden hat. Ich komme nur mit seinem Platonismus nicht mit, es gibt keine Wesenheiten. Die Welt als Wille ist m.E. kein Sein sondern ein Werden. Schade dass er Darwin nicht mehr erlebt hat...

(Was ich die ganze Zeit versuche ist, die Mathematik monistisch zu konstruieren. Wenn das geht, brauche ich "Geist" oder gar Poppers "Welt III" nicht anzunehmen)
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mi 21. Jul 2010, 14:02

ujmp hat geschrieben:Müssen halt richtig gucken! Hier ist eine:
Bild


Wo isse denn? Ich sehe nur Zellen, aber keine Zahlen.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mi 21. Jul 2010, 14:09

ujmp hat geschrieben:Dass wir mit "2 x 2 = 4" besser durchs Leben kommen als mit "2 x 2 = 5" beweist nicht, dass "2 x 2 = 4" eine von unserem Oranismus unabhängige Realität zukommt.


Als Platonist (er selbst gebraucht diese Bezeichnung nicht) hält Frege mathematische Aussagen wie "2 x 2 = 4" für wahr. Als Fiktionalist muss ich sie hingegen für falsch halten, weil dem Fiktionalismus nach mathematischen Objekten überhaupt keine Realität zukommt. Der maßgebliche Unterschied zwischen "2 x 2 = 4" und "2 x 2 = 5" kann also nicht darin bestehen, dass die eine Aussage wahr und die andere falsch ist, da beide falsch sind. Im Englischen sprechen die Fiktionalisten deshalb von "fidelity" statt von "truth", also von "(Werk-)Treue" statt von "Wahrheit". Entsprechenderweise sagen sie, dass "2 x 2 = 4" "faithful"/"(werk-)treu" ("mathematik-treu") ist und "2 x 2 = 5" nicht.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mi 21. Jul 2010, 14:30

ujmp hat geschrieben:Hier hast du ein Bild von deinem fiktiven Objekt - oder was meinst du, wo sich dein fiktives Objekt befindet und wie es aussieht?


Fiktive Objekte befinden sich nirgendwo. Was sich in meinem Gehirn befindet, sind nicht die fiktiven Objekte selbst, sondern meine Vorstellungen davon. Und wenn ich mir gerade kein bestimmtes fiktives Objekt vorstelle (begrifflich oder bildlich), dann befinden sich in meinem Gehirn nur unbewusste nervliche Speicherzustände, die zu bewussten Geisteszuständen mit einem Vorstellungsinhalt werden können.

ujmp hat geschrieben:Deine Zweien sind Modelle von etwas, was real existiert, aber nicht mit etwas realem identisch. Als Modelle sind sie real. Deshalb ist auch der Gegenstand der Mathematik real.


Aber was ist denn der Gegenstand der (reinen) Mathematik?
Psychische oder physische Phänomene?
Genau das bezweifle ich.
Und aus dem Dasein von Vorstellungen (psychischen Repräsentationen) folgt nicht das Dasein des Vorgestellten, da wir uns ja auch Nichtseiendes vorstellen können.
Und was Modelle anbelangt, so ist mir noch nicht klar, was genau damit gemeint ist – vom einfachen Fall materieller Modelle wie eines Modellflugzeugs mal abgesehen. Interessanterweise gibt es in Bezug auf immaterielle Modelle den Standpunkt, dass es sich dabei um fiktive Objekte handelt:

http://plato.stanford.edu/entries/model ... ce/#FicObj

Wenn mathematische Objekte Systeme sind, die aus Mengen mathematischer Objekte und deren Relationen bestehen, dann würde ich dem als Freund des mathematischen Fiktionalismus spontan zustimmen.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Do 22. Jul 2010, 12:30

Myron hat geschrieben:Fiktive Objekte befinden sich nirgendwo. Was sich in meinem Gehirn befindet, sind nicht die fiktiven Objekte selbst, sondern meine Vorstellungen davon. Und wenn ich mir gerade kein bestimmtes fiktives Objekt vorstelle (begrifflich oder bildlich), dann befinden sich in meinem Gehirn nur unbewusste nervliche Speicherzustände, die zu bewussten Geisteszuständen mit einem Vorstellungsinhalt werden können.


(Hab grad nur Zeit für eine kurze Antwort)

1) Wieso unterscheidest du fiktive Objekte selbst und Vorstellungen davon?
2) Welche Rolle für die Exsitenz eines fiktiven Objektes spielt für dich der Gegensatz von aktivem Vorstellen und der unbewussten Existenz als nervlicher Speicherzustand.
3) Kann man nicht einfach sagen, der nervliche Speicherzustand ist die Exsistenz des fiktiven Objektes?
4) Wenn Zwei eine Fiktion ist, wieso sind dann nicht Richtig und Falsch ebenfalls Fiktionen?
5) Ist nicht die Fiktivität ebenfalls eine Fiktion? Was machen wir, wenn sie falsch ist? (Ich glaub, diese Kritik ist Vaihingers "Als Ob" entgegnet worden)
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Do 22. Jul 2010, 17:48

ujmp hat geschrieben:1) Wieso unterscheidest du fiktive Objekte selbst und Vorstellungen davon?


Weil zwischen einer Vorstellung und dem entsprechenden Vorstellungsgegenstand ein Unterschied besteht. Die Existenz einer Vorstellung (damit meine ich sowohl bildliche als auch sprachliche Vorstellungen, d.i. Gedanken) ist eine Sache und die Existenz des entsprechenden Vorstellungsgegenstandes eine andere. Wenn Letzterer fiktiv ist, dann existiert er im Gegensatz zu meiner/unserer Vorstellung davon nicht.

ujmp hat geschrieben:2) Welche Rolle für die Exsitenz eines fiktiven Objektes spielt für dich der Gegensatz von aktivem Vorstellen und der unbewussten Existenz als nervlicher Speicherzustand.


Fiktive Objekte sind für mich inexistente Objekte. Batman ist beispielsweise eine fiktive Person, von der ich eine bestimmte Vorstellung bzw. Reihe von Vorstellungen im Kopf habe. Aber natürlich denke ich nicht ununterbrochen an Batman. Die meiste Zeit über lagert meine "Batman-Idee" in meinem Gedächtnis, d.h. sie ist in meinem Gehirn gespeichert.

ujmp hat geschrieben:3) Kann man nicht einfach sagen, der nervliche Speicherzustand ist die Exsistenz des fiktiven Objektes?


Nein, das ergibt keinen Sinn. Denn, wie gesagt, fiktive Objekte existieren gar nicht, also weder innerhalb noch außerhalb meines Gehirns, und was in meinem Gedächtnis abrufbereit lagert, sind nur erlernte Begriffe und Vorstellungen fiktiver Objekte.

ujmp hat geschrieben:4) Wenn Zwei eine Fiktion ist, wieso sind dann nicht Richtig und Falsch ebenfalls Fiktionen?


Wie kommst du darauf?

ujmp hat geschrieben:
5) Ist nicht die Fiktivität ebenfalls eine Fiktion? Was machen wir, wenn sie falsch ist? (Ich glaub, diese Kritik ist Vaihingers "Als Ob" entgegnet worden)


Ich weiß nicht genau, was du meinst, aber ein fiktives Objekt ist und bleibt fiktiv (imaginär, irreal, inexistent).
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Fr 23. Jul 2010, 07:11

:kopfklatsch: Jetzt verstehe ich erstmal richtig, was du mit "Fiktion" meinst. Ich hatte so etwas wie "Hypothese" darunter verstanden, und nicht unbedingt etwas, das per se nicht existiert.

Zahlen gehören der Logik an - genau so wie Richtig und Falsch. Wenn das eine eine Fiktion ist, warum nicht auch das andere?
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Fr 23. Jul 2010, 17:42

ujmp hat geschrieben::kopfklatsch: Jetzt verstehe ich erstmal richtig, was du mit "Fiktion" meinst. Ich hatte so etwas wie "Hypothese" darunter verstanden, und nicht unbedingt etwas, das per se nicht existiert.


"…2. als methodisches Hilfsmittel bewußt gesetzte widerspruchsvolle oder falsche Annahme"

(http://www.dwds.de/?woerterbuch=1&qu=fiktion)

Ich meine damit eine reine Erdichtung oder Einbildung.

ujmp hat geschrieben:Zahlen gehören der Logik an - genau so wie Richtig und Falsch. Wenn das eine eine Fiktion ist, warum nicht auch das andere?


Wenn das Wahre und das Falsche wie Zahlen abstrakte Gegenstände sind, dann sind sie für den Fiktionalisten bzw. Nominalisten gleichermaßen fiktiv – aber nicht unbedingt, wenn sie nur Eigenschaften von Sätzen sind.
(Siehe: http://plato.stanford.edu/entries/truth-values)
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Dissidenkt » Fr 23. Jul 2010, 22:05

ujmp hat geschrieben: Frege gesteht aber Zahlen eine Realität zu, wie sie Planeten haben. Sein Argument ist: Wenn eine Zahl sich naturgeschichtlich entwickelt hat, dann war sie nicht immer diesselbe. Deshalb war auch nicht schon immer 1+1 = 2 und das Verhältnis von Kreisumfang und Kreisdurchmesser nicht schon immer 3,1415927... -


Eine einigermaßen absurde Vorstellung!
Mathematik existiert ausschliesslich in der menschlichen Vorstellungswelt. Dass diese sich über die Jahrhunderte entwickelt hat, sagt doch einzig und allein etwas über den Entwicklungsprozess des menschlichen Geistes.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon stine » Sa 24. Jul 2010, 11:28

Dissidenkt hat geschrieben:Dass diese sich über die Jahrhunderte entwickelt hat, sagt doch einzig und allein etwas über den Entwicklungsprozess des menschlichen Geistes.
Ja.
Aber Philosophie ist auch was Schönes! :wink:

LG stine
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » Sa 24. Jul 2010, 15:53

Ich sollte vorausschicken, daß es nicht nur eine Mathematik gibt, sondern viele. Siehe im englischen: maths.

Deshalb kann man die Mathematiken nicht über einen Kamm scheren.

- Computermathematik ist etwas reales, mit so lustigen Regeln wie: 255 + 1 = 0 wenn man mit unsigned byte arbeitet.
- die meisten am Zahlenstrahl herausgegriffenen reellen Zahl wären hingegen etwas nicht-existentes, weil sie sich weder symbolisch, noch als Dezimalzahl darstellen lassen.

Zwischen diesen beiden Polen liegen die unterschiedlichen Mathematiken.

Ich hab's im anderen Thread schon gesagt: aus Sätzen wie
- "Der mathematische Diskurs handelt von existenten, realen Objekten."
- "Die Objekte der Mathematik sind physische Objekte, und mathematische Sätze und Theorien handeln von solchen Objekten."
folgt nichts für die Wirklichkeit. Deshalb sind solche Sätze letzlich ohne Bedeutung.

ujmp hat geschrieben:Dass Zwei und Zwei gleich Vier ist, sagt m.E. nichts über eine äußere Wirklichkeit aus, sondern nur etwas darüber, wie unser Gehirn funktionert.

Wenn das so ist, dann kannst du mir gerne die Hälfte deines Gehaltes auf mein Konto überweisen. Mag sein, daß dein Gehirn jetzt gerade dabei ist, Ausreden zu finden, warum du das nicht machen kannst, aber glaube mir, du unterliegst hier nur einer Täuschung deines Gehirns. :kg:

ujmp hat geschrieben:Die Grenzen dieses Werkzeuges zeigen sich z.B. bei der Zahl Pi. Obwohl das Verhältnis von Kreisdurchmesser zu Kreisumfang eindeutig ist, können wir es nicht eindeutig in einer Zahl ausdrücken. Unsere Zahlen eigenen sich nur dazu, Pi als eine Näherung anzugeben.

Natürlich kann man Pi als Zahl ausdrücken, nur nicht als Dezimalzahl. Mit π ist Pi eindeutig ausgedrückt.

Man sagt ja auch nicht: 1/3 läßt sich nicht als Zahl ausdrücken, weil man 0,33333 nicht erschöpfend hinschreiben kann.

ujmp hat geschrieben:4) Wenn Zwei eine Fiktion ist, wieso sind dann nicht Richtig und Falsch ebenfalls Fiktionen?

:up: Das gefällt mir intuitiv, auch wenn ich es aus dem Stegreif nicht weiter begründen könnte. Wird wohl an ordinal(false) = 0 liegen. ;-)

Dissidenkt hat geschrieben:Mathematik existiert ausschliesslich in der menschlichen Vorstellungswelt. Dass diese sich über die Jahrhunderte entwickelt hat, sagt doch einzig und allein etwas über den Entwicklungsprozess des menschlichen Geistes.

Ich sehe hier Parabeln. Und bezweifle, daß das meiner übersteigerten Vorstellungswelt entspringt. Im Gegenteil: ich würde sogar kognitive Dissonanz! schreien, wenn jemand hier keine Parabeln sieht.

Bild


In der Mathematik haben die Formalisten zu Zeit einen starken Stand. Darüber wird dann gerne mal vergessen, was dahinter steckt und welche Bedeutung ausgedrückt wird.

Tim Pennings hat 2002 in einer Fachzeitschrift der Mathematical Society of America eine kleinen Aufsatz geschrieben mit dem Titel Do dogs know calculus? [pdf] Grund war seine Beobachtung, daß sein Hund offensichtlich intuitiv in der Lage ist, zweite Ableitungen zu bilden.

Aus: Science News for Kids: =)
The dog is a Welsh corgi named Elvis, who belongs to mathematician (no surprise there) Tim Pennings of Hope College in Holland, Michigan. When Elvis and Pennings go to the beach, they always play fetch. Standing at the water's edge, Pennings throws a tennis ball out into the waves, and Elvis eagerly retrieves it.

When Pennings throws the ball at an angle to the shoreline, Elvis has several options. He can run along the beach until he is directly opposite the ball, then swim out to get it. Or he can plunge into the water right away and swim all the way to the ball. What happens most the time, however, is that Elvis runs part of the way along the beach, then swims out to the ball.

That happens to be a good strategy. Swimming is slow compared to running, so swimming to the ball takes longer even if the route is more direct. On the other hand, the longer Elvis runs along the beach, the farther he must go to get to the ball. The best bet is a compromise between the two—running a certain distance along the beach before plunging into the water.

Figuring out the best plunge point is a problem that belongs to a branch of mathematics called calculus. Pennings found that Elvis usually picked a path that was very close to the one a mathematician would say was the fastest possible one.

http://www.sciencenewsforkids.org/pages ... se0104.asp


"Schnellster Weg" ist etwas sehr konkretes. Und ein schönes Beispiel, für die Bedeutungen, die hinter scheinbar sinnlosen Gleichungen stecken.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Sa 24. Jul 2010, 16:25

@myron

Mit dem Fiktionalismus ich ganz gut leben, glaube aber nicht, dass Fiktionen per se "falsch" sind.

Er deckt sich zumindest mit meinen Vorstellungen, wenn ich es so sage: "Der menschliche Organismus hat im Verlauf der Evolution Modelle erfunden, die zwar die Wirklichkeit nicht Abbilden, die es ihm aber erlauben, die Wirklichkeit vorwegzunehmen, um auf sie in seinem eigenen Interesse angemessen zu reagieren." Also etwa so, wie die Hand eine Anpassung an die Dinge darstellt, die sie greifen soll, ohne diese Dinge abbzubilden - eher als ein "Handlungsmodell". Fiktionen sind als Modelle Problemlösungskonzepte.

Solche Modelle können theoretisch richtig oder auch falsch sein, was bedeutet "dem Erreichen der eigenen Zeile dienlich" oder "...nicht dienlich". Sie lösen ein Problem oder auch nicht.("Eigenschaften von Sätzen" oder mehrwertige Logik spielen sich schon auf einer sehr komplexen, höheren Ebene ab. Wovon ich aber erstmal noch rede, ist etwas, dass unabhängig davon exsistiert, ob es uns bewusst wird oder ob wir es artikulieren.)

Die Logik ist sozusagen ein Mechanismus, der erstmal so und so funktionert. Er ist eine Tatsache, die man nicht als richtig oder falsch beurteilen kann. Logik dürfte sehr viel mit dem zu tun haben, was wir "Kausalität" nennen. Alle Lebewesen scheinen von Welten auszugehen, in denen ein "Wenn-Dann" zuverlässig gilt (Strukturerwartung). Selbst wenn Kausalität selbst auch nur eine Fiktion ist, scheint diese Fiktion doch recht dienlich zu sein.

Die Vorwegnahme von Kausalitätsketten dürfte der Grund für die Entwicklung der Logik sein. Eine Maus denkt so: "Wenn auf 'Katze kommt' 'Katze sieht mich' folgt und auf 'Katze sieht mich' 'Katze fängt mich' folgt, dann folgt auf 'Katze kommt' 'Katze fängt mich'." (stimmt nicht, aber sie denkt so, weil für komplizierte Analysen meist keine Zeit ist). Die Maus hat sozusagen eine bestimmte Fiktion von der Katze (die gar nicht wahr sein soll), so dass sie sich rechtzeitig verkrümeln kann, bevor 'Katze sieht mich' eintritt. Es ist für die Maus aber eine recht dienliche Fiktion. Ich würde zumindest nicht sagen, dass sich ihre Fiktion auf nichts bezieht.

Ob das Modell (der Begriff ist mir lieber als "Fiktion") "richtig" oder "falsch" ist, hängt von der Erwartung der Maus ab. Es ist ihr eigenes "richtig" und "falsch". Ihr Organismus (bzw. dessen Evolution) erfindet Modelle und probiert sie aus, und zwar aktiv. Die Struktur eines Modells muss sich dabei nichteinmal mit der Struktur der Wirklichkeit decken (m.E. tut sie das niemals). Es muss sich lediglich die Strukur der Erwartung mit der Struktur der Erfahrung decken (beides höchst subjektiv!). Erst auf einer höheren Entwicklugsstufe wie der Sprache wird dann aus einer solchen Strukturerwartung eine "Aussage" im Sinne Freges, die dann als richtig oder falsch beurteilt werden mag.

In diesem Sinne sind logische Operationen - wie der Name sogar schon sagt - Tätigkeiten. Es sind aktiv ausgeführte Programme unseres Organismus, die ganz gewiss real sind. "Drei" ist dann der Name für ein solches Programm.

In einfachen Organismen kann z.B. eine Dreizahl für drei Bedingungen stehen, die Erfüllt sein müssen. Z.B. Wenn eine rot ist, am Baum wächst, und süß riecht, dann ist sie essbar - was interessant wäre, wenn es eine Beere gibt, die rot ist, süß riecht, aber auf der Wiese wächst und giftig ist und eine Beere die auf der Wiese, rot ist und nicht riecht und essbar ist - gelbe Beeren, blaue Beeren usw. usw..
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Sa 24. Jul 2010, 16:55

smalonius hat geschrieben:Ich sollte vorausschicken, daß es nicht nur eine Mathematik gibt, sondern viele. Siehe im englischen: maths.

Deshalb kann man die Mathematiken nicht über einen Kamm scheren.

- Computermathematik ist etwas reales, mit so lustigen Regeln wie: 255 + 1 = 0 wenn man mit unsigned byte arbeitet.
- die meisten am Zahlenstrahl herausgegriffenen reellen Zahl wären hingegen etwas nicht-existentes, weil sie sich weder symbolisch, noch als Dezimalzahl darstellen lassen.

Zwischen diesen beiden Polen liegen die unterschiedlichen Mathematiken.

Du erklärst Mathematik mit Mathematik - das wird nix.

smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Dass Zwei und Zwei gleich Vier ist, sagt m.E. nichts über eine äußere Wirklichkeit aus, sondern nur etwas darüber, wie unser Gehirn funktionert.

Wenn das so ist, dann kannst du mir gerne die Hälfte deines Gehaltes auf mein Konto überweisen. Mag sein, daß dein Gehirn jetzt gerade dabei ist, Ausreden zu finden, warum du das nicht machen kannst, aber glaube mir, du unterliegst hier nur einer Täuschung deines Gehirns. :kg:

Schlauberger! Mein Gehirn funktioniert so, dass es lieber mehr als weniger Geld auf dem Konto hat.

smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Die Grenzen dieses Werkzeuges zeigen sich z.B. bei der Zahl Pi. Obwohl das Verhältnis von Kreisdurchmesser zu Kreisumfang eindeutig ist, können wir es nicht eindeutig in einer Zahl ausdrücken. Unsere Zahlen eigenen sich nur dazu, Pi als eine Näherung anzugeben.

Natürlich kann man Pi als Zahl ausdrücken, nur nicht als Dezimalzahl. Mit π ist Pi eindeutig ausgedrückt.

Man sagt ja auch nicht: 1/3 läßt sich nicht als Zahl ausdrücken, weil man 0,33333 nicht erschöpfend hinschreiben kann.

"1/3" ist nicht eine Zahl, sondern das Symbol für die Beziehung von zwei Zahlen. "Mit π ist Pi eindeutig ausgedrückt" ist nur eine Gleichsetzung von Symbolen. Ich rede aber von dem, worauf sich das Symbol Pi bezieht. Was auch immer du mit Zahlen ausdrückst, du musst eine Einheit ("Eins-heit") zugrunde legen. Eine andere Möglichkeit hast du nicht, weil dein Organsimus nichts anderes drauf hat. So bist du, wenn du das Verhältnis von Kreisumfang und Kreisdruchmesser als Zahl ausdrücken möchstest auf eine Notlösung angewiesen, da du dich dem Wert nur in good-enough-quality nähern kannst. Pi als Zahl gibt es gar nicht.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Sa 24. Jul 2010, 18:18

Myron hat geschrieben:Aber was ist denn der Gegenstand der (reinen) Mathematik?
Psychische oder physische Phänomene?
Genau das bezweifle ich.
Und aus dem Dasein von Vorstellungen (psychischen Repräsentationen) folgt nicht das Dasein des Vorgestellten, da wir uns ja auch Nichtseiendes vorstellen können.


Der Gegenstand der Mathematik sind m.E. Mengenverhältnisse. Eine Menge ist aber ein logisches, subjektives Konstrukt und damit psychisch. Eine Anzahl ist keine Eigenschaft von Dingen, ich kann zu einer Menge zählen, was ich will. Die Anzahl hängt damit nur von mir ab.

Dann kommt der Schritt dazu, zu verstehen, dass der Umfang an Einheiten unabhängig davon ist, welche Objekte konkret gezählt ("aufgezählt" , "dazu gezählt") werden. Das Zählen beruht wahrscheinlich auf dem Umstand, dass jedes gezählte Ding als gleichwertige Einheit (Eins-heit) angesehen wird. Das ist aber keine Gleichheit der Dinge. Die Glieder einer Menge haben lediglich einen identischen, meist binären Zugehörigkeitswert, der ihnen von unserem Denken angeheftet wird. Die verschiedenen Umfänge solcher Mengen von Einheiten lassen sich dann Vergleichen und in Beziehung zueinander setzen. A

Auf Grund der Häufigen Wiederholungen von bestimmten Umfängen schien es dann sinnvoll, einigen davon einen Naamen zu geben. Im Deutschen geht es bis Zwölf. Größere Vielfache werden mit Kombinationen und Suffixen benannt "-zig". Es sind aber immer Vielfache von Einheiten gemeint - ganz gleich womit sich die Mathematik auch beschäftigt.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » So 25. Jul 2010, 07:40

ujmp hat geschrieben:Dass Zwei und Zwei gleich Vier ist, sagt m.E. nichts über eine äußere Wirklichkeit aus, sondern nur etwas darüber, wie unser Gehirn funktionert.

ujmp hat geschrieben:Schlauberger! Mein Gehirn funktioniert so, dass es lieber mehr als weniger Geld auf dem Konto hat.

Alleine die Tatsache, daß du von "mehr" und "weniger" sprichst, heißt, daß du unbewußt 1000 EUR + 1000 EUR = 2000 EUR eine äußere Wirklichkeit zukommen läßt, weil du selbstverständlich weißt, daß 1000 < 2000.

Sollen wir größer und kleiner als Fiktion betrachten? Ich denke nicht.

ujmp hat geschrieben:"1/3" ist nicht eine Zahl, sondern das Symbol für die Beziehung von zwei Zahlen.

Du scheinst zu glauben, daß das eine das andere ausschließt. Ist aber nicht so.

2 = 2/1 = 4/2. Und sogar 2a/a = 2 für a ungleich 0.

Jede ganze Zahl läßt sich auch als rationale Zahl ausdrücken.

ujmp hat geschrieben:Pi als Zahl gibt es gar nicht.

π läßt sich nicht als rationale Zahl ausdrücken, und auch nicht als Dezimalzahl. Trotzdem bleibt es eine respektable, irrationale Zahl. Sonst müßten die Mathematikbücher umgeschrieben werden. ;-)

ujmp hat geschrieben:Eine Menge ist aber ein logisches, subjektives Konstrukt und damit psychisch.

Wenn ich "Konstrukt" höre, dann entsichere ich vorsorglich meine Pistole, weil in zwei drittel aller Fälle danach irgend was hanebüchenes folgt, das dazu gedacht ist, Tatsachen wegzuerklären.

ujmp hat geschrieben:ich kann zu einer Menge zählen, was ich will

Ganz so beliebig ist Mathematik nicht. Du kannst einen Apfel nicht zu den Birnen rechnen, ausser du sprichst von Früchten. Und wenn die dein Arbeitgeber dich plötzlich mit einem Appel und einem Ei abspeisen wollte, wärst du sicher auch, ahhm, angefressen. :mg:
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » So 25. Jul 2010, 08:32

smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Dass Zwei und Zwei gleich Vier ist, sagt m.E. nichts über eine äußere Wirklichkeit aus, sondern nur etwas darüber, wie unser Gehirn funktionert.

ujmp hat geschrieben:Schlauberger! Mein Gehirn funktioniert so, dass es lieber mehr als weniger Geld auf dem Konto hat.

Alleine die Tatsache, daß du von "mehr" und "weniger" sprichst, heißt, daß du unbewußt 1000 EUR + 1000 EUR = 2000 EUR eine äußere Wirklichkeit zukommen läßt, weil du selbstverständlich weißt, daß 1000 < 2000.

Sollen wir größer und kleiner als Fiktion betrachten? Ich denke nicht.

Das beweist nur dass es Fiktionen gibt, aber nicht das es das gibt, was diese Fiktionen darstellen.
smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:"1/3" ist nicht eine Zahl, sondern das Symbol für die Beziehung von zwei Zahlen.

Du scheinst zu glauben, daß das eine das andere ausschließt. Ist aber nicht so.

2 = 2/1 = 4/2. Und sogar 2a/a = 2 für a ungleich 0.

Jede ganze Zahl läßt sich auch als rationale Zahl ausdrücken.

Deine Argumentation ist auch hier zirkulär und basiert auf Kategoriefehlern. Man kann doch nicht Aussagen dadurch beweisen, dass man sie aufschreibt! Wie kommst du denn darauf dass "1/2" das Gleiche ist wie "2/4"? -Weil das ein Regel der Mathematik ist? Worum es hier geht, ist aber nicht die Frage, ob es die Reglen der Mathematik gibt, sondern ob und inwiefern es in der Wirklichkeit außerhalb unserer Gehirne etwas gibt, was diesen Reglen entspricht.

smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Pi als Zahl gibt es gar nicht.

π läßt sich nicht als rationale Zahl ausdrücken, und auch nicht als Dezimalzahl. Trotzdem bleibt es eine respektable, irrationale Zahl. Sonst müßten die Mathematikbücher umgeschrieben werden. ;-)

Das ist der selbe zirkuläre Denkfehler. Nur weil wir eine Auffassung teilen und mit ihr erfolgreich durchs Leben kommen, bedeutet das noch lange nicht, dass dieser Auffassung etwas Reales entspricht.

smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Eine Menge ist aber ein logisches, subjektives Konstrukt und damit psychisch.

Wenn ich "Konstrukt" höre, dann entsichere ich vorsorglich meine Pistole, weil in zwei drittel aller Fälle danach irgend was hanebüchenes folgt, das dazu gedacht ist, Tatsachen wegzuerklären.

Nimm es gelassen und überleg in Ruhe. Dann kommst du darauf, dass "und" und "nicht" Begriffe sind, die sich auf nichts Physisches außerhalb deines Gehirns beziehen.
smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:ich kann zu einer Menge zählen, was ich will

Ganz so beliebig ist Mathematik nicht. Du kannst einen Apfel nicht zu den Birnen rechnen, ausser du sprichst von Früchten. Und wenn die dein Arbeitgeber dich plötzlich mit einem Appel und einem Ei abspeisen wollte, wärst du sicher auch, ahhm, angefressen. :mg:

Du kannst jedes Ding in eine Menge zählen, wenn du es nur willst. Z.B. die ersten 10 Erinnerungen, die dir einfallen, wenn du an deine Kindheit denkst. Die Zehnzahl ist völlig unabhängig davon, was dir einfallen wird, genau wie der Umstand, dass du bei Fünf die Hälfte von Zehn haben wirst. Es unterliegt ausschließlich deinem subjektiven Willen, was du zusammenzählst. Die Mathematik ist offensichtlich unbeiendruckt von der Realität.
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