Ich möchte auch gern erstmal ein
ad hominem (ein schöner Begriff, danke, AgentProvocateur) an den Beginn setzen:
Ich schätze dein Engagement, FastForward, und halte dich für kein bisschen auf den Kopf gefallen. Ich finde es grundsätzlich auch rundherum gut, wenn Leute kreativ sind und gedanklich neue Wege beschreiten. Glaube nicht, dass ich das, was du geschrieben hast, einfach so im Kopf beseite gewischt habe, manche Gedanken finde ich gut oder zumindest in die richtige Richtung gehend, wie z.B. den Effizienzgedanken. Ich habe aber das Gefühl, dass deine Begeisterung für eine bestimmte Idee dir ein bisschen den Blick verstellt auf die realen Möglichkeiten der Wissenschaft, der Menschheit und deiner wie unserer generellen Vorhersagekraft. Mir ist auch aufgefallen, dass du Dinge sehr kleinteilig (ich befürchte: isoliert) betrachtest, also anstatt dir Gedanken zu generellen Wirtschaftsabläufen zu machen, lieber Beispiele herauspickst (wie z.B. das Handydesign) und dann stillschweigend davon ausgehst, dass dieses Beispiel sich problemlos auf die Gesamtwirtschaft übertragen lässt.
Zudem scheinst du wenig Erfahrung mit der Anwendung - oder gar dem Neubau - eines theoretischen Rahmens im Bereich der Gesellschaftswissenschaften und der Anwendung entsprechender Begrifflichkeiten zu haben (Verzeihung, falls ich da falsch liege). Das wundert mich nicht, schließlich ist das nicht Bestandteil eines Studiums im Bereich Steuer- und Handelsrecht. Das ist keine Abwertung, ich kann noch nichtmal eine Steuererklärung fehlerfrei ausfüllen. Ich studiere für meinen Teil unter anderem Politikwissenschaften und habe daher eine andere Perspektive auf euer Projekt. Ich habe schon viele politische Heilslehren und Zukunftsvisionen betrachtet und die Erfahrung machen müssen, dass selbst die erfolgreicheren von ihnen, die sich teilweise durchsetzen konnten, andere Ergebnisse brachten und selten die Erwartungen erfüllten, die in der ersten Phase der Faszination einer neuen Idee an sie geknüpft wurden.
Ich versuche im folgenden zusammenfassend auf deine Position einzugehen, was bedeutet, dass ich Zitate größtenteils ausspare. Falls du wieder Vorwürfe entdeckst, die du anhand dessen, was du gesagt hast, nicht einordnen kannst, dann ist es wichtig, zu bedenken, dass Dinge, die du sagst, bei mir vielleicht anders ankommen, als du sie gemeint hast, oder dass ich so manches auch mit meinem Wissen verknüpft und weitergedacht habe und dabei eben auf Unstimmigkeiten gestoßen bin, die direkt und allein in deinen Beiträgen natürlich nicht ersichtlich waren. Außerdem hast du ja die Möglichkeit, eine Erwiderung zu verfassen.
Einige konkrete Kommentare habe ich aus Platzgründen in einen zweiten Beitrag gepackt, da ich leider mal wieder die Zeichengrenze gesprengt habe. Ich sehe es aber nicht ein, ein kompliziertes Thema auf 5.000 Zeichen herunterzubrechen, bei einer solchen Simplifizierung kann man sich die Diskussion gleich sparen. Ich schneide im Grunde auch jetzt nur einen Bruchteil dessen an, was ich zu manchen Dingen gerne gesagt hätte.
Ein wichtiges Zitat zu Anfang, das mir stellvertretend für den kommunikativen Teil des Missverständnises zwischen uns beiden zu stehen scheint:
FastForward hat geschrieben:Du bist ja ein Meister der Interpretation von nichtmal latent vorhandenen Inhalten. Du hast dein Bild (dein Eigentum) und das lässt du dir nicht wegnehmen und verschwendest keinen Gedanken daran wie man Probleme in einer RBE lösen könnte.
Erstmal zu deinem ersten Vorwurf: Ich habe auf eine ganze Reihe von Implikationen und Widersprüchen deines Modells hingewiesen, die dir aber bislang anscheinend nicht aufgefallen sind und die du daher auch als "nichtmal latent vorhanden" ansehen musst. Du unterstellst mir, dass ich ein bestimmtes Bild vom Eigentum habe, das ich mir nicht wegnehmen lasse; damit entsteht bei dir gleichzeitig der Eindruck, ich hätte den Gedanken der RBÖ nicht verstanden. Das habe ich, da bin ich mir recht sicher, aber sehr wohl. Ich behaupte sogar, ich habe ihn derart gut verstanden, dass ich ihn auf problematische Implikationen abgeklopft habe, die dir noch gar nicht aufgefallen sind und deshalb deiner Meinung nach eben nicht vorhanden sind.
Was passieren wird, wenn man die RBÖ anwendet, ist gebunden an die Gesetzmäßigkeiten der physischen Welt, nicht an die Meinungen der Anhänger des Venusprojektes. Ergo kann ich als Nichtanhänger genauso eine gedankliche Simulation der RBÖ-Verwirklichung vornehmen und wenn ich dabei auf Ungereimtheiten mit der Venus-Ideologie stoße, dann ist es eine bedauernswerte Immunisierung gegen Kritik, wenn die Venus-Leute sagen, dass sie über diese Ungereimtheit ja kein Wort verloren hätten und sie folgerichtig gar nicht existieren kann, aber sicherlich kein Argument.
Ich fühle mich als Wissenschaftler (als Anwender der wissenschaftlichen Methode), egal, welchen Job ich mal haben werde. Wissenschaft lebt von Konflikt, Streit und Ehrgeiz und von einem starken Kritizismus. Wenn du mir vorwirfst, dass ich die Potentiale der RBÖ nicht würdige, dann hat das auch damit zu tun, dass ich (auch vom Studium her) darauf trainiert bin, Schwachstellen zu suchen. Das sehe ich als meine Stärke und Lobhudelei allein bringt auch kein Projekt voran. Erst wenn ein Konzept erfolgreich durch das Feuer der wissenschaftlichen Kritik gegangen ist (und meine Meinung ist darauf nur ein Vorgeschmack), ist es wirklich brauchbar.
Zum zweiten zum Potential der RBÖ:
Ich sehe Potential in dieser Idee, ich habe eine ähnliche Zukunftsvision (die meiner Meinung nach sogar wesentlich konsequenter zu Ende gedacht ist, weil sie das Potential virtueller Welten, das Fresco noch nicht kennen konnte, einbezieht), sogar schonmal
hier im Forum ausgebreitet.
Wogegen ich mich wende, ist nicht der Kernbestandteil der RBÖ, also eine effiziente Nutzung der zugänglichen Ressourcen und eine faire Verteilung ihres Ertrags. Ich sehe aber einige Problemfelder der damit verknüpften Gesellschaftsvision. Denn Tatsache ist, das wird auch äußerst klar, wenn man auf der Website des Venus Projects liest, dass die RBÖ nur
einer der Bestandteile dieser alternativen Gesellschaft ist. Diese Gesellschaftsvision finde ich aber nebem dem generellen Problem, dass sie mir sehr unrealistisch erscheint, auch insgesamt in weiten Zügen problematisch:
Problemfeld 1: Die
Überfrachtung dieser Idee mit
sozialen Heilserwartungen.
Ich möchte mal von der Venus-Project-Seite zitieren, um deutlich zu machen, was da zusammenphantasiert wird (
Venus Project FAQ Nr. 105):
"
Sexual attitudes and behaviors in a saner society will evolve very differently from conventional societies today. We think nudity will become more commonplace on beaches, parks, and elsewhere, and that this will, in fact, become the norm in the future. Non-judgmental attitudes about sexual preference will eventually prevail. Sex in magazines will lack inhibition, thus reducing the interest in dancing girls, enticing displays, sexual extravagance, etc. Sexual distortions and abnormalities result from judgmental religious concepts regarding nudity and sexual preference."
Was ich hier so schockierend finde, ist, nicht, dass Nacktheit in der Öffentlichkeit normal sein soll (das finde ich nicht schlimm, nur langweilig), sondern dass unter dem Deckmantel der Geißelung von religiöser Intoleranz eine quasireligiöse Reinigungsfantasie einsetzt, die ihresgleichen sucht. Es wird so getan, als würde man eine ultraliberale Einstellung verfolgen, aber in denselben Sätzen fallen krass vorurteilsbehaftete und wertende Vokabeln wie "saner society" ("gesündere/reinere/sauberere Gesellschaft") und "sexual abnormity" ("sexuelle Abnormität/Abartigkeit") und das noch dazu ohne weitere Erläuterung.
Ähnliche Vorstellungen gibt es bezüglich Süchten, sonstigen Exzessen, sozialer Abnormität usw. Niemand vom Venus Project scheint neben den Heilsfantasien zu sehen, dass damit auch Quellen von Kreativität und Fortschritt zerstört werden und dass man damit - implizit und vordergründig das Gegenteil behauptend - Leuten vorschreibt, wie sie zu denken und zu fühlen haben und das sogar ohne größere Begründung. Warum Pornoheftchen oder Gogo-Girls abzulehnen sind, wird hier nichteinmal ausgeführt. Man drückt sich einfach darum herum, sich kulturell damit auseinanderzusetzen, sondern nimmt unausgesprochen an, dass der Verwerflichkeit dieser Dinge alle insgeheim - und spätestens nach Empfang einer saftigen Portion Venus-Erziehung - zustimmen werden und man diese Dinge dann durch die Hintertür abschaffen kann. Ich finde es gefährlich und kein bisschen wissenschaftlich gedacht, dass man sich mit den Hintergründen der eigenen Ressistements nicht beschäftigen, sondern einfach vollendete Tatsachen schaffen will. Ich habe nichts dagegen, dass das jemand widerwärtig findet, aber das soll bitte öffentlich diskutiert und nicht stillschweigend "wegerzogen" werden.
Problemfeld 2:
Politreligiöse Forderungen,
etwa der nach der
Abschaffung des Geldes, das dämonisiert statt nüchtern nach seiner Leistungskraft analysiert wird. Geld ist zuallererst mal nur ein normiertes Tausch- und nicht notwendigerweise ein Machtmittel. Wenn man Ressourcen rationieren muss, wäre es das sinnvollste, ein einheitliches Grundgeld an die x Menschen auszuzahlen, dass dem x-ten Anteil des Gegenwerts der Gesamtproduktion entspricht. Die Kosten für bestimmte Produkte werden dann weiterhin marktwirtschaftlich bestimmt. Mit so einer Regelung, mit der man keinerlei nennenswerte Macht über andere ausüben kann, hätte sogar Marx leben können, dem es immer primär um das Eigentum an Produktionsmitteln ging. Ihr aber lehnt Geld derart verbohrt ab, dass ihr auch seine guten Eigenschaften nicht nutzen könnt.
Problemfeld 3:
Extremer Szientismus und
Technikgläubigkeit,
also der Glaube, mit (natur-)wissenschaftlichen Methoden alle Probleme der Welt lösen zu können. Eine Kritik daran muss ich hier nicht gesondert üben, das ist in der philosophischen und gesellschaftswissenschaftlichen Literatur wirklich zur Genüge getan worden und im Zweifel gibt es Leute im Forum (wie Myron beispielsweise), die eine Kritik wesentlich umfassender und treffender formulieren könnten, als ich.
Problemfeld 4: Der versteckte
Totalitarismus des Konzeptes, der mit Gerede von Freiheit und Selbstbestimmung klug übertüncht wird:
Zwar wird behauptet (!), jeder könne nach Lust und Laune leben, wo und wie er will. Tatsächlich ist der Siedlungsraum gerade in einer supereffizienten, ökologieorientierten Ökonomie ein sehr begrenztes Gut und damit übrigens auch eines, für das es einen Verteilungsmechanismus geben muss, denn nicht jeder kann in den malerischen Landschaften Neuseelands leben, ohne sie durch Überbevölkerung zu zerstören. Auch wird (auf der Website) behauptet, jeder könne seiner Weltsicht, Religion und seinen Traditionen weiterhin verbunden bleiben. Das ist aber Unsinn, denn ein - Zitat - "redesign of our culture" sieht genau das Gegenteil vor: Die Zerstörung bzw. gezielte Verebbung kulturellen Erbes, damit die Venusideologie möglichst störungsfrei gedeihen und den Menschen erziehen kann. Auf der Website ist dann auch allenthalben davon die Rede, den Menschen (insbesondere Kinder) durch Erziehung auf die neue Linie zu bringen, das wird ziemlich offen ausgesprochen.
Der Mensch soll also folglich über die Normierung der Umwelt gleichgeschaltet werden. Freiheit existiert nur noch im Rahmen künstlerischen Ausdrucks und der Auswahl aus verschiedenen Konsumgütern, aber nicht mehr im Sinne persönlicher Verantwortung oder einer zur Venusideologie alternativen Lebensweise. Hinwendung an die Gemeinschaft, altruistisches Handeln, Engagement usw. sind wertlose Handlungen geworden, weil Problemlösungen grundsätzlich vom System erwartet werden (ja, ich weiß, ihr rechnet mit einer Zunahme sozialer Kompetenz, aber auf welcher Grundlage? Wohlstand bringt Individualisierung und Zerfall von Gruppen mit sich, ein Phänomen, das ihr nicht einfach mit
social engineering wegtechnisieren könnt). Auch ein Ausscheiden aus dem System (ja, es gibt Leute, die leben bewusst als Obdachlose auf der Straße) ist unmöglich, wenn man sich das Design der Venusstädte ansieht.
Ich füge hier auch mal an, dass eine Durchsetzung dieses Konzepts ohne Anwendung von Gewalt kaum möglich sein wird. Andere gesellschaftliche Utopisten wie z.B. die Kommunisten (mit deren Geisteshaltung ihr sehr viel gemeinsam habt, egal, ob ihr das nun erkennen und zugeben wollt oder nicht) sind ebenfalls daran gescheitert, die Menschen nur durch Bildung und friedliche Überzeugung großflächig zu ihren Unterstützern zu machen. Am Ende war dann Gewalt nötig, erst angeblich nur, um den Übergang zu meistern, später dann um die Herrschaft der besonders ideologietreuen zu sichern. Ich sehe eine große Wahrscheinlichkeit, dass das Venus Project hier genau denselben Weg gehen und am Ende in einer Art Ökodiktatur enden würde. Natürlich denkt die reine Venuslehre sich das anders, aber das war mit allen politischen Utopien bisher so und ich sehe bisher überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Venus Project systemimmanente Sicherungen eingebaut hätte, die genau das verhindern würden, im Gegenteil, es gibt eine Menge Fallstricke, die ich ja gerade in Ansatzen schildere (es sind nichtmal alle, die ich sehe).
Problemfeld 5: Das
Fehlen eines modus operandi für das Finden politischer Entscheidungen.
Die strikte Hinwendung zum Szientismus führt dazu, dass ihr nicht einsehen könnt, dass eine Zieldefinition immer eine normative Kategorie und darüberhinaus von Meinungen geprägt ist, weil selbst in den gleichgeschaltetsten Gesellschaften Dissens über die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft besteht. Ihr seid blind für alle Quellen für Konflikte außer Geld (was für mich die Frage aufwirft, wer hier eine Obsession mit Geld hat), und glaubt daher, dass die Abschaffung des Geldes das Ende aller wesentlichen politischen Konflikte ist. Damit ignoriert ihr einen Großteil von Jahrzehnten gesellschaftswissenschaftlicher, psychologischer und neurologischer Forschung.
Ich möchte an dieser Stelle mal Jared Diamond aus seinem bekannten Buch "Kollaps" zitieren (S. 81), in dem er alles andere als freundlich mit Profitgier umgeht und daher unverdächtig ist, den Radikalkapitalisten das Wort zu reden, hier am Beispiel der Umweltprobleme in Montana, USA:
"
Man kann für die Schwierigkeiten in Montana nicht einfach böse, egoistische Menschen verantwortlich machen, die wissentlich und rücksichtslos auf Kosten ihrer Nachbarn nach eigenem Profit streben. Stattdessen kommt es zum Konflikt zwischen Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft und Wertvorstellungen unterschiedliche Handlungsweisen bevorzugen."
Diamond referiert im Folgenden über die unterschiedlichen Vorstellungen von Alteingesessenen, Zuzüglern, radikalen Umweltschützern, rechtskonservativen Farmern, Minengesellschaften, Lokalpolitikern und der Zentralregierung und nicht immer geht es dabei um's Geld, sondern oft auch um ideelle Güter: Die Einheimischen wollen ihre landwirtschaftliche Tradition bewahren, die Zuzügler wollen Baugrund kaufen und die landschaftliche Schönheit Montanas genießen, die Minengesellschaften wollen die Rohstoffe aus der Erde holen (was sie auch in einer RBÖ tun müssten), wogegen wiederum die Umweltschützer sind, die Lokalpolitiker wollen sich nicht von der Zentralregierung reinreden lassen und Washington will Montana als gesamtamerikanisches Erbe bewahren.
Keines dieser Probleme lässt sich mit "wissenschaftlicher" Herangehensweise regeln! Die Wissenschaft kann ausrechnen, was man ungefähr tun muss um ungefähr dieses oder jenes Ergebnis zu bekommen, aber welches Ergebnis man haben will, das muss man
entscheiden! Dieses Missverständnis wurzelt auch darin, dass du glaubst, allein das Anhäufen neuer Fakten würde schon aufzeigen, wie man weitergehen solle. Fakten, auch wenn sie wissenschaftlich einwandfrei gewonnen wurden, müssen aber interpretiert werden und das ist
immer und ausnahmslos ein normativer Prozess, für den man einen Maßstab des "Guten und Wünschenswerten" festlegen muss, eine Aufgabe, die mit wissenschaftlicher, deskritptiver Methodik nicht zu bewerkstelligen ist. Diese Problemstellung ist
grundsätzlich und kann auch durch weiteren wissenschaftlichen Fortschritt nicht überwunden werden - es ist
zentral für unseren gesamten Disput, dass du das verstehst!
Problemfeld 6: Das verbissene
Ablehnen des Machtbegriffes bis zur Selbstschädigung.
Das Venus Project geht davon aus, dass der erzieherische Effekt einer effizienten, sauberen Umwelt derart groß ist, dass mehere Milliarden Menschen ein kooperatives, gewaltloses, rücksichtsvolles Miteinander quasi über Nacht erlernen. Nach allem, was ich über soziale und psychologische Effekte weiß (und es ist nicht gerade wenig), kann ein solches System nicht funktionieren. Der Mensch hat ein starkes, genetisch verankertes Bedürfnis nach Dominanz, das ein zentraler Faktor unserer sozialen Fähigkeiten ist. Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen (Empathie) und Intentionen anderer vorherzusehen, diente in der evolutionären Geschichte immer dazu, Dominanz über andere zu entwickeln, um über sozialen Aufstieg das eigene Überleben und den eigenen Fortpflanzungserfolg zu optimieren. Es ist fast überflüssig, hier zu erwähnen, dass
Konflikt auch eine sehr produktive Seite hat, gerade übrigens in der Wissenschaft. Ich halte es für brandgefährlich und einen Ausdruck - Verzeihung - arroganter Selbstüberschätzung, zu glauben, diese - noch dazu oftmals nützlichen - Instinkte mit einer im Ansatz simpel gedachten, in ihren Auswüchsen aber radikalen, Umkonstruierung der gesamten menschlichen Umwelt eindämmen zu können und zu sollen.
Das bringt mich auch gleich zum nächsten Punkt:
Problemfeld 7:
Extreme (!) Überschätzung der eigenen Vorhersagekraft.
Ich versuche es mal vorsichtig auszudrücken: Ihr wollt ein nicht fertig durchgeplantes, sondern nur in groben Zügen skizziertes, ungetestetes, radikal neues, hyperkomplexes, holistisches System auf einer Plattform (Planet Erde mit insbesondere menschlicher Globalgesellschaft) implementieren, die nur ansatzweise erforscht und in weiten Teilen unverstanden ist und derzeit auf einem zwar suboptimalen, aber funktionierenden und zumindest in groben Zügen erforschten und verstanden sozialen, politischen und ökonomischen System beruht. Verglichen mit der Computerindustrie, schlagt ihr vor, ein experimentelles, kaum getestetes, hochkomplexes Betriebssystem im laufenden Betrieb in einem riesigen Rechenzentrum aufzusetzen, das zentral für die Aufrechterhaltung aller lebensnotwendigen Systeme ist.
Jetzt aber noch das allerschlimmste: Ihr glaubt, ihr wüsstet, was dann passiert! Das ist der helle Wahnsinn.