Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » So 25. Jul 2010, 09:26

smalonius hat geschrieben:Bild

Was du hier siehst ist eine Form, die wie z.B. auch das Kreisförmige in der Natur häufig vorkommt. Du siehst aber keine Mathematik. Du kannst solche Formen bestenfalls mathematisch beschreiben. Wenn du sie aber z.B. ästhetisch beschreiben würdest, würdest du auch nicht sagen, dass diese Formen die Ästhetik beweisen, oder?

Außerdem gibt es in der Natur weder einen Kreis noch eine Parabel, sondern nur Dinge, die so ähnlich aussehen. Wenn du bei deinem Springbrunnen einfach nur Höhe und horizontale Distanz von der Düse in Beziehung setzt (höhe= distanz²) bekommst du eine Linie. Das Bild zeigt aber keine Linie. Außerdem berücksichtigt diese Formel nicht den Wind oder Schwankungen des Wasserdrucks. Von den Zufälligkeiten auf molekularer Ebene ganz zu schweigen! Du wirst sagen "Ja, aber wenn ich mir das alles wegdenke, dann ist es eine Parabel" - Richtig! - Aber, nur dann! Und was ist es anderes als Fiktion, wenn man sich die Realität wegdenkt?
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » So 25. Jul 2010, 16:09

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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » So 25. Jul 2010, 16:55

Die Ähnlichkeit zwischen Formen festzustellen ist noch lange keine Mathematik, oder? Kein Zweifel, es gibt kreisförmige und parabelförmige Objekte. Ich bezweifle nur, dass die Mathematik diese Formen mehr als nur beschreibt, sondern bestimmt. Dann müsste ich nämlich die Mathematik als etwas anerkennen, das in der Welt wirkt. Dazu müsste ich aber erklären, wie sie das tut - wenn's geht naturalistisch, monistisch!
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mo 26. Jul 2010, 02:11

ujmp hat geschrieben:Der Gegenstand der Mathematik sind m.E. Mengenverhältnisse. Eine Menge ist aber ein logisches, subjektives Konstrukt und damit psychisch. Eine Anzahl ist keine Eigenschaft von Dingen, ich kann zu einer Menge zählen, was ich will. Die Anzahl hängt damit nur von mir ab.


Ich denke nicht, dass Mengen psychische und damit konkrete Gegenstände sind (wären).
Und in der Regel hängt es nicht von dir und deinen Zählungen ab, welche Anzahl einem Begriff zukommt, d.h. wie viele Gegenstände unter ihn fallen beziehungsweise wie groß sein Umfang ist.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Mo 26. Jul 2010, 07:13

Es hängt doch auch nur von mir ab, was ich unter einem Begriff verstehe. Wir können z.B. verschiedene Begriffe von "Planeten des Sonnensystems" haben, wenn ich den Pluto noch dazu zählen wollte und du nicht. Es hängt nur davon ab, was ich zusammenzählen will. Wenn wir uns auf einen Begriff "Planeten des Sonnensystems" geeinigt haben, also den Objekten gemeinsam das binäre Etikett "fällt unter diesen Begriff" angeheftet haben, können wir die Planeten zählen. Wir kommen wahrscheinlich auf die selbe Zahl, weil Hard- und Software aus dem selben Hause stammen.

Übrigens hat nicht ein einziger Astronom den selben Bergiff von "Pluto", wie sein Kollege. Es hat nichteinamal ein Astronom heute den selben Begriff von Pluto, den er gerstern noch hatte. Sein Neuronaler Zustand ist nämlich ständig in Veränderung. Denkt er nicht an Pluto, setzt das Vergessen ein. Denkt er an Pluto, verden diejenigen Aspekte verstärkt, an die er gerade denkt. Lernt er etwas neues über Pluto ... - sowieso. Schon weil nicht zwei Astronomen den Pluto zur gleichen Zeit vom selben Ort aus betrachten können, müssen ihre Vorstellungen von Pluto eine unterschiedliche Perspektive haben. Und sogar, wenn sich der Astronom mit etwas beschäftigt, dass so ähnlich aussieht oder nur so ähnlich heißt, verändert dies den Umfang seines Begriffes "Pluto". Eco hat das den "Code" genannt - das Wort trifft es evtl. noch besser, als "Modell" oder "Fiktion".

Einführung in die Semiotik, von Umberto Eco

Hier ein kostenloses Update deines Begriffes "Pluto" (Ich hoffe du hast Spaß dran, wenn du in Zukunft "Pluto" sagst):

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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mo 26. Jul 2010, 19:08

ujmp hat geschrieben:Es hängt doch auch nur von mir ab, was ich unter einem Begriff verstehe. Wir können z.B. verschiedene Begriffe von "Planeten des Sonnensystems" haben, wenn ich den Pluto noch dazu zählen wollte und du nicht.


Wir können zwar die Bedeutung des Begriffs <Planet> willkürlich festlegen, aber wenn sie einmal festgelegt ist, dann hängt es nicht mehr von unserer Willkür ab, ob unter diesen Begriff Gegenstände fallen und, wenn ja, wie viele.
Es gibt genau genommen zwei Begriffe, die nicht bedeutungsgleich sind: <Planet_alt> und <Planet_neu>.
Unter ersteren fallen neun Himmelskörper (einschließlich Pluto) und unter letzteren acht. Das sind objektive Tatsachen.

ujmp hat geschrieben:Übrigens hat nicht ein einziger Astronom den selben Bergiff von "Pluto", wie sein Kollege.


In der (älteren) Logik findet sich eine Unterscheidung zwischen Individualbegriffen und Allgemeinbegriffen. Zum Beispiel ist der Begriff <Planet> ein Allgemeinbegriff und der Begriff von Pluto ein Individualbegriff. Allerdings ist "Pluto" selbst kein Begriff—"der Begriff <Pluto>" ist ein missgebildeter Ausdruck—, sondern ein Eigenname; und der Begriff von Pluto umfasst all diejenigen Allgemeinbegriffe (vor allem <Planet>), die wir Pluto zuschreiben.

ujmp hat geschrieben:Es hat nichteinamal ein Astronom heute den selben Begriff von Pluto, den er gerstern noch hatte. Sein Neuronaler Zustand ist nämlich ständig in Veränderung. Denkt er nicht an Pluto, setzt das Vergessen ein. Denkt er an Pluto, verden diejenigen Aspekte verstärkt, an die er gerade denkt.


Die Wissenschaftler legen Wert auf eine einheitliche Begriffsverwendung, was aber nicht immer gewährleistet ist. (Es soll immer noch Astronomen geben, die sich weigern, die neue Definition von <Planet> zu verwenden.)

Dass Nervenzustände dynamischer Natur sind, bedeutet nicht, dass sich mein Begriff (geistige Vorstellung) von Pluto allein deshalb ständig ändert. Es ist keineswegs so, dass jedes Mal ein inhaltlich veränderter Begriff von Pluto in meinem Bewusstsein auftaucht, wenn ich an ihn denke. Und wenn ich gegenwärtig nicht an ihn denke, dann bedeutet das nicht, dass ich meinen Begriff davon vergessen habe, denn er ist ja dauerhaft in meinem Gedächtnis gespeichert und wartet sozusagen darauf, von mir abgerufen zu werden.

ujmp hat geschrieben:Lernt er etwas neues über Pluto ... - sowieso. Schon weil nicht zwei Astronomen den Pluto zur gleichen Zeit vom selben Ort aus betrachten können, müssen ihre Vorstellungen von Pluto eine unterschiedliche Perspektive haben. Und sogar, wenn sich der Astronom mit etwas beschäftigt, dass so ähnlich aussieht oder nur so ähnlich heißt, verändert dies den Umfang seines Begriffes "Pluto".


Was die Beobachtung Plutos anbelangt, so könnte man sagen, dass jeder Beobachter sein eigenes Wahrnehmungsbild hat und diese sich voneinander unterscheiden, je nachdem, von welchem Standpunkt aus Pluto betrachtet wird.
Auch unsere Begriffe von Pluto können sich voneinander unterscheiden. So ist der Pluto-Begriff eines Astrophysikers inhaltsreicher als der einer astrophysikalisch ungebildeten Person, die nicht mehr weiß, als dass es sich um irgendeinen Himmelskörper handelt.
Individualbegriffe können auch durch neue Erkenntnisse angereichert werden und dadurch inhaltlich wachsen.

ujmp hat geschrieben: Eco hat das den "Code" genannt - das Wort trifft es evtl. noch besser, als "Modell" oder "Fiktion".
Einführung in die Semiotik, von Umberto Eco


Ich bin mit der Eco'schen Semiotik vertraut. (Ich habe auch ein Exemplar dieses Buches.)
Allgemein gesprochen, ist ein Code eine Regel bzw. eine Funktion, die Elementen aus einer Menge von Ausdruckseinheiten (syntaktischen Einheiten) Elemente aus einer Menge von Inhaltseinheiten (semantischen Einheiten) zuordnet.

"Ein Code etabliert also (a) die Korrelation einer Ausdrucksebene (in ihrem rein formalen und systematischen Aspekt) mit einer Inhaltsebene (ebenfalls rein formal und systematisch aufgefasst); (b) eine Zeichen-Funktion etabliert die Korrelation eines abstrakten Elements des Ausdruckssystems mit einem abstrakten Element des Inhaltssystems; (c) auf diese Weise stellt der Code Typen auf, d.h. er bringt die Regel hervor, die die tokens oder konkreten Exemplare (der Typen) generiert, das heißt jene Entitäten, die bei den Kommunikationsprozessen realisiert werden und die man gewöhnlich Zeichen nennt; … ."

(Eco, Umberto. Semiotik: Entwurf einer Theorie der Zeichen. Übers. v. G. Memmert. 2. Aufl. München: Fink, 1987. S. 79)

(Der Nominalist tut sich mit solchen Aussagen freilich schwer, da er nicht an die Existenz abstrakter Codes, Typen, Funktionen oder Klassen glaubt. Er muss sie also auf eine Weise auffassen, die ihn nicht dazu verpflichtet, die Existenz derartiger Sachen anzuerkennen.)

ujmp hat geschrieben:Hier ein kostenloses Update deines Begriffes "Pluto" (Ich hoffe du hast Spaß dran, wenn du in Zukunft "Pluto" sagst): …


Selbstverständlich können verschiedene Dinge oder Personen den gleichen Namen tragen. In der Tat heißen mehrere Gegenstände "Pluto", aber in der Regel kann man dem Gesprächskontext entnehmen, welcher Pluto gemeint ist. Wir reden hier über den (Ex-)Planeten Pluto, nicht wahr?
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » Mo 26. Jul 2010, 19:25

ujmp hat geschrieben:Hier ein kostenloses Update deines Begriffes "Pluto" (Ich hoffe du hast Spaß dran, wenn du in Zukunft "Pluto" sagst):

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Die letzten beiden verstehe ich nicht. :/
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 27. Jul 2010, 17:59

Zum Update: Eine Vorstellung, die wir mit einem Begriff verbinden, wird von allem bestimmt, was mit dieser Vorstellung, in Zusammenhang gestellt wird, also auch durch das, was der Begriff nicht beinhaltet. Was ein Begriff nicht behinhaltet ist zwar logisch betrachtet unendlich viel, aber das spielt beim updaten eines Begriffes keine Rolle, es spielen nur die Vorstellungen eine Rolle, die tatsächlich miteinander in Beziehung gesetzt werden. Es ist ein Prozess.

Im Kontext der Astronomie unseres Sonnensystems werden Saturn und Pluto gewohnheitsmäßig in Verbindung gebracht. Man könnte nicht sagen, dass Pluto ein "Zwergplanet" ist, wenn dieser Ausdruck nicht eine Relation zu anderen Planeten beinhalten würde, nämlich die der realtiven größe. D.h. eben, dass sie Vorstellung von dem Planeten Pluto auch durch das geprägt wird, was ihn von anderen Planeten unterscheidet. Ich hatte den Saturn ausgewählt, weil er durch die Ringe einen auffälligen Unterschied aufweist.

Dass der Pluto "sehr klein" ist, ist allerdings wieder relativ, z.B. in Relation zu einem Apfel. Der Apfel auf dem Tisch meines Wohnzimmers muss m.E. selbst keine Verbindung zu dem Planeten Pluto selbst haben. Aber die Vorstellungen von diesen Gegentständen können in Verbindung gebracht werden (z.B. wenn ich sie hier eben absichtlich in einen Kontext stelle). Aber, auch wenn wir das oft nicht mehr merken, wurde unser gesamtes Weltbild m.E. von solchen Vergleichsprozessen aufgebaut, die durch diese Vergleiche unsere Vorstellungen ausdifferenziert haben. Dieses Vergleichen und Ausdifferenzieren geschieht nicht nur in Bezug auf Form und Farbe oder Eigenschaften wie, hart, gelb, schwer usw. Es geschieht auch in Bezug auf das Verhalten der Gegenstände. Es geschieht aber z.B. auch in Bezug auf Kontexte. z.B. ist der Phobos ein ständiger Begleiter des Planeten Mars. Alles was als Ursache und Wirkung interpretiert wird fällt unter Kontextualitätswahrnehmung.

In dem Augenblick, wenn zwei Vorstellungen miteinander in Verbindung gebracht werden (evtl. ist das sogar immer ein aktiver Vorgang), verändert das diese Vorstellungen zwangsläufig. Unsere Vorstellungen von "Pluto" werden wohl eine gewisse Zeit mit "Mirinda Kerr" verknüpft bleiben, weil der Organismus ujmp sie in eine Verbindung gebracht hat und uns gezwungen hat, sie zu vergleichen. Wir können uns erstmal dagegen nicht wehren, beide Vorstellungen in einem Kontext zu sehen - unabhängig davon, wie wir diesen Kontext bewerten. Das Gehirn hat sicher einige Mechanismen, sich gegen solche Beliebigkeit zu schützen - aber nur begrenzt, wie man aus der Werbung und der Propaganda lernen kann.

Das neuronale Netz unseres Gehirnes kann potentiell alles mit allem verbinden. Wie bei einem Spinnennetz, bei dem man nicht an einem Faden ziehen kann, ohne das ganze Netz in Bewegung zu setzen, so ist unser neuronales Netz ständig insgesamt in Bewegung, wenn von außen etwas auf es einwirkt. Dies natürlich in einer viel komplexeren Weise und nicht nur durch die äußere Einwirkung bestimmt, sondern auch durch den aktiven Willen des Organismus. Es finden auch Selbstorganisationsprozesses statt oder innere Prozesse, die wieder andere innere Prozesse steuern. Ich vermute, dass der Organismus auch solche inneren Prozesse miteinander vergleicht und sich daraus eine Vorstellung von sich selbst konstruiert.

Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Eco in allem richtig verstanden habe, aber so etwa stelle ich mir das selbst vor. Eine Stelle habe ich wiedergefunden:

(S.142:) "Wir müssen uns daher das Leben des Codes als eine kontinuierliche Anreicherung mit Sinn vorstellen, die sich auf der Basis von syntaktischen Gesetzen aufbaut..." (S.143:) "Wir könnten das faktische Urteil [=Beobachtungsaussage (Anm. ujmp)]...als ein Beispiel für die von den Regeln des Codes zugelassene Kreativität ansehen: Die syntaktischen Regeln erlauben es Botschaften zu artikulieren, die die verschiedenen semantischen Einheiten mit Sinn anreichern. Eine diachronische Dimension kommt in eine synchronische Dimension des Codes als eines Systems von Subcodes und verändert dessen Struktur... "
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 27. Jul 2010, 20:32

Myron hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Der Gegenstand der Mathematik sind m.E. Mengenverhältnisse. Eine Menge ist aber ein logisches, subjektives Konstrukt und damit psychisch. Eine Anzahl ist keine Eigenschaft von Dingen, ich kann zu einer Menge zählen, was ich will. Die Anzahl hängt damit nur von mir ab.


Ich denke nicht, dass Mengen psychische und damit konkrete Gegenstände sind (wären).
Und in der Regel hängt es nicht von dir und deinen Zählungen ab, welche Anzahl einem Begriff zukommt, d.h. wie viele Gegenstände unter ihn fallen beziehungsweise wie groß sein Umfang ist.


Myron hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Es hängt doch auch nur von mir ab, was ich unter einem Begriff verstehe. Wir können z.B. verschiedene Begriffe von "Planeten des Sonnensystems" haben, wenn ich den Pluto noch dazu zählen wollte und du nicht.


Wir können zwar die Bedeutung des Begriffs <Planet> willkürlich festlegen, aber wenn sie einmal festgelegt ist, dann hängt es nicht mehr von unserer Willkür ab, ob unter diesen Begriff Gegenstände fallen und, wenn ja, wie viele.
Es gibt genau genommen zwei Begriffe, die nicht bedeutungsgleich sind: <Planet_alt> und <Planet_neu>.
Unter ersteren fallen neun Himmelskörper (einschließlich Pluto) und unter letzteren acht. Das sind objektive Tatsachen.


Das stimmt. Die "Achtheit" ist dabei aber eine Eigenschaft des Begriffes "Planeten unseres Sonnensystems" und keine Eigenschaft der Objekte, die durch diese zufällige Konvension unter diesen Begriff fallen. Ich kann die Menge "8 Himmelskörper des Sonnensystems" beliebig bilden, z.B. "Sonne, Mond, Saturn, Juptiter, Callisto, Eros, Pluto, 4711" Hier gibts große Auswahl. - Ok, nicht ganz beliebig, da die Liste endlich ist. Zumindest hängt aber die Achtzahl nicht von den Objekten ab, die ich zusammenzähle. Acht steht für sieben "und", mehr nicht. Das ist ja gerade der Witz an der Mathematik, dass "2+2=4" ist - ganz gleich was man zählt.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Di 27. Jul 2010, 20:59

Myron hat geschrieben:
Ich bin mit der Eco'schen Semiotik vertraut. (Ich habe auch ein Exemplar dieses Buches.)
Allgemein gesprochen, ist ein Code eine Regel bzw. eine Funktion, die Elementen aus einer Menge von Ausdruckseinheiten (syntaktischen Einheiten) Elemente aus einer Menge von Inhaltseinheiten (semantischen Einheiten) zuordnet.

"Ein Code etabliert also (a) die Korrelation einer Ausdrucksebene (in ihrem rein formalen und systematischen Aspekt) mit einer Inhaltsebene (ebenfalls rein formal und systematisch aufgefasst); (b) eine Zeichen-Funktion etabliert die Korrelation eines abstrakten Elements des Ausdruckssystems mit einem abstrakten Element des Inhaltssystems; (c) auf diese Weise stellt der Code Typen auf, d.h. er bringt die Regel hervor, die die tokens oder konkreten Exemplare (der Typen) generiert, das heißt jene Entitäten, die bei den Kommunikationsprozessen realisiert werden und die man gewöhnlich Zeichen nennt; … ."

(Eco, Umberto. Semiotik: Entwurf einer Theorie der Zeichen. Übers. v. G. Memmert. 2. Aufl. München: Fink, 1987. S. 79)

(Der Nominalist tut sich mit solchen Aussagen freilich schwer, da er nicht an die Existenz abstrakter Codes, Typen, Funktionen oder Klassen glaubt. Er muss sie also auf eine Weise auffassen, die ihn nicht dazu verpflichtet, die Existenz derartiger Sachen anzuerkennen.)


Ich hatte bei Eco den Eindruck zurückbehalten, dass er sich diesen Code nur in Abhängikeit von einem Medium vorstellen kann, also in Abhängigkeit vom Gehirn, vom Organismus. Jedenfalls ist er kein Sprachanalytiker, der nur in der logischen Ebene bleibt.

"Code" find ich besser als "Fiktion" oder "Modell". Ein Code ist einerseits nicht losgelöst von dem was er codiert, wie eine Fiktion. Farbeindrücke z.B. sind weniger eine Fiktion als eher eine "Kodierung" der elektromagnetischen Strahlung, die auf unsere Netzhaut trifft. Andererseits ist "Code" eben nicht als Abbild misszuverstehen, wie "Modell". Auch dafür sind die Farben ein gutes Beispiel, die elektromagnetische Wellen nicht darstellen, sondern eher umsetzen. Und wenn man sich die Homogenität der Grauen Zellen vor Augen hält, kann eigentlich kaum ein Zweifel bestehen, dass in unserem Kopf nur Codes wie auf einer Festplatte gespeichert werden.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » Di 27. Jul 2010, 22:07

ujmp hat geschrieben:Dass der Pluto "sehr klein" ist, ist allerdings wieder relativ, z.B. in Relation zu einem Apfel. Der Apfel auf dem Tisch meines Wohnzimmers muss m.E. selbst keine Verbindung zu dem Planeten Pluto selbst haben. Aber die Vorstellungen von diesen Gegentständen können in Verbindung gebracht werden (z.B. wenn ich sie hier eben absichtlich in einen Kontext stelle). Aber, auch wenn wir das oft nicht mehr merken, wurde unser gesamtes Weltbild m.E. von solchen Vergleichsprozessen aufgebaut, die durch diese Vergleiche unsere Vorstellungen ausdifferenziert haben.

Glückwunsch. Lao-Tse ist das bereits vor über 2000 Jahren aufgefallen. ;-)

Tao te king

Under heaven all can see beauty as beauty only because there is ugliness.
All can know good as good only because there is evil.

Therefore having and not having arise together.
Difficult and easy complement each other.
Long and short contrast each other:
High and low rest upon each other;

http://www.iging.com/laotse/LaotseE.htm


ujmp hat geschrieben:Unsere Vorstellungen von "Pluto" werden wohl eine gewisse Zeit mit "Mirinda Kerr" verknüpft bleiben, weil der Organismus ujmp sie in eine Verbindung gebracht hat und uns gezwungen hat, sie zu vergleichen.

Hab mal gegoogelt, und gelernt, daß Pluto eine Nymphe aus der griechischen Mythologie war. Das könnte sogar hängenbleiben.

ujmp hat geschrieben:Das neuronale Netz unseres Gehirnes kann potentiell alles mit allem verbinden.

Und die wenigsten dieser Verknüpfungen würden Sinn ergeben. Genauso wie die meisten, beliebigen Aneinanderreihungen von Buchstaben und Wörtern keinen Sinn ergeben würden.

Apropos Sinn ergeben:

Eco hat geschrieben:Wir müssen uns daher das Leben des Codes als eine kontinuierliche Anreicherung mit Sinn vorstellen, die sich auf der Basis von syntaktischen Gesetzen aufbaut..." (S.143:) "Wir könnten das faktische Urteil [=Beobachtungsaussage (Anm. ujmp)]...als ein Beispiel für die von den Regeln des Codes zugelassene Kreativität ansehen: Die syntaktischen Regeln erlauben es Botschaften zu artikulieren, die die verschiedenen semantischen Einheiten mit Sinn anreichern. Eine diachronische Dimension kommt in eine synchronische Dimension des Codes als eines Systems von Subcodes und verändert dessen Struktur...

Du solltest mich inzwischen soweit kennen, daß ich mit sowas gar nichts anfangen kann. :pfeif:

Das ist eine unverständliche Kette von Fremdwörtern. Ich hab versucht, da Sinn hineinzulesen und es ins Deutsche zu übersetzen. Viel gescheites ist nicht dabei herausgekommen. Liegt das jetzt an mir oder am Zitat? :/

Wir müssen uns daher das Leben des Codes als eine kontinuierliche Anreicherung mit Sinn vorstellen, die sich auf der Basis von syntaktischen Gesetzen aufbaut...
Sprachlicher Code reichert sich mit Sinn an und hält sich dabei an syntaktische Regeln.

Wir könnten das faktische Urteil ...als ein Beispiel für die von den Regeln des Codes zugelassene Kreativität ansehen:
Ein Tatsachenurteil ist ein Beispiel dafür, daß mittels Sprache etwas Neues gesagt werden kann.

Die syntaktischen Regeln erlauben es Botschaften zu artikulieren, die die verschiedenen semantischen Einheiten mit Sinn anreichern.
Sprachliche Regeln erlauben, etwas zu sagen, das Worten/Redensarten mehr Sinn gibt.

Und der Oberhammer:

Eine diachronische Dimension kommt in eine synchronische Dimension des Codes als eines Systems von Subcodes und verändert dessen Struktur...
Gestern hat man anders gesprochen als heute - und immer auch in Untersprachen - und das verändert die Sprachordnung.

99 Punkte für den, der mir erklären kann, was das soll. =) Daß es sowas wie Sprachwandel gibt, ließe sich auch einfacher sagen.

Da bleibe ich lieber bei meinen Parabeln. s = 1/2 gt². Das bedeutet, wenn etwas zweimal solange fällt, legt es den vierfachen Weg zurück. Zumindest in einem homogenen Schwerefeld. Ob das konkret, abstrakt oder fiktiv oder ist, whatever.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Mi 28. Jul 2010, 07:59

smalonius hat geschrieben:Das ist eine unverständliche Kette von Fremdwörtern.

Eco ist, was seine wissenschaflichen Bücher betrifft, ohne Fremdwörterbuch kaum lesbar. Durch solche Bücher quäle ich mich auch nur , wenn sie waaaaahnsinnig interessant sind.

smalonius hat geschrieben:Wir müssen uns daher das Leben des Codes als eine kontinuierliche Anreicherung mit Sinn vorstellen, die sich auf der Basis von syntaktischen Gesetzen aufbaut...
Sprachlicher Code reichert sich mit Sinn an und hält sich dabei an syntaktische Regeln.

:up: Die Aussage "Auf dem Mond gibt es Wassereis" hat die Bedeutung des Wortes "Mond" verändert.

smalonius hat geschrieben:Wir könnten das faktische Urteil ...als ein Beispiel für die von den Regeln des Codes zugelassene Kreativität ansehen:
Ein Tatsachenurteil ist ein Beispiel dafür, daß mittels Sprache etwas Neues gesagt werden kann.

:up: Von der Alltagserfahrung her scheint das vielleicht trivial. Versucht man aber zu rekonstruieren, wie ein Organismus als physischer Aparat das bewerkstelligt, ist es nicht so trivial. Der hartverdrahtete Gleichgewichtssinn hat z.B. keine Kreativität.
smalonius hat geschrieben:Die syntaktischen Regeln erlauben es Botschaften zu artikulieren, die die verschiedenen semantischen Einheiten mit Sinn anreichern.
Sprachliche Regeln erlauben, etwas zu sagen, das Worten/Redensarten mehr Sinn gibt.

:up: ...wie beim Mond.

smalonius hat geschrieben:Eine diachronische Dimension kommt in eine synchronische Dimension des Codes als eines Systems von Subcodes und verändert dessen Struktur...
Gestern hat man anders gesprochen als heute - und immer auch in Untersprachen - und das verändert die Sprachordnung.

Obwohl du niemals in den selben Fluß steigen kannst, da er sich mit der Zeit ("diachron") verändert, stellt die Codierung in deinem Kopf ihn als etwas dar, was zu jedem Zeitpunkt dasselbe ist (synchron). Dein Code kennt nur "die Elbe" und nicht "die Elbe am 28. Juli 2010, 8.51 Uhr". Wenn du eine Weile am Ufer stehst und auf den Fluss schaust und dabei eine Haifischflosse an dir vorüber schwimmt, reichert das den Sinn von "Elbe" an: "In der Elbe gibt es Haie" - und es reichert den Sinn von "Haie" an: "Haie gibt es in der Elbe". Das ist nicht dasselbe wie Sprachwandel, obwohl Sprachwandel teilweise auch dadurch entsteht. Es geht dabei erstmal um deine Kodierungen. Bei Eco geht es um kulturelle Kodierungen, die m.E. aber letzlich in konkreten Organismen wie dir physisch als neuronaler Zustand vorliegen. Die Kultur entsteht dann erst duch Kommunikation.

smalonius hat geschrieben:Da bleibe ich lieber bei meinen Parabeln. s = 1/2 gt². Das bedeutet, wenn etwas zweimal solange fällt, legt es den vierfachen Weg zurück. Zumindest in einem homogenen Schwerefeld. Ob das konkret, abstrakt oder fiktiv oder ist, whatever.

Du kannst für die Mathematik geltend machen, dass du mit deinem Hokuspokus :mg: vorhersagen kannst, wo der Wasserstrahl auftreffen wird, wenn du die Anfangsbedingungen kennst. Das ist phänomenal!
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mi 28. Jul 2010, 14:41

ujmp hat geschrieben:Mit dem Fiktionalismus ich ganz gut leben, glaube aber nicht, dass Fiktionen per se "falsch" sind.


Wahr oder falsch sind streng genommen nur Aussagen.

ujmp hat geschrieben:Er deckt sich zumindest mit meinen Vorstellungen, wenn ich es so sage: "Der menschliche Organismus hat im Verlauf der Evolution Modelle erfunden, die zwar die Wirklichkeit nicht Abbilden, die es ihm aber erlauben, die Wirklichkeit vorwegzunehmen, um auf sie in seinem eigenen Interesse angemessen zu reagieren."


Ein Modell, das die Wirklichkeit nicht 1:1 abbildet, nicht 100%ig trifft, kann ja dennoch wirklichkeitsnah oder -ähnlich sein.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mi 28. Jul 2010, 14:59

ujmp hat geschrieben:Im Kontext der Astronomie unseres Sonnensystems werden Saturn und Pluto gewohnheitsmäßig in Verbindung gebracht. Man könnte nicht sagen, dass Pluto ein "Zwergplanet" ist, wenn dieser Ausdruck nicht eine Relation zu anderen Planeten beinhalten würde, nämlich die der relativen Größe.


Das Wort "Zwergplanet" ist insofern irreführend, als der entscheidende definitorische Unterschied zwischen Zwergplaneten und Planeten nicht eine geringere Größe, sondern der Umstand ist, dass Zwergplaneten die Umgebung ihrer Umlaufbahn nicht freigeräumt haben.

http://de.wikipedia.org/wiki/Zwergplanet
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mi 28. Jul 2010, 17:13

ujmp hat geschrieben:Das stimmt. Die "Achtheit" ist dabei aber eine Eigenschaft des Begriffes "Planeten unseres Sonnensystems" und keine Eigenschaft der Objekte, die durch diese zufällige Konvension unter diesen Begriff fallen.


Frege drückt sich folgendermaßen aus: Begriffen kommen jeweils bestimmte (natürliche) Zahlen zu.

"In dem Satze 'Dem Begriffe F kommt die Zahl 0 zu' ist 0 nur ein Teil des Prädikates, wenn wir als sachliches Subjekt den Begriff F betrachten. Deshalb habe ich es vermieden, eine Zahl wie 0, 1, 2 Eigenschaft eines Begriffes zu nennen. Die einzelne Zahl erscheint eben dadurch, dass sie nur einen Teil der Aussage bildet, als selbstständiger Gegenstand."

(Frege, Gottlob. Die Grundlagen der Arithmetik. 1884. Hrsg. v. Joachim Schulte. Stuttgart: Reclam, 1987. §57)

Zahlen sind also streng genommen weder Eigenschaften von Gegenständen noch von Begriffen.
Freges Auffassung nach entsprechen sie vielmehr Umfängen von Begriffen:

"Ich definiere demnach:
Die Anzahl, welche dem Begriffe F zukommt, ist der Umfang des Begriffes 'gleichzahlig dem Begriffe F'."


(Frege, Gottlob. Die Grundlagen der Arithmetik. 1884. Hrsg. v. Joachim Schulte. Stuttgart: Reclam, 1987. §68)

Das ist erläuterungsbedürftig:
Die Anzahl, welche dem Begriff F zukommt, ist diejenige Menge aller Begriffe, unter die genauso viele Gegenstände fallen wie unter den Begriff F.
Zum Beispiel ist die dem Begriff <(gegenwärtiger) Bundespräsident> zukommende Anzahl 1 identisch mit der Menge aller Begriffe, unter die genau ein Gegenstand fällt, wobei diese mehr als einen Begriff enthält, da es ja viele solche Begriffe gibt, z.B. <Erdmond>, <Hauptstadt Frankreichs>, <(gegenwärtiger) Sieger der Tour de France>. Diese drei Begriffe sind, wie Frege sagt, dem Begriff <(gegenwärtiger) Bundespräsident> gleichzahlig, weil allen dieselbe Zahl zukommt: 1. Das heißt, die Anzahl der (gegenwärtigen) Bundespräsidenten, die Anzahl der Erdmonde, die Anzahl der Hauptstädte Frankreichs und die Anzahl der (gegenwärtigen) Tour-de-France-Sieger sind identisch.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon Myron » Mi 28. Jul 2010, 18:03

ujmp hat geschrieben:"Code" find ich besser als "Fiktion" oder "Modell".


Ein Code ist schon etwas anderes als ein Modell.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Fr 30. Jul 2010, 11:11

ujmp hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Da bleibe ich lieber bei meinen Parabeln. s = 1/2 gt². Das bedeutet, wenn etwas zweimal solange fällt, legt es den vierfachen Weg zurück. Zumindest in einem homogenen Schwerefeld. Ob das konkret, abstrakt oder fiktiv oder ist, whatever.

Du kannst für die Mathematik geltend machen, dass du mit deinem Hokuspokus :mg: vorhersagen kannst, wo der Wasserstrahl auftreffen wird, wenn du die Anfangsbedingungen kennst. Das ist phänomenal!


Im Ernst, es ist phänomenal! Was ist eigentlich die Ursache für die Ordnung einer Parabel oder sonst irgendeines Musters?

Bei der Wurfparabel sind es zwei Kontinuitäten: der Impuls des fliegenden Objektes und die Erdanziehung. Im Grunde genommen kann man, glaube ich, die gesamte Physik auf Kontinuitäten reduzieren, die sich in einem Diagramm mit einer Zeitachse mit einer Gerade darstellen lassen. Das muss ja auch so sein, denn die Mathematik braucht etwas, was sie in Einheiten zerlegen kann. Oder anders gesagt, die Mathematik kann mit diskontinuierlichen Erscheinungen gar nichts anfangen (was nicht heißt, dass es diese nicht gibt).

Die Berechenbarkeit diverser Muster in der Natur ist ja so objektiv, wie etwas überhaupt objektiv sein kann. Deshalb muss man wohl anerkennen, dass sich die Mathematik auf etwas Wirkliches bezieht.

Es ist aber für mich noch die Frage, ob die Mathematik ein Abbild der Natur ist oder nur eine Codierung.

Mit dem Wort "Codierung" gibt es aber wieder das Problem, dass es im allgemeinen Sprachgebrauch etwas anderes meint. Ich meine es hier so, dass eine Tatsache als "Zeichen" für eine andere Tatsache betrachtet werden kann, z.B. eine Pfütze dafür, dass es geregnet hat. Damit wäre in der Pfütze der Regen "codiert", ohne den Regen irgendwie "abzubilden". Verallgemeinert könnte man sagen, dass das Eine die Wirkung des Anderen ist.

Bei einem Organismus kommt dann noch hinzu, dass diese von außen in ihm verursachten Wirkungen wiederum selbst Ursachen für Wirkungen werden können, die er nach außen zurückgibt. Erfahrungen ändern seinen neuronalen Zustand, der in der Folge sein Verhalten bestimmt. Für einen Organismus ist dies sogar das eigentlich entscheidende: Kann der Code mein verhalten so lenken, dass ich überlebe - "funktioniert mein Programm"? Auch hier muss man zugeben, dass das Programm der Mathematik ziemlich gut funktioniert, wenn es z.B. darum geht eine Wurfbahn vorherzuberechnen.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Fr 30. Jul 2010, 11:46

Diese Kurve erregt in mir den Verdacht, dass uns etwas nur zufällig erscheinen mag, obwohl es von sich streng linear entwickelnden Parametern abhängt. Die Kurve bildet Spalte D ab, die sich aus A² × B² × C² berrechnet.
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon smalonius » Mo 2. Aug 2010, 19:08

ujmp hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Wir könnten das faktische Urteil ...als ein Beispiel für die von den Regeln des Codes zugelassene Kreativität ansehen:
Ein Tatsachenurteil ist ein Beispiel dafür, daß mittels Sprache etwas Neues gesagt werden kann.

:up: Von der Alltagserfahrung her scheint das vielleicht trivial. Versucht man aber zu rekonstruieren, wie ein Organismus als physischer Aparat das bewerkstelligt, ist es nicht so trivial. Der hartverdrahtete Gleichgewichtssinn hat z.B. keine Kreativität.

Ich nehme an, daß Eco darüber schweigt, wie das genau vor sich geht. Wenn man Näheres wissen wollte, würde man bei Neuro-Linguisten nachfragen, nicht bei Eco. :pfeif:

ujmp hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Die syntaktischen Regeln erlauben es Botschaften zu artikulieren, die die verschiedenen semantischen Einheiten mit Sinn anreichern.
Sprachliche Regeln erlauben, etwas zu sagen, das Worten/Redensarten mehr Sinn gibt.

:up: ...wie beim Mond.

Trivial, wenn's nicht in Fremdwörter gepackt wäre. Neue Wörter und neue Bedeutungen tauchen auf, seit damals Ugh die Keule erfunden hat. Oder heutzutage: Eisenbahn, Lokomotive, Transrapid, Rechner, Roboter, Laser und so weiter.

ujmp hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Eine diachronische Dimension kommt in eine synchronische Dimension des Codes als eines Systems von Subcodes und verändert dessen Struktur...
Gestern hat man anders gesprochen als heute - und immer auch in Untersprachen - und das verändert die Sprachordnung.

Obwohl du niemals in den selben Fluß steigen kannst, da er sich mit der Zeit ("diachron") verändert, stellt die Codierung in deinem Kopf ihn als etwas dar, was zu jedem Zeitpunkt dasselbe ist (synchron).

"Eine diachronische Dimension verändert die Struktur des Codes." Völlige Nullaussage. Eine "Diachronische Dimension" impliziert bereits eine Veränderung. Sowas darf man sich echt nicht andrehen lassen.

Und von wegen in den selben Fluß steigen: Panta Rei - alles fließt - das ist seit Heraklit auch nicht mehr brandneu.

Die alten Römer und die alten Griechen haben anders gesprochen als wir. Althochdeutsch ist nicht dasselbe wie Neuhochdeutsch. Wow! Wer hätte das erwartet! :p Eine vernünftige Aussage von Eco wäre es, wenn er einen Stammbaum bauen würde, so wie sich die Strukturen der Sprachen im Laufe der Geschichte gewandelt haben. Das wäre nicht-trivial.

Genug über ECO.


ujmp hat geschrieben:Oder anders gesagt, die Mathematik kann mit diskontinuierlichen Erscheinungen gar nichts anfangen (was nicht heißt, dass es diese nicht gibt).

Reihen und Folgen sind meines Wissens Stoff der zwölften Klasse. ;-) Computermathematik ist ebenfalls diskontinuierlich.

ujmp hat geschrieben:Die Berechenbarkeit diverser Muster in der Natur ist ja so objektiv, wie etwas überhaupt objektiv sein kann. Deshalb muss man wohl anerkennen, dass sich die Mathematik auf etwas Wirkliches bezieht.

Und damit kommen wir wieder auf's Thema.

Myron hat vorsichtiger Weise so formuliert:

Myron hat geschrieben:Wir sollten Folgendes auseinanderhalten:
[...]
2. Die Ontologie (Referenzsphäre) der (reinen) Mathematik

Knackpunkt ich das "(reine)" Mathematik. Myron unterstellt hier einen Gegensatz zwischen reiner und angewandter Mathematik. Die Antwort auf seine Eingangsfrage könnte also unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wovon die Rede ist? Gibt es eine klare Trennlinie zwischen angewandter und reiner Mathematik?
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Re: Naturalismus und (Philosophie der) Mathematik

Beitragvon ujmp » Mo 2. Aug 2010, 20:26

smalonius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:
smalonius hat geschrieben:Eine diachronische Dimension kommt in eine synchronische Dimension des Codes als eines Systems von Subcodes und verändert dessen Struktur...
Gestern hat man anders gesprochen als heute - und immer auch in Untersprachen - und das verändert die Sprachordnung.

Obwohl du niemals in den selben Fluß steigen kannst, da er sich mit der Zeit ("diachron") verändert, stellt die Codierung in deinem Kopf ihn als etwas dar, was zu jedem Zeitpunkt dasselbe ist (synchron).

"Eine diachronische Dimension verändert die Struktur des Codes." Völlige Nullaussage. Eine "Diachronische Dimension" impliziert bereits eine Veränderung. Sowas darf man sich echt nicht andrehen lassen.

Damit ist m.E. gemeint, dass sich der Fluss ständig verändert, während deine Vorstellung von ihm aber etwas Konstantes ist. Unsere Gedanken operieren mit Eigennamen, als ob sie sich auf etwas Konstantes beziehen. Wenn die Gedanken tatsächlich Abbilder wären, müssten sie m.E. auch die diachronische Komponente abbilden. Sie sind aber nur Code. Aber jedesmal, wenn du die Elbe auf eine neue Weise siehst, wird der Code aktualisiert. Es ist dann aber keine Elbe², Elbe³ usw, sondern es bleibt der Fluss, die heute so aussieht, gestern so und so aussah usw. Alle seine diachronischen Zustände werden synchron gedacht, als die Elbe.
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