Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 9. Sep 2010, 13:58

Ist Energie im Kosmos endlich oder unendlich vorhanden?
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon stine » Do 9. Sep 2010, 14:32

Energie müsste eigentlich endlich sein, sonst wäre das Universum das einzige Perpetuum mobile.
Energie verbraucht sich.

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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Arathas » Do 9. Sep 2010, 14:35

Aber ist das mit Energie nicht so, dass sie nicht verbraucht wird, sondern immer nur in irgendetwas anderes umgewandelt? Denn dann müsste sie ja schon irgendwie unendlich sein ...
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon stine » Do 9. Sep 2010, 15:22

Ich meinte erstmals natürlich nur die kinetische Energie (Bewegungsenergie)

Ansonsten habe ich darüber noch nicht nachgedacht.
Nehmen wir mal als Beispiel den Energiespeicher Erdöl, der sich vor Jahrtausenden aus Biomasse gebildet (chemische Energie) hat und nun wieder durch chemische Vorgänge in kinetische Energie (Bewegungsenergie) umgewandelt werden kann. Damit wäre das Öl eigentlich weg, man könnte aber auch sagen, es hat sich in eine Baugrube verwandelt, weil der Diesel angetriebene Motor des Baggers, diese Leistung vollbracht hat.
Sozusagen. Aber wie gibt die Baugrube ihre Energie wieder ab?
Müsste dann der Kies sein, der wieder zurückfallen könnte in die Grube...
Wäre es so, dass die aus der Materie gelöste Energie, sich nur aufbraucht, sofern sie in kinetische Energie umgewandelt wird? Es bliebe aber die erzeugte Wärme...

Wir brauchen einen Physiker zur Klärung dieser Frage.

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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon smalonius » Do 9. Sep 2010, 16:56

stine hat geschrieben:Wir brauchen einen Physiker zur Klärung dieser Frage.

Unsere einzige Physikerin ist leider AWOL. :pfeif:

Es läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob die Materie im Kosmos endlich ist oder nicht, weil wir nicht wissen, wie weit sich das All fortsetzt, jenseits dessen was wir lokal überblicken können.

Es gibt allerdings Schätzungen aus der Messung der Hintergrundstrahlung, die besagen, daß unser Kosmos 10^32 Kubiklichtjahre groß ist.

In einem endlichen Kosmos gäbe es regelmäßige Schwankungen in der Hintergrundstrahlung, in einem unendlich großen Kosmos gäbe es diese nicht. Das ist etwa so wie die Grundfrequenz einer schwingenden Saite. Die Grundfrequenz hängt von der Länge der Saite ab. Ein "unendlich lange Saite" hätte keine Grundfrequenz.

Falls sich diese Messungen bestätigen, hat der Kosmos eine endliche Energie.

Allerdings gibt es auch die Vermutung, daß der Gesamtenergiegehalt des Universums 0 ist. In Worten: null. Das hängt damit zusammen, daß ein vollständig leerer Raum "negative Energie" enthält: man muß Energie aufwenden, um einen Raum von Vakuumfluktuationen zu befreien. Siehe Casimir-Effekt. Falls die Vermutung zutrifft, wäre der Kosmos ein Fall von 0 = 1 - 1. Auch nicht schlecht. :mg:
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon stine » Do 9. Sep 2010, 17:33

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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Dissidenkt » Do 9. Sep 2010, 17:36

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Ist Energie im Kosmos endlich oder unendlich vorhanden?


Unendlich.
(weil sie nicht vernichtet, sondern nur umgewandelt werden kann)
Gern geschehen :mg:
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon smalonius » Do 9. Sep 2010, 18:45


Richtig. Und deshalb wäre es sehr schön, wenn sich herausstellte, daß die Gesamtenergie im Universum null ist, weil die positive Energie der Materie die "negative Energie" eines leeren Raumes genau ausbalanciert. Dann müßten wir uns nicht mehr fragen, wo die Gesamtenergie herkommt. Eben weil sie null ist.

Aber das ist gegenwärtig nur Spekulation. Ein sehr "runde" Spekulation, meines Erachtens, die das "Etwas aus Nichts" gut erklären könnte.

Es ist ein bisschen wie quadratische Ergänzung in der Schule, falls das noch jemand parat hat. Additive Ergänzung.

0 = 0
0 = 1 - 1

Schwupps, und schon hast du ein Universum. :kg:
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Entität » Fr 10. Sep 2010, 16:24

smalonius hat geschrieben:Richtig. Und deshalb wäre es sehr schön, wenn sich herausstellte, daß die Gesamtenergie im Universum null ist, weil die positive Energie der Materie die "negative Energie" eines leeren Raumes genau ausbalanciert. Dann müßten wir uns nicht mehr fragen, wo die Gesamtenergie herkommt. Eben weil sie null ist.


Dazu sehr schönes Video, das das Unviersum aus Nichts entstanden sein kann.


stine hat geschrieben:Nehmen wir mal als Beispiel den Energiespeicher Erdöl, der sich vor Jahrtausenden aus Biomasse gebildet (chemische Energie) hat und nun wieder durch chemische Vorgänge in kinetische Energie (Bewegungsenergie) umgewandelt werden kann. Damit wäre das Öl eigentlich weg, man könnte aber auch sagen, es hat sich in eine Baugrube verwandelt, weil der Diesel angetriebene Motor des Baggers, diese Leistung vollbracht hat.
Sozusagen. Aber wie gibt die Baugrube ihre Energie wieder ab?


Die chemische Energie des Erdöls wurde in Lageenergie des Abrraums umgewandelt, der aus der Grube mit Energieaufwand herausgeholt/angehoben wurde. Die Energie steckt also im Abraum und nicht in der Grube.



zum Thema wir kennen den Energieerhaltungssatz nachdem Energie nicht zerstört oder geschaffen werden kann( von Vakuumflukatuation abgesehen).

Das heißt das die Gesamtenergie des Systems konstant ist also endlich. Da wir aber dummerweise in einem expandierenden Universum leben nimmt bei immer größerem Raum die durchschnittliche Energiedichte pro Raumeinheit ab.
(Vgl. ein sich ausdehnendes Gas kühlt sich ab)
Hinzukommt dass sich nutzbare Energie immer zu einem Teil in nicht weiter nutzbare Energie umwandelt wird(meistens Wärmestrahlung).

Fazit: Energieinhalt bleibt konstant, aber die nutzbaren Energieformen nehmen ab.


Grüße
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon stine » Fr 10. Sep 2010, 19:53

Entität hat geschrieben:Fazit: Energieinhalt bleibt konstant, aber die nutzbaren Energieformen nehmen ab.
Beispiel: Wenn ein Bauer Lebensmittel anbaut, diese isst und mit der so gewonnenen Energie wieder seinen Garten bestellt, dann ist die Energie in Umlauf.
Wenn aber der Bauer zum Bestellen des Landes große Dieselmaschinen benutzt und die vom Verspeisen der Lebensmittel gewonnene Energie dann auch noch auf dem Fussballplatz austobt, dann verbraucht er mehr Energie, als er selbst wieder anbaut.
Was passiert mit einer Gesellschaft, die Maschinen (gewonnene Energie) für sich arbeiten lässt und mit der eigenen Energie Tennis und Golf oder ständig Elektrogeräte bespielt, ist sie der größte Energievernichter, den man sich vorstellen kann?

Entität hat geschrieben:Die chemische Energie des Erdöls wurde in Lageenergie des Abrraums umgewandelt, der aus der Grube mit Energieaufwand herausgeholt/angehoben wurde. Die Energie steckt also im Abraum und nicht in der Grube.
Wenn nutzbare Energien abnehmen, weil alle Energie in Materie gebunden wird, was dann?
Geht das überhaupt?
Ist geleistete Arbeit, sofern sie nicht wieder Energie erzeugt, sozusagen verlorene Energie?

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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Entität » Fr 10. Sep 2010, 21:35

Stine hat geschrieben:Beispiel: Wenn ein Bauer Lebensmittel anbaut, diese isst und mit der so gewonnenen Energie wieder seinen Garten bestellt, dann ist die Energie in Umlauf.
Wenn aber der Bauer zum Bestellen des Landes große Dieselmaschinen benutzt und die vom Verspeisen der Lebensmittel gewonnene Energie dann auch noch auf dem Fussballplatz austobt, dann verbraucht er mehr Energie, als er selbst wieder anbaut.
Was passiert mit einer Gesellschaft, die Maschinen (gewonnene Energie) für sich arbeiten lässt und mit der eigenen Energie Tennis und Golf oder ständig Elektrogeräte bespielt, ist sie der größte Energievernichter, den man sich vorstellen kann?


Hmm. Bin nicht ganz sicher worauf du hinaus willst.
Dein Beispiel ist nicht ganz richtig es gibt keinen wirklichen Energiekreislauf durch den Bauer der die Energie aus der Nahrung wieder zum Bestellen des Feldes verwendet.
Die Energie aus (fast) allem kommt ursprünglich von der Sonne.
Pflanzen nehmen die Energie der Photonen auf und wandeln sie in chemische Energie um. Bauer nutzt chemische Energie um sein Feld in eine Konfiguration zu bringen die optimal die von der Sonne gelieferte Energie zunutzten. Die in das Feld gesteckte Energie ist für weitere Nutzung verloren. Sie wurde für die Bearbeitung des Feldes aufgewendet in der weder die Samen noch der Boden noch der Bauer in einen höheren Energiezustand gekommen ist. ( z.B. Reibung beim Umgraben des Bodens, Lageveränderung beim Transport des Saatgutes etc etc.). Lediglich durch die Sonne wird neue nutzbare Energie in das System gebracht.

Fossile Brennstoffe sind große Speicher nutzbarer Energie die vor langer Zeit die Energie der Sonne in sich gespeichert haben. Wenn unsere Gesellschaft weiterhin so fixiert auf die fossilen Brennstoffe bleibt, wird diese nutzbare Energie verbraucht werden (da hilft auch kein Energieerhaltungssatz) und sich in Form von nutzloser Wärmestrahlung verflüchtigen....

Ich hoffe ich habe jetzt nicht völlig an dir vorbeigeredet ;)

Grüße
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon stine » Sa 11. Sep 2010, 08:29

Nein hast du nicht, keine Sorge.
Ich möchte gerne verstehen, wo sich die "verlorene" Energie bindet. So wie ich (Laie) den Energieerhaltungssatz verstehe, geht nichts wirklich verloren. Es müsste eigentlich in allem aufgewendete oder gespeicherte Energie stecken. Es ist doch auch alles irgendwie "Energie geladen", heisst, Moleküle und Atomkerne sind doch nicht wirklich im Ruhezustand.
Oder gibt es Materie, in der sich die Kleinstteilchen nicht bewegen?
Man kann verschiedene Materie halt hinterher nicht mehr in nutzbare Energie umwandeln, aber dennoch ist sie Energie geladen, oder nicht?

:blush2: Tut mir leid, eigentlich ist das Jarls Thread und mach mich wieder so wichtig. Wollt ich eigemtlich nicht, nur ich finde dieses Thema wirklich interessant.

Grüße an Jarl von stine
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Entität » Sa 11. Sep 2010, 11:01

@stine

Die meiste Energie geht in Form von Reibung verloren sprich Wärmestrahlung. Beispiel du reibst dir die Hände werden diese warm, chemische Energie(Nahrung) hat sich in Bewegung(mechanische Energie) diese in Reibung (Wärmeenergie) umgewandelt. Du hast somit ein Temperaturgefälle erzeugt, das versucht sich selbst wieder auszugleichen (heiße Teetasse kühlt aus).
Temperatur ist in erster Linie nichts anderes als wackelende Atome (http://de.wikipedia.org/wiki/Brownsche_Bewegung) umso schneller sie wackeln desto wärmer....Da diese wackelnden Atome wieder andere anstoßen verlieren sie ihre Energie an die weniger stark wackelnden und verteilen die Wärme mit der Zeit im Raum, der Raum an die Umgebung und so weiter, bis die Wärme im Weltall endet.

Sehr schönes Video zur Vorstellung der Reibung von Richard Feynman: Jiggeling Atoms


Zudem ist zu beachten das der Energieerhaltungssatz nur in einem geschlossenen System gilt und unser Planet alleine kein geschlossenes System bildet, sondern eine ständige Wärmeabstrahlung(Infrarot) in das Weltall hat, die ungefähr soviel beträgt wie der Energieeintrag durch die Sonne.


Grüße Entität
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon stine » Sa 11. Sep 2010, 17:23

Verstehe: Alle kinetische Energie kann nur zum Teil wieder in kinetische Energie umgesetzt werden, weil immer ein Wärmeverlust mit einhergeht. (deshalb auch kein Perpetuum mobile)
Wenn nun also unser Planet kein geschlossenes System ist und wir praktisch durch unsere Hyperaktivität mehr und mehr Abwärme ins All transportieren, kann es dann sein, dass die Sonnenenergie irgendwann nicht mehr ausreicht das auszugleichen? (in ein paar Millionen Jahren, oder?)

Unter "Energiegewinnung" versteht man auch nur Energie, die in Bewegungsenergie umgesetzt werden kann. Denn strenggenommen hat unsere abkühlende Erde doch eher einen ständigen Energieverlust.
Eine tatsächliche Energiegewinnung wäre erst, wenn unsere Erde mehr Wärme aufnimmt, als sie abgibt. Dann wäre die Erderwärmung positiv zu bewerten, sofern es gelänge den erzeugten Wärmestau zu nutzen?

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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Entität » Sa 11. Sep 2010, 18:18

stine hat geschrieben:Wenn nun also unser Planet kein geschlossenes System ist und wir praktisch durch unsere Hyperaktivität mehr und mehr Abwärme ins All transportieren, kann es dann sein, dass die Sonnenenergie irgendwann nicht mehr ausreicht das auszugleichen?


Nicht ganz, denn solange wir durch eine Vielzahl an Arbeit Reibung und somit Wärmeproduzieren steigt zwar unsere Wärmeabstrahlung ins Universum an, aber wir werden in erster Linie unseren Planeten erwärmen( wie eine globale Erwärmung nur anders verursacht anstatt durch Treibhausgase). Diese Abwärme die abtransportiert würde, wurde ja erst durch uns erzeugt und würde also nicht dazu führen das der Planet auskühlt.

stine hat geschrieben:Eine tatsächliche Energiegewinnung wäre erst, wenn unsere Erde mehr Wärme aufnimmt, als sie abgibt. Dann wäre die Erderwärmung positiv zu bewerten, sofern es gelänge den erzeugten Wärmestau zu nutzen?

Richtig z.B. sorgt ein Solarmodell für so einen Energiegewinn es wandelt die Photonen der Sonne in elektrische Energie um und speichert diese, ohne das Solarmodul wäre das Licht wieder (mit Umwegen) ins Weltall reflektiert/abgestrahlt worden. Die Solarkonstante ( also wieviel Energie pro Quadratmeter pro Sekunde im Schnitt hier ankommt) beträgt 1367 J/m²s ...also jede Menge Energie die nutzbar wäre...
Wenn es uns möglich wäre die von uns verursachte Erderwärmung zur Energiegewinnen zu nutzen wäre das wunderbar, aber meines Wissens äußerst (!) schwer realisierbar. Die Idee an sich aber sehr gut :2thumbs:

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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Denker » Sa 11. Sep 2010, 21:17

Entität hat geschrieben:Dazu sehr schönes Video, dass das Unviersum aus Nichts entstanden sein kann.
Lawrence Krauss „A Universe From Nothing“ (youtube)


Danke, entität, für den Hinweis auf dieses saugeile Video!!! :applaus: :applaus: :applaus:
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 13. Sep 2010, 19:21

Die Frage war tatsächlich nicht auf den für den Menschen (kurzfristig) zugänglichen Energiehaushalt hier auf der Erde bedacht; vielmehr richtet es sich nach der Überzeugung des Pythagoreer, dass sich alles Geschehen wiederholen wird, wenn einst die Gestirne in in exakt derselben Position wie einst schon einmal sich befinden werden. Das ist natürlich Ausdruck der Hypothese, dass der energetische Gesamtzustand des Kosmos den darauffolgenden notwendig bedingt.
Wenn nun Energie endlich ist, ist auch die Anzahl ihrer möglichen Distributionen endlich. Das wiederum bedeutet, dass irgendwann eine Energiedistribution erscheint, die schon vorher einmal in Erscheinung trat. Da nun der energetische Gesamtzustand des Kosmos zu einem Zeitpunkt den darauffolgenden determiniert, ist letzter Schluss die "ewige Wiederkehr des Gleichen". "Die Zeit ist ein Kreis".

Wenn Energie allerdings unendlich ist, behalten die Pythagoreer mit ihrer Vorhersage kein Recht. (Deswegen war dieser Thread auch eigentlich im Schwerpunkt Philosophie verortet; aber da die Philosophie ja die Mutter aller anderen Wisenszweige ist, wird es wohl in Ordnung sein.)
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon smalonius » Mo 13. Sep 2010, 20:05

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:vielmehr richtet es sich nach der Überzeugung des Pythagoreer, dass sich alles Geschehen wiederholen wird, wenn einst die Gestirne in in exakt derselben Position wie einst schon einmal sich befinden werden.

Die Pythagoreer mal wieder. Interessantes Grüppchen.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Wenn nun Energie endlich ist, ist auch die Anzahl ihrer möglichen Distributionen endlich.

Nicht unbedingt. Die Energie verteilt sich auf das Kontinuum.

Zur Erinnerung: Es gibt unendlich viele, ganze Zahlen. Dann gibt es noch sehr viel mehr reelle Zahlen, also Punkte auf einer Geraden. Diese vielen Zahlen kann man nicht mehr abzählen, man nennt das überabzählbar. Auf einer Strecke der Länge 1 cm gibt es genausosviele Punkt wie auf der Strecke von der Erde zum Mond. Und auch im dreidimensionalen Raum gibt es nicht mehr Punkte, als auf einer Linie.

Wenn es nun so überabzählbar viele Punkte im Raum gibt, könnte Materie mit endlicher Energie in einem endlichen Volumen trotzdem eine unendliche Zahl von Konfigurationen einnehmen. Also wär's nix mit der pythagoreischen Wiederholung alles Geschehens.

GEGENARGUMENT

Die Pythagoreer haben völlig recht. In einem Konfigurationsraum mit endlichen Möglichkeiten würden sich Abläufe tatsächlich irgendwann wiederholen. Ein Beispiel dafür wäre ein [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Zellulärer_Automat]Zellulärer Automat[/url] mit endlicher Fläche.

Es gibt neuerdings tatsächlich Überlegungen, ob unser Raum gequantelt ist. Sie kommen aus der Ecke der Schleifenquantengravitation. Dann würde der Raum aus kleinsten "Raumatomen" bestehen und wäre nicht überabzählbar unendlich. Damit wäre der Konfigurationsraum auch endlich (bei endlichem Universum). Und die Pythagoreer hätten Recht behalten, ohne den wahren Grund dafür zu kennen.

Ausserdem muß erwähnt werden, daß diese Überlegung eine deterministische Welt vorraussetzt. Nämlich: aus dem Zustand jetzt folgt zwangsläufig der Zustand im nächsten Moment. Ob das wirklich so ist - oder ob der Alte doch würfelt - darüber haben sich schon andere die Zähne ausgebissen, deshalb will ich dieses Faß hier nicht aufmachen. ;-)


EDIT: jetzt kann ich schon keine URLs mehr einbinden. So fängt's an. :motz:
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 14. Sep 2010, 08:45

Smalonius, das waren solche Dinge, die ich in Erfahrung bringen wollte; hab Dank dafür.

Zuerst fragte ich mich, ob denn die Pythagoreer anders geurteilt hätten, wenn Zenon Eleatis schon vor ihnen gezeigt hätte, dass Kontiuen nicht in diskrete Einheiten auflösbar seien; aber ich befürchte, dass er bei der Betachtung der Gestirne wenig Geltung hätte; das allerdings würde bedeuteten, dass die Vorhersage unter dem Postulat von Monaden, d.i. Atomen im wörtlichen Sinne, haltbar wäre.
Der andere Ansatz den du nanntest, die Energie als Kontinuum und den Raum hingegen in diskreten Einheiten zu fassen, ist für mich wenig nachvollziehbar. Aber ich glaube auch, dass ich es dahingehend falsch verstand, dass Energie darin tatsächlich unbestimmt aller Kontingenz gefasst würde - aber das ist ja sicher nicht der Fall. Geht denn dann dieser Ansatz von letzten unteilbaren Teilchen aus? ich kann mir bei diskretem Raum einfach keine nicht-unteilbaren Teilchen denken; aber vielleicht werde ich ja auch gleich um eine solche Möglichkeit bereichert.

Gibt es denn weitere empirisch überprüfbare Hypothesen zu dieser Frage? Smalonius nannte ja schon die bezüglich der Hintergrundschwinung des Universums.

Oder haltet ihr das für eine a priori entscheidbare Frage?
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Re: Endlichkeit/Unendlichkeit der Materie

Beitragvon smalonius » Mi 15. Sep 2010, 18:12

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Zuerst fragte ich mich, ob denn die Pythagoreer anders geurteilt hätten, wenn Zenon Eleatis schon vor ihnen gezeigt hätte, dass Kontiuen nicht in diskrete Einheiten auflösbar seien;

Das ist eine interessante Auslegung von Zenon. So habe ich die Sache noch gar nicht betrachtet. Ist aber zweifellos zutreffend und ein schöne Klammer um manche seiner Paradoxien.

Den Pythagoreern hätte das höchstwahrscheinlich nicht gefallen. Sie glaubten daran, daß sich alles als Verhältnis ganzer Zahlen ausdrücken läßt. Einer Legende nach wurde Hippasus auf See über Bord geworfen, als er das Gegenteil bewies.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Der andere Ansatz den du nanntest, die Energie als Kontinuum und den Raum hingegen in diskreten Einheiten zu fassen, ist für mich wenig nachvollziehbar

Für mich auch nicht. Ich kann nur, mehr schlecht als recht, wiedergeben, was als Hypothese so rumschwirrt.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Geht denn dann dieser Ansatz von letzten unteilbaren Teilchen aus? ich kann mir bei diskretem Raum einfach keine nicht-unteilbaren Teilchen denken;

Das geht mir auch so. Letztlich würde es auf endlich viele, unteilbare Partikel hinauslaufen. Das wäre die viel beschworene Weltformel.

(Ich mag den Begriff "Weltformel" nicht, weil er viel zu hoch greift. Nach meinem Sprachgefühl müßte eine Weltformel auch Börsenkurse berechnen können. Aber das ist ein anderes Thema.)

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Gibt es denn weitere empirisch überprüfbare Hypothesen zu dieser Frage? Smalonius nannte ja schon die bezüglich der Hintergrundschwinung des Universums.

Oder haltet ihr das für eine a priori entscheidbare Frage?

Tja, falls man irgendwann Gravitationswellen finden würde, könnte man vielleicht etwas mehr sagen. Vielleicht auch nicht, vielleicht wären Detektoren von astronomischen Ausmaßen nötig, um hinreichend weit in die Geschichte unseres Universums zurückzublicken. (Reine Spekulation meinerseits.)

Ich denke, es wäre verwegen, schon jetzt ein abschließendes Urteil über solche Fragen zu fällen. Vor nicht allzu langer Zeit dachte man noch, unsere Milchstraße sei alles, was es gäbe. Heutzutage verstehen wir immer noch nicht, was das Universum so groß gemacht hat, wie es gegenwärtig ist. Man hat einen schönen Namen dafür gefunden - Inflation - aber Namen alleine erklären nichts.

Witzig finde ich dies: sollte wirklich alles gequantelt sein, mit diskreten statt kontinuierlichen Werten, dann hätten die Pythagoreer Recht behalten. Achilles könnte die Schildkröte überholen, ohne daß man Infinitesimalrechnung auffahren muß. ;-)
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