Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon stine » So 21. Nov 2010, 19:49

Aus mehreren Threads kann man herauslesen, dass soziale Marktwirtschaft für viele kein Thema mehr ist. Gefordert wird der ultimative Sozialstaat, am besten Grundeinkommen für alle und Arbeit nach wohlgefallen.
Wer gut verdient, weil er fleißig und gescheit ist, soll möglichst viel von seinem Einkommen abdrücken, weil schließlich ist er mit seinem Fleiß und Geschick nur zufällig gesegnet und hat daher kein Recht, den Lohn seiner Arbeit für sich zu behalten. Eine möglichst bodennahe Nivellierung der Einkommen, hohe Steuerbelastungen für Besserverdiener (dazu zählt man bereits ab 30000 € Jahreseinkommen :lachtot: ), kein Ehegattensplitting, keinerlei Familienförderung (dem Staat gehören die Kinder) und dann eine sozialistische Regierung die entscheidet, wie sie das eingesammelte Geld wieder verteilen wird.

Für den Normalverdiener dürfte es erstmal egal sein, ob sich Wirtschaftsbosse oder Politbonzen bereichern. Eine DDR-Vergangenheit hat bewiesen, dass Geld immer irgendwo akkumuliert, wenn nicht in Privattaschen, dann in Parteikassen. Warum sollte ein sozialistischer Staat im Westen funktionieren, wenn er im Osten schon nicht funktioniert hat?
Was böte hier im Westen die bessere Grundlage?

Glaubt irgendwer im Ernst, dass sich jemand krumm macht, wenn er nicht für seine Leistung belohnt wird?
Wie verblendet muss man sein, um das menschliche Streben nach monetärer Anerkennung nicht nachvollziehen zu können?

Das würde ich gerne mal von den Sozialisten unter euch wissen wollen.

LG stine
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » So 21. Nov 2010, 20:02

stine hat geschrieben:Aus mehreren Threads kann man herauslesen, dass soziale Marktwirtschaft für viele kein Thema mehr ist.
Viele wissen nicht genau was es ist, denn sie kennen ihn nicht.
stine hat geschrieben:Für den Normalverdiener dürfte es erstmal egal sein, ob sich Wirtschaftsbosse oder Politbonzen bereichern. Eine DDR-Vergangenheit hat bewiesen, dass Geld immer irgendwo akkumuliert, wenn nicht in Privattaschen, dann in Parteikassen.
Letzteres hat die DDR wohl eher unvollständig bewiesen. Auch Parteibonzen haben eine Privatschatulle und es hilft auch dem privatem Reichtum, wenn andere Kosten für einen übernehmen.
stine hat geschrieben:Das würde ich gerne mal von den Sozialisten unter euch wissen wollen.
Gibt es da welche (die in den letzten 1-2 Wochen noch gepostet haben)?
Hast du eigentlich irgendwo ein FJS-Buidl stehen oder hängen? :santagrin:
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon donquijote » Mo 22. Nov 2010, 13:22

1von6,5Milliarden hat geschrieben: Gibt es da welche (die in den letzten 1-2 Wochen noch gepostet haben)?


Eindeutig ja.

Und es gibt da sogar diese krummen Sozialisten, die einem für die Natur die Theorie der egoistischen Gene, für menschliche Gesellschaften den Sozialismus zu verkaufen versuchen. Ha ha.
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon Zappa » Mo 22. Nov 2010, 18:31

stine hat geschrieben:Aus mehreren Threads kann man herauslesen, dass soziale Marktwirtschaft für viele kein Thema mehr ist.


Mich kannst Du damit ja nicht meinen, ich bin ja eher neoliberal (im alten Wortsinn) eingestellt. Allerdings besteht immer die Spannung zwischen der Freiheit des Einzelnen und sozialer Gerechtigkeit, das trieb sogar die neoliberalen Vordenker um. Ich persönlich finde es auch nicht so spannend seiner politischen Meinung einen Namen zu geben und dann dieselbe mit Klauen und Zähnen zu verteidigen. Es geht doch schlussendlich immer um den politischen Diskurs und um Güterabwägungen im konkreten Einzelfall.

Aus meiner laienhaften Sicht gibt es derzeit was das Spannungsfeld Marktwirtschaft/Sozialismus angeht zwei Hauptprobleme:

1. Die massive Staatsverschuldung, die in der Tat vor allem auf den erheblichen sozialen Transferleistungen und der zu hohen Staatsquote beruht.
2. Der entfesselte globale Finanzkapitalismus, für den die alten nationalen und regionalen Steuerungsmechanismen nicht funktionieren.

Ich bin also zutiefst gespalten: National für mehr Liberalismus und Global für mehr Steuerung/Sozialismus :mg:
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon ujmp » Mo 22. Nov 2010, 19:39

stine hat geschrieben:Glaubt irgendwer im Ernst, dass sich jemand krumm macht, wenn er nicht für seine Leistung belohnt wird?
Wie verblendet muss man sein, um das menschliche Streben nach monetärer Anerkennung nicht nachvollziehen zu können?

Das würde ich gerne mal von den Sozialisten unter euch wissen wollen.



Stine, du bastelst dir erst eine eigene Theorie vom Sozialismus, wie sie nur Idioten einfallen würde und dann fragst du "Wer ist hier so ein Idiot, der an sowas glaubt".

Ich stelle mal die Gegenfrage: "Wie verblendet muss man sein, wenn man des Wert eines Menschen nur an seinen Marktwert festmacht?"
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon Zappa » Mo 22. Nov 2010, 19:52

ujmp hat geschrieben: Ich stelle mal die Gegenfrage: "Wie verblendet muss man sein, wenn man des Wert eines Menschen nur an seinen Marktwert festmacht?"


Falls das deiner Meinung nach die Quintessenz des Neoliberalismus sein soll, ist dass dann doch um einige Ecken verkürzter und plakativer als die Darstellung des Sozialismus durch @stine.

Der Kern des Neoliberalismus so wie ich ihn verstanden habe ist: Man sollte den Markt das regeln lassen, was der Markt besser regeln kann als "die Gesellschaft", d.i. Planwirtschaft und Bürokratie. Das ist sicher eine ganze Menge, die Festlegung von Werten gehört jedoch nicht dazu (und ich kenn auch keinen, der das behauptet).
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon ujmp » Mo 22. Nov 2010, 20:26

Ich selbst hab übrigens keine schlüssige Meinung zum Thema. Mir fällt nur auf, dass es Anderen nicht besser geht. :mg:
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon Zappa » Mo 22. Nov 2010, 21:32

Fieser Möpp :motz:
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon ujmp » Mo 22. Nov 2010, 21:49

Das nennt man sokratisch. :joint:

Milton Friedmans Liberalismus war mir ganz sympatisch. Er schlug, glaube ich, auch ein bedingungsloses Grundeinkommen vor. Ich sag's mal so: Die Gesellschaft sollte niemanden sich selbst überlassen. Wenn es Menschen gibt die nicht mehr gebraucht werden, läuft etwas schief. Der "Markt" (ich darf auch mal ein Wort in Anführungen setzen) kann das m.E. nicht regeln. Die Gesetze des Marktes sind nur dann gut, wenn alles andere stimmt. Mag sein, dass zuviel Geld für Sozialleistungen ausgegeben wird. Das Problem ist aber nicht die Höhe der Beträge, sondern die Tatsache, dass es soviele Menschen gibt, die das nötig haben.
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon donquijote » Mo 22. Nov 2010, 22:15

Zappa hat geschrieben: Ich bin also zutiefst gespalten: National für mehr Liberalismus und Global für mehr Steuerung/Sozialismus :mg:


Das ist ja auch gerade das Dilemma. Als Unternehmen noch national waren, konnte der Staat steuernd eingreifen. Das nannte sich dann z. B. soziale Marktwirtschaft. Aufgrund der Globalisierung und der damit einhergehenden Globalisierung der Unternehmen werden Staaten praktisch erpressbar. Unternehmen können überall auf der Welt die jeweils günstigsten Bedingungen nutzen bzw. durchsetzen (hier Technologieentwicklung, dort Kinderarbeit, hier Müllentsorgung, dort geringe Steuern zahlen, hier Ressourcenplünderung etc.).

Wenn dann auf der anderen Seite national immer mehr Sozialhilfeempfänger zu versorgen sind, kommen solche Staaten in arge Bedrängnis. Wenn in diesen Staaten dann auch noch die Mehrheit der Kinder in der Sozialhilfe geboren werden, wird es immer schlimmer.
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon stine » Mo 22. Nov 2010, 22:43

Aber der nationale Sozialismus ist keine Lösung.
Wenn man die Armutsdebatte in D aus einem globalen Blickwinkel heraus betrachtet, dann stellt man ganz schnell fest, dass es vielleicht Länder gibt, die das besser regeln, aber derer nicht viele sind. Arm sein in Deutschland, da lacht doch der Rumäne oder Bulgare nur drüber.
Es gibt auch durchaus soziale Länder, die wesentlich strikter in der Verteilung von staatlichen Hilfen sind und die ihre Hilfeempfänger nach kurzer Zeit auch in weniger qualifizierte Jobs drängt.

Die Armutsdebatte ist politisches Kalkül, würd ich sagen.

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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon ujmp » Mo 22. Nov 2010, 23:01

Wessen Kalkül denn? Die Sozialausgabendebatte ist auch Kalkül.
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon Lumen » Di 23. Nov 2010, 14:27

stine hat geschrieben:Die Armutsdebatte ist politisches Kalkül, würd ich sagen.


Natürlich ist sie das, es geht darum, von der großen Umverteilung von unten nach oben abzulenken, die sich in der Schere aus Arm/Reich verdeutlicht. Man braucht kein Sozialist sein um das zu denken (und ich bin mit Sicherheit keiner).

Auch gibt der Staat unbestritten viel Geld für Sozialleistungen aus, doch wird der Versicherungsaspekt doch unterschlagen. Der Staat nimmt das Geld genau dafür ein, damit es genau für diesen Zweck verwendet werden kann. Er schleust das Geld im Prinzip nur durch, jedenfalls war das mal die Idee. Die Krankenkasse nimmt Geld ein, damit es unter den krank gewordenen wieder ausgeteilt werden kann. Es ist (erstmal) nicht der Sinn der Sache damit Geld zu verdienen. Es kann sein, dass der Versicherungssatz nicht vernünftig bemessen ist und mehr ausgezahlt als eingezahlt wird etc. das spielt alles keine Rolle. Es ist ein fauler Trick, den Pott zu betrachten und dann zu sagen: siehe da! der Staat gibt so-und-so-viele Millionen dafür aus. Das ist arglistige Täuschung.

Da werden in den Medien ein paar Archetypen vorgestellt, die anscheinend nie einer geregelten Arbeit nachgegangen sind, die einen dann etwas von Solidarität erzählen wollen. Das Wort hat dadurch einen sehr negativen Beigeschmack erhalten, weil es praktisch nur noch in bestimmten Kreisen verwendet wird. Der Staat, die Gesellschaft, müsse für sie einspringen. Rein emotional geht es mir dann nicht anders als dem Rest der arbeitenden Bevölkerung — ich könnte kotzen. Doch haben die staatlichen Einrichtungen selbst Kriterien, nach denen jemand Leistungen erhält oder nicht. Demnach gibt es einen bestimmten Prozentsatz, soweit ich weiss um die 5%, der als notorisch Arbeitsunwillig gilt. Die Lösung wäre dann: wenn die Kriterien ungeeignet sind, muss man sie anpassen.

Ferner kann man Interessen der Medien bei alle dem nicht unterschlagen, zum einen sind Nachrichten nicht gleich Nachrichten (das ist eine Unschärfe von der die BILD profitiert), zum anderen mischen mittlerweile PR-Agenturen mit Agenda-Setting groß mit. Das Prinzip läuft so: die Agentur bereitet ein Thema auf, z.B. durch Studien, die gerne bei Stiftungen wie der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegeben werden. Diese wird dann an die Journalisten gefüttert. Das Material ist leichter zu haben als eigene aufwändige Recherche. Der Sinn besteht darin, bestimmte Interessen durchzusetzen die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht DEINE Interessen sind. Zum Beispiel Riester-Rente von der tendenziell reiche profitieren. Der Staat zahlt drauf. Für Arme rechnet es sich in der Regel nicht. Schöner Effekt, man hat nun auch noch Mittelsmänner (Versicherungskonzerne) zwischengeschaltet, die kräftig die Hand aufhalten. Verarschung³.

In Wahrheit wäre das beste Mittel gegen Mißbrauch (egal wo) klarere Regeln. Da der Staat sich aber einbildet, jeden einzelnen individuell einstellen zu wollen, wird zur »Optimierung« eingeladen. So funktioniert Lobbyarbeit auf anderer Ebene anscheinend auch, genügend Sonderregeln generieren, die dann ausnutzbar werden (und ausgenutzt werden). Möchte man das umgehen, sollte der Staat im Falle von Arbeitslosen quasi als »Arbeitgeber« auftreten. Das »Gehalt« würde sich wie in der Wirtschaft auch nach Qualifikation, Alter usw. richten, wäre dann aber pauschal. Da hätten wir auch wieder die Sache mit der »Würde« für die Betroffenen in der Gleichung drin und der Nachbar kann zudem nicht neidisch werden, weil Miete oder kaputte Waschmaschine, Kleidergeld usw extra berechnet werden. Das passt eigentlich auch in das liberale Weltbild, denn der Arbeitslose muss dann selber zusehen wie er die Summe einteilt und wird nicht bevormundet. Das käme eventuell etwas teurer (da nicht auf jeden Einzelfall steuerbar), könnte sich aber ausgleichen, da an Verwaltung gespart wird. Nebeneffekt, Intelligente Meschen hätten über diese Regeln tendenziell mehr auf dem Konto und das sollte auch donquijote überzeugen können, auch wenn die Zusammenhänge zur Evolution unkalkulierbar sind (→ anderes Thema).

Wie einseitig die Debatte abläuft zeigte das Drama um die vereisten Straßen von Berlin. Es ist zwar nur eine Anekdote, aber bestätigt meiner Meinung nach die Regel. Politiker der FDP hatten behauptet, die Arbeitslosen seien zu faul um Schnee zu schippen, die Straßen seien vereist aber niemand würde sich aufraffen. Das geisterte durch die Medien und malte wieder das altbekannte Bild vom faulen Arbeitslosen. In Wahrheit hatte die Stadt eine bestimmte Anzahl Stellen ausgeschrieben und es hat sich eine sensationell hohe Anzahl an Leuten gemeldet. Wenn ich die Zahlen finde, reiche ich sie gerne nach. Das war dann aber nur eine Fußnote wert.

Überhaupt werden die Arbeitslosen zu leichtfertig als homogene, dauerhafte Masse betrachtet. Gerade suchte ich nach der hiesigen Langzeitarbeitslosenquote. Der erste brauchbare Treffer verweist auf Welt Online (bekanntermaßen konservativ), der Artikel nennt natürlich die obligatorische Bertelsmann-Stiftung als Quelle (wie zur Bestätigung des oben geschrieben) und behauptet es läge an den fetten Leistungen in Deutschland. Liest man weiter, entfaltet sich die Ideologie. Mal sind die Zahlen aus Österreich nicht aussagekräftig, weil die Arbeitslose aus der Statistik rausfallen, dann wird aber resümiert: »Positiv auf Österreichs Arbeitsmarkt habe sich allerdings auch eine seit den achtziger Jahren gestiegene Flexibilität der Löhne erwiesen« (Quelle), schon bei der euphemistischen Wortwahl müsste man argwöhnisch werden.

Nur weil man skeptisch ist oder gar benennt, dass in Deutschland in großem Stil abkassiert wird und zwar nicht von Arbeitslosen sondern an ganz anderen Ecken, wird man nicht gleich Sozialist oder gar Kommunist.
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon donquijote » Di 23. Nov 2010, 15:41

Lumen hat geschrieben: Es ist ein fauler Trick, den Pott zu betrachten und dann zu sagen: siehe da! der Staat gibt so-und-so-viele Millionen dafür aus. Das ist arglistige Täuschung.


Nein, das ist es nicht. Wenn man feststellt, dass die Menschen immer älter werden und die Medizin immer leistungsfähiger wird, anteilsmäßig immer mehr Menschen pflegebedürftig sind und durch geeignete medizinische Maßnahmen auch immer länger in diesem Zustand gehalten werden können, während eben jene Menschen kaum Nachkommen in die Welt gesetzt haben, die all das finanzieren und unterstützen könnten, dann wird man Fragen stellen, wie das Ganze funktionieren soll, und ob das nicht irgendwo eine Überforderung der nächsten Generation darstellt.

Das Gleiche gilt für die Nachwuchsarbeit: Wenn berufstätige Menschen kaum Kinder in die Welt setzen und man diese soziale Aufgabe in immer größeren Anteilen der Sozialhilfe überlässt, dann handelt es sich dabei nicht nur um ein sozialdarwinistisches (die Schwächsten unserer Gesellschaft, die Kinder, sind die Dummen) und undemokratisches (die nächste Generation darf noch nicht wählen) Konzept, sondern es fragt sich auch, wie dies funktionerien kann.

Diese Fragen muss man stellen können, ohne dumm angemacht zu werden.
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon ujmp » Di 23. Nov 2010, 15:48

Was in der Debatte zu kurz kommt, ist die Frage, wie man etwas daran ändern kann, dass so viele Menschen Transferleistungen benötigen. Es ist recht zynisch (oder zumindest mal wieder nicht zu Ende gedacht) darauf zu verweisen, dass es den Armen in Rumänien viel schlechter geht als unseren. Die Armut treibt die Menschen u.U. in die Kriminalität oder Korruption, was sich letztlich auf die ganze Gesellschaft auswirken wird. Wenn die Regeln nicht fair sind, werden sie gebrochen. Wer so argumentiert, dem möchte ich die Emigration nach Rumänien nahelegen!


Bild

Das Inlandsproduk steigt permanent an. D.h. dass die Gesellschaft im Schnitt immer reicher wird. Die Sozialausgaben, insbesondere für Arbeitslose, finanzieren möglicherweise einfach nur die effizientere Arbeitsteilung in der Gesellschaft. Es ist evtl. besser, dass 9 Leute für 10 vollbeschäftigt Arbeiten, als wenn von den 10 Leuten zwei nur halbtags arbeiten, um die selbe Arbeit zu machen. Es wäre vermutlich auch billiger, die sehr kleine Minderheit von Arbeitsscheuen hinzunehmen, als sie mit teuren Aufpassern zum Arbeiten zu zwingen (da kommt sowieso nichts Vernünftiges raus).
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon stine » Di 23. Nov 2010, 16:08

Lumen hat geschrieben:Natürlich ist sie das, es geht darum, von der großen Umverteilung von unten nach oben abzulenken, die sich in der Schere aus Arm/Reich verdeutlicht.

Wie diese Schere zustande kommt, hatte ich schon mal geschrieben, hier:
viewtopic.php?f=29&t=3527&p=73034#p73005

Die Umverteilung von unten nach oben sehe ich im Regelfall nicht, da Besserverdiener (ab 30000 € per anno :lachtot: ) mit ihren Steuern immer noch den größten Teil der Einnahmen des Staate bilden und damit wiederrum den größten Teil der Staatsausgaben, die Ausgaben für Arbeit und Soziales, bestreiten. Sie zahlen auch immer noch die Gesundheitsbeiträge für die weniger Verdienenden mit und sie übernehmen auch noch selbst die Ausgaben für die Bildung ihrer Kinder, die Schlechtergestellte zugeteilt bekommen.
Das ist Verteilung von oben nach unten.

Die Verteilung von unten nach oben, musst du mir erklären.

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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon stine » Di 23. Nov 2010, 16:23

ujmp hat geschrieben:Es wäre vermutlich auch billiger, die sehr kleine Minderheit von Arbeitsscheuen hinzunehmen, als sie mit teuren Aufpassern zum Arbeiten zu zwingen (da kommt sowieso nichts Vernünftiges raus).
Um ein paar Unvermittelbare geht es doch gar nicht, die kann sich ein Land wie Deutschland locker leisten. (Vollbeschäfigung heißt auch nicht, dass 100% der Arbeitsfähigen auch arbeiten). Es geht darum, dass ein Staat es sich nicht leisten kann, Arbeit zu kreieren oder auf Billiglohn draufzuzahlen.
Arbeit die der Markt nicht hergibt, kann auch nicht bezahlt werden.
Wenn man anfängt, von den eingenommenen Steuern Arbeitslöhne aufzustocken oder staatlich bezahlte Arbeitsbeschaffung zu betreiben, dann unterstützt man die Unternehmer, die dann auch im eigenen Land billig produzieren können und sich die weiten Transporte sparen.
Ein Zweites ist die dann notwendige Erhöhung der Steuereinnahmen, um solcherlei überhaupt bezahlen zu können. Die arbeitende Mitte fühlt sich ausgenutzt und verliert den Anreiz überhaupt noch zu buckeln.
Arbeit um der Arbeit willen ist unwirtschaftlich und kann auf Dauer nicht funktionieren.

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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon donquijote » Di 23. Nov 2010, 16:26

ujmp hat geschrieben:Was in der Debatte zu kurz kommt, ist die Frage, wie man etwas daran ändern kann, dass so viele Menschen Transferleistungen benötigen.


Meines Erachtens nur dadurch, dass die Nachwuchsarbeit primär von denen erbracht wird, die keine Transferleistungen benötigen.

Es ist leider so, dass die sich immer weiter öffnende Schwere zwischen reich und arm gerade auch von denen bewirkt wird, die diesen Zustand bemängeln: Sie schlagen nämlich die falschen Maßnahmen vor. Und sie gehen davon aus, dass diese Gesellschaft völlig ungerecht ist und immer völlig ungerecht bleiben wird.

Geht man von einer völlig ungerechten Gesellschaft aus, dann wird man annehmen, dass sozialer Erfolg absolut nichts mit persönlichen Merkmalen zu tun hat, und dass dazwischen auch keine messbare Korrelation besteht.

In der Natur soll das angeblich anders sein. Hier behauptet die Wissenschaft, dass zwischen Adaption und individueller Ausstattung eine Korrelation besteht. Aufgrund von Gen-Egoismen hinterlassen die besser angepassten Individuen dann auch mehr Nachkommen, sodass ihre günstigen Eigenschaften in der nächsten Generation anteilsmäßig stärker vertreten sind. Das bewirkt, dass sich die Population weiter anpassen kann und somit nicht verarmt bzw. verhungert.

Genau diese Erkenntnis ist für Daniel C. Dennett die größte wissenschaftliche Leistung in der gesamten Geschichte der Menschheit.

Das Erstaunliche ist nun, dass ein nennenswerter Teil aller Menschen (auch Naturalisten) meint, beim Menschen würde das alles ganz anders funktionieren. Da könnte man einfach die größte wissenschaftliche Leistung aller Zeiten in ihr Gegenteil verkehren und es würde trotzdem funktionieren. Man wendet sich zwar ständig - mitunter recht polemisch - gegen den Kreationismus, erkennt Darwins Leistung aber dennoch nicht an.

Ich wiederhole es deshalb gerne noch einmal: Solange es kein Grundsatzverständnis dafür gibt, wie Evolution beim Menschen vonstatten geht, wird man das hier beschriebene Problem nicht lösen können. Unsere Gesellschaft wird dann immer ungerechter und auch ärmer werden.
Zuletzt geändert von donquijote am Di 23. Nov 2010, 16:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon donquijote » Di 23. Nov 2010, 16:27

stine hat geschrieben: Wenn man anfängt, von den eingenommenen Steuern Arbeitslöhne aufzustocken oder staatlich bezahlte Arbeitsbeschaffung zu betreiben, dann unterstützt man die Unternehmer, die dann auch im eigenen Land billig produzieren können und sich die weiten Transporte sparen.
Ein Zweites ist die dann notwendige Erhöhung der Steuereinnahmen, um solcherlei überhaupt bezahlen zu können. Die arbeitende Mitte fühlt sich ausgenutzt und verliert den Anreiz überhaupt noch zu buckeln.
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Sehr richtig!
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Re: Warum funktioniert der Sozialismus nicht?

Beitragvon Lumen » Di 23. Nov 2010, 17:29

donquijote hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben: Es ist ein fauler Trick, den Pott zu betrachten und dann zu sagen: siehe da! der Staat gibt so-und-so-viele Millionen dafür aus. Das ist arglistige Täuschung.


Nein, das ist es nicht. [...] Diese Fragen muss man stellen können, ohne dumm angemacht zu werden.


Sehe keinen Zusammenhang zu meiner Aussage. Auf die Größe eines Versicherungs-Topfes (also eine Art Umlage) zu verweisen mit der Absicht es so darzustellen als würde der Staat das Geld sozusagen »spendieren« ist eine Täuschung. Wenn ich Geld einsammele um für einen bestimmten Fall zu versichern, dann mache ich dafür einen Topf auf, in den alle einzahlen und aus dem die Leistung wieder ausbezahlt wird. Es sollte in der grauen Theorie ein Nullsummenspiel sein, das eigentlich dem Allgemeinwohl dient (also auch dir, wenn du arbeitslos wirst), genauso wie die Krankenversicherung denen helfen soll, die es betrifft. Es ist eine Form der Umlage. Ob das ganze jetzt in der Praxis Fehler hat, falsch berechnet ist oder sonstwie nicht funzt, steht (erstmal) auf einem anderen Blatt. Würde man es in die Wirtschaft auslagern wie andere Versicherungen, wäre die Situation die gleiche, (praktisch) jeder wäre versichert, aber das Totschlagargument wäre weg und man hätte wieder Zwischenhändler eingefügt, die einen Teil in die eigene Tasche abkassieren und genau dieses Interesse verfolgen gewisse Lobbies. Darum Täuschung. Das Problem, dass du ansprichst haben alle Versicherungen. Auch eine Haftschutzversicherung ginge pleite, würde mehr aus dem Topf herausgeholt als eingezahlt. Da argumentiert auch keiner: Woas? Soviel Milliarden nur für ein paar kaputte Vasen!? Können die Leute nicht besser aufpassen, wo sie ihren Rotwein hinkleckern!?

donquijote hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Wenn man anfängt, von den eingenommenen Steuern Arbeitslöhne aufzustocken oder staatlich bezahlte Arbeitsbeschaffung zu betreiben, dann unterstützt man die Unternehmer, die dann auch im eigenen Land billig produzieren können und sich die weiten Transporte sparen. Ein Zweites ist die dann notwendige Erhöhung der Steuereinnahmen, um solcherlei überhaupt bezahlen zu können. Die arbeitende Mitte fühlt sich ausgenutzt und verliert den Anreiz überhaupt noch zu buckeln. Arbeit um der Arbeit willen ist unwirtschaftlich und kann auf Dauer nicht funktionieren.


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Super Idee, der Arbeitgeber könnte ja einen symbolischen Betrag von 1€ / Monat zahlen, den Rest zahlt der Staat (Steuerzahler) drauf. Der Profit verbleibt natürlich beim Unternehmen, denn es muss sich ja lohnen. Oh, Mann …
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