Alles was menschlich möglich ist...

Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon stine » Do 7. Jul 2011, 06:23

...und das ist inzwischen ziemlich viel!
Gerade in der Medizin.
Ärzte und Patienten in der Warteschlange hoffen auf junge Unfallopfer, um an ihre intakten Nieren, Lebern und Herzen zu kommen, die Mediziner bestimmmen, wer sterben darf und wer nicht und jetzt bestimmen sie auch noch wer auf die Welt kommen darf oder wer das besser unterlassen sollte, weil er wahrscheinlich sowieso nur zur Last seiner Eltern und der Gesellschaft wird.

Was sagt ihr dazu?

Ist das im Sinne des Naturalismus?
Alles Denken ist natürlich und deswegen auch alles Handeln, aber ist das Handeln gegen die Natur natürlich?

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Do 7. Jul 2011, 08:32

stine hat geschrieben:Ist das im Sinne des Naturalismus?
Alles Denken ist natürlich und deswegen auch alles Handeln,
Genau deshalb würde ich es nicht als naturalistisches Problem sehen, sondern als eine ethische Frage.
Da deine Existenz (und meine auch) Millionen von Lebewesen täglich beeinflusst auch bis zu deren Tod, aber auch dein Tod ebenso Millionen von Lebewesen (die in dir leben) mit in den Tod reißt, du Leben zeugst oder auch nicht, auch die Erzeugung neuer Lebewesen verhinderst (auch durch Essen von Eiern und Früchten etc. pp.) sehe ich da keine naturalistische Frage (Leben tötet) sondern eine rein ethische Fragen: Was darf man.

stine hat geschrieben:aber ist das Handeln gegen die Natur natürlich?
Ja, wobei zu klären wäre, was überhaupt "Handeln gegen die Natur" wäre, aber wenn du es so definierst wie aus deinem Beitrag erkennbar, dann "ja".
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Re: Alles was Menschen möglich ist...

Beitragvon stine » Do 7. Jul 2011, 12:12

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Ist das im Sinne des Naturalismus?
Alles Denken ist natürlich und deswegen auch alles Handeln,
Genau deshalb würde ich es nicht als naturalistisches Problem sehen, sondern als eine ethische Frage.

Die Ethik entspringt auch dem natürlichen Denken. Ist also ebenso ein natürliches Phänomen.
Ein natürliches Phänomen ist es damit auch, wenn Menschen sich eine (sozial) Kultur aufbauen.
Welche Priorität hat nun die erworbene Kultur gegenüber dem was natürlich machbar ist?

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon mat-in » Do 7. Jul 2011, 16:18

Also Warteschlangen für Organe haben wir schon... 60 Jahre? ich glaube das war in den 50ern als die erste Niere transplantiert wurde. Aber gut, du hast es ja auch bemerkt, das es mittlerweile möglich ist :-P

Wenn du wissen willst was wirklich möglich ist, schaust du dir mal den rebirth Exlcellenzcluster in Hannover an - um mal ein hochmotiviertes, unterfinanziertes (im Vergleich mit den USA) Beispiel aus Deutschland zu nennen. http://www.rebirth-hannover.de/

Das Ärzte entscheiden, wer lebt und wer stirbt kam den Leuten schon immer so vor, war aber noch nie so, denn Ärzte (zu mindest die allermeisten) tun alles, was nur möglich ist (und müssen das sogar manchmal tun, obwohl es "keinen Sinn mehr macht").

Zur PID direkt: Wenn man künstliche Befruchtung an sich um einen Kinderwunsch zu erfüllen für sinnvoll und ethisch/biologisch vertretbar hällt, dann muß man auch ja zur PID sagen. Wenn ein Paar schon ein Jahr seines Lebens in Entnahmen, diagnostik, vorbereitung, Hormontherapie und was weiß ich was investiert, dann sollte man ihm wenigstens die chance erhöhen, das es keine Totgeburt wird, oder?
Wer dagegen ist muß natürlich auch gegen künstliche Befruchtung sein. Vielleicht auch gegen Kaiserschnitt, das ist ja auch alles andere als natürlich. Oder Antibiotika? Die hat ja auch kein natürlicher Körper... wir haben nun mal nur unser Hirn, anstatt ein Super-Immunsystem oder die Fähigkeit 6000 Eier zu legen pro Woche. Das sollten wir auch nutzen und uns nicht von "was der Bauer ned kennt macht er ned" aufhalten lassen.
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon stine » Do 7. Jul 2011, 17:23

mat-in hat geschrieben: wir haben nun mal nur unser Hirn, anstatt ein Super-Immunsystem oder die Fähigkeit 6000 Eier zu legen pro Woche.
Vielleicht macht das einen Sinn?
Stell dir vor, weltweit verhungern jeden Tag 10.000 Kinder (Quelle: Welthungerhilfe). Und auf der anderen Seite der Erde bemühen sich 10 Laboranten, ein Chefarzt, ein wissenschaftlich arbeitender Professor und 200 Steuerzahler darum, dass ein Pärchen mit Erbkrankheit ein gesundes Kind zur Welt bringt.
Sei mir nicht böse, aber ich finde das pervers.
Das ist nichts anderes, als selbstgefällige Selbstdarstellung in Zeiten des Überflusses (auf einer Seite der Erde).

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon mat-in » Do 7. Jul 2011, 17:40

Pervers ist auch, tausende Tonnen Weise Tomaten und Getreide zu vernichten, damit im Inland die Preise stabil bleiben. Perver ist auch, unsere Abfälle vond er Hühner/Putenbrust herstellung (alle anderen tteile vom huhn die man hier eben nicht ißt) so billig in Afrika zu verkaufen, das dort die Lokalen Züchter pleite gehen und wenn es dort keine Konkurrenz mehr gibt, die preise anzuziehen. Pervers ist, im Tagebau Uran abzubauen, mit Arbeitern die nicht mal Staubmasken tragen, den Scheiß dann hier zu verfeuern, um die Elektrizität zu haben, sich in einem Forum zu unterhalten und den Müll dann den kommenden 500 Generationen als geschenk mit zu geben. Pervers ist, billig seltene Metalle zu kaufen und teuer Mobilfunkgeräte zu verkaufen. Pervers ist, sich mit einem 4 Euro Käsebrötchen und einem 1 Euro Kaffee (ermöglicht durch die Ausbeutung von Bergbauern) vor den Bahnhofsobdachlosen zu stellen und mit vollem Mund was zu bröseln von wegen "bift selbsft pfuld, dir gebb ipfh nischt"...

Aber vielleicht ist das alles doch natürlich und nur "pervers" und "ungewohnt", wenn es mal direkt angesehen wird. Möchtest du auf Talgkerzen umstellen, weil das uran für Licht fehlt? Nur damit der Bergarbeiter im Niger 50 statt 40 Jahre Lebenserwartung hat? Oder würdest du auf ein Medikament das dir das Leben rettet verzichten, nur weil es an Kaninchen getestet wird? Unsere Welt ist randvoll mit solchen "perversen ungerechtigkeiten", aber wenn es um einen selbst geht, ist sich doch meist jeder selbst der nächste, niemand möchte sterben, nur um medikamente aus Tierversuchen zu boykottieren und niemand möchte auf PID verzichten, wenn es um das eigene Kind geht. Aber vorher sind im Schreien (und gezielt wegschaun) alle groß.
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon stine » Do 7. Jul 2011, 17:46

Ich denke, es schreien (zwar leise) sowieso nur die, die nicht wegschauen.
Alle von dir genannten Punkte und noch viele mehr sind nicht soziokulturell hinnehmbar, werden aber praktiziert, weil die Natur des Handelns und des Selbsterhaltungstriebes stärker ist, als die Natur des Denkens über den Menschen an sich.
Obwohl kulturelle Errungenschaften durchaus natürlich entstanden sin, sind sie mit minderer Priorität angesiedelt.

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon mat-in » Do 7. Jul 2011, 18:25

Genau. Man muß es nicht gut finden, aber so ist die Welt nun mal.

Ich nehme auch Tierversuchserprobte Medikamente, wenn ich sie wirklich benötige und ich bin auch für PID, wenn ich oder meine Freundin da vorbelastet sind und man ein kleines Bischen vom Risiko damit ausschalten kann.
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon Nanna » Do 7. Jul 2011, 19:03

stine hat geschrieben:Stell dir vor, weltweit verhungern jeden Tag 10.000 Kinder (Quelle: Welthungerhilfe). Und auf der anderen Seite der Erde bemühen sich 10 Laboranten, ein Chefarzt, ein wissenschaftlich arbeitender Professor und 200 Steuerzahler darum, dass ein Pärchen mit Erbkrankheit ein gesundes Kind zur Welt bringt.
Sei mir nicht böse, aber ich finde das pervers.

Was ist mit den Abermilliarden Tonnen an Ressourcen, die täglich für, sagen wir mal, eher nicht lebenserhaltende Unternehmungen draufgehen? Ich verstehe ja, dass dich die Diskrepanz empört, aber warum sind die 10 Laboranten, der Chefarzt und der Professor ein Problem, die neben Ruhm und Geld in der Mehrheit vermutlich recht ehrlich am Wohl zukünftiger Kinder interessiert sind? Müssten nicht raffgierige, egozentrische oder auch einfach nur unfähige Manager, Politiker und Verbraucher eher im Mittelpunkt der Kritik stehen? Ich meine, es gibt doch nun wirklich bessere Beispiele für Ressourcenverschwendung. PID und Hungersnöte mögen sich plakativ gegenüberstellen lassen, aber im Grunde gibt es doch hunderttausende Beispiele für völlig überflüssigen Blödsinn, die noch viel schlimmer sind als PID.

Was ich eigentlich sagen will: Wo ist das Problem mit PID? Wirklich nur, dass es Geld kostet? Tut ein 7er BMW auch, erregt aber irgendwie weniger Anstoß, oder irre ich mich?

Entscheidend ist doch letztlich: Will es jemand haben (ja), tut es jemandem weh (nein)?
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon Zappa » Do 7. Jul 2011, 20:31

stine hat geschrieben: Ärzte und Patienten in der Warteschlange hoffen auf junge Unfallopfer, um an ihre intakten Nieren, Lebern und Herzen zu kommen, die Mediziner bestimmmen, wer sterben darf und wer nicht und jetzt bestimmen sie auch noch wer auf die Welt kommen darf oder wer das besser unterlassen sollte, weil er wahrscheinlich sowieso nur zur Last seiner Eltern und der Gesellschaft wird.


Hast wohl zuviel Frankenstein Filme gesehen oder was :bat2:

Ad 1.:
Ärzte hoffen sicher nicht auf junge Unfallopfer und potentielle Organempfänger empfinden die Situation - gelinde gesagt - als sehr ambivalent. Nur muss man aus naturalistischer Sicht sagen, dass mit dem Erlöschen der (elektrischen) Hirnfunktionen Schicht im Schacht ist. Man kann sich dann tuto kompletti vermodern lassen, oder halt die paar noch nicht vollkommen verbrauchten Organe, jemandem überlassen, der sie unbedingt braucht. Ich persönlich habe einen Organspenderausweis und weiß warum.

Ad 2.:
Komplexes Thema, aber Mediziner bestimmen allenfalls in Grenzen, wer sterben darf und wer nicht. Meistens verhindern sie zu lange, dass jemand sterben darf, der nicht mehr leben möchte.

Ad 3.:
Das ist definitiv nicht so, im Moment (also seit heute) bestimmt die Gesellschaft (repräsentiert durch die gewählten Abgeordneten) wer auf die Welt kommen darf und wer nicht. Und das ist gut so!

Natürlich ist das ein ethisch sehr komplexes Thema (habe z.B. ein Interview eines hochgradig gelähmten jungen Mannes gelesen, der sich durchaus seines Lebens freut und weiß, das wir solche Interviews in Zukunft weniger lesen werden), aber man ist naiv, wenn man davon ausgeht, dass solche Entscheidung bislang nicht gefällt wurden. Da ist mir ein öffentlicher Diskurs um Ecken lieber, als die bisherige Verlogenheit. Das Argument mit der schiefen Ebene finde ich nicht schlüssig man muss die Problematik nur immer beobachten und ggf. diskutieren.
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon stine » Fr 8. Jul 2011, 07:14

Ich persönlich denke, dass sich die Menschen in eine Sackgasse bewegen. Je mehr Fertigkeiten sie sich aneignen, umso mehr werden sie sich künftig über deren Sinn und Ethik unterhalten müssen, um sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Leben an sich klar zu werden. Ich freue mich jedenfalls nicht, über die erste Kopftransplantation und ich fürchte mich vor einer Gesellschaft bestehend aus ausgesuchten Embryonen.
Wer künftig noch ein behindertes Kind zur Welt bringt, weil er es versäumt hat rechtzeitig die Embryonenauswahl getroffen zu haben oder wenigstens in der soundsovielten Schwangerschaftswoche noch abgetrieben zu haben, der wird an die Wand gestellt.
Wir sind auf dem besten Weg die Gesellschaft zu werden, vor der sie uns in science fiction-Filmen immer gruseln lassen.

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon Nanna » Fr 8. Jul 2011, 09:59

Ja, das mag sein. Andererseits war es früher ganz sicher nicht besser. Die Gesellschaften waren geprägt von massiven Zwängen, mussten aufgrund begrenzter Ressourcen viel regelmäßiger brutale Entscheidungen treffen und Gewalt war definitiv viel häufiger an der Tagesordnung. Weder waren frühere Menschen ethischer, noch hatten sie eine geringere Neigung zur Hybris. Im Gegenteil, die Evolution des politischen Gemeinwesens ist heute immerhin so weit, dass nicht irgendwelche Monarchen oder Kirchenoberen im stillen Kämmerlein Normen setzen können, sondern dass immerhin ein gewähltes Parlament halbwegs intelligenter Menschen nach langen Verhandlungen über das Thema eine Mehrheitsentscheidung trifft.

Die Gesellschaft ist längst, bzw. immer noch, in einem Zustand, vor dem es einem gruseln kann. Aber war das jemals anders? Wie viele Moorleichen sind wohl ursprünglich Opfer von Gewalttaten in einem abgelegenen mittelalterlichen Landesteil geworden, die heute problemlos mit einfachsten forensischen Technischen aufgeklärt würden? Wie viele Tränen sind geflossen hinter den gesellschaftlichen Fassaden vergangener Jahrhunderte? Wie viele Leute sind qualvoll verreckt, weil der Quacksalber um die Ecke das Wort "Sauberkeit" nichtmal schreiben konnte, von nicht vorhandenen medizinischen Fachkenntnissen abgesehen?

Ich bin gegenüber irgendwelchen Reinheitsfantasien wirklich sehr kritisch eingestellt, aber die PID sehe ich nicht als Problem. Potentielles Leben hat keine Rechte. Die Ressourcen zur Aufrechterhaltung physischen Lebens sind begrenzt. Wir müssen uns entscheiden, wem wir diese Möglichkeit eröffnen, sowohl zu seinem als auch unserem Wohl. Es ist nicht so, dass irgendjemand vorgeschlagen hätte, bereits existierendes Leben zu vernichten oder eine einheitliche Herrenrasse entstehen lassen wollte. Wenn wir, obwohl wir die Wahl haben, krankes und kaum autonom lebens- und entscheidungsfähiges Leben entstehen lassen, handeln wir doch nicht moralisch. Die wahrhaft moralische Entscheidung wäre doch, einem Lebewesen die Chance auf das Leben zu geben, das mit den hießigen Umweltbedingungen am besten klar kommt, falls, und nur falls, wir im Voraus die Entscheidung treffen können. Beim Wettlauf der Spermien auf dem ganz natürlichen Wege passiert doch genau dasselbe, da wird auch milliardenfachen Chancen auf Leben nicht stattgegeben. Wo ist das Problem, wenn wir diesen Prozess ein klein wenig optimieren?

Und im übrigen bin ich auch für die ausgiebige Förderung von Behinderten und ihre selbstverständliche Behandlung als normale Mitmenschen und -bürger. Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun.
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon stine » Fr 8. Jul 2011, 12:06

Von der Besorgtheit gegenüber kommender Zustände auf die Vorliebe für mittelalterliche Zustände zu schließen, ist etwas weit hergeholt, Nanna :wink: . Meines Erachtens gibt es da durchaus noch was dazwischen, was auch förderwürdig sein kann.

Nanna hat geschrieben:...irgendwelche Monarchen oder Kirchenoberen im stillen Kämmerlein Normen setzen können
Nein, jetzt setzen andere die Normen, aber auch ziemlich alleine. Die Lobbyarbeit in der Politik ist hierbei nicht zu unterschätzen. Im Ernst glaubt heute niemand mehr daran, dass Politik ohne die Forderung der Wirtschaft zu erfüllen (hier ist auch ganz im Besonderen die Medizin zu nennen) funktionieren würde.

Nanna hat geschrieben:Wie viele Leute sind qualvoll verreckt, weil der Quacksalber um die Ecke das Wort "Sauberkeit" nichtmal schreiben konnte,
Ich nehme an, genauso viele wie heute, aber auf dem ganzen Erdball verteilt und heute konzentriert sich das nur noch auf wenige Länder. Mittelalterliche Zustände gibt es noch genug auf der Welt.

Nanna hat geschrieben:Es ist nicht so, dass irgendjemand vorgeschlagen hätte, bereits existierendes Leben zu vernichten oder eine einheitliche Herrenrasse entstehen lassen wollte.
Cicero soll schon gesagt haben: "Wehret den Anfängen!"

Soviel ich weiß, werden 7 Embryonen gezüchtet, um dann einem gesunden Kind aus dieser Auswahl das Leben zu schenken. Nun ist es sicher nicht so, dass immer 6 Embryonen davon unbrauchbar sind und deswegen verworfen werden müssten. Im schlimmsten Falle sterben 6 gesunde Embryonen, weil man nur einen braucht und die anderen eben das Pech hatten die Möglichkeit einer Erbkrankheit in sich tragen zu können.

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon mat-in » Fr 8. Jul 2011, 15:10

Es sterben in deutschland keine Embryonen, egal ob gesund oder nicht, die werden gelagert statt was sinnvolles damit zu machen. Stichwort Embryonenschutzgesetz. Dabei passiert da im Labor auch nichts anderes als in der Natur, oder was meinst du, warum man nicht jedes mal ein Kind bekommt, wenn man zum richtigen Zeitpunkt ungeschützt GV hat? Die Natur sortiert da auch aus und "das wir so perfekt intakt sind" (für ein Biologisches System) ist kein Wunder, sondern geht auf Kosten toter Embryonen die rigorose kontrollmechanismen nur durchkommen lassen wenn zu mindest im groben alles o.k. ist. Sonst sterben die als einzelne Zelle, als Zellhaufen, als früher Embryo, etc. Die PID mag da nicht nach allem schaun können, aber sie übernimmt eine natürliche Funktion - wenn auch etwas mit Scheuhklappen und Weitblick.

Das "Problem mit dem Embryonen" umgeht man hierzulade übrigends dadurch, daß man befruchtete Eizellen statt embryonen einfriert, noch bevor die Kerne verschmelzen und die Entwicklung beginnt.
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon Zappa » Fr 8. Jul 2011, 15:19

stine hat geschrieben:Ich persönlich denke, dass sich die Menschen in eine Sackgasse bewegen. Je mehr Fertigkeiten sie sich aneignen, umso mehr werden sie sich künftig über deren Sinn und Ethik unterhalten müssen ...


Ich finde dieses Sprachbild falsch. Wir bewegen uns nicht in eine Sackgasse sondern auf eine immer größer werdende Lichtung. Natürlich steigen mit den Möglichkeiten auch die Fehlermöglichkeiten, aber das kann eine transparente und demokratische Gesellschaft aushalten (Du merkst ich bin Optimist). Das Argument der "schiefen Ebene" oder der Anfänge, die es zu wehren gibt überzeugt mich nicht. So gesehen müsste man auch Erzgewinnung oder Küchemmesser verbieten ..

Das Problem sind vor allem verkrustete, traditionalistische, vordemokratische Strukturen auf der einen und postmarktwirtschaftliche, globale Finanzmachtansammlungen auf der anderen Seite, weil sie eine demokratische Kontrolle unmöglich machen. Wenn die neuen technischen Möglichkeiten für die falschen Ziele instrumentalisiert werden, dann in der Tat gute Nacht.
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon stine » Fr 8. Jul 2011, 15:24

Um eine PID durchzuführen braucht es mehr, als nur eine befruchtete Eizelle und die (unmenschliche) Natur würde ein lebensfähiges Embryo nicht wegwerfen. Ich schrieb ja schon, dass man aus mehreren auswählt und dass man immer nur eines braucht, deswegen müssen die anderen nicht unfähig zum Überleben sein.

Ich meine natürlich kann man sich vieles schönreden, die Tatsache, dass der Mensch Gott spielt, bleibt bestehen. Ich nehme an, dass die Wissenschaftler sich als die besseren Götter sehen. :gott:

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon Gernot Back » Fr 8. Jul 2011, 15:26

stine hat geschrieben: und ich fürchte mich vor einer Gesellschaft bestehend aus ausgesuchten Embryonen.
Wer künftig noch ein behindertes Kind zur Welt bringt, weil er es versäumt hat rechtzeitig die Embryonenauswahl getroffen zu haben oder wenigstens in der soundsovielten Schwangerschaftswoche noch abgetrieben zu haben, der wird an die Wand gestellt.
Wir sind auf dem besten Weg die Gesellschaft zu werden, vor der sie uns in science fiction-Filmen immer gruseln lassen.

Früher haben nur die Gesündesten und Stärksten überlebt und hatten eine Chance, sich fortzupflanzen. Heute, mit moderner Medizin und sozialen Sicherungssystemen ist dies quasi auch den Kränksten und Schwächsten möglich.

Wenn wir als Spezies nicht vollkommen degnerieren wollen, spricht ethisch nicht nur nichts dagegen, sondern es ist geradezu geboten, dass -wenn schon keine natürliche Selektion mehr stattfindet-, der Mensch selbst die Auswahl übernimmt, wer als Angehöriger seiner Spezies auf die Welt kommen darf. Über kurz oder lang wird alles darauf hinauslaufen und man wird es für normal halten, so wie man es heute für normal hält, dass Jäger die Funktion ausüben, die früher Wölfe und Bären in unseren Wäldern wahrnahmen. Nähme niemand diese Funktion wahr, dann hätten die ach so putzigen Bambis ihre eigene Heimat, den Wald, nämlich längst aufgefressen.

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon stine » Fr 8. Jul 2011, 15:27

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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon mat-in » Fr 8. Jul 2011, 17:53

stine hat geschrieben:Um eine PID durchzuführen braucht es mehr, als nur eine befruchtete Eizelle und die (unmenschliche) Natur würde ein lebensfähiges Embryo nicht wegwerfen.

Die PID wirf einen lebensfähigen Embryo ja auch nicht weg, oder habe ich da was falsch verstanden? Es geht doch gerade drum, Embryonen zu verwenden, die eben nicht mit einem Entwicklungsschaden in der 20. Woche tot zur Welt kommen und die anderen, mit schweren defekten auszusortieren. Was man damit macht, wenn man dann mehr als zwei lebensfähige sortiert hat (in der regel werden meines wissens zwei eingeflanzt um die chancen zu erhöhen schwanger zu werden), das ist noch mal eine andere Sache. Da wäre meiner Meinung nach Forschung die bessere Alternative zu wegwerfen oder ewig lagern.

stine hat geschrieben:Ich meine natürlich kann man sich vieles schönreden, die Tatsache, dass der Mensch Gott spielt, bleibt bestehen. Ich nehme an, dass die Wissenschaftler sich als die besseren Götter sehen.
Da weiß ich jetzt gar nicht, wo ich anfangen soll...

1) Es gibt keinen Gott. Der macht auch nichts.
2) Folglich kann man nicht "Gott spielen", vor allem nicht in einem Sinn von "unbeholfen wie ein Kind Dinge tun, die Gott vorbehalten sein sollten"
3) Auch im Übertragenen Sinne - formulieren wir es mal "über leben und Tod entscheiden" ist das nicht richtig:

Niemand macht so etwas Spaß. Ich habe heute kleine, pelzige Wesen getötet, über ein Dutzend und glaub mir, es ist nicht der Teil der Wissenschaft, der irgend wem Spaß machen würde. Sind das versteckte allmachtsphantasien die da bei nicht-wissenschaftlern druchbrechen, wenn sie meinen, man tut so etwas aus totaler Überheblichkeit, Eitelkeit und Selbstüberschätzung heraus? So um dann in der Kneipe anzugeben: "ich hab heute entschieden, welche Tiere aus unserer Kolonie getötet werden und welche nicht... wohaaa istmir dabei einer abgegangen, ihr seid ja so arm dran, daß ihr nicht alle par wochen mal 10 Tiere töten dürft... und wie gern würde ich das mit Menschen machen..."? Denkst du das wirklich? Glaubst du, daß es auch nur einen Wissenschaftler auf dem Planeten gibt, dem es so geht? Ich habe noch keinen einen kennengelernt und wage zu bezweifeln das es ihn gibt.
Wer soetwas von anderen Menschen denkt, "gibt mir zu denken". Etwa so wie die evangelikalen, die immer erzählen, das Atheisten Mörder, Vergewaltiger, etc. sind, weil sie keine Gott haben der ihn mit seinen Verboten davon abhällt... und ich mir dann denke: "Au weia, das einzige das dich davon abhällt hier und jetzt eine Frau zu vergewaltigen oder ein Kind zu töten ist die Bibel?". Da muß doch in den Leuten der Köpfe was ganz arg schief liegen...

EDIT:
Und um auch gleich noch was gegen die "allwissend" schiene zu sagen: Die Menschen die wohl am ehesten Wissen, das sie nur an der Oberfläche kratzen beim verstehen der Natur sind Wissenschaftler. Das ist doch überhaupt erst der Grund... einer der Gründe: das Leben ein bischen besser verstehen zu können. Der andere Grund: dieses Wissen zu nutzen, sei es um an der Erkenntniss zu reifen oder auch ganz trivial nicht an einer eitrigen Halsentzündung zu verrecken, weil man das passende antibiotikum gefunden hat. Was sonst treibt uns an zu denken, grübeln, forschen?
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Re: Alles was menschlich möglich ist...

Beitragvon Nanna » Fr 8. Jul 2011, 18:08

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Es ist nicht so, dass irgendjemand vorgeschlagen hätte, bereits existierendes Leben zu vernichten oder eine einheitliche Herrenrasse entstehen lassen wollte.
Cicero soll schon gesagt haben: "Wehret den Anfängen!"

Ich habe mich im ursprünglichen Thread zur PID auch sehr kritisch geäußert, was die Möglichkeit der Erschaffung von "Designerbabys" angeht. Dieses Problem sehe ich auch nach wie vor, aber es ist jetzt noch nicht aktuell und ich denke auch nicht, dass man so einfach behaupten kann, dass ein Dammbruch in dieser Richtung geschehen muss. Ich habe diese Meinung im anderen Thread vertreten, diesbezüglich haben sich meine Bedenken aber abgeschwächt, weil ich mich daran erinnert habe, dass derartige Fragen sowieso immer wieder neu auf der gesellschaftspolitischen Bühne verhandelt werden müssen. Wäre es eines Tages soweit, wäre ich sicherlich ein scharfer Gegner, weil ich das gezielte Erschaffen eines Menschen als ein Produkt mit gewissen äußeren Prädikaten, die etwas anderes sind als "Gesundheit", ein Eingriff in die Selbstbestimmheit ist - dann lieber biologischer Zufallsgenerator. Das Verhindern einer möglicherweise massiven Beeinträchtigung des Lebensalltags eines Menschen halte ich dagegen nicht nur für vertretbar, sondern eigentlich für geboten.

stine hat geschrieben:Soviel ich weiß, werden 7 Embryonen gezüchtet, um dann einem gesunden Kind aus dieser Auswahl das Leben zu schenken. Nun ist es sicher nicht so, dass immer 6 Embryonen davon unbrauchbar sind und deswegen verworfen werden müssten. Im schlimmsten Falle sterben 6 gesunde Embryonen, weil man nur einen braucht und die anderen eben das Pech hatten die Möglichkeit einer Erbkrankheit in sich tragen zu können.

Ok, es sterben sechs gesunde Embryonen. Es sterben nicht sechs Menschen, sondern eben nur sechs potentielle Menschen. Das ist bei einem Abend in einem durchschnittlichen deutschen Schlafzimmer wahrscheinlich auch so.
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