Fertigkeiten im Deutschunterricht

Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon stine » Sa 30. Jul 2011, 22:29

ganimed hat geschrieben:Und im Leben bin ich auch nicht in einer Klasse mit Gleichbegabten kaserniert. Ich muss ständig mit schlaueren und dümmeren klarkommen. Da wäre es doch nicht schlecht, wenn man das in der Schule ganz beiläufig übte.
Dann musst du auf die Benotung aber ganz verzichten, weil du die Schüler untereinander nicht mehr messen kannst.
Im Zeitalter der "Qualitätssicherungen" und der "Standardisierungen" wäre das ein Rückschritt.

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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon ganimed » Sa 30. Jul 2011, 23:39

Die Neigung zur Gleichmacherei, die du irgendwo oben den Gesamtschulvertretern unterstelltest, kommt bei dir offenbar auch vor und schlägt sich im Wort "Standardisierung" nieder. Das wäre eine grauenvolle Gesellschaft, vor der eindringliche, düstere Sci-Fi-Filme warnen würden. Ach nee, diese Gesellschaft haben wir ja jetzt. In der Kinder standardisiert und genormt werden durch vergleichbare Abiture, am besten alles auf eine einzige Maßzahl reduziert, nämlich den Notendurchschnitt. So ein Unsinn.
Ich wäre dafür, statt eines Abiturzeugnisses einen kurzen Abriss über die wesentlichen Lernschwerpunkte zu liefern. Wichtig muss den Arbeitgebern doch sein, was das Kind (vertieft) gelernt hat und nicht, wie gut es irgendwas gelernt hat. Qualitätssicherung und Standardisierung widersprechen sich in diesem Kontext einfach. Qualität bedeutet beim Lernen eben Individualismus.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon Lumen » So 31. Jul 2011, 01:01

Zu Schulsystemen, Hintergrund und Verbesserung gibt es dieses sehr schicke Video (andere RSAnimate sind ähnlich empfehlenswert. Leider nur englisch.)
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon xander1 » So 31. Jul 2011, 17:55

@ganimed

Entschuldigung, aber ich finde deine Gedanken utopisch. In einer kapitalistischen Welt kommt es auf Leistung an und ich will von keinem Arzt versorgt werden, der nicht genug über Medizin weiß. Nicht umsonst sind die Anforderungen an Medizinern so hoch. Informatiker die nicht gut in Mathe sind kann man auch nicht gebrauchen. Wenn es eine Einheitsschule in der Sekundarstufe gibt, dann bleibt die Bildung der leistungsfähigeren Schüler auf der Strecke und das bedeutet dann auch, dass wenn diese Windows programmieren würden, dass es ständig abstürzen würde oder der Computer noch langsamer wäre, und insgesamt unser wissenschaftliches, kulturelles, wirtschaftliches etc. Wachstum langsamer wäre. Das beste Beispiel ist die DDR oder andere möchtegern-sozialistische Länder.

Der Hauptgrund warum Sozialismus nicht funktioniert ist der, dass er keine Leistungsgesellschaft fördert. Dadurch fallen sozialistische Länder zurück. Deshalb ist Sozialismus auch eine Utopie. Langzeitfolgen sind Ausbeutung durch stärkere Staaten.

Das gleiche mit buddhistischen Ländern wie Tibet. Wäre Tibet militaristischer gewesen, hätten sie China die Stirn bieten können, jedoch ist der Verlauf der Geschichte anders gewesen. Man sieht dass Pazifistische Strömungen genauso eine Utopie sind wie Anti-Leistungsgesellschafts-strömungen wie der Kommunismus bzw. Sozialismus.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon ganimed » So 31. Jul 2011, 22:32

xander1 hat geschrieben:Wenn es eine Einheitsschule in der Sekundarstufe gibt, dann bleibt die Bildung der leistungsfähigeren Schüler auf der Strecke

Entschuldigung zurück, aber diesen Satz halte ich für ganz falsch. Und alle deine nachfolgenden Folgerungen daraus erscheinen mir daher hinfällig.
Wenn ich einen leistungsfähigen Schüler durch einen festen Lehrplan schleuse, dann lernt er nicht so schnell wie er könnte, weil keiner auf seine Interessen eingeht, weil keiner auf sein Tempo eingeht und weil er viel Zeit damit vergeudet, Themen zu vertiefen, die ihn eigentlich nicht interessieren. Das jetzige Schulsystem ist daher ineffizient und Windows ist bereits ziemlich schlecht programmiert, mein Windows 7 stürzt jedenfalls dreimal die Woche ab.

Ich bin ja auch für Leistung und gerade deswegen will ich ein effizienteres Schulsystem. Wo der begabte Schüler nicht behindert wird, sondern individuell gefördert. Und wenn man schon individuell fördert, dann eben auch den unbegabten Schüler, aus dem man dann ebenfalls viel mehr heraus holt als man mit dem jetzigen System kann. Jeder einzelne Schüler würde von Individualunterricht profitieren. Und dieser Individualunterricht kann in einer großen Klasse stattfinden. Dazu muss man aber auf einheitliche Tests, Noten und Lerninhalte verzichten und stattdessen themenorientiert, gruppenorientiert und spaßorientiert arbeiten. Die Leistungsfähigkeit der Kids würde explodieren.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon Arathas » Mo 1. Aug 2011, 08:28

xander1 hat geschrieben:das bedeutet dann auch, dass wenn diese Windows programmieren würden, dass es ständig abstürzen würde


Lebst du in einem Paralleluniversum, in dem Windows nicht ständig abstürzt? :irre: :mg:
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon xander1 » Mo 1. Aug 2011, 13:11

ganimed hat geschrieben:Wenn ich einen leistungsfähigen Schüler durch einen festen Lehrplan schleuse, dann lernt er nicht so schnell wie er könnte,

OK, da stimme ich zu, aber ohne festen Lehrplan und nur nach Interesse funktioniert keine Schule. Es hat seinen Sinn, dass vorgegeben ist, was die Schüler lernen sollen. In der Schule kann man nunmal nicht die Zauberkünste von Harry Potter lehren oder künstlerisches Spraying an die Wand - ok letzteres könnte vielleicht noch gehen. Es ist nunmal so, dass die wichtigen Gebiete in der Schule keinen Spaß machen, obwohl mir Mathe meistens Spaß gemacht hat. Schau doch mal was Kinder und Jugendliche für Interessen in ihrer Freizeit haben. Da ist kaum etwas brauchbares für die Schule dabei.
ganimed hat geschrieben:weil keiner auf sein Tempo eingeht

Im Studium für erwachsene Schüler ist das möglich, da lernt man mehr in der Bibo oder in der eigenen Wohnung. Schüler an Schulen muss man jedoch an die Hand nehmen. Es wird viel weniger zuhause gelernt als noch vor 50 Jahren. Das ist erwiesen.

ganimed hat geschrieben:und Windows ist bereits ziemlich schlecht programmiert, mein Windows 7 stürzt jedenfalls dreimal die Woche ab.

Das ist dann aber sicherlich nicht Windows selbst, sondern ein Programm in Windows. Alternativ kann es auch noch an Hardware oder Treibern liegen. Windows 95,me,98 war noch sehr instabil, aber seit Windows 2000 hat sich das radikal geändert. GNU/Linux ist bei mir öfter abgeschmiert, aber da waren es auch die Programme oder Treiber und nicht der Kernel. Ich studiere Informatik.

ganimed hat geschrieben:Ich bin ja auch für Leistung und gerade deswegen will ich ein effizienteres Schulsystem.

Du redest wie ein Politiker der immer sagt was er will, aber nicht sagt wie es konkret umgesetzt werden soll, sondern ansatzweise.

ganimed hat geschrieben: Wo der begabte Schüler nicht behindert wird, sondern individuell gefördert.

Das kostet Geld. Der Lehrer müsste auf jeden Schüler einzeln eingehen. Man braucht sehr sehr viel mehr Lehrer dafür. Alternativ müsste man die Schüler beauftragen die Rolle des Lehrers einzunehmen, selbst den Unterricht zu gestalten. Aber ich sehe das schwierig für junge Schüler.

ganimed hat geschrieben: Und wenn man schon individuell fördert, dann eben auch den unbegabten Schüler, aus dem man dann ebenfalls viel mehr heraus holt als man mit dem jetzigen System kann.

Wenn du nicht willst, dass die Kosten für so ein System explodieren habe ich einen Vorschlag. Man müsste massiv investieren in Lehrsoftware. Dann braucht man den Lehrer nur noch zum Nachfragen wenn man etwas nicht verstanden hat. Ein Software kann viel effizienter arbeiten und besser beibringen als ein Lehrer und mit weniger Lehrfehlern.

ganimed hat geschrieben: Jeder einzelne Schüler würde von Individualunterricht profitieren.

Wie beschrieben: Mit Software wäre das lösbar. Das würde sogar von zuhause aus funktionieren. Dann müssten die Schüler weniger zur Schule gehen.

ganimed hat geschrieben: Und dieser Individualunterricht kann in einer großen Klasse stattfinden.

Ja und die Geräuschkullisse würde sehr laut werden.

ganimed hat geschrieben: Dazu muss man aber auf einheitliche Tests, Noten und Lerninhalte verzichten und stattdessen themenorientiert, gruppenorientiert und spaßorientiert arbeiten. Die Leistungsfähigkeit der Kids würde explodieren.

In einer Gruppe kann man zwar das zusammenarbeiten lernen was sehr wichtig ist, aber lernen selbst kann man dabei nur sehr schwer, fürs Nachfragen hilfts vielleicht.
Spaßorientiert - ok, das kann man schlecht politisch verordnen. Das hängt vom Lehrer, der Software, dem Buch ab.
Andererseits könnte der Schüler beim Spaß die Schule nicht mehr ernst nehmen. Du weißt ja wie Kinder sind. Dann geht auch der Respekt vorloren.
Wie du Themenorientiert meinst verstehe ich nicht, also da bräuchte ich eine ausführliche Beschreibung.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon ganimed » Mo 1. Aug 2011, 14:48

aber ohne festen Lehrplan und nur nach Interesse funktioniert keine Schule. Es hat seinen Sinn, dass vorgegeben ist, was die Schüler lernen sollen.

Interessant eigentlich, mit welcher Selbstverständlichkeit du diese Thesen aufstellst. Mir käme da der Verdacht, dass du einfach nur deshalb zu diesem Schluss gekommen sein könntest, weil du ein anderes als das unsere Schulsystem nie kennengelernt hast. Deine Logik könnte vielleicht sein: wenn es auch anders ginge, würde man es ja wenigstens vereinzelt so machen. Korregier mich bitte, wenn du auf anderem Wege zu dieser Ansicht kamst und/oder wenn du gute Argumente für deine Behauptung haben solltest. Meine Quellen für meinen Standpunkt kann ich halbwegs angeben: eine Podcastsendung mit einem Erziehungswissenschaftler, der, wenn ich recht erinnere, das hessische Kultusministerium beraten hat und dessen Aussagen in die Richtung gehen, dass Kinder in der Schule eher nicht ihre Schwächen ausgeglichen bekommen sollen, sondern ihre Stärken gefördert werden sollen. Andererseits habe ich die Modelle aus Skandinavien vor Augen, die ja laut Pisa-Studie schon irgendwie besser sind als unsere. Und dann ist da als dritter Punkt die Montessori-Schiene, die meine Kinder gerade in der Grundschule fahren. Daraus habe ich mir einen, zugegebenermaßen, vagen Mix gemixt. Als vierte Inspiration steht mir der Privatlehrer von früher vor Augen, als vor jeder Schulpflicht reiche Kinder von einem extra engagierten Privatlehrer unterrichtet wurden. Wenn der gut war, dann hat der nach Interesse und nach Spaß gelehrt, denn jeder Hirnforscher sagt dir heute, dass nur dann das Lernen gut funktioniert.

Dieselben Hirnforscher äußern sich eher kritisch gegenüber deinem Software-Ansatz. Beim Lehren ist die soziale Bindung und Vorbildfunktion des Lehrers superwichtig. Als Ergänzung für Routineintervalle könnte ich mir gute Lernsoftware aber durchaus auch vorstellen.

xander1 hat geschrieben:Andererseits könnte der Schüler beim Spaß die Schule nicht mehr ernst nehmen. Du weißt ja wie Kinder sind. Dann geht auch der Respekt vorloren.

Das ist aber eine gewagte psychologische Deutung. Ich habe angesichts des jetzigen Systems eher den gegenteiligen Eindruck. Ohne Spaß geht jede Motivation flöten, der Leher erreicht die Schüler nicht mehr, und von viel Respekt ist bei allen Analysen heutiger Schulprobleme ja nun wirklich keine Rede mehr. Will sagen, der Respekt ist heute bereits aber so was von verloren, verlorener gehts gar nicht. Insofern lustig, dass du gerade Respektverlust befürchtest, wenn die Schüler Spaß an der Sache haben, sich auf den Unterricht freuen und von einem guten Lehrer individuell, also mit Beziehungs-Aufbau, betreut werden. Ich würde eher denken, dass Respekt und Ernstnahme mit Spaß am leichtesten erreicht wird.

xander1 hat geschrieben:Wie du Themenorientiert meinst verstehe ich nicht, also da bräuchte ich eine ausführliche Beschreibung.

Mit "themenorientiert" meine ich beispielsweise, dass man möglicherweise als Aufhänger für Geometrie ein Projekt mit den Kindern macht. Vielleicht den Entwurf und den Bau eines kleinen Denkmals aus geometrischen Figuren. Die Themenvorgabe wäre also nur: "baut ein Denkmal aus geometrischen Figuren". Je nach Begabung und Interesse übernehmen die Kinder einzelne Schwerpunkte. Die einen planen mehr und schaffen sich dabei das Wissen rauf, wie man Oberflächen misst. Die anderen bauen mehr und kriegen dabei eher mit, wie man per Zirkel und Winkelmaß Hilfslinien konstruieren kann. Keine Ahnung. Jedenfalls das Projekt ist das große Thema, die Vorgabe. Wer nun genau welche Fertigkeit dabei lernt ist der Freiheitsgrad. Ich gebe also nicht wie im üblichen System die genauen Inhalte vor (In Woche 17 müssen alle Kinder unbedingt lernen, wie man die Länge einer Mittelsenkrechten von den Winkeln eines Dreiecks ableitet), sondern ich sorge dafür, dass man sich viel individuell dosierter mit allgemeinen, vielleicht sogar fachübergreifenden Themen beschäftigt und dabei je nach Interesse und konkretem Verlauf bestimmte Dinge lernt. Die Kinder dürfen mitbestimmen, was vertieft wird, wie man Themen genau ausgestaltet. Muss ein späterer Schauspieler wirklich in der siebten Klasse damit gequält werden, wie man Mittelsenkrechten misst?

xander1 hat geschrieben:Das kostet Geld. Der Lehrer müsste auf jeden Schüler einzeln eingehen. Man braucht sehr sehr viel mehr Lehrer dafür. Alternativ müsste man die Schüler beauftragen die Rolle des Lehrers einzunehmen, selbst den Unterricht zu gestalten. Aber ich sehe das schwierig für junge Schüler.

Das Geld-Argument stimmt natürlich. Wird jedoch erst relevant, wenn wir hier Politiker im Tagesgeschäft spielen würden. Aber zunächst geht es hier bei der Diskussion doch hoffentlich eher darum, uns erstmal einig zu werden, was das bessere Schulsystem ist, welches die besseren pädagogischen Ansätze wären. Um Finanzhaushalte können sich dann ja später die Spezialisten kümmern. Es wäre doch schon mal was, wenn man feststellen könnte, dass die Entwicklung der letzten Jahre völlig in die falsche Richtung ging. 12 Jahre Abitur statt 13? Eine Katastrophe. Und trotz aller Wahlversprechen (zumindest hier in NRW) sind real nie wirklich mehr Lehrer eingestellt worden, soweit ich hörte. Man spart am Schulsystem seit vielen Jahren und wird bei Pisa abgehängt. Die Wissenschaftler predigen seit ebenso vielen Jahren, wie man es eigentlich anders machen müsste und die Politik stellt sich taub. Ich finde das zumindest mal eine verheerende Bilanz. Natürlich kosten gute Schulen mehr Geld (wie viel mehr können wir beide sicher nicht einmal annähernd beurteilen), aber das muss es uns eben wert sein.

xander1 hat geschrieben:Das ist dann aber sicherlich nicht Windows selbst, sondern ein Programm in Windows. Alternativ kann es auch noch an Hardware oder Treibern liegen. Windows 95,me,98 war noch sehr instabil, aber seit Windows 2000 hat sich das radikal geändert. GNU/Linux ist bei mir öfter abgeschmiert, aber da waren es auch die Programme oder Treiber und nicht der Kernel. Ich studiere Informatik.

Das sind doch faule Ausreden. Fehlerhafte Programme und Treiber mögen abstürzen, aber ein gut programmiertes Betriebssystem sollte selber und komplett eben nicht abstürzen (weder mit Blue-Screen oder sonst einer Farbe). Wenn einzelne Programme oder Treiber Unsinn machen, dann muss das abgefangen, protokolliert und gemeldet werden. Das Studium der Informatik scheint dich ja eher anspruchslos und genügsam zu machen. So nach dem Motto: wenn Windows immer abstürzt, dann darf es das auch, per Gewohnheitsrecht. :)
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon stine » Mo 1. Aug 2011, 16:16

ganimed hat geschrieben:Muss ein späterer Schauspieler wirklich in der siebten Klasse damit gequält werden, wie man Mittelsenkrechten misst?
Gegenfrage: Warum muss ein Schauspieler Abitur haben?
Das Abitur ist ein Vollreifezeugnis und zur Vollreife gehören eben verschiedene Fertigkeiten und ein Allgemeinwissen, das nicht jeder auf sich zugeschnitten bekommen kann. Es reichte vollkommen, die starken Fächer, wie im G9 gehabt, für das Abitur frei wählen zu können. Wer sich nichts aus der Mittelsenkrechten macht, der muss auch kein Abitur machen müssen, Vorraussetzung ist jedoch, dass alle Schulzweige der Gesellschaft gleich viel wert sind.
Die PISA-Studie scheint dir als Richtlinie viel zu bedeuten, @ganimed, obwohl du andererseits Richtlinien innerhalb der Unterrichte ablehnst. Die Fertigkeiten stehen aber auch immer im Zusammenhang mit Wissen. Sich mit dem Zirkel nicht zu verletzen reicht nicht, man muss auch wissen, was man damit alles machen kann.

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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon ganimed » Mo 1. Aug 2011, 20:49

stine hat geschrieben:Gegenfrage: Warum muss ein Schauspieler Abitur haben?

Um den Begabungen entsprechend ein paar Sprachen kennengelernt zu haben, Allgemeinwissen aufgebaut zu haben und vielleicht noch Geographie (wo bitte gehts nach Hollywood).

stine hat geschrieben:Das Abitur ist ein Vollreifezeugnis und zur Vollreife gehören eben verschiedene Fertigkeiten und ein Allgemeinwissen, das nicht jeder auf sich zugeschnitten bekommen kann.

Ja, im jetzigen Schulsystem. Aber es kann nicht dein Ernst sein, dies als Argument zu benutzen. Das jetzige Abitur muss so bleiben, weil es jetzt so ist?

stine hat geschrieben:Es reichte vollkommen, die starken Fächer, wie im G9 gehabt, für das Abitur frei wählen zu können.

Fächer sind mir als Wahleinheit zu grob. Ich möchte, dass die Schüler auch mitbestimmen können, welche Themen innerhalb eines Faches man wie tief vornimmt.

stine hat geschrieben:Wer sich nichts aus der Mittelsenkrechten macht, der muss auch kein Abitur machen müssen

Unsinn. Schauspieler zum Beispiel müssen, aus oben genannten Gründen eben doch.

stine hat geschrieben:Die PISA-Studie scheint dir als Richtlinie viel zu bedeuten

Nein. Als Richtlinie hatte ich sie noch gar nicht gesehen. Als Studie schon eher. Und in der schneidet unser System schlechter ab als das skandinavische. Und ich will sogar noch weiter gehen als das skandinavische, wenn ich das richtig sehe.

stine hat geschrieben:Sich mit dem Zirkel nicht zu verletzen reicht nicht, man muss auch wissen, was man damit alles machen kann.

Wieso muss man wissen, was man mit einem Zirkel alles machen kann?

Worauf willst du hinaus? Dass in meinem vorgeschlagenen System die Schüler kein Wissen vermittelt bekämen? Ich behaupte ja, dass sie dort viel effektiver lernen würden und insgesamt also deutlich mehr Wissen anreicherten als im jetzigen System. Was soll der Hinweis, dass man ohne Wissen nicht auskommt? Das behauptet doch auch niemand. Ich behaupte nur, dass nicht alle Gymnasiasten dieselben Zwangshäppchen Wissen benötigen. Jedem Kinde das seine, wäre eher die Devise.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon stine » Di 2. Aug 2011, 08:27

Du bist ein Träumer, @ganimed.
ganimed hat geschrieben:Ich behaupte ja, dass sie dort viel effektiver lernen würden und insgesamt also deutlich mehr Wissen anreicherten als im jetzigen System.
Warum sollten sie mehr Wissen anreichern, als jetzt, wenn sie sich aussuchen dürfen, was sie lernen wollen? Nur vertiefen was Spaß macht, bringt den einzelnen nicht weiter und am Ende braucht es doch fächerübergreifendes Wissen.
ganimed hat geschrieben:Das jetzige Abitur muss so bleiben, weil es jetzt so ist?
Jeder Schulabschluss wird ein Ziel markieren, eine Stufe sein, die dann, wenn der Abschluss bewältigt wurde, beim Inhaber des Abschlusses vorausgesetzt werden kann. Wenn es nicht mehr Abitur heisst, dann heisst es eben anders, aber du wirst einen Standard brauchen.
Die Tiefe des Einstiegs in ein Fach kannst du im Anschluss immer noch festlegen lassen. Wenn einer mit der Mittelsenkrechten gut zurecht kommt, studuert er eben Mathe und der andere wird Schauspieler.
Übrigens ist das Abitur jezt schon verändert. Im G8 ist genau das vorgesehen, was du möchtest, nämlich nur ein grober Umriss dessen, was möglich ist, vertieft wird an der UNI.

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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon ganimed » Di 2. Aug 2011, 13:46

stine hat geschrieben:Warum sollten sie mehr Wissen anreichern, als jetzt, wenn sie sich aussuchen dürfen, was sie lernen wollen?

Du ignorierst hier (wie die Politiker scheinbar auch) die Aussagen der Hirnforschung. Beim Lernen und Gedächtnis aufbauen ist irgendwie der Thalamus als Organisator beteiligt (wenn ich das richtig erinnere) und im Thalamus werden ebenso Emotionen verarbeitet und irgendwie lernt man genau dann etwas, wenn die emotionale Lage günstig ist. Spaß ist förderlich. Angst beispielsweise eher Gift. So oder so ungefähr funktioniert das. Ich folgere daraus nun, dass das Spaß-getriebene Lernen also viel effektiver ist. Die Schüler lernen schneller und besser. Jeder holt mehr aus sich heraus, ganz unabhängig davon, wie begabt er ansonsten ist.

stine hat geschrieben:Nur vertiefen was Spaß macht, bringt den einzelnen nicht weiter und am Ende braucht es doch fächerübergreifendes Wissen.

Wenn das, was er macht, ihm Spaß macht, wird er auch gerne bereit sein, alles übergreifende, was man dazu benötigt, zu lernen. Und ein eher themenorientierter statt fachorientierter Ansatz, wie er mir vorschwebte, würde ja sowieso fachübergreifendes Wissen fördern.

stine hat geschrieben:Im G8 ist genau das vorgesehen, was du möchtest, nämlich nur ein grober Umriss dessen, was möglich ist, vertieft wird an der UNI.

Na vielen Dank G8. Ich kenne mich da nicht so aus. Habe nur gehört, dass an der UNI in letzter Zeit auch vieles in die falsche Richtung geht. Standardisierte Massenabfertigung, möglichst schnelle Studiengänge, möglichst effiziente Ausbildung für die Wirtschaft. Möglichst viele junge Fachidioten, die keine Zeit hatten über Tellerränder zu schauen oder irgendwelchen anderen Interessen nachzugehen oder sich selbst überhaupt erstmal richtig zu verorten.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon stine » Di 2. Aug 2011, 22:34

ganimed hat geschrieben:Na vielen Dank G8. Ich kenne mich da nicht so aus.
Kommt vielleicht auch noch auf dich zu, wenn deine Kinder Waldorf einst verlassen.
Wie verträgt sich übrigens Waldorfschule mit Naturalismus?

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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 3. Aug 2011, 07:11

ganimed hat geschrieben:Na vielen Dank G8. Ich kenne mich da nicht so aus.
und ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. G8 bedeutet keine Aufgabe der Kultushoheit.
stine hat geschrieben:Wie verträgt sich übrigens Waldorfschule mit Naturalismus?
Tendenziell sehr ambivalent bis konträr, kommt aber wohl stark auf die einzelne Schule drauf an. Tendenziell sind es ja sehr religionsnahe Schulen, ihr christlich-esoterisch-anthroposophisches Weltbild ist zumindest "etwas fern" vom Naturalismus.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon ganimed » Mi 3. Aug 2011, 12:36

Waldorf und Naturalismus könnte in der Tat inkompatibel sein, soweit man liest. Meine Kinder sind momentan nur auf einer Montessori-Grundschule, und danach wird es wohl (leider) mit normalen Schulen, zum Beispiel einem evangelisch getragenen Gymnasium weitergehen.

Ich habe folgendes kurze Zitat zum Unterschied zwischen Waldorf und Montessori gefunden: http://www.gutefrage.net/frage/was-ist-der-unterschied-zwischen-montessori-und-waldorfschule
    "Waldorf- Schulen gehen auf Rudolf Steiner, Anthroposoph, zurück und sind staatlich anerkannte Privatschulen. Sie haben eigene Unterrichtsinhalte, z. B. Eurhythmie, neben den herkömmlichen Unterrichtsinhalten. Montessori-Schulen gehen auf Maria Montessori zurück und versuchen, das pädagogische Konzept dieser italienischen Erziehungswissenschaftlerin umzusetzen; sie sind meines Wissens "Regelschulen", heben sich aber in der baulichen Anlage und der Ausstattung der Schule vom herkömmlichen Schulbau ab, auch spezifische Unterrichtsinhalte sind möglich."
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon stine » Mi 3. Aug 2011, 13:05

Kannst du feststellen, @ganimed, dass die Kinder in der Montessorieschule schneller lernen, besser lernen oder viel weiter im Inhalt sind?
Was ist der Unterschied zur öffentlich, staatlichen Einrichtung?
Würde mich mal interessieren, weil ich dazu sonst keinen Zugriff auf persönliche Erfahrungen habe.

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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon stine » Mi 3. Aug 2011, 13:33

ganimed hat geschrieben:Andererseits habe ich die Modelle aus Skandinavien vor Augen, die ja laut Pisa-Studie schon irgendwie besser sind als unsere.


http://www.zeit.de/2002/30/Das_lernt_man_in_der_Schule_
Zitat:
"Klassen von einer Heterogenität, wie sie in Deutschland normal ist (allein schon der Prozentsatz von Kindern nichtdeutscher Muttersprache), wären mit den Mitteln der finnischen Pädagogik nicht einmal zu "regieren", geschweige denn effektiv zu unterrichten."

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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon ganimed » Mi 3. Aug 2011, 20:22

stine hat geschrieben:Kannst du feststellen, @ganimed, dass die Kinder in der Montessorieschule schneller lernen, besser lernen oder viel weiter im Inhalt sind?

Nein, dazu habe ich viel zu wenig Einblick und Vergleichsmöglichkeiten. Mir fällt eigentlich auch nur ein Unterschied zur normalen Schule ein. In der Montessorischule gibt es "Freiarbeit". Zahlreiche Materialien werden dort von den Kindern angewendet, Reihenfolge und Zeit pro Material sind ganz individuell. Ich war bisher nie dabei, Eltern sind als Beobachter oder Hilfslehrer jedoch willkommen. Meine Frau erzählte mal was von gut gemachten Mathe-Materialien, wo man mit farbigen Kugeln offenbar die Wertigkeit der Stellen im Zehnersystem gut 'erfahren' konnte. Ich bin nicht sicher, wie häufig diese Freiarbeitsstunden pro Woche sind, aber der größte Teil ist, soweit ich verstanden habe, eigentlich normaler Unterricht. Und was im normalen Unterricht an Eigenheiten der Montessori-Pädagogik einen Niederschlag findet, keine Ahnung.

Klassen von einer Heterogenität, wie sie in Deutschland normal ist (allein schon der Prozentsatz von Kindern nichtdeutscher Muttersprache), wären mit den Mitteln der finnischen Pädagogik nicht einmal zu "regieren", geschweige denn effektiv zu unterrichten.

Was sind denn die Mittel der finnischen Pädagogik? Soweit ich verstehe, wird in Finnland einfach mehr Geld für Lehrer ausgegeben und vor allem werden gute Lehrer durch Ansehen (eigenes Profil pro Schule) belohnt. Das Wir-Gefühl einer Schule wird gefördert und damit die Motivation. Das hat viel mit Organisation und Strukturen zu tun und erstmal gar nichts mit Pädagogik.

Und wenn ich meine Geschmacksrichtung einer modernen Gesamtschule vor Augen habe, ist Heterogenität doch eben genau der Aufhänger. Die Unterrichtsform, die mir vorschwebt (in Gruppen, individuell, ...) ist doch genau auf Heterogenität ausgerichtet. Ich muss deshalb eben nicht nach der vierten Klasse "homogenisieren", die Guten homogen aufs Gymnasium und der Rest auf den Müll. Da ich keinen homogenen Unterricht will ist Heterogenität erstmal kein Problem (wohingegen Sprachprobleme natürlich sehr wohl eine zusätzliche Herausforderung darstellen).
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon Nanna » Mi 3. Aug 2011, 21:10

Ich habe Grundschullehrer im persönlichen Umfeld und weiß daher, dass viele Montessorikonzepte wie die Freiarbeit zunehmend und anscheinend mit Erfolg an Grundschulen eingesetzt werden. Man gesteht Kindern viel mehr eigenes Vorgehen und Lerntempo zu als früher und es scheint zu funktionieren.
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Re: Fertigkeiten im Deutschunterricht

Beitragvon xander1 » Do 4. Aug 2011, 12:06

@ganimed:

Hast mich eigentlich größtenteils überzeugt.

Ich weiß trotzdem nicht wieso ich Biologie und Chemie und Literatur in der Schule behandeln muss wenn ich lange vorher weiß was ich studieren will.
Politische Weltkunde und Geschichte und Geographie und Ethik und Sport kann ich noch verstehen.

Ich finde dass solche Fächer dann rausgeschmissenes Geld sind.
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