von Nanna » Sa 17. Sep 2011, 16:56
Lieber Achim,
die meisten Menschen tragen während ihres Lebens mehr als nur ein paar Schrammen davon. Jeder hat, zu einem geringeren oder größeren Grad, seine Wunden und Narben davongetragen. Bei allem Verständnis dafür, dass die Erfahrung von Mobbing unheimlich kräftezehrend und deprimierend ist, ist es immer noch an einem selbst, ob man bereit ist, sich auf die Rolle als Mobbingopfer oder Opfer von sonstwas reduzieren zu lassen. Mach den Kampf gegen das Unrecht, das dir womöglich widerfahren ist, nicht zu deinem Lebensinhalt. Du klingst, wenn du behauptest, deine Würde verloren zu haben und ein "Geächteter" zu sein, als würdest du dich teilweise nur noch über diese Vorkommnisse Anfang der 90er Jahre definieren. Das tut dir und auch anderen nicht gut. Ich rede nicht davon, diese Dinge einfach ruhen zu lassen, aber akzeptiere, dass das Leben ein gewisses Risiko beinhaltet, in einen großen Haufen Unrat zu treten. Natürlich müssen Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden, aber keine Staatsentscheidung der Welt wird dir die letzten 20 Jahre zurückgeben. Wie auch immer das offizielle Verfahren ausgeht, umgehen musst du trotz allem selbst mit dem, was geschehen ist. Glaub mir, auch ich habe trotz meines jugendlichen Alters eine gewisse Erfahrung mit solchen Sachen. Lebenszeit bekommt man nicht zurück, ab einem gewissen Punkt steht das Ringen um die Anerkennung eines Unrechts, so gerechtfertigt sie im Prinzip sein mag, nicht mehr im Verhältnis zur Lebenszeit, die man dafür aufwendet. Was hilft es dir, wenn du beispielsweise 25 Jahre lang für die formelle Anerkennung eines Unrechts kämpfst und dann im 27. Jahr dummerweise aus dem Leben scheidest? Versteh mich recht: Ich sympathisiere grundsätzlich mit einem Kampf um Gerechtigkeit und ich verstehe, dass du das Bedürfnis nach einem offiziellen Schlussstrich für diese Sache hast. Trotzdem ist es in letzter Konsequenz an dir, ob du einen Weg findest, wo du den Blick wieder nach vorne richten kannst, oder ob du den Rest deiner Lebenszeit damit verbringst, in deinen Gedanken um ein seit langem vergangenes Ereignis zu kreisen - so schmerzhaft es auch gewesen sein mag.