Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » So 1. Jan 2012, 03:30

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:- ist es hier Konsens, dass wir einen freien Willen in diesem Sinne haben?

Ja. Ich zumindest stimme zu.

Okay, prima. Würde mich auch interessieren, ob Teh Asphyx dem auch zustimmt oder nicht.

Wenn Du dem zustimmst, dann stimmst Du auch zu, dass aus Determinismus nicht Fatalismus folgt, oder?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:- wenn ja: was wollen wir mehr? (Bzw.: was willst Du mehr und warum?)

Es gibt ja zwei Definitionen von freien Willen. Den der Kompatibilisten, der in der ersten Frage gemeint ist. Und den der Inkompatibilisten, wo es um kausale Abhängigkeit geht. Und weil diese Freiheit nach der zweiten Definition nicht existiert, sie aber vom Gehirn als Illusion ständig suggeriert wird, ergeben sich wichtige Konsequenzen. Was wollen wir also? Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass wir gar nicht anders handeln konnten als wir gehandelt haben. Wir wollen diesen Umstand an genau allen Stellen beachten, die bisher implizit davon ausgehen, dass der Mensch einen freien Willen im Sinne von "man hätte auch anders entscheiden können" haben. Ich zumindest bin davon überzeugt, dass es fast immer besser ist, nicht aufgrund einer Illusion sondern aufgrund besseren Wissens zu entscheiden und zu handeln.

Ja, dem letzten Satz stimme ich zu.

Aber wir müssen nun erst mal feststellen, ob es wahr ist, was Du sagst, dass also tatsächlich vom Gehirn eine akausale Freiheit suggeriert wird. Das ist eine empirische Frage, hierbei sind meine oder Deine Empfindungen / Wahrnehmungen nicht besonders relevant. Mein Gehirn - im Gegensatz wohl zu Deinem Gehirn - suggeriert das nun nicht, (mein Problem ist auch nach wie vor, dass ich den inkompatibilistischen Freiheitsbegriff nicht fassen kann). Aber das ist wie gesagt nicht relevant, relevant wäre die Frage, was die Mehrheit denkt, ob sie tatsächlich an eine akausale Freiheit glaubt und außerdem die Frage, auf welche Stellen Du Dich hier beziehst, an denen in unserer Gesellschaft implizit ein akausaler freier Willen vorausgesetzt wird.

Zur ersten, der empirischen Frage empfehle ich folgende Seite, dort gibt es einige (experimentalphilosophische, d.h. Umfragen anhand bestimmter Fälle) Untersuchungen darüber, wie die landläufige Auffassung bezüglich des freien Willes so ist, (allerdings auf englisch). Diese Untersuchungen deuten nun nicht darauf hin, dass Deine Behauptung wahr ist. Es gibt sowohl kompatibilistische als auch inkompatibilistische Intuitionen, keineswegs aber sind die inkompatibilistischen Intuitionen vorherrschend.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:- wenn das, was da beschrieben ist, nicht "echt" oder "wirklich" frei sein sollte: was ist dann "echt" oder "wirklich" frei"?

Nichts. Denn wirkliche Freiheit gibt es nicht.

Gibt es nicht in unserer Welt oder gibt es in keiner logisch möglichen Welt? Falls Letzteres: dann ist der Begriff leer, nicht fassbar. Falls nicht Letzteres: dann mal bitte eine akausale freie Entscheidung in einer logisch möglichen Welt ansatzweise skizzieren.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:- was bedeutet es, dass wir nicht "echt" oder "wirklich" frei sind?
- welche Folgerungen ergeben sich daraus?
- welche Anforderungen an andere ergeben sich daraus?

Der Begriff "Schuld", wie er im üblichen Sinne und insbesondere im juristischen Bereich verwendet, müsste neu überdacht werden.

Warum? Ich verstehe unter "juristischer Schuld" dies: Verantwortlichkeit für eine absichtlich oder fahrlässig begangene Normverletzung.

Inwiefern müsste das nun neu überdacht werden, wo ist der Zusammenhang zu Determinismus? Und auch: wie könnte Indeterminismus den Schuldbegriff legitimieren?

An dieser Stelle tritt wieder mein Hauptproblem zutage:

- entweder sind Leute verantwortlich für das, was sie (absichtlich oder fahrlässig) tun, dann kann man mit ihnen darüber diskutieren, ob unser heutiger Schuldbegriff bzw. unser heutiges Strafrecht (und auch das sonstige Recht, Vertragsrecht, BGB, etc.) adäquat ist oder nicht. Nur: wenn Leute verantwortlich sein können, dann können sie auch schuldig im juristischen Sinne sein.

- oder aber: Leute können prinzipiell nicht verantwortlich sein für das, was sie entscheiden und tun. Dann könnten sie zwar auch nicht schuldig im juristischen Sinne sein, (dann wäre übrigens auch alles andere Recht [Zivilrecht, Vertragsrecht etc.] hinfällig, denn das Recht setzt eigenständig entscheiden / handeln könnende Personen voraus - wieso hier eigentlich immer die Beschränkung aufs Strafrecht / auf den juristischen Schuldbegriff? Was ist mit dem sonstigen Recht?), aber dann wären sie auch keine Ansprechpartner mehr in einem Diskurs. Wäre man also dieser Ansicht, dann sähe es merkwürdig aus, moralische / inhaltliche Forderungen zu stellen, denn damit befindet man sich schon in einem Diskurs und muss somit automatisch die Regeln des Diskurses anerkennen, (nämlich die anderen für in einem wesentlichen Sinne für frei halten).

Du scheinst nun zu meinen, dass a) die Leute (zumindest die meisten) an einen akausalen freien Willen glauben und b), dass es in unserer Gesellschaft (einige, mehrere oder viele) Institutionen / Stellen gibt, an denen der akfW eine ausschlaggebende Rolle spielt, dass also, wenn man erkennen würde, dass es keinen akausalen freien Willen gibt, man grundlegende Änderungen durchführen müsste.

Aber, wie gesagt, ich halte a) für falsch, (die Empirie widerspricht dem, siehe den Link oben und die dort enthaltenen Untersuchungen) und b) müsstest Du noch näher erläutern, also mal konkret diejenigen Stellen nennen, an denen Deiner Ansicht nach ein akausaler freier Wille eine entscheidende Rolle spielt.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:- und wie können andere diese Anforderungen erfüllen, wenn sie nicht anders können, als sie tun?

Indem von anderen oder ihnen selber genau jene ursächlichen Faktoren geschaffen werden, die sie zur Erfüllung der Anforderungen zwingen.

Aber um das tun zu können: benötigt man dazu nicht eine bestimmte Art von Freiheit? Die Freiheit nämlich, die Zukunft in seinem (bzw. einem gemeinschaftlichen) Sinne beeinflussen / steuern zu können? Und wenn man das kann, wieso kann man dann nicht auch die eigenen Entscheidungen und Handlungen steuern und somit dafür verantwortlich (und eben evtl. auch schuldig) sein? Wieso kann man nur die Entscheidungen / Handlungen der anderen steuern, aber nicht seine eigenen? Oder reicht steuern / bewusst beeinflussen können nicht für Verantwortung? Oder zumindest nicht für Schuld im juristischen Sinne? Wenn nicht: wieso nicht, was muss noch hinzukommen?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:- und wenn aber andere diese Anforderungen verstehen und umsetzen können, wieso sind sie dann nicht in einem wesentlichen Sinne frei?

Weil auch das Verstehen und Umsetzen von Anforderungen (wie auch alle anderen Entscheidungen) kausal abhängig sind.

Verstehe ich das nun richtig: Du meinst, dass jedes Wesen, das erkennen, verstehen, reflektieren, bewusst Ziele anstreben und Normen umsetzen kann, deswegen schon automatisch unfrei sei? Weil es dabei notwendigerweise Abhängigkeiten zu etwas (der Umwelt, vorherigen und gegenwärtigen Umständen etc., und zwar Umstände, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen) gibt, (man kann ja nichts erkennen, verstehen, reflektieren, anstreben, das keinen Bezug zu etwas, der Umwelt hat)?

Gilt auch der Umkehrschluss: dass ein Wesen, das nicht erkennen, nicht verstehen, nicht reflektieren, nicht bewusst Ziele anstreben und keine Normen umsetzen könnte, dann frei wäre, wenn dies alles akausal geschähe? Wenn nicht: was müsste hinzukommen, welches wäre eine zusätzliche notwendige Bedingung, damit dieses Wesen in Deinem Sinne einen freien Willen hätte?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Dissidenkt » So 1. Jan 2012, 11:07

Vollbreit hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:
Die rationale Definition ist ganz einfach:

1. Eine absolute Freiheit gibt es nicht. Das ist ein geistiges Konstrukt, mehr nicht.
Die Benutzung des Wortes "Freiheit" oder "frei" in einem absoluten Sinn ist also unzulässig, weil irrational.
Deshalb ist auch "der freie Wille" ein irrationaler Begriff.


Was ist denn eine absolute Freiheit und warum ist sie irrational?


Das Wort "Freiheit" - ohne jede weitere Einschränkung oder Konkretisierung - ist eine absolute Freiheit, die es so nicht gibt, weil sie schon allein durch das Wort selbst und die unterschiedlichen Bedeutungen und Assoziationen eingeschränkt ist. Schon wenn du einem "Etwas" einen Namen gibst, ist es unfrei und mit deinen Vorstellungen belastet. Absolute Freiheit ist also nicht nur unmöglich, sie ist tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes nicht einmal vorstellbar, weil sie schon durch die Vorstellung und Assoziationen unfrei würde.

Vollbreit hat geschrieben:Den weitesten Freiheitsbegriff haben sicher einige Libertarier, dem kann ich in der Tat nicht folgen, aber eine Freiheit im Sinne des Kompatibilismus, warum sollte es die nicht geben?


Genau dies verdeutlicht doch das Problem der unterschiedlichen Vorstellungen und Freiheitsbegriffe. Der eine (Kompatibilist, Libertarianer,...) stellt sich dies vor, der andere (Inkompatibilist, Schopenhauerianer,etc...) jenes und alle versuchen damit nur ihr Weltbild konsistent zu halten, aber zur Wahrheit dringen sie damit nicht durch, weil sie in ihren mit Vorstellungen belasteten semantischen Verrenkungen die Wahrheit gar nicht erkennen können. Die Sprache beherrscht das Denken und in diesem Fall - wie in anderen auch - täuscht sie.

Vollbreit hat geschrieben:Es kommt mir vor, als ob Du gar kein Interesse an einer Diskussion hast, sondern die Antwort dogmatishc verkünden möchtest.


Ich schaue dieser Diskussion zu, wie ein Naturalist, der Christen bei der Diskussion um die Jungfräulichkeit Marias zuschaut.
Natürlich habe ich ein Interesse daran, sonst würde ich mich nicht einmischen. Ich habe das Thema schon vor 2 Jahren hier im Forum aufgebracht und meine Sichtweise recht erschöpfend dargestellt.
http://www.forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?f=5&t=3362&sid=74bd26fdcfec18b411723ee43dee7755

Vollbreit hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:
2. Freiheit ist immer nur graduell und mit einem konkreten Bezug möglich.
Physisch kann ich frei sein von Fesseln oder Behinderungen,etc..
Psychisch (also auch der Wille) kann ich frei sein von gesellschaftlichen Druck, eigenen Zwängen, Krankheiten,etc...

Wer also behauptet, er habe einen freien Willen, redet dummes Zeug.


Hm. Weil man frei sein kann, wie Du selbst beschreibst, redet man dummes Zeug, wenn man vom freien Willen redet? Wie soll das gehen?


Man kann nicht frei sein. Man kann nur in einem bestimmten Bezug frei sein. Du bist auch nicht frei an den freien Willen zu glauben, denn all deine Vorstellungen, die du dazu hast, bestimmen was du denkst. So wie ein Kompatibilist sich einredet, frei zu sein und tatsächlich daran "glaubt", so redet sich ein Christ ein Gottes Kind zu sein. Mit Rationalität hat das alles nichts mehr zu tun, weil sie Begriffe benutzten, die keine reale Existenz haben.


Vollbreit hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Richtig - zumindest diskutabel - wäre zB. die Behauptung, ich habe einen von äusserem Druck weitestgehend freien Willen. Das wäre zB dann der Fall, wenn man finanziell und beruflich sehr unabhängig ist.

Wer diese einfache Definition nicht akzeptiert, ist für jede Diskussion von vorneherein disqualifiziert.


Ist ja schon zig mal erwähnt worden und läuft ungefähr mit der Definition der Abswesenheit von Zwang zusammen. Ist also ein alter Hut.


Richtig, aber was es im Kern bedeutet, haben die wenigsten verstanden. Man muss es schon radikal zu Ende denken, um letztendlich zu verstehen, dass es "Freiheit" gar nicht geben kann. Der Clou ist, für diejenigen, die es verstanden haben:

Wenn man die eigene absolute Unfreiheit erkannt hat, kann man sich daran machen, aktiv und bewusst seine relative Freiheit zu erweitern.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jan 2012, 12:57

Dissidenkt hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was ist denn eine absolute Freiheit und warum ist sie irrational?


Das Wort "Freiheit" - ohne jede weitere Einschränkung oder Konkretisierung - ist eine absolute Freiheit, die es so nicht gibt, weil sie schon allein durch das Wort selbst und die unterschiedlichen Bedeutungen und Assoziationen eingeschränkt ist. Schon wenn du einem "Etwas" einen Namen gibst, ist es unfrei und mit deinen Vorstellungen belastet.


Das ist mir nicht klar. Warum sollte es so sein, dass wenn ich etwas einen Namen gebe, es nicht mehr existieren kann? Wenn ich vom Vogel behaupte, dass er fliegt, fällt er dann augenblicklich vom Himmel?
Und wenn ich von jemandem behaupte er sei frei, warum sollte er durch meine Behauptung unfrei sein?

Absolute Freiheit ist also nicht nur unmöglich, sie ist tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes nicht einmal vorstellbar, weil sie schon durch die Vorstellung und Assoziationen unfrei würde.


Weil die Vorstellung oder Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften, ihr Gegenteil ausschließt und daher nicht mehr „ganz“ sein kann, meinst Du das so?
Das wäre aber ein allumfassender, sich nicht festlegender und damit ein Begriff von Freiheit, der mit der Willkür zusammenfällt. Willkür schließe ich als Kriterium für Freiheit aus, wenn Du meinst, sie sei ein gutes Kriterium dafür, erklär mir bitte warum das so ist.

Dissidenkt hat geschrieben:Genau dies verdeutlicht doch das Problem der unterschiedlichen Vorstellungen und Freiheitsbegriffe. Der eine (Kompatibilist, Libertarianer,...) stellt sich dies vor, der andere (Inkompatibilist, Schopenhauerianer,etc...) jenes und alle versuchen damit nur ihr Weltbild konsistent zu halten, aber zur Wahrheit dringen sie damit nicht durch, weil sie in ihren mit Vorstellungen belasteten semantischen Verrenkungen die Wahrheit gar nicht erkennen können. Die Sprache beherrscht das Denken und in diesem Fall - wie in anderen auch - täuscht sie.


Natürlich beherrscht die Sprache das Denken, die Sprache ist denken, denkst Du denn nicht in Begriffen? Es geht ja in der Philosophie nicht um spontan auftauchende Bilder oder Empfindungen oder religiöse Offenbarungen, sondern um Gedanken, die andere prinzipiell rational nachvollziehen sollen können.
Dazu muss man die Begriffe und das heißt, für unsere Diskussion, nichts anderes als die unterschiedlichen Vorstellungen von Freiheit klären.
LIbertarier gehören übrigens nicht zu den Kompatibilsiten, sondern zu den Inkompatibilsiten.


Dissidenkt hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es kommt mir vor, als ob Du gar kein Interesse an einer Diskussion hast, sondern die Antwort dogmatishc verkünden möchtest.


Ich schaue dieser Diskussion zu, wie ein Naturalist, der Christen bei der Diskussion um die Jungfräulichkeit Marias zuschaut.


Das klingt in meinen Ohren etwas überheblich. Ich sehe nur noch keinen Grund, warum Du Dich da in einer so elitären Warte wähnst.

Dissidenkt hat geschrieben:Natürlich habe ich ein Interesse daran, sonst würde ich mich nicht einmischen. Ich habe das Thema schon vor 2 Jahren hier im Forum aufgebracht und meine Sichtweise recht erschöpfend dargestellt.
http://www.forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?f=5&t=3362


Deine zentrale These, dass wir nur Reiz-Reaktions-Systeme wären, ist falsch.
Und zwar ist sie nicht deshalb falsch, weil wir nicht in irgendeiner Art und Weise auch auf Reize reagieren würden, das tun wir ganz sicher, sondern weil diese Betrachtung zu undifferenziert ist um die Fragen, die wir klären wollen überhaupt zu klären.
Reiz-Reaktions-Systeme, das sind auch elektrische Türen in Kaufhäuser, die zuverlässig ihren Dienst tun. Das entscheidende Wort in dem Zusammenhang lautet „verstehen“.
Der Mensch versteht, er weiß, was er tut, mit anderen Worten, er kann Gründe für sein Denken und Handeln angeben. Die Kaufhaustür nicht.
Ein anderer Blickwinkel: Reiz-Reaktions-Systeme folgen bestimmten Regeln, die sie weder kennen müssen, noch beeinflussen können. Gegen diese Regeln kann man nicht verstoßen, ein Stein kann nicht die Schwerkraft aushebeln und schweben. Ein erbkoodiniertes Tier kann die Prozesse nicht willkürlich anhalten, es zieht die ganze Kaskade bis zum Ende durch.
Es gibt aber auch Regeln gegen die man verstoßen kann und das sind jene, die von dem Wesen, das ist der Lage ist, diese Regeln zu verstehen, interpretiert werden müssen. Eine rote Ampel zwingt einen nicht zum Anhalten, man kann auch weiterfahren. Man muss in einem feinen Restaurant nicht gesittet dasitzen, man kann auch rülpsen und in der Nase bohren. Man muss, in der Sparkasse, die auf den Boden geklebte Linie nicht beachten.
Das alles liegt in unserer Macht aber die Verpflichtung dazu haben auch nur Wesen, die verstehen, warum da eine Linie klebt. Wenn der Dackel sie ignoriert, würde er keine bösen Blicke ernten, der Mensch vielleicht schon.
Das heißt, erst wenn wir bestimmte komplexe Regeln verstehen, können wir sie interpretieren und sie beachten, gegen sie verstoßen oder sie ironisierend um- und überinterpretieren.
Aber – wir können überhaupt erst gegen diese Regeln verstoßen, nicht gegen den Kniesehnenreflex oder die Schwerkraft.
Und in diese Differenz, zwischen Regeln, denen man unbedingt folgen muss (Naturgesetze) und Regeln, denen man nicht unbedingt folgen muss (soziale Ge- und Verbote), fällt das was wir Freiheit nennen.
Es ist dieselbe Differenz wie zwischen Reiz-Reaktion und Verstehen.
Die Fokussierung auf Reiz-Reaktion allein ist mit anderen Worten nicht hinreichend um die Differenz zwischen Freiheit und Gebundenheit überhaupt zu erfassen.

Dissidenkt hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Hm. Weil man frei sein kann, wie Du selbst beschreibst, redet man dummes Zeug, wenn man vom freien Willen redet? Wie soll das gehen?


Man kann nicht frei sein. Man kann nur in einem bestimmten Bezug frei sein.


Die Bedingungen unter denen von Freiheit gesprochen werde soll, wurden ja auch definiert.

Dissidenkt hat geschrieben:Du bist auch nicht frei an den freien Willen zu glauben, denn all deine Vorstellungen, die du dazu hast, bestimmen was du denkst.


Ja, natürlich, ich handle auf der Basis von Gründen, Erfahrungen und Überzeugungen, mehr verlangt der kompatibilsitsche Freiheitsbegriff auch nicht.

Dissidenkt hat geschrieben:So wie ein Kompatibilist sich einredet, frei zu sein und tatsächlich daran "glaubt", so redet sich ein Christ ein Gottes Kind zu sein. Mit Rationalität hat das alles nichts mehr zu tun, weil sie Begriffe benutzten, die keine reale Existenz haben.


Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch. Zum einen ist die Differenz zwischen der „realen Existenz“ von Begriffen und denen die keine „reale Existenz“ haben mindestens unglücklich ausgedrückt.
Zum zweiten kann ich nicht sehen, wie dieser Vergleich zustande kommt.
Ich gehe mal davon aus, dass Du annimmst, dass Gott nicht existiert und das Christen deshalb auch ihre Gotteskindschaft nicht irgendwo rational erklären können.
Der Begriff der Freiheit, aus Sicht der Kompatibilsten, liegt aber offen und für alle verständlich da. Man braucht da keiner Offenbarung zu glauben, sondern nur zu lesen, was Kompatibilisten darunter verstehen.
Du könntest kritisieren, dass die Kompatibilsiten nicht die Deutungshoheit über diesen Begriff haben, aber den beanspruchen sie auch gar nicht. Jede andere Deutung die rational nachvollziehbat ist, ist willkommen.
Sehr problematisch ist aber der Begriff der „realen Existenz“. Ich vermute mal, dass Du damit meinst, dass einem Begriff etwas in der realen (im weitesten Sinne sichtbaren?) Welt entspricht, aus das man zeigen kann: ein Auto, ein Atom, ein Hund. Aber was ist dann Sein, Leben, Würde, Zukunft, die Wurzel aus -1, eine Absicht? Die ganze Rede von Möglichkeiten in Vergangenheit und Zukunft, was könnte sein, was wäre gewesen, wenn…, auf all das kannst Du nicht deuten.
Und bevor Du möglicherweise vorschnell urteilst, das (Konditionale) seien alles Begriffe die die Sprache verhunzen und die man ersatzlos streichen könnte, mach Dir mal klar, dass es diese „was könnte sein“ war, was auch Jägern und Sammlern, Ackerbauern und Viehzüchter machte, denn dafür muss man planen können und die Menschen auf den Mond brachte.

Dissidenkt hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ist ja schon zig mal erwähnt worden und läuft ungefähr mit der Definition der Abswesenheit von Zwang zusammen. Ist also ein alter Hut.


Richtig, aber was es im Kern bedeutet, haben die wenigsten verstanden.


Das sehe ich anders, Agent und ich haben es verstanden und oftmals erwähnt.

Dissidenkt hat geschrieben:Man muss es schon radikal zu Ende denken, um letztendlich zu verstehen, dass es "Freiheit" gar nicht geben kann. Der Clou ist, für diejenigen, die es verstanden haben:

Wenn man die eigene absolute Unfreiheit erkannt hat, kann man sich daran machen, aktiv und bewusst seine relative Freiheit zu erweitern.
[/quote]

Wie soll man denn Absolutes erfassen?
Aber wichtiger: Wenn Du ernst meinst, was Du hier schreibst, dass es nämlich eine absolute Unfreiheit geben soll (was immer das genau ist, ich nehme an, dass Du damit meinst, dass wir vollkommen determiniert sind?) und dann, dieses im Hinterkopf haltend dennoch eine relative Freiheit einführen willst, dann bist Du im Grunde Kompatibilist.
Ansonsten widersprichst Du Dir nur selbst, wenn Du sagst, der Mensch ist absolut unfrei (und absolut heißt eben auch: absolut, total, vollkommen), aber dann doch relativ frei (= nicht absolut unfrei)

Die sagen nämlich, nehmen wir man an, wir wären vollkommen determiniert (so wie ich das bisher verstehe, entspricht das Deinem „absolut unfrei“, wenn nicht, sag mir, was Du darunter verstehst), bliebe dann nicht doch noch (relative) Freiheit übrig? Mit anderen Worten: Totale Determiniertheit kommt nicht zwingend einer begründeten Vorstellung von Freiheit in die Quere.
Du müsstest nun nur noch erläutern, was Du unter relativer Freiheit verstanden wissen möchtest.
Ich nehme mal stark an, wenn Du in der Lage bist, das in etwa zu definieren, dass Du Dich am Ende dem Modell der Kompatibilsiten sehr stark annähern wirst.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 1. Jan 2012, 15:05

AgentProvocateur hat geschrieben:Okay, prima. Würde mich auch interessieren, ob Teh Asphyx dem auch zustimmt oder nicht.


Nicht im Ganzen, nur teilweise.

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:"Es ist zentral für unser Selbstverständnis, dass wir keine Puppen sind;


Okay, wir sind per Definition Menschen und keine Puppen, ja …

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir unser Schicksal durch die Entscheidungen, die wir treffen, kontrollieren;


Zu einem weitaus geringeren Anteil, als man gemeinhin annimmt, aber auch weitaus mehr als ein Fatalist annehmen würde. Natürlich haben unsere Entscheidungen einen Einfluss, aber zwischen Einfluss zu haben und zu kontrollieren mache ich einen Unterschied.

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir uns verändern können;


Mir ist unklar inwieweit das an sich mit dem freien Willen zu tun hat. Ansonsten scheint es naheliegend, dass wir uns ändern können.

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir uns entschließen können, sorgfältig durchdachte, anstelle von irrationalen oder gedankenlosen Entscheidungen zu treffen;


Mit dem Punkt habe ich echt sehr starke Probleme, da der Unterschied immer von einer bestimmten Gesellschaftsschicht entschieden wird und nicht auf Tatsachen beruht. Oder sind mit irrationalen oder gedankenlosen Entscheidungen einfach nur Reflexe gemeint? Warum dann nicht auch so formulieren?

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir keine Sklaven unserer Emotionen sind;


Das heißt genau was? Dass wir lernen können, zu töten, weil die Emotionen, die uns daran hindern überwunden werden können? Ja, stimmt. (Ich möchte damit sagen, dass ich diese Formulierung auch wieder sehr grenzwertig finde)

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir über die Umstände hinauswachsen können, in die wir hineingeboren wurden;


Das geht – wenngleich nicht naturbedingt sondern gesellschaftsbedingt – nur in den seltensten Fällen. Da gehören auch eher glückliche Umstände dazu.

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir uns deshalb korrigieren und verbessern und aus schlechten Umständen entkommen können;


Damit hat das Entkommen aus schlechten Umständen auch eher wenig zu tun.

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass unsere Emotionen uns gehören und niemandem sonst;


Bitte was? Schonmal was von Empathie gehört? Das ist absoluter Blödsinn, da Mitgefühl eine der grundlegenden Eigenschaften des Menschen (und wahrscheinlich auch zumindest einiger anderer Säugetiere) ist, teil man die Gefühle also immer schon mit anderen.

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass unsere Handlungen unsere Persönlichkeit demonstrieren;


„Persönlichkeit“ klingt mir hier reichlich obskurantistisch. Was soll das hier konkret sein?

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir verantwortlich sind für die Entscheidungen, die wir treffen;


Nein, nein und nochmals nein. Das ist Juristik und hat hier nichts zu suchen, weil wir nicht das Konstrukt als gegeben annehmen dürfen, wenn wir an die Ursache wollen.

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:Und doch: Jeder einzelne Eintrag auf dieser Liste ist wahr.


Nein.

Der Artikel scheint auch darüber hinaus ziemlicher Schrott zu sein, allein schon was da über Freud steht, zeigt so offensichtlich, dass er keine Ahnung hat, worum es bei Freud geht, aber trotzdem unbedingt was Schlaues dazu zu sagen haben muss. Dieses allseits beliebte Freud-Bashing, was gerade in Mode ist, wird langsam langweilig. Mehr sage ich dazu nicht, da mir meine Zeit zu kostbar ist, um mich mit so unbedeutenden Schwachsinn ausführlicher auseinanderzusetzen.


AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, an diesem grundlegenden Punkt, dem Startpunkt der Diskussion schon sehe ich das anders. Meiner Ansicht nach (und ich meine: auch nach der Ansicht der meisten Philosophen) geht es bei der Frage um die Willensfreiheit um die Frage, inwieweit wir unseren Willen und unsere Entscheidungen selber bestimmen. (So wie bei der Frage nach der Handlungsfreiheit, aber dann eben auf Handlungen bezogen).


Das ist klar, ja, aber die Frage, ob das mit Determinismus vereinbar ist oder nicht, scheint mir rein von der sprachlichen Definition abhängig.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich möchte Dir an der Stelle eine einfache Frage stellen: würdest Du diese Argumentation nun auch analog auf die Handlungsfreiheit anwenden, würdest Du also meinen, dass es bei der Handlungsfreiheit darum geht, ob eine Handlung keinerlei Zwängen und keinerlei Kontrolle unterliegt?


Das Problem ist hier, dass der Wille quasi den Anfang bildet und die Handlung den Abschluss, also muss man das hier klar anders definieren. Während der Wille aus sich selbst heraus gebildet als Frei zu bezeichnen ist, würde ich bei der Handlung eher sagen, dass sie dann frei ist, wenn sie ohne „Störungen“ ausgeführt werden kann.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich sehe die Relevanz dessen nicht, es wäre nett, wenn Du die mal darlegen könntest. Eine Handlung, eine Entscheidung, ein Wille, der keinerlei Kontrolle unterliegt, wäre gut / wünschenswert für was und wieso?


Es muss ja nicht wünschenswert sein. Eine Atombombe ist auch nicht wünschenswert, aber es gibt sie. Wobei ich damit jetzt nicht sagen möchte, dass es das andere auch real gibt, ich will nur aufzeigen, dass es dafür nicht bedeutsam ist, ob es wünschenswert ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nochmal kurz zu der Bezeichnung "Harter Determinist", hier scheint es noch ein Verständigungsproblem zu geben. Mit diesem Ausdruck bezeichne ich einen Inkompatibilisten, der Determinismus in unserer Welt als gegeben ansieht, der also folglich einen freien Willen in unserer Welt als nicht gegeben ansieht.


Schon klar, ich halte den harten Deterministen einfach für konsequent, weil er in seiner Definition von Determinismus strenger ist, dennoch vertrete ich seine Position nicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Noch ein paar Anmerkungen:

wie schon gesagt, sind sich alle Beteiligten bei dieser Diskussion über etwas Grundlegendes einig. nämlich:

- die notwendige Voraussetzung dafür, anzunehmen, ein Wesen hätte Willensfreiheit, ist die Fähigkeit dieses Wesens zur Erkenntnis und zur rationalen Abwägung


Und genau da liegt meine dritte Position, indem ich eben sage, dass dies nur die Ratio, nicht aber den Willen betrifft und im Deutschen Idealismus war zum Beispiel gerade die Diskussion darüber, ob der Wille oder die Vernunft dominiert, sehr stark im Gange, also kann es nicht das gleiche sein.
Also muss ich mir die Frage stellen, was ist der Wille dann? Kann ich etwas wollen, was nicht unbedingt die beste Lösung nach rationalem Abwägen ist? Ja, unbedingt. Ich kann zum Beispiel mit einer anderen Frau schlafen wollen, obwohl ich rational weiß, dass es das Ende meiner Beziehung wäre und ich meine Partnerin damit stark verletzen würde, was auch mich in einer so unangenehme Situation bringt, dass es diesen kurzen „Spaß“ nicht wert ist. Dieser Wille ist eben unabhängig von rationalen Erwägungen (allein damit ist er aber noch nicht frei, da man immer noch das ganze als Folge zum Beispiel irgendwelcher biologischen Faktoren sehen kann).
Die Voraussetzung für verantwortliches Handeln ist also eben nicht die Willensfreiheit, sondern die Fähigkeit, seinen Willen in die Schranken zu weisen.

AgentProvocateur hat geschrieben:- UR (Ultimate Responsibility) - Ultimative Verantwortung = jemand ist nur verantwortlich für das, was er zu 100% selber entschieden hat, was zu 100% auf ihn zurückgeführt werden kann


Prinzipiell ist das auch richtig. Und diese 100% gibt es auch nicht. Aber es sind auch keine 0%, sondern irgendwas dazwischen, das heißt, wenn es um die Konsequenzen daraus geht, wird es kompliziert …

AgentProvocateur hat geschrieben:Anmerkung noch dazu: normalerweise verlangen Inkompatibilisten nicht beide Fähigkeiten als notwendige Voraussetzung für Willensfreiheit, sondern nur eine der beiden. Meist lehnen sie die jeweils andere ab. Mir scheint, dass PAP etwas aus der Mode gekommen ist, darauf beharrt kaum noch einer, (was nicht unwesentlich an den Gegenbeispielen von Harry Frankfurt liegt).


Ich würde darauf auch nicht beharren, weil es aus oben genannten Gründen recht wenig Relevanz hat.

AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, ich bleibe dabei: so wie ich das verstehe, bist Du eindeutig Libertarier. Du hältst Determinismus und Willensfreiheit für unvereinbar und meinst, in unserer Welt gäbe es Willensfreiheit. Diese beiden Ansichten charakterisieren einen Libertarier, mehr braucht es dazu nicht.


Nein, ich sage nicht, es gäbe Willensfreiheit, sowohl der Determinismus als auch die Willensfreiheit sind in meiner Argumentation dialektisch überwunden, damit stehe ich dem Kompatibilisten viel näher, aber auf einer ganz anderen Argumentation aufbauend.

AgentProvocateur hat geschrieben:- im Gehirn gibt es eine Art Zufallsgenerator
- dieser Zufallsgenerator generiert in einer bestimmten Situation sinnvolle Alternativen
- die Reihenfolge dieser Alternativen ist jedoch zufällig
- nun kann es sein, dass in einer Situation mit den möglichen Alternativen 1, 2, 3, .... 99.999 die beiden Alternativen 2.465 und 52.741 vom Entscheider beide als völlig hinreichend zur Lösung des Problemes gesehen werden
- präsentiert also der Zufallsgenerator zuerst die Alternative 52.741, dann wählt der Entscheider diese, präsentiert er erst die 2.465, dann wird diese gewählt
- und so kann in ein un derselben Situation mal die und mal die Entscheidung getroffen werden

Nun gut, das mag ja nun ziemlich sophisticated sein, aber mir ist leider nicht klar, wieso das Freiheit herstellt.


Der Ansatz ist auch völlig daneben irgendwie … weiß nicht mal, wie ich das überhaupt auf das „echte Leben“ übertragen soll.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wieso wäre ein hypothetischer Mensch A mit einem solchen echten Zufallsgenerator im Gehirn frei und wieso wäre einer (B) nicht frei, der sowas nicht hätte, dessen Vorschlagsgenerator also immer (nehmen wir an, wir spulten die Zeit fantastrilliarden-mal zurück) in derselben Situation die Alternative 2.465 zuerst präsentieren würde?


Er wäre doch insofern frei, dass er andere Möglichkeiten wählen könnte, was B ja nicht kann. Wenn er es ebenso könnte, sich aber trotzdem immer für 2.465 entscheidet, dann würde ich nicht mehr von Determination sprechen (selbst das Ergebnis eines Zufallsgenerators kann determiniert sein, das wäre wohl auch die Position des harten Deterministen, weil eben der Zufallsgenerator auch gewissen Naturgesetzen unterliegt o.ä., das ist ja das doppelt verschanzte Dogmatismus des harten Deterministen).

AgentProvocateur hat geschrieben:Jetzt mal abgesehen davon, dass wir die Zeit nicht zurückdrehen können, wir also nicht feststellen können, ob es einen solchen Zufallsgenerator gibt oder nicht und auch mal abgesehen davon, dass, wenn wir die Zeit nicht zurückspulen, es wohl niemals identische zwei Situatuationen gegeben hat, gibt oder geben wird. Wo ist nun der Witz bei dieser metaphysischen, d.h. nicht falsifizierbaren Annahme? Wofür genau spielt es eine Rolle, ob wir in der Situation von A oder von B sind, wo wir das doch prinzipiell nicht wissen können? Und: hypothetisch könnte das Leben von A ubd von B absolut und komplett und total identisch sein, bis ins letzte Atom, ins letzte Elemntarteilchen. Unterscheiden würden sie sich nur durch eine hypothetische, prinzipiell nicht feststellbare Möglichkeit. Dennoch aber wäre A frei und B unfrei. Wegen der metaphysischen Möglichkeit, dass, würde man die Zeit zurückspulen können, B anders handeln würde als A.

Und, tut mir leid, aber das verstehe ich nicht. Oder anders gesagt: was nun? Was, wenn wir A sind, was sollen wir dann tun? Wo ist der Witz, was folgt nun?


Der Witz daran ist, dass unser alttestamentarisches Justizsystem genau auf der Annahme der Freiheit von A beruht, um einen einzelnen Menschen alleinverantwortlich für seine Taten zu machen bzw. nicht weil man meint, irgendwelche pathologischen Gründe gefunden zu haben, durch die manch einer schuldfähig sein kann und ein anderer nicht.
Meine Kritik geht an dieser Stelle natürlich noch viel weiter, sprengt aber den Rahmen dieser Diskussion, weswegen ich ja auch einen neuen Thread für die sozialwissenschaftliche Diskussion gestartet habe.








Vollbreit hat geschrieben:Nein, das trifft es einfach nicht.
Mein Wille ist ja auch nicht festgelegt, sonst würde ich ja nicht frei entscheiden.


Aber behauptetest Du nicht hier unzählige Male, Dein Wille wäre festgelegt (=determiniert) aber trotzdem frei? Diesen Widerspruch hast Du bisher nicht auflösen können.
Jetzt sagst Du, Du würdest etwas anderes behaupten, womit Du aber in der Position des Libertariers bist und nicht mehr in der des Kompatibilisten. Also was denn nun?

Vollbreit hat geschrieben:Im Gegensatz zu Dir sind die Kompatibilsiten aber nicht ausgestiegen, bei der Frage, inwiefern denn Zufalll, Willkür oder Irrationalität die angesprochene Freiheit vergrößern würden.


Jetzt sprichst Du wieder von Freiheit im Allgemeinen, nicht vom freien Willen. Tut mir leid, aber da fehlt mir die begriffliche Strenge.

Und zum Thema Willkür empfehle ich Dir mal folgende zwei Wikipedia-Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Arbitrarität
http://de.wikipedia.org/wiki/Willkür
Es sind Synonyme, also sagst Du quasi, dass der freie Wille keine allgemeine persönliche Freiheit bedingt, bzw. dieser im Weg steht, meinetwegen, damit bist Du aber noch weit davon entfernt, erklärt zu haben, inwieweit freier Wille und Determinismus kompatibel sind.

Vollbreit hat geschrieben:Die Argumente habe ich Dir schon geliefert, tue es aber gerne nochmal.
Der Punkt ist, dass Du definieren musst, was Freiheit ist, gleich, ob Du dafür bist oder sie ablehnst.


Du vergisst nur leider den nächsten Schritt, nämlich Freiheit auf den Willen anzuwenden. Du hörst auf, wenn Du Freiheit im Allgemeinen definiert hast, wobei Dein Freiheitsbegriff von Anfang an sehr anthropozentrisch ist und nur auf bestimmte Verhaltensweisen des Menschen anwendbar, da er sich allein darauf begründet. Genau an dieser Stelle habe ich ein Problem mit dem Kompatibilismus.

Vollbreit hat geschrieben:Dass Willensfreiheit heißt, dass man irgendwie frei entscheiden kann, nunja, das bedeutet ungefähr dasselbe, aber was ist nun Freiheit?
Außerhalb jeder Ursache zu stehen? Geht schlecht, da sind wir uns einig.


Warum sollte das nicht gehen? Warum sollte es nicht einen Punkt geben, an dem etwas aus sich selbst heraus entsteht? Das Problem ist, dass es irgendwo eine erste Ursache geben muss, also hast Du mindestens einen Zufallsmoment. Wenn Du sagst, dass es diesen Zufall nicht gibt, wie erklärst Du Dir die Entstehung der ersten Ursache?
Und wenn es einen Zufallsmoment mindestens am Anfang gab, warum sollte es nicht mehr geben? Warum sollte es nicht Teil oder sogar Eigenschaft des Lebens als Subjekt sein, zufällig sein zu können und eben genau das uns frei machen?

Vollbreit hat geschrieben:Denn wenn ich Gründe habe, für mein Handeln, Wollen, Wünschen, warum bin ich denn dann unfrei? Um diesen Punkt geht es. Begründe mir mal, warum ich unfrei sein soll, wenn ich sage:
Ich habe schon als Kind gerne gebastelt und ein technisch-mathematisches Talent, deshalb möchte ich gerne Ingenieurswissenschaften studieren. Das ist doch ne klare Ansage. Warum bin ich dann unfrei? Weil ich ein Talent geerbt habe? Wäre ich freier, wenn ich gar nichts könnte? Warum?


Ein bisschen einfach, auch hier müsste man streng genommen (was hier absolut erforderlich ist) weiter zurück gehen, um die Ursachenkette nachzuvollziehen und dann sich fragen, wo die erste Ursache ist und wie sie zustanden kam.
Man könnte auch sagen, dass ich frei wäre, wenn ich noch alle Potentiale hätte (was Du hier negativ als „nichts können“ bezeichnest, Du vergisst aber anscheinend, dass „nichts können“ eben auch gleichzeitig „alles können“ bedeutet, weil Du noch nicht dadurch, dass Du schon eine bestimmte Richtung eingeschlagen hast, andere nicht mehr gehen kannst).

Vollbreit hat geschrieben:Man könnte das zu retten versuchen – und das war einer meiner Versuche – in dem man sagt, dass manches determiniert ist, anderes aber nicht und das die Freiheit so zustande kommt.
Aber dann kommt die Schwierigkeit, dass man nicht sagen kann, wie der undeterminierte Rest sei er 0,0001%, 5% oder 98% groß denn nun Freiheit erzeugen kann.


Doch, mit Hegel’scher Dialektik kann man das zum Beispiel. These = Kausalkette, Antithese = Zufall, Synthese = Kreativer Prozess = Freiheit.

Vollbreit hat geschrieben:Was ist denn gegeben, wenn etwas undeterminiert ist? Ist er oder es dann frei oder nur dem Zufall unterworfen? Undeterminiert, das heißt zufällig, es geschieht einfach so.
Freiheit Deines Willens muss irgendwie heißen, es geschieht, in einem gewissen Umfang, was ich will.
Oder jedenfalls habe ich eine klare Vorstellung davon, was passieren soll.
Wenn Zufälliges passiert, passiert nicht immer das was ich will, sondern Zufälliges.


Es ist ja aber die Frage danach, wie es kommt, dass Du etwas bestimmtes willst.

Vollbreit hat geschrieben:Ich will Cola, kriege aber Milch. Ich möchte gerne Jura studieren, lande aber bei Mathe. Ich will Inge heiraten, bekomme aber Gabi. Ist das Freiheit, frage ich Dich? Oder hat nicht der mehr davon, der bekommt, was er will und will, was er bekommt.


Das ist genau das, was ich auch schon bei AgentProvocateur bemängelt habe und wo er mir auch recht geben musste. Es geht nicht um die Freiheit der Erfüllung des Willens (was eh nicht von Dir allein abhängt), sondern um die Freiheit des Willens selbst. Will ich etwas, weil ich Gründe habe, es zu wollen oder will ich einfach? Welche Variante mich insgesamt freier macht, ist dann noch die andere Frage.

Vollbreit hat geschrieben:Oder ist man freier wenn man Cola will, aber auch Milch wollen könnte? Warum? Wenn man in Inge verliebt ist, aber auch in Gabi verliebt sein könnte? Ich finde, das ist eher unentschlossen. Man man Jura studieren möchte, aber es einem egal wäre, wenn man Mathe studiert? Was genau ist freier daran?


Wieso ist das unentschlossen? Ich könnte Milch wollen, aber ich will Cola, da steckt doch ein Entschluss mit drin.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 1. Jan 2012, 15:07

Vollbreit hat geschrieben:Mir war irgendwann nicht mehr klar, warum, wenn ich unter bestimmten Bedingungen A will und B ablehne und mir dessen sicher bin, ich nicht unter den exakt gleichen Bedingungen, wieder A wählen und B ablehnen sollte.
Wenn ich sage, dass ich gerne Butter möchte und keine Margarine, weil ich a) meine, dass Butter gesünder und b) meine, dass sie besser schmeckt, warum sollte ich, wenn exakt diese Bedingungen wieder gelten, d.h. ich von a) und b) in der exakte selben Situation, wieder überzeugt bin, dann Margarine wählen? Es ist doch erkennbar blöd zu sagen, erstens halte ich Butter für gesünder, zweitens schmeckt sie mir besser, darum will ich Margarine.


Du gehst hier von dem Fall aus, dass Dein Wille einer rationalen Abwägung entspringt. Aber was, wenn dies nicht der Fall ist? Was, wenn es vorher keine Determinanten gab, sondern nur Möglichkeiten und es erst hinterher so aussieht, als wäre es klar, dass nur diese Entscheidung die richtige sein konnte?
So wie Du den Fall hier schilderst, hättest Du Dich aber anders entscheiden können, Du hast es nur aus bestimmten Gründen nicht getan. Also bist Du dem PAP doch gar nicht entkommen.

Vollbreit hat geschrieben:Dann habe ich darauf gepocht, dass es keine exakt gleichen Bedingungen geben kann und ich bin auch heute noch sicher, dass das stimmt. Nur, darum geht es in dem Gedankenexperiment ja gar nicht. Es geht nicht darum, ob man exakt identische Situationen simulieren kann, sondern, was sein würde, wenn es diese exakt identischen Situationen geben würde. Und auf einmal habe ich nicht mehr erkannt, warum mein Einwand – obwohl er stimmt – hier gegen den Kompatibilismus sprechen würde, der von einem anderen Szenario ausgeht.


Hier fehlt mir aber trotzdem die Begriffsstrenge. Es geht um eine Situation, die nur hypothetisch erfassbar ist, das ist klar. Ob wir hypothetisch annehmen, dass die Situation immer den gleichen Ausgang nimmt, weil sie Determiniert ist oder ob sie immer den gleichen Ausgang nimmt, weil ein Mensch sich nach eigenen Erwägungen immer gleich verhält, obwohl er auch hätte anders handeln können, wenn das Ergebnis seiner Erwägungen anders ausgefallen wäre, macht aber einen Unterschied (wobei wir hier nur bei der Handlungsfreiheit und nicht bei der Willensfreiheit sind).

Vollbreit hat geschrieben:Irgendwie parallel habe ich versucht Gründe dafür zu finden, warum eine minimale Abweichung vom Determinismus, dennoch den Grad der Freiheit eines Menschen vergrößern würde.
Ich bin mir relativ sicher, dass es echte zufällige Prozesse in der Welt gibt (auch wenn das nicht unbedingt heißt, dass die Naturgesetze nicht gelten, aber das ist ein Sonderthema), nur als ich zu begründen versuchte, warum, wo und in welcher Weise (eine der Antworten zu klären wäre schon hilfreich) dieser Indeterminismus denn den Grad an Freiheit von mir oder sonst wem erhöht, fand ich keine Argumente dafür.


Deswegen liefere ich ja welche.

Vollbreit hat geschrieben:Vielleicht bin ich da nur zu wenig kreativ, aber bisher habe ich über diesen mir sehr entscheidend vorkommenden Punkt von den Kritikern des Kompatibilismus auch noch keine gelesen, wenn ich sie überlesen haben sollte, bitte noch mal wiederholen.


Ja, es kann tatsächlich mit Kreativität zusammenhängen. Ich denke nämlich, dass Kreativität (was ich als Fähigkeit zur echten Veränderung/Schöpfung sehe) und Freiheit in starkem Maße zusammenhängen.
Das ist in der Evolutionstheorie richtig gut ersichtlich. Auf der einen Seite gibt es die Kausalkette, die dazu führt, dass Gene sich auf bestimmte Art und Weise weitertragen usw. Dann gibt es aber auch den Zufallsmoment der Mutation. Die Kausalität alleine würde keine Entwicklung hervorbringen, sondern nur endlos wiederholen, der Zufall alleine würde nur Chaos anrichten und die Wahrscheinlichkeit, dass etwas lebensfähig wäre, wäre äußerst gering. Durch beide Faktoren erst und durch die natürliche Auslese kommt es tatsächlich zu einem schöpferischen Prozess, wo im Prinzip alles entstehen kann. Das nenne ich Freiheit und das ist Hegel’sche Dialektik vom Feinsten (nur vom Kopf auf die Füße gestellt).
Warum sollte der Wille nicht auch so ein Zufallsmoment in einer kausalen Welt sein und somit die Möglichkeit zum kreativen Prozess geben, der dann tatsächliche Freiheit ermöglicht?

Vollbreit hat geschrieben:Und wenn der Zufall Freiheit nicht vergrößert, was wäre es für ein Vorteil willkürlich entscheiden zu können?


Wieso sollte Vorteilhaftigkeit irgendeine Relevanz hier haben?

Vollbreit hat geschrieben:Bei unwichtigen Dingen kann man schon mal spontan, aus dem Bauch entscheiden oder eine Münze werfen, aber warum ist es Freiheit nach sorgfältiger Analyse zu sagen: „Ich bin krank. Wenn ich nichts dran ändere, wird die Krankheit lebensbedrohlich. Wenn ich jetzt was mache, ist sie sehr gut in den Griff zu kriegen, wie alle Experten versichern. Ich würde gerne weiterleben, meine Frau will das auch, ich bin recht glücklich mit meinem Leben. Also lasse ich mich nicht behandeln und schaue mal was wird.“ Ich würde das unter den Prämissen als willkürlich ansehen und kann nicht erkennen, inwieweit das meine Freiheit vergrößert. (Wie gesagt, es geht nicht darum zu beweisen, dass ich todesmutig, tollkühn oder sonst was bin, auch das wären ja Gründe, die für die andere Variante sprechen würden, es gilt, ich lebe gern, möchte auch weiterleben, wie oben beschrieben.)


Mal abgesehen davon, dass es genug Menschen gibt, die sich eben genau so entscheiden (wobei da wahrscheinlich unbewusst noch ein paar andere Prämissen eine Rolle spielen), handelt die Person hier doch gegen ihren Willen, wenn sie eigentlich die Behandlung will, sich aber trotzdem dagegen entscheidet. Das ist aber völlig irrelevant, weil der Zufall vor dem Willen und nicht nach dem Willen kommt.

Vollbreit hat geschrieben:Ich glaube man kann einen sehr prinzipiellen Standpunkt einnehmen und sagen, dass Freiheit bedeutet dass man eben nicht determiniert ist und dass sich beides kategorisch ausschließt, schin von der Wortbedeutung her.
Und dennoch ist auch das nicht zu Ende gedacht. Warum?


Ähm, da bin ich aber echt gespannt …

Vollbreit hat geschrieben:Man müsste sich dann in der Tat fragen, ist der Mensch nun determiniert, oder ist er es nicht?
Ich glaube, keiner hier würde sagen, dass der Mensch überhaupt nicht determiniert ist, also frei von allen Ursachen und Gründen existiert. (Es gibt, das muss ich fairerweise noch sagen, auch differenziertere Positionen des Liberalismus, als ich sie hier erwähne, Geert Keil wurde schon genannt, ich habe sein Buch gelesen, es hat mich leider auch nicht überzeugt.)
Gehen wir also davon aus, dass der Mensch in Teilen determiniert ist.


Dies ist aber 1. nicht meine Position und 2. ist es nicht so, dass die Position des Kompatibilisten nur dadurch richtig wäre, dass eine andere falsch ist. Ich würde eher davon ausgehen, dass die Frage ungeklärt bleibt und dass eventuell unsere Begriffe von Determinierung und Willensfreiheit nicht ausreichen, um den Sachverhalt zu klären. Erstmal bräuchte man Begriffe, die keinen doppelt verschanzten Dogmatismus beinhalten, ansonsten tritt man nur auf die Stelle.
Ich meine, dass die Hegel’sche Dialektik dieses Problem überwinden kann und das sich dies auch schon wie eben zum Beispiel in der Evolutionstheorie in der Praxis als richtig erwiesen hat.

Vollbreit hat geschrieben:Was aber heißt dann „in Teilen“? Das gibt ein ewiges Gezerre wo der Mensch denn nun frei und wo er determiniert ist. Also meine Eltern könnten treue Kirchgänger sein, ich hätte alles was die Kirche zu bieten hat mitgenommen, dann hätte ich dieses und jenes Buch von überzeugten Atheisten gelesen, hier und da diskutiert und am Ende wäre auch ich Atheist. War ich nun frei in meiner Entscheidung, oder wurde ich nur umprogrammiert? Warum überzeugen den einen Argumente, die den anderen kalt lassen? Man streitet sich weiter und muss doch klären, was Freiheit denn nun heißen soll und ein guter Kandidat auch hier: Die Gründe, die ich für meine Überzeugungen angeben kann (oder es eben nicht zu können).


Frei bist Du hier von Anfang an schon nicht mehr, wenn Du gleich schon in eine bestimmte Richtung (Kirche) gelenkt wurdest. Wirklich frei bist Du nur, wenn Du nicht durch solche Propaganda geprägt wurdest oder so viel Propaganda aus verschiedenen Richtungen abbekommst, dass keine davon besser dasteht als die andere, so dass Du Dich selbst auf die unvoreingenommene Suche machen kannst.
Dein Ansatz hier ist mir zu postmodern in dem Sinne, dass Du davon ausgehst, dass es viele gleichberechtigte Positionen gibt und es letztlich nur darauf ankäme, auf welche Art jemand für eine bestimmte Ansicht umworben wird (was dann zu den Gründen wird).
Diesem Relativismus will ich entgegenhalten, dass Freiheit die Möglichkeit ist, selbst festzustellen, was wahr ist ungeachtet dessen, was irgendwer erzählt, also die Fähigkeit, Dinge wirklich zu merken (womit wir fast wieder bei Alice Miller wären, aber auch eine Nähe zur marxistischen Wahrheitsbegriff haben, der für mich immer noch der plausibelste ist).

Vollbreit hat geschrieben:Aber dann kommt man, wie ich finde, in deutliche Erklärungsnot, warum denn einige Lebewesen deutlich freier erscheinen als andere und warum wir sie ganz praktisch im Alltag auch genau so behandeln, nämlich mit einem unterschiedlichen Grad Verantwortung ausgestattet.


Kommt man so auch, darauf will ich ja auch hinaus.

Vollbreit hat geschrieben:Niemand würde doch einem Orang-Utan, einem Geistesgestörten oder einem 3-jähgrigen Kind die Kontrolle über unsere Atomwaffen anvertrauen oder eine Maschinenpistole in die Hand geben.


Ich würde sie keinem in die Hand geben. Die größten Unverantwortlichkeiten in der Welt gehen von „gesunden“ erwachsenen Menschen aus, gerade weil sie glauben, sie seien anderen so überlegen.

Vollbreit hat geschrieben:Auch die, die Freiheit kategorisch leugnen, würden nicht so handeln. Aber warum nicht?


Weil beiden Seiten der Blick für die Wirklichkeit fehlt, ganz einfach.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Dissidenkt » So 1. Jan 2012, 15:39

Vollbreit hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was ist denn eine absolute Freiheit und warum ist sie irrational?


Das Wort "Freiheit" - ohne jede weitere Einschränkung oder Konkretisierung - ist eine absolute Freiheit, die es so nicht gibt, weil sie schon allein durch das Wort selbst und die unterschiedlichen Bedeutungen und Assoziationen eingeschränkt ist. Schon wenn du einem "Etwas" einen Namen gibst, ist es unfrei und mit deinen Vorstellungen belastet.


Das ist mir nicht klar. Warum sollte es so sein, dass wenn ich etwas einen Namen gebe, es nicht mehr existieren kann?


Wir reden nicht von "etwas", sondern von DER "Freiheit" - und zwar in einem absoluten Sinne!
Absolut frei bedeutet:
frei von allen äusseren oder inneren Einflüssen...frei von der Physik...frei von Vorstellungen...> absolut frei!

So etwas gibt es nicht. Es ist ausgeschlossen. Man kann sich nicht irgendetwas ausdenken, das frei wäre, weil es in dem Moment, da es in deinem Kopf auftaucht, nicht mehr frei wäre, weil du es benennst und mit Attributen versiehst. Wenn es gegenständlich wäre, wäre es der Physik unterworfen, wenn es immateriell wäre, ist es immer noch unseren Vorstellungen unterworfen.
Freiheit in einem absolten Sinn ist also nicht denkbar und als Vorstellung in jeglicher Diskussion nur geeignet Verwirrung zu stiften.
Daraus resultiert auch die ganze Malaise, weil jeder seine Vorstellungen hat und dieses Wort nach gutdünken benutzt und versucht es in einen sinnvollen Kontext einzuordnen.
Tatsächlich ist jeder Satz, der "Freiheit" oder "frei" in einem absoluten Sinne benutzt, unsinnig.

Vollbreit hat geschrieben:
Absolute Freiheit ist also nicht nur unmöglich, sie ist tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes nicht einmal vorstellbar, weil sie schon durch die Vorstellung und Assoziationen unfrei würde.


Weil die Vorstellung oder Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften, ihr Gegenteil ausschließt und daher nicht mehr „ganz“ sein kann, meinst Du das so?


Nein, nicht nur weil das Gegenteil ausgeschlossen ist, sondern schon allein durch die Vorstellung in unserem Gehirn entsteht die Unfreiheit.
Sobald du dir "Freiheit" in deinem Kopf vorstellst, ist diese ja nicht mehr frei von deinen Vorstellungen und deshalb in einem absoluten Sinne nicht mehr frei.
Auch das Kriterium "frei von Vorstellungen zu sein" ist ein Kriterium für absolute Freiheit.

Vollbreit hat geschrieben:Das wäre aber ein allumfassender, sich nicht festlegender und damit ein Begriff von Freiheit, der mit der Willkür zusammenfällt. Willkür schließe ich als Kriterium für Freiheit aus, wenn Du meinst, sie sei ein gutes Kriterium dafür, erklär mir bitte warum das so ist.


Was ich hier darlege ist der rational einzig stringente Begriff von absoluter Freiheit. Alles andere sind unzulässige Kompromisse, die es jedem erlauben nach gutdünken den Begriff "Freiheit" mit Attributen und Vorstellungen zu versehen - was dann in einem Aneinandervorbeireden endet.
Alle die hier diskutieren, kämen ziemlich schnell auf einen Nenner, wenn sie, anstatt von ihren persönlichen Vorstellungen von Freiheit zu sprechen, das Wort Freiheit ausschliesslich in konkreten Zusammenhängen benutzen würden.

Beispiel:
"Ich habe einen freien Willen" ist ein falscher, widersprüchlicher und vollkommen unsinniger Satz.
Niemand käme auf die Idee zu schreiben: "Ich habe einen freien Hund.", weil der Widerspruch (der Hund kann nicht frei sein, wenn ihn ja jemand "hat") total offensichtlich wäre.
Ich kann aber schreiben:" Mein Hund ist frei durch den Garten zu laufen, wann immer er will." Dieser Satz ist sinnvoll, weil er die relative Freiheit des Hundes deutlich macht.

Genauso verhält es sich mit meinem Willen. Weil er "mein Wille" ist, kann er logischerweise nicht absolut frei sein. Er kann aber relativ frei sein, zB frei von äusserem gesellschaftlichen, politischen oder familiären Druck, frei von inneren krankhaften Zwängen, etc...

Vollbreit hat geschrieben:Deine zentrale These, dass wir nur Reiz-Reaktions-Systeme wären, ist falsch.


Nein, die ist richtig, auch wenn du das verkürzt wiedergibst. Wir sind autopoietische Reiz-Reaktionssysteme, die sich selbst und die Umwelt ständig neu hervorbringen und aufeinander abstimmen. Das ist aber an dieser Stelle ein Pfad in eine andere Baustelle.


Vollbreit hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben: Wenn man die eigene absolute Unfreiheit erkannt hat, kann man sich daran machen, aktiv und bewusst seine relative Freiheit zu erweitern.


Wie soll man denn Absolutes erfassen?
Aber wichtiger: Wenn Du ernst meinst, was Du hier schreibst, dass es nämlich eine absolute Unfreiheit geben soll (was immer das genau ist, ich nehme an, dass Du damit meinst, dass wir vollkommen determiniert sind?) und dann, dieses im Hinterkopf haltend dennoch eine relative Freiheit einführen willst, dann bist Du im Grunde Kompatibilist.
Ansonsten widersprichst Du Dir nur selbst, wenn Du sagst, der Mensch ist absolut unfrei (und absolut heißt eben auch: absolut, total, vollkommen), aber dann doch relativ frei (= nicht absolut unfrei)


Die gedankliche Volte ist folgende:
Wir sind vollkommen determiniert und in dem was wir tun und denken durch innere und äussere Einflüsse bestimmt.
Wenn ich diese Wahrheit erkenne, ist das aber AUCH ein Einfluss auf meine Persönlichkeit.
Ich schrieb in meinem oben verlinkten älteren Beitrag von einem Sklaven, dem man erst am Ende des Lebens erzählt, dass er ein Sklave ist.
Hätte man es ihm früher gesagt, hätte er sich dann befreien können? Hätte das einen Einfluss auf sein Leben gehabt?
Selbstverständlich!

Und genauso verhält es sich mit der Einsicht, dass wir alle determiniert und unfrei sind.
Erst wenn wir das erkennen, können wir uns aus dieser "Unfreiheit" befreien.
Dazu gehört:
1. Die Erkenntnis, dass wir nie absolut frei sein werden.
(Erst wenn wir tot sind, sind wir auch frei von unserem Selbst, unseren Nöten, Prägungen, Vorstellungen, Zwängen,etc)
2. Die Erkenntnis, dass wir unsere RELATIVE Freiheit selbst aktiv erweitern können.
In dem Augenblick, indem du erfährst und einsiehst, dass du unfrei bist, kannst du selbst an deiner relativen Befreiung arbeiten.

Wer also zB Gefangener eines religiösen Glaubenssystems ist, das er von Kindesbeinen eingetrichtert bekommen hat, kann sich befreien, wenn man ihm seine Versklavung vor Augen führt.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jan 2012, 17:08

Teh Asphyx hat geschrieben:Du gehst hier von dem Fall aus, dass Dein Wille einer rationalen Abwägung entspringt.


Ja, das tue ich aber nicht erst hier, sondern schon die ganze Zeit.

Teh Asphyx hat geschrieben:Aber was, wenn dies nicht der Fall ist?


Dann würde ich fragen, unter welchen Bedingungen das möglich sein könnte.

Teh Asphyx hat geschrieben:Was, wenn es vorher keine Determinanten gab, sondern nur Möglichkeiten und es erst hinterher so aussieht, als wäre es klar, dass nur diese Entscheidung die richtige sein konnte?


Wen es nur Möglichkeiten gibt, bin ich ja auch frei nach rationalen Gründen zu entscheiden.

Teh Asphyx hat geschrieben:So wie Du den Fall hier schilderst, hättest Du Dich aber anders entscheiden können, Du hast es nur aus bestimmten Gründen nicht getan. Also bist Du dem PAP doch gar nicht entkommen.


Einmal wähle ich aus rationalen Gründen Butter und das ganze Geschehen ist vollkommen determiniert, das andere Mal wähle ich aus den gleichen rationalen Gründen Butter, nur ist das Geschehen nicht vollkommen determiniert. Dem freien Willen tut beides kein Abbruch.

Aber, damit man sich nicht streiten muss, ob wir nun gar nicht, zu 1%, zu 12%, zu 50% zu 75%, zu 98% oder zu 99,9999% determiniert sind und was nun genau darunter fällt und was nicht, sagen die Kompatibilsten: Nehmen wir doch gleich 100%, totale oder absolute Determiniertheit und schauen dann, was von freien Willen unter diesen Bedingungen gilt.

Was unter diesen Bedingungen gilt, muss logischerweise auch unter allen geringeren Bedingungen gelten.

Teh Asphyx hat geschrieben:Hier fehlt mir aber trotzdem die Begriffsstrenge. Es geht um eine Situation, die nur hypothetisch erfassbar ist, das ist klar. Ob wir hypothetisch annehmen, dass die Situation immer den gleichen Ausgang nimmt, weil sie Determiniert ist oder ob sie immer den gleichen Ausgang nimmt, weil ein Mensch sich nach eigenen Erwägungen immer gleich verhält, obwohl er auch hätte anders handeln können, wenn das Ergebnis seiner Erwägungen anders ausgefallen wäre, macht aber einen Unterschied (wobei wir hier nur bei der Handlungsfreiheit und nicht bei der Willensfreiheit sind).


Ja, aber das Beispiel diskutiert ja, ob Freiheit vergößert wäre, wenn ich mich unter identischen Bedinungen auch anders verhalten könnte. Ich meine, dass das nicht der Fall ist, weil es eine Willkürentscheidung wäre.


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Irgendwie parallel habe ich versucht Gründe dafür zu finden, warum eine minimale Abweichung vom Determinismus, dennoch den Grad der Freiheit eines Menschen vergrößern würde.
Ich bin mir relativ sicher, dass es echte zufällige Prozesse in der Welt gibt (auch wenn das nicht unbedingt heißt, dass die Naturgesetze nicht gelten, aber das ist ein Sonderthema), nur als ich zu begründen versuchte, warum, wo und in welcher Weise (eine der Antworten zu klären wäre schon hilfreich) dieser Indeterminismus denn den Grad an Freiheit von mir oder sonst wem erhöht, fand ich keine Argumente dafür.


Deswegen liefere ich ja welche.


Dann fasse sie doch bitte noch mal kurz zusammen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Vielleicht bin ich da nur zu wenig kreativ, aber bisher habe ich über diesen mir sehr entscheidend vorkommenden Punkt von den Kritikern des Kompatibilismus auch noch keine gelesen, wenn ich sie überlesen haben sollte, bitte noch mal wiederholen.


Ja, es kann tatsächlich mit Kreativität zusammenhängen. Ich denke nämlich, dass Kreativität (was ich als Fähigkeit zur echten Veränderung/Schöpfung sehe) und Freiheit in starkem Maße zusammenhängen.
Das ist in der Evolutionstheorie richtig gut ersichtlich. Auf der einen Seite gibt es die Kausalkette, die dazu führt, dass Gene sich auf bestimmte Art und Weise weitertragen usw. Dann gibt es aber auch den Zufallsmoment der Mutation. Die Kausalität alleine würde keine Entwicklung hervorbringen, sondern nur endlos wiederholen, der Zufall alleine würde nur Chaos anrichten und die Wahrscheinlichkeit, dass etwas lebensfähig wäre, wäre äußerst gering. Durch beide Faktoren erst und durch die natürliche Auslese kommt es tatsächlich zu einem schöpferischen Prozess, wo im Prinzip alles entstehen kann. Das nenne ich Freiheit und das ist Hegel’sche Dialektik vom Feinsten (nur vom Kopf auf die Füße gestellt).
Warum sollte der Wille nicht auch so ein Zufallsmoment in einer kausalen Welt sein und somit die Möglichkeit zum kreativen Prozess geben, der dann tatsächliche Freiheit ermöglicht?


Das habe ich mich auch gefragt und es dann verworfen, als mir kein Argument dafür einfiel.
Es ist die bekannte Frage, wie, wo und warum der Zufall die Freiheit vergößert.
Wenn kreativere Geister als ich darauf eine Antwort haben, würde ich sie gerne lesen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und wenn der Zufall Freiheit nicht vergrößert, was wäre es für ein Vorteil willkürlich entscheiden zu können?


Wieso sollte Vorteilhaftigkeit irgendeine Relevanz hier haben?


Damit meinte ich: Wenn wir den Zufall als Element eines Zugewinns an Freiheit ausschließen können, wie sieht es dann mit der Willkür als Element des Zugewinns an Freiheit aus?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Bei unwichtigen Dingen kann man schon mal spontan, aus dem Bauch entscheiden oder eine Münze werfen, aber warum ist es Freiheit nach sorgfältiger Analyse zu sagen: „Ich bin krank. Wenn ich nichts dran ändere, wird die Krankheit lebensbedrohlich. Wenn ich jetzt was mache, ist sie sehr gut in den Griff zu kriegen, wie alle Experten versichern. Ich würde gerne weiterleben, meine Frau will das auch, ich bin recht glücklich mit meinem Leben. Also lasse ich mich nicht behandeln und schaue mal was wird.“ Ich würde das unter den Prämissen als willkürlich ansehen und kann nicht erkennen, inwieweit das meine Freiheit vergrößert. (Wie gesagt, es geht nicht darum zu beweisen, dass ich todesmutig, tollkühn oder sonst was bin, auch das wären ja Gründe, die für die andere Variante sprechen würden, es gilt, ich lebe gern, möchte auch weiterleben, wie oben beschrieben.)


Mal abgesehen davon, dass es genug Menschen gibt, die sich eben genau so entscheiden (wobei da wahrscheinlich unbewusst noch ein paar andere Prämissen eine Rolle spielen), handelt die Person hier doch gegen ihren Willen, wenn sie eigentlich die Behandlung will, sich aber trotzdem dagegen entscheidet. Das ist aber völlig irrelevant, weil der Zufall vor dem Willen und nicht nach dem Willen kommt.


Nein, die Person handelt nicht gegen ihren Willen, sondern gegen die rationale vernünftigen Schlüsse. Das wäre ein Ergebnis von Willkür und offenbar hast Du hier selbst nicht das Empfinden, dass das ein sonderlich freier Akt wäre.


Teh Asphyx hat geschrieben:… 2. ist es nicht so, dass die Position des Kompatibilisten nur dadurch richtig wäre, dass eine andere falsch ist.


Das stimmt, aber ich sehe auch nicht, wo der Kompatibilismus falsch ist.
Als einzige Kritik höre ich bisher nur was von „Unsinn“ (wobei nicht erklärt wird, was denn nun unsinnig sein soll) oder einem „umdefinieren von Begriffen“. Ich habe mehrfach gesagt, dass auch jede andere Definition diskutiert werden kann.

Ich würde eher davon ausgehen, dass die Frage ungeklärt bleibt und dass eventuell unsere Begriffe von Determinierung und Willensfreiheit nicht ausreichen, um den Sachverhalt zu
klären.


Warum sollten sie nicht ausreichen, die Begriffe sind doch beide definiert. Was fehlt denn?

Teh Asphyx hat geschrieben:Erstmal bräuchte man Begriffe, die keinen doppelt verschanzten Dogmatismus beinhalten, ansonsten tritt man nur auf die Stelle.


Was ist genau ein doppelt verschanzter Dogmatismus und worin liegt er in diesem Fall?
Das führt doch nur weiter von der eigentlichen Diskussion weg.
Ich glaube, dass Du schlicht nicht sagen kannst, was an der Definition der Kompatibilisten eigentlich fehlerhaft ist und Dich dem noch nicht gestellt hast, dass Du außer einem Bauchgefühl keine Argumente gegen diese Position hast.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich meine, dass die Hegel’sche Dialektik dieses Problem überwinden kann und das sich dies auch schon wie eben zum Beispiel in der Evolutionstheorie in der Praxis als richtig erwiesen hat.


Du kannst ja die Dialektik, oder was immer Du willst anwenden, um einen guten Freiheitsbegriff zu konzipieren.
Das Problem vor dem Du (und ganimed) bisher stehen ist doch das:
Euch beiden ist die Freiheit, die dadurch gekennzeichnet ist, dass man innehalten und rational abwägen kann, um nachher zu sagen: „Ja, das ist es, was ich will“, Euch zu wenig ist.
Aber ihr könnt nicht sagen, was denn eigentlich noch fehlt.
Alles was da mehr sein könnte, geht letztlich in die Richtung: Zufall, Willkür, Irrationalität.
Wenn es dann darum geht, zu sagen, wie, wo und warum eine der drei Komponenten denn nun mehr Freiheit ermöglichen, dann kommt nichts mehr.
Dafür habe ich Verständnis, bei mir kam da auch nichts mehr, was ich nicht verstehe, warum Ihr die Konsequenzen daraus nicht zieht. Wenn alle Argumente für den Kompatibilismus sprechen und nur ein Bauchgefühl dagegen, dann muss man den notwendigen Schritt eben gehen, oder man tut nichts anderes als ein religiöser Mensch: Man hat eigentlich keinen guten Grund, glaubt aber dennoch weiter.

Teh Asphyx hat geschrieben:Frei bist Du hier von Anfang an schon nicht mehr, wenn Du gleich schon in eine bestimmte Richtung (Kirche) gelenkt wurdest. Wirklich frei bist Du nur, wenn Du nicht durch solche Propaganda geprägt wurdest oder so viel Propaganda aus verschiedenen Richtungen abbekommst, dass keine davon besser dasteht als die andere, so dass Du Dich selbst auf die unvoreingenommene Suche machen kannst.


Irgendwie und durch irgendwas wirst Du ja immer geprägt. Du nennst es hier abschätzig Propaganda.
Aber wichtiger: Du siehst hier offenbar doch eine Möglichkeit für Freiheit, nämlich dann, wenn Du „so viel Propaganda aus verschiedenen Richtungen abbekommst, dass keine davon besser dasteht als die andere, so dass Du Dich selbst auf die unvoreingenommene Suche machen kannst.“
Das heißt doch nichts anderes, als, dass, wenn Du über genügend Informationen, aus genügend unterschiedlichen Richtungen verfügst, Du dann unvoreingenommen abwägen und entscheiden kannst. Genau das sagen die Kompatibilisten.
Es könnte nur Streit darüber geben, wann die Informationsmenge denn ausreichend groß und neutral genug ist. Offenbar meinst Du aber – entgegen ganimed und Dissidenkt – dass der Mensch nicht nur einfach umprogrammiert wird, sondern in einem bestimmten Modus über eine gewisse Unvoreingenommenkeit (Freiheit?) verfügt. Erklär doch mal, was diese Unvoreingenommenheit bedeutet, woran man sie erkennt.
Sonst sagt der eine, nein, wer noch immer in die Kirche geht, der ist nicht frei und unvoreingenommen oder der andere sagt, wer bei den Brights ist, ist ein umprogrammierter Roboter, unfrei und ohne zu wissen was er da nachbrabbelt.

Teh Asphyx hat geschrieben:Dein Ansatz hier ist mir zu postmodern in dem Sinne, dass Du davon ausgehst, dass es viele gleichberechtigte Positionen gibt und es letztlich nur darauf ankäme, auf welche Art jemand für eine bestimmte Ansicht umworben wird (was dann zu den Gründen wird).


Das ist überhaupt nicht mein Ansatz.
Mein Ansatz ist klar hierarchisch, überhaupt nicht postmodern und sieht so aus:
Wenn jemand runterbeten kann, dass er überzeugter Christ, Bright, Demokrat oder was auch immer ist, ohne, dass er mir begründen kann, warum er das ist und auch erkennen kann, warum man für die Gegenseite sein könnte (ohne das man es selbst sein muss) dann halte ich ihn für einen vergleichsweise unfreien Menschen, der nur wiederkäut, was man ihm eingeimpft hat. (Es kann sein, dass das gesellschaftlich hilfreich und nett ist, ich finde das dennoch unfrei.)
Wenn jemand begründen kann, warum er denkt und will, was er will und prinzipiell auch verstehen kann, warum die Gegenseite will, was sie will und denkt, wie sie denkt, dann ist das in meinen Augen ein freier und reflexiver Mensch, auch wenn ich seine Überzeugungen nicht teilen muss.

Teh Asphyx hat geschrieben:Diesem Relativismus will ich entgegenhalten, dass Freiheit die Möglichkeit ist, selbst festzustellen, was wahr ist ungeachtet dessen, was irgendwer erzählt, also die Fähigkeit, Dinge wirklich zu merken (womit wir fast wieder bei Alice Miller wären, aber auch eine Nähe zur marxistischen Wahrheitsbegriff haben, der für mich immer noch der plausibelste ist).


Was Du da entgegenstellst ist nahe an der Position des Kompatibilismus. Man wägt ab, reflektiert und bildet sich am Ende seine eigene Meinung. (Warum Du Dich dann gleich wieder Dogmatikern an den Hals werfen willst, statt es auszuhalten mal wirklich selbst zu denken, ist eine andere Geschichte.)

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Aber dann kommt man, wie ich finde, in deutliche Erklärungsnot, warum denn einige Lebewesen deutlich freier erscheinen als andere und warum wir sie ganz praktisch im Alltag auch genau so behandeln, nämlich mit einem unterschiedlichen Grad Verantwortung ausgestattet.


Kommt man so auch, darauf will ich ja auch hinaus.


Also ich fühle mich da nicht in Erklärungsnot und gehe so vor:
Ich bin überzeugt, dass es unterschiedliche Grade von Freiheit gibt, die irgendwo bei gar keiner beginnen und allmählich größer wird. Die Grenze zur Verantwortung ziehe ich dort, wo ich der Meinung bin, dass jemand die Folgen seines Tuns hätte abschätzen können und müssen.
Von einem Dackel, einem geistig behinderten Menschen, einem Psychotiker, einem schwer Drogensüchtigen, einem Debilen und einem dreijährigen Kind erwarte ich das nicht, von anderen Menschen schon, in weiteren Abstufungen.
Ich finde, das ist a) logisch konsistent und b) ausgesprochen alltagstauglich und c) das was ohnehin all tun, bevor sie sich auf die kruden Konstrukte von Hirnforschern und Schmidt-Salomon eingelassen haben.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Niemand würde doch einem Orang-Utan, einem Geistesgestörten oder einem 3-jähgrigen Kind die Kontrolle über unsere Atomwaffen anvertrauen oder eine Maschinenpistole in die Hand geben.


Ich würde sie keinem in die Hand geben. Die größten Unverantwortlichkeiten in der Welt gehen von „gesunden“ erwachsenen Menschen aus, gerade weil sie glauben, sie seien anderen so überlegen.


Das glaube ich Dir nicht. Wenn ein Irrer damit droht, Deine Liebsten auszulöschen, ich glaube, Du würdest die Polizei einschalten und ich glaube, Du würdest darauf vertrauen, dass die Leute, die Deine Liebsten dann schützen sollen, ihr Handwerk verstehen und nicht überreagieren und keine trägen Schlafmützen sind, sondern Profis im besten Sinne. Und ich glaube, wenn die, die das Leben Deiner Liebsten schützen sollen aus einem Kindern, Orang-Utans und einem Geistesgestörten bestehen, hättest Du ernsthafte Bedenken.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Auch die, die Freiheit kategorisch leugnen, würden nicht so handeln. Aber warum nicht?


Weil beiden Seiten der Blick für die Wirklichkeit fehlt, ganz einfach.


Den Blick für die Wirklichkeit, wer soll den denn haben?
Wir haben alle nur subjektiv gefärbte Meinungen, aber wohler fühlt man sich, wenn der eine oder andere jenseit von Floskeln und Auswendiggelerntem seine Meinung auch begründen kann, so dass es zu einem echten Dialog oder Diskurs kommt.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jan 2012, 17:43

Dissidenkt hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das ist mir nicht klar. Warum sollte es so sein, dass wenn ich etwas einen Namen gebe, es nicht mehr existieren kann?


Wir reden nicht von "etwas", sondern von DER "Freiheit" - und zwar in einem absoluten Sinne!
Absolut frei bedeutet:
frei von allen äusseren oder inneren Einflüssen...frei von der Physik...frei von Vorstellungen...> absolut frei!


Du hast ja das „Etwas“ ins Spiel gebracht.
Und niemand hier redet von der Freiheit, die Du kritisierst, sondern alle hier lehnen diese Freiheit ab.

Dissidenkt hat geschrieben:So etwas gibt es nicht. Es ist ausgeschlossen. Man kann sich nicht irgendetwas ausdenken, das frei wäre, weil es in dem Moment, da es in deinem Kopf auftaucht, nicht mehr frei wäre, weil du es benennst und mit Attributen versiehst.
Wenn es gegenständlich wäre, wäre es der Physik unterworfen, wenn es immateriell wäre, ist es immer noch unseren Vorstellungen unterworfen.
Freiheit in einem absolten Sinn ist also nicht denkbar und als Vorstellung in jeglicher Diskussion nur geeignet Verwirrung zu stiften.
Daraus resultiert auch die ganze Malaise, weil jeder seine Vorstellungen hat und dieses Wort nach gutdünken benutzt und versucht es in einen sinnvollen Kontext einzuordnen.
Tatsächlich ist jeder Satz, der "Freiheit" oder "frei" in einem absoluten Sinne benutzt, unsinnig.


Na gut, so weit sind wir also jetzt, auch wenn wir es vorher schon waren: Und nu…?

Dissidenkt hat geschrieben: Alles andere sind unzulässige Kompromisse, die es jedem erlauben nach gutdünken den Begriff "Freiheit" mit Attributen und Vorstellungen zu versehen - was dann in einem Aneinandervorbeireden endet.


Es liegt im Wesen des Zusammenlebens, dass man gelegentlich aneinander vorbeiredet.
Darum versucht man ja Begriffe zu klären, was nur beduetet: „Was meinst du, wenn du … sagst?“
Und das Recht dazu Begriffe so oder anders zu verstehen und ggf. zu definieren, hat jeder.

Dissidenkt hat geschrieben:Alle die hier diskutieren, kämen ziemlich schnell auf einen Nenner, wenn sie, anstatt von ihren persönlichen Vorstellungen von Freiheit zu sprechen, das Wort Freiheit ausschliesslich in konkreten Zusammenhängen benutzen würden.

Beispiel:
"Ich habe einen freien Willen" ist ein falscher, widersprüchlicher und vollkommen unsinniger Satz.
Niemand käme auf die Idee zu schreiben: "Ich habe einen freien Hund.", weil der Widerspruch (der Hund kann nicht frei sein, wenn ihn ja jemand "hat") total offensichtlich wäre.
Ich kann aber schreiben:" Mein Hund ist frei durch den Garten zu laufen, wann immer er will." Dieser Satz ist sinnvoll, weil er die relative Freiheit des Hundes deutlich macht.


Du meinst also, das einen freien Willen zu haben, sowas wie besitzen meint?
Nein, das muss es nicht. Ein reflexives Ich zu sein und einen freien Willen zu haben, sind Begriffe, die sich wechselseitig bedingen.
Ich habe ein Haus und ich habe Kopfschmerzen ist ja auch nicht identisch, das sind sogenannte Äquivokationen, gleiches Wort, unterschiedlicher Inhalt und das sind Fehlschlüsse.
Aber mir ist immerhin klar geworden, was Du meinst.

Dissidenkt hat geschrieben:Genauso verhält es sich mit meinem Willen. Weil er "mein Wille" ist, kann er logischerweise nicht absolut frei sein. Er kann aber relativ frei sein, zB frei von äusserem gesellschaftlichen, politischen oder familiären Druck, frei von inneren krankhaften Zwängen, etc...


Er kann genau dann frei sein, wenn Dein Wille sich aus einem universellen Pool von rational nachvollziehbaren Begründungen speist und Dein Ich größtenteils ebenfalls aus diesem Reich, was Kant mal transzendental nannte.

Dissidenkt hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Deine zentrale These, dass wir nur Reiz-Reaktions-Systeme wären, ist falsch.


Nein, die ist richtig, auch wenn du das verkürzt wiedergibst. Wir sind autopoietische Reiz-Reaktionssysteme, die sich selbst und die Umwelt ständig neu hervorbringen und aufeinander abstimmen. Das ist aber an dieser Stelle ein Pfad in eine andere Baustelle.


Das ist ja nur ein anderes Bild für Reflexion, auch wenn ich mit diesem ganzen Konstruktivistenkram nicht so viel am Hut habe.

Dissidenkt hat geschrieben:Die gedankliche Volte ist folgende:
Wir sind vollkommen determiniert und in dem was wir tun und denken durch innere und äussere Einflüsse bestimmt.


Ja, das meinen die Kompatibilisten auch.

Dissidenkt hat geschrieben:Wenn ich diese Wahrheit erkenne, ist das aber AUCH ein Einfluss auf meine Persönlichkeit.


Kannst Du ja streng genommen gar nicht. Darin liegt ja einer der vielen Widersprüche.
Wenn Du vollkommen determiniert bist und nur auf Reiz reagierst, ohne so ein autonomes Selbst, wer ist denn dann „meine Persönlichkeit“?
Das ist doch immer wieder die gleiche öde Nummer, ob bei den Konstruktivisten oder den Hirnforscher (die teilweise auch welche sind). Erst wird das Subjekt geleugnet und alles wird versucht zu objektivieren, und auf einmal tut das Gehirn, oder diese toll verschachtelten rekursiven Schleifen und Systeme, dass was man einem Subjekt zuspricht: sie „wollen“, sie sind „perfide“ oder haben „Persönlichkeit“. Haha.
Der lange Ritt nach Objektivierungs-City um dann mitten im Subjekt zu landen.
Das ist nach dem 20. Aufguss nur noch intellektuell ermüdend.

Dissidenkt hat geschrieben:Ich schrieb in meinem oben verlinkten älteren Beitrag von einem Sklaven, dem man erst am Ende des Lebens erzählt, dass er ein Sklave ist.
Hätte man es ihm früher gesagt, hätte er sich dann befreien können? Hätte das einen Einfluss auf sein Leben gehabt?
Selbstverständlich!


Jaja, Persönlichkeit ohne Subjekt, Möglichkeit was zu ändern, ohne zu wollen.
Sorry, dass muss man einfach sehen, wenn man schon zwei Jahre an dem Thema dran ist.

Dissidenkt hat geschrieben:Und genauso verhält es sich mit der Einsicht, dass wir alle determiniert und unfrei sind.


In gewisser Weise ist das vollkommen richtig, aber das ist keine esoterische Geheimlehre, sondern das weiß eigentlich jeder mit soliden Anfängerkennntnissen auf diesem Gebiet.
Wenn man die Regeln kennt, nach denen man funktioniert, ist man zu einem guten Teil frei von ihnen. Gewiss.

Dissidenkt hat geschrieben:Erst wenn wir das erkennen, können wir uns aus dieser "Unfreiheit" befreien.
Dazu gehört:
1. Die Erkenntnis, dass wir nie absolut frei sein werden.
(Erst wenn wir tot sind, sind wir auch frei von unserem Selbst, unseren Nöten, Prägungen, Vorstellungen, Zwängen,etc)
2. Die Erkenntnis, dass wir unsere RELATIVE Freiheit selbst aktiv erweitern können.
In dem Augenblick, indem du erfährst und einsiehst, dass du unfrei bist, kannst du selbst an deiner relativen Befreiung arbeiten.


Klar, nur brauche ich die Einsicht dass ich unfrei bin, dafür eigentlich nicht.
Deine Botschaft ist, dass Reflexion freier macht. Aber dafür muss ich nicht ins tiefe Tal der Tränen abtauchen und meine sagenhafte absolute Unfreiheit zu konfrontieren.
Nachher ist man immer schlauer, sagt der Volksmund.

Dissidenkt hat geschrieben:Wer also zB Gefangener eines religiösen Glaubenssystems ist, das er von Kindesbeinen eingetrichtert bekommen hat, kann sich befreien, wenn man ihm seine Versklavung vor Augen führt.


Denke ich auch. Wer Glaubenssätze reflektieren kann, ist schon mehr oder weniger frei von ihnen.
In der praktischen Anwendung des Begriffs haben wir kaum Divergenzen, was ich nur nicht einsehe, ist, die Notwendigkeit zu dieser theoretischen Fundamentalabrechnung, die ich obendrein auch noch falsch finde.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » So 1. Jan 2012, 18:39

Teh Asphyx hat geschrieben:
Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater hat geschrieben:dass wir verantwortlich sind für die Entscheidungen, die wir treffen;

Nein, nein und nochmals nein. Das ist Juristik und hat hier nichts zu suchen, weil wir nicht das Konstrukt als gegeben annehmen dürfen, wenn wir an die Ursache wollen.

Hm, moralische Verantwortung ist keine Juristik, das ist erst mal Philosophie. Es gibt bei der Willensfreiheitsdiskussion eine enge Verbindung zu moralischer Verantwortung, viele harte Deterministen halten einen freien Willen für eine notwendige Voraussetzung für die gerechtfertigte Zuweisung von moralischer Verantwortung.

(Allerdings habe ich damit ein kleines logisches Problem, denn die Rede von "gerechtfertigt" setzt schon Verantwortlichkeit voraus. Auch eine moralische Forderung, z.B.: "Du darfst anderen keine moralische Verantwortung zuweisen, weil sie nichts dafür können, was sie tun" setzt implizit moralische Ansprechbarkeit und somit moralische Verantwortlichkeit des Addressanten voraus. Mir ist unklar, wie der harte Determinist aus dieser Zwickmühle heraus kommen will: er will etwas von mir, er wendet sich an mich als verantwortliches Wesen, stellt eine moralische Forderung an mich, leugnet aber gleichzeitig, dass es verantwortungsfähige Wesen gibt, weil alles determiniert sei und das Verantwortung ausschlösse. Hallo?)

Was Dich betrifft: können wir Deiner Ansicht nach nun verantwortlich für die Entscheidungen sein, die wir treffen oder nicht?

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Ich möchte Dir an der Stelle eine einfache Frage stellen: würdest Du diese Argumentation nun auch analog auf die Handlungsfreiheit anwenden, würdest Du also meinen, dass es bei der Handlungsfreiheit darum geht, ob eine Handlung keinerlei Zwängen und keinerlei Kontrolle unterliegt?

Das Problem ist hier, dass der Wille quasi den Anfang bildet und die Handlung den Abschluss, also muss man das hier klar anders definieren. Während der Wille aus sich selbst heraus gebildet als Frei zu bezeichnen ist, würde ich bei der Handlung eher sagen, dass sie dann frei ist, wenn sie ohne „Störungen“ ausgeführt werden kann.

Was meinst Du mit "aus sich selbst heraus gebildet"? Meinst Du damit: "entsteht - einfach so - irgendwie zufällig"? Oder: "jemand bildet bewusst einen Willen, hat also Kontrolle über seine Willensbildung"? Siehe dazu auch ganz unten.

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Nochmal kurz zu der Bezeichnung "Harter Determinist", hier scheint es noch ein Verständigungsproblem zu geben. Mit diesem Ausdruck bezeichne ich einen Inkompatibilisten, der Determinismus in unserer Welt als gegeben ansieht, der also folglich einen freien Willen in unserer Welt als nicht gegeben ansieht.

Schon klar, ich halte den harten Deterministen einfach für konsequent, weil er in seiner Definition von Determinismus strenger ist, dennoch vertrete ich seine Position nicht.

Es gibt aber keine Diskrepanz zwischen den einzelnen Parteien über die Definition des Determinismus. Das "hart" und "soft" bezieht sich nicht auf den Determinismus, sondern auf das Verhältnis von Determinismus und Freiheit. (Wobei mW das "soft" ursprünglich pejorativ für Kompatibilisten gemeint war - aber das juckt mich nicht, eine Beleidigung ohne Argument, die nicht zutrifft, fällt schlicht auf den Sager zurück, zeigt nur dessen Unfähigkeit zur rationalen Darlegung seiner Argumente. Er hat keine und es deswegen nötig, persönlich zu werden - sein Problem, das macht ihn nackt, nicht mich.)

Dieser Definition von Determinismus stimmen mW alle Parteien zu:

"Determinismus: aus einem gegebenen Weltzustand zum Zeitpunkt t0 und gegebenen Verlaufsgesetzen ergibt sich eindeutig jeder spätere Weltzustand W(tx) [x > 0]"

Und wir betrachten ja hier auch erst mal nicht die Frage, ob unsere Welt tatsächlich in diesem Sinne determiniert ist, sondern wir fragen: "was wäre, wenn sie es wäre? Was machte das für einen Unterschied und warum?" Nach Ansicht der Kompatibilisten würde das keinen Unterschied hinsichtlich des freien Willens machen. Und daher ist die Frage, ob unsere Welt determiniert ist oder nicht, für Kompatibilisten nicht besonders interessant, sie können diesbezüglich einen agnostischen Standpunkt einnehmen: "wir wissen das nicht und können es auch prinzipiell nicht wissen, da wir keinen 'god point's of view' einnehmen können'. (Naja, zumindest ich sehe das so, kann jetzt nicht generell für Kompatibilisten sprechen.)

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wieso wäre ein hypothetischer Mensch A mit einem solchen echten Zufallsgenerator im Gehirn frei und wieso wäre einer (B) nicht frei, der sowas nicht hätte, dessen Vorschlagsgenerator also immer (nehmen wir an, wir spulten die Zeit fantastrilliarden-mal zurück) in derselben Situation die Alternative 2.465 zuerst präsentieren würde?

Er wäre doch insofern frei, dass er andere Möglichkeiten wählen könnte, was B ja nicht kann. Wenn er es ebenso könnte, sich aber trotzdem immer für 2.465 entscheidet, dann würde ich nicht mehr von Determination sprechen [...]

Nun, wir müssen hier zwei unterschiedliche Fälle unterscheiden:

1. Es hätte auch anders kommen können

und

2. Jemand hätte auch anders entscheiden / handeln können

Die 1 ist aber immer der Fall: je nachdem, was man für Ausgangsbedingungen setzt, hätte jede beliebige Situation auch anders kommen können, (auch im strengsten Determinismus, dort hätte dann eben der Urknall etwas anders verlaufen können, es hätten sich etwas andere Verlaufsgesetze oder eine etwas andere Ausgangssituation ergeben können). Aber die 1 ist für Freiheit nicht besonders interessant, wäre etwas anders gewesen, dann wäre es eben anders gewesen. Das alleine kann aber noch keine Freiheit konstituieren.

Derjenige Inkompatibilist, der PAP vertreten will, kann also nicht die 1 meinen, sondern: jemand kann sich in ein- und derselben Situation mal so und mal anders entscheiden. Es muss also an ihm liegen, wie er sich entscheidet, die andere Entscheidung darf ihm nicht einfach zustoßen, darf nicht einfach nur an anderen von ihm nicht beeinflussbaren Faktoren liegen.

Und das ist allerdings ein grundsätzliches logisches Problem, denn egal was kann nicht gleichzeitig kontrollierbar und von allem unabhängig sein. Diese beiden Voraussetzungen sind gemeinsam logisch nicht möglich, hier gibt es nur ein entweder-oder.

Bleibt also nur die 1, also: es hätte auch anders kommen können, (ohne dass das an einem selber lag, außerhalb der eigenen Kontrolle). Aber das konstituiert wie gesagt keine Freiheit.

Und so hilft der Zufallsgenerator im Gehirn auch nicht weiter, denn man hat ja im Fallbeispiel keinerlei Kontrolle über dessen Ausgaben. Und ergo ist es also irrelevant, ob Kreativität oder was auch immer echt zufällig oder völlig determiniert ist - weil man a) so oder keinen Einfluss darauf hat, das nicht steuern kann und b) es noch nicht mal unterscheiden kann, ob das im Einzelfalle nun determiniert oder echt zufällig erfolgt, der Ablauf und die Ergebnisse dessen völlig identisch sein können.

Und was in allen Einzelheiten völlig identisch ist, ist identisch. Die hypothetischen Welten A (vollkommen determiniert) und B (mit der Möglichkeit von indeterminierten Ereignissen) sind völlig identisch, wenn alles (alle Zustände und Abläufe) dort völlig identisch ist.

Wer das anders sieht, betreibt Metaphysik und zwar in diesem Falle eine Metaphysik, deren Relevanz mir nicht einleuchten will. Daraus würde, wie auch oben schon mehrfach gesagt, folgen, dass ein hypothetischer Mensch mit Tourette-Syndrom, dessen Zuckungen und Äußerungen rein zufällig erfolgten, deswegen frei (und daher dafür verantwortlich wäre - im Gegensatz zu jemandem, der eine Handlung explizit plant und die dann ausführt) wäre, weil diese Zuckungen und Äußerungen von nichts anderem, von nicht Vorherigem oder Aktuellem abhingen. Allerdings erscheint mir das wenig einleuchtend und auch wenig mehrheitsfähig, glaube nicht, dass viele Leute dem zustimmen würden. Wer einen solchen Freiheitsbegriff vertritt (Unabhängigkeit von allem konstituiert Freiheit, ist notwendige und auch hinreichende Bedingung für Freoheit) steht damit ziemlich alleine da. Normalerweise wird nämlich Kontrolle als wesentlicher Bestandteil von Freiheit angesehen: niemand (so behaupte ich) wird gemeinhin als frei angesehen, dem alles immer nur zustößt, der keine Kontrolle über etwas hat - völlig gleichgültig, wie das, was ihm zustößt, entstanden ist, ob determiniert oder rein zufällig (ohne Zusammenhang zu etwas anderem, also völlig unahängig von allem anderen).

Hilfreich wäre es nun wohl, wenn jeder Inkompatibilist mal benennt, was er überhaupt vertreten will als notwendige Voraussetzung für Freiheit in seinem Sinne, ob er PAP oder UR vertreten möchte, (oder beides gleichzeitig, oder, wenn keines von beiden, welches Dritte).

Übrigens glaube ich, falls das noch nicht klar wurde, dass PAP logisch unmöglich ist. Falls PAP nicht nur 1 bedeuten soll ("es hätte auch anders kommen können") - was ich aber für in diesem Zusammenhang für irrelevant hielte, siehe oben. Falls es 2 bedeuten soll: dann mal bitte beispielhaft darlegen, wie man sich das vorstellen kann, wie das logisch möglich wäre.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » So 1. Jan 2012, 18:50

Vollbreit hat geschrieben:
Dissidenkt hat geschrieben:Wir reden nicht von "etwas", sondern von DER "Freiheit" - und zwar in einem absoluten Sinne!
Absolut frei bedeutet:
frei von allen äusseren oder inneren Einflüssen...frei von der Physik...frei von Vorstellungen...> absolut frei!

Du hast ja das „Etwas“ ins Spiel gebracht.
Und niemand hier redet von der Freiheit, die Du kritisierst, sondern alle hier lehnen diese Freiheit ab.

Ja, aber nicht nur hier.

@Dissidenkt: wessen Standpunkt greifst Du an, auf wen oder was beziehst Du Dich? Hast Du mal ein paar Links zu Leuten, die das vertreten, was Du angreifst?

Ich führe diese Diskussion nicht zum ersten Mal, ich habe schon einiges von verschiedenen Seiten darüber gelesen, aber bisher ist mir noch nie jemand untergekommen, der eine absolute Freiheit in Deinem Sinne vertreten würde. Es gibt zwar zugegebenermaßen einige Leute, die diesen Standpunkt ebenso wie Du angreifen, z.B. MSS (und diverse andere), aber wenn es niemanden gibt, der ihn vertritt, an wen wendet sich das dann, was soll das, was will man damit erreichen?

Sieht mir erst mal aus wie ein Strohmann. Es mag zwar wohlfeil und befriedigend sein, einen absurden Standpunkt, den niemand vertritt, zu zerlegen. Aber auch ein bisschen billig und sinnlos, zu nichts führend, denn daraus folgt dann auch weiter nichts, denn davon fühlt sich niemand angesprochen.

Wenn es jemanden gäbe, der eine absolute Freiheit in Deinem Sinne vertreten würde, dann würde das evtl. für diesen Menschen Konsequenzen haben. Nur, wie gesagt, ich kenne keine solchen Menschen, ein solcher Mensch ist mir auch im Internet noch nie untergekommen.

Dir? Wenn ja: wo und wer? Links?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 1. Jan 2012, 19:29

Vollbreit hat geschrieben:Ja, das tue ich aber nicht erst hier, sondern schon die ganze Zeit.


Und ich versuche die ganze Zeit zu erklären, dass Wille und Vernunft in der Philosophie (bis auf die britischen Empiriker, von denen ja der Kompatibilismus stammt) zwei unterschiedliche Dinge sind und das wird konsequent ignoriert (so wie einiges anderes auch).

Vollbreit hat geschrieben:Wen es nur Möglichkeiten gibt, bin ich ja auch frei nach rationalen Gründen zu entscheiden.


Ja, aber wo bist Du dann noch Determiniert?

Vollbreit hat geschrieben:Einmal wähle ich aus rationalen Gründen Butter und das ganze Geschehen ist vollkommen determiniert, das andere Mal wähle ich aus den gleichen rationalen Gründen Butter, nur ist das Geschehen nicht vollkommen determiniert. Dem freien Willen tut beides kein Abbruch.


Nein, das eine Mal wählst Du nicht aus Gründen Butter, nur wenn es nicht determiniert ist. Wenn es Determiniert ist, sind es keine Gründe, sondern es ist Bestimmung. Warum sollten Gründe und Bestimmung das Gleiche sein? Ich kann mich auch gegen Gründe entscheiden, aber nicht gegen Bestimmung.

Vollbreit hat geschrieben:Aber, damit man sich nicht streiten muss, ob wir nun gar nicht, zu 1%, zu 12%, zu 50% zu 75%, zu 98% oder zu 99,9999% determiniert sind und was nun genau darunter fällt und was nicht, sagen die Kompatibilsten: Nehmen wir doch gleich 100%, totale oder absolute Determiniertheit und schauen dann, was von freien Willen unter diesen Bedingungen gilt.

Was unter diesen Bedingungen gilt, muss logischerweise auch unter allen geringeren Bedingungen gelten.


Nein, der Kompatibilist sagt ja gleichzeitig, dass nur 100% sein können, weil wir ansonsten unfrei wären (jedenfalls tust Du das an vielen Stellen), entscheide Dich bei diesem Punkt mal bitte erstmal für eine Position.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, aber das Beispiel diskutiert ja, ob Freiheit vergößert wäre, wenn ich mich unter identischen Bedinungen auch anders verhalten könnte. Ich meine, dass das nicht der Fall ist, weil es eine Willkürentscheidung wäre.


Genau da fehlt mir die Strenge. Geht es um allgemeine persönliche Freiheit oder um den Freiheit speziell des Willens?

Vollbreit hat geschrieben:Dann fasse sie doch bitte noch mal kurz zusammen.


Wie wäre es, wenn Du einfach mal nicht immer meine Argumente diesbezüglich ignorieren würdest? Oder ist da irgendwas, was Du nicht verstehst? Dann frage mich konkret (anstatt es zu übergehen) und ich versuche, das zu präzisieren. Ich meine, dass in meiner Erklärung mit der Dialektik alles drin war, aber vielleicht setze ich auch irgendeine Vorwissen voraus, das nicht jeder hat. Das wäre ja nicht ungewöhnlich.

Vollbreit hat geschrieben:Das habe ich mich auch gefragt und es dann verworfen, als mir kein Argument dafür einfiel.
Es ist die bekannte Frage, wie, wo und warum der Zufall die Freiheit vergößert.
Wenn kreativere Geister als ich darauf eine Antwort haben, würde ich sie gerne lesen.


Auf die Antwort beziehst Du Dich doch gerade. Dann erkläre mir bitte, was da genau fehlt, dass Du die Antwort nicht siehst.

Vollbreit hat geschrieben:Damit meinte ich: Wenn wir den Zufall als Element eines Zugewinns an Freiheit ausschließen können, wie sieht es dann mit der Willkür als Element des Zugewinns an Freiheit aus?


Okay, hm … ich schließe es ja nicht aus, von daher kann ich mit dem „wenn“ jetzt weniger was anfangen.

Vollbreit hat geschrieben:Nein, die Person handelt nicht gegen ihren Willen, sondern gegen die rationale vernünftigen Schlüsse. Das wäre ein Ergebnis von Willkür und offenbar hast Du hier selbst nicht das Empfinden, dass das ein sonderlich freier Akt wäre.


Ich glaube, ich weiß, worauf Du hinauswillst. Ja, aber dann ist wieder die Frage, geht es um den freien Willen oder um die allgemeine persönliche Freiheit?

Vollbreit hat geschrieben:Das stimmt, aber ich sehe auch nicht, wo der Kompatibilismus falsch ist.
Als einzige Kritik höre ich bisher nur was von „Unsinn“ (wobei nicht erklärt wird, was denn nun unsinnig sein soll) oder einem „umdefinieren von Begriffen“. Ich habe mehrfach gesagt, dass auch jede andere Definition diskutiert werden kann.


Die Argumentationsweise ist falsch, nicht die Sichtweise an sich. Der Kompatibilist scheint es nicht zu schaffen, seine Position zu erklären, ohne Begriffe durcheinander zu werfen. Damit meine ich nicht, dass der Kompatibilist einen Falschen Begriff von Determinismus oder Freiheit hat, sondern dass er zwischen verschiedenen Begriffen hin und her schwankt.

Vollbreit hat geschrieben:Warum sollten sie nicht ausreichen, die Begriffe sind doch beide definiert. Was fehlt denn?


Wären sie ausreichend, dann wäre diese Diskussion ja überflüssig, weil die Antwort naheliegend wäre. Was fehlt ist einfach begriffliche Strenge, wenn man sich auf eine Definition geeinigt hat.

Vollbreit hat geschrieben:Was ist genau ein doppelt verschanzter Dogmatismus und worin liegt er in diesem Fall?


Zum Beispiel Aussagen, die es ermöglichen, jede kritische Äußerung zur Bestätigung der Behauptung umzudeuten.
Bei Wikipedia ist ein Beispiel, das sich auf den harten Determinismus bezieht: http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelt_ve ... ogmatismus

Vollbreit hat geschrieben:Das führt doch nur weiter von der eigentlichen Diskussion weg.
Ich glaube, dass Du schlicht nicht sagen kannst, was an der Definition der Kompatibilisten eigentlich fehlerhaft ist und Dich dem noch nicht gestellt hast, dass Du außer einem Bauchgefühl keine Argumente gegen diese Position hast.


Und die Kompatibilisten können ebenso wenig sagen, was an der Definition der Inkompatibilisten fehlerhaft ist. Der doppelt verschanzte Dogmatismus ist auf beiden Seiten, deswegen ist die Frage so gar nicht zu lösen. Das führt eben nicht von der Diskussion weg, sondern soll einen Anstoß liefern, zu überlegen, wo wir uns alle hier jeweils verheddern.

Vollbreit hat geschrieben:Du kannst ja die Dialektik, oder was immer Du willst anwenden, um einen guten Freiheitsbegriff zu konzipieren.
Das Problem vor dem Du (und ganimed) bisher stehen ist doch das:
Euch beiden ist die Freiheit, die dadurch gekennzeichnet ist, dass man innehalten und rational abwägen kann, um nachher zu sagen: „Ja, das ist es, was ich will“, Euch zu wenig ist.
Aber ihr könnt nicht sagen, was denn eigentlich noch fehlt.


Doch, ich habe den schöpferischen Prozess erwähnt, der nicht nur aus gegebenem abwägt, sondern neue Gegebenheiten kreiert.

Vollbreit hat geschrieben:Alles was da mehr sein könnte, geht letztlich in die Richtung: Zufall, Willkür, Irrationalität.


Wovor hast Du da Angst?

Vollbreit hat geschrieben:Wenn es dann darum geht, zu sagen, wie, wo und warum eine der drei Komponenten denn nun mehr Freiheit ermöglichen, dann kommt nichts mehr.


Bei Dir auch nicht, nach Deiner Erklärung kommt auch nur noch, dass es für Dich reicht, um von Freiheit zu sprechen. Keiner von uns hat da eine sicherere Position in der Hinsicht. Die einzige sichere Position ist die, die an der Praxis nicht scheitert.

Vollbreit hat geschrieben:Dafür habe ich Verständnis, bei mir kam da auch nichts mehr, was ich nicht verstehe, warum Ihr die Konsequenzen daraus nicht zieht. Wenn alle Argumente für den Kompatibilismus sprechen und nur ein Bauchgefühl dagegen, dann muss man den notwendigen Schritt eben gehen, oder man tut nichts anderes als ein religiöser Mensch: Man hat eigentlich keinen guten Grund, glaubt aber dennoch weiter.


Es sprechen aber nicht alle Argumente für den Kompatibilismus.
Abgesehen davon hat mir die Erfahrung gezeigt, dass das Bauchgefühl am Ende immer recht hatte und jegliche „logischen“ Erklärungen, die dagegen argumentiert haben, falsch waren.

Vollbreit hat geschrieben:Irgendwie und durch irgendwas wirst Du ja immer geprägt. Du nennst es hier abschätzig Propaganda.
Aber wichtiger: Du siehst hier offenbar doch eine Möglichkeit für Freiheit, nämlich dann, wenn Du „so viel Propaganda aus verschiedenen Richtungen abbekommst, dass keine davon besser dasteht als die andere, so dass Du Dich selbst auf die unvoreingenommene Suche machen kannst.“


Es ist ja auch Propaganda. Gerade Kinder werden damit vollgepumpt, weil fast niemand will, dass Kinder selbst verstehen, sondern Kinder möglichst formen, erziehen, züchten, domestizieren oder was es da noch für Synonyme gibt will. Glücklich das Kind, das so viele unterschiedliche Richtungen auf gleichwertige Weise mitbekommt, dass ihm die Möglichkeit gegeben ist, festzustellen, dass es nur eine Wahrheit gibt, nämlich die, die an der Praxis nicht scheitert.

Vollbreit hat geschrieben:Das heißt doch nichts anderes, als, dass, wenn Du über genügend Informationen, aus genügend unterschiedlichen Richtungen verfügst, Du dann unvoreingenommen abwägen und entscheiden kannst. Genau das sagen die Kompatibilisten.


Im Grunde richtig, aber Du übersiehst eine Möglichkeit, nämlich dass alle angebotenen Informationen falsch sein könnten und man selbst wahre Informationen erarbeitet. Es geht nicht nur darum, abzuwägen, sondern vor allem darum, zu überprüfen (das hat jetzt kaum noch was mit dem freien Willen zu tun, aber durchaus mit persönlicher Freiheit).

Vollbreit hat geschrieben:Es könnte nur Streit darüber geben, wann die Informationsmenge denn ausreichend groß und neutral genug ist. Offenbar meinst Du aber – entgegen ganimed und Dissidenkt – dass der Mensch nicht nur einfach umprogrammiert wird, sondern in einem bestimmten Modus über eine gewisse Unvoreingenommenkeit (Freiheit?) verfügt. Erklär doch mal, was diese Unvoreingenommenheit bedeutet, woran man sie erkennt.


Es kommt weniger darauf an, wie groß die Informationsmenge ist, wichtig ist vor allem, dass die Vertreter der unterschiedlichen Informationen einen ähnlich hohen Autoritätsgrad haben (Zum Beispiel Mutter sagt dies, Vater jenes und zwei verschiedene Lehrer noch mal jeweils was unterschiedliches; da ich niemanden aufgrund seiner Position mehr glauben kann als einem anderen [und auch nicht sollte], muss ich den Wahrheitsgehalt selbst überprüfen).
Es ginge natürlich auch einfacher, indem man versucht, nicht seine Ansichten einem Kind zu indoktrinieren und dem Kind von Anfang an die Möglichkeiten gibt, herauszufinden, wie man selbst eine Wahrheit prüft, aber das machen nur sehr wenige.

Vollbreit hat geschrieben:Sonst sagt der eine, nein, wer noch immer in die Kirche geht, der ist nicht frei und unvoreingenommen oder der andere sagt, wer bei den Brights ist, ist ein umprogrammierter Roboter, unfrei und ohne zu wissen was er da nachbrabbelt.


Richtig, deswegen identifiziere ich mich auch nicht mit irgendwas.

Vollbreit hat geschrieben:Mein Ansatz ist klar hierarchisch, überhaupt nicht postmodern und sieht so aus:
Wenn jemand runterbeten kann, dass er überzeugter Christ, Bright, Demokrat oder was auch immer ist, ohne, dass er mir begründen kann, warum er das ist und auch erkennen kann, warum man für die Gegenseite sein könnte (ohne das man es selbst sein muss) dann halte ich ihn für einen vergleichsweise unfreien Menschen, der nur wiederkäut, was man ihm eingeimpft hat. (Es kann sein, dass das gesellschaftlich hilfreich und nett ist, ich finde das dennoch unfrei.)
Wenn jemand begründen kann, warum er denkt und will, was er will und prinzipiell auch verstehen kann, warum die Gegenseite will, was sie will und denkt, wie sie denkt, dann ist das in meinen Augen ein freier und reflexiver Mensch, auch wenn ich seine Überzeugungen nicht teilen muss.


Okay, das ist ja auch die gängige Kritik an der Postmoderne und am Kulturrelativismus, dass da eben insgeheim doch ein hierarchisches Denken hinter steckt. Es trifft insofern nicht auf Dich zu, weil Du Dir dessen bewusst bist. Trotzdem sagst Du hiermit, dass jede Position im Prinzip gleichberechtigt ist, vorausgesetzt sie wird auf eine ganz bestimmte Art und Weise vertreten. Damit bist Du dem Relativismus noch nicht entkommen.

Vollbreit hat geschrieben:Was Du da entgegenstellst ist nahe an der Position des Kompatibilismus. Man wägt ab, reflektiert und bildet sich am Ende seine eigene Meinung.


Gut, Du kommst wenigstens langsam auf den Trichter. Meine Position ist in der Tat nicht weit weg davon. Mir ist der Kompatibilismus nur zu kognitivistisch, die Definition klingt immer wie eine Objekt-Eigenschaft des Menschen und nicht wie der Akt eines Subjekts. Natürlich gibt es ein Abwägen und Reflektieren, aber das bleibt nur bei dem einfachen Reiz-Reaktions-Schema. Mir fehlen da ein paar wichtige Komponenten, zum einen das Schöpferische und zum anderen, dass man eine Wahrheit nicht nur durch Abwägen von Informationen, sondern durch den praktischen Versuch bekommt (es geht ja nicht nur um Entscheidungen oder Handlungen).

Vollbreit hat geschrieben:(Warum Du Dich dann gleich wieder Dogmatikern an den Hals werfen willst, statt es auszuhalten mal wirklich selbst zu denken, ist eine andere Geschichte.)


Tut mir leid, ich kann nichts dafür, dass Marx auch darauf gekommen ist. Da ich bis vor kurzem eher eine distanzierte Ablehnung gegenüber dem Marxismus hatte und diese Erkenntnisse aber schon weitaus länger habe, lässt sich Dein Vorwurf, ich würde es nicht aushalten, selbst zu denken, absolut nicht halten.
Nur weil genannte Personen dogmatisch waren, heißt das nicht, dass an ihren Positionen nichts dran ist. Außerdem sprach ich von „fast“ und „Nähe“, nicht dass ich es genauso wie die beiden genannten Personen sehe. Also lies bitte erstmal genau, bevor Du mir irgendwas derartiges unterstellst.

Vollbreit hat geschrieben:Also ich fühle mich da nicht in Erklärungsnot und gehe so vor:
Ich bin überzeugt, dass es unterschiedliche Grade von Freiheit gibt, die irgendwo bei gar keiner beginnen und allmählich größer wird. Die Grenze zur Verantwortung ziehe ich dort, wo ich der Meinung bin, dass jemand die Folgen seines Tuns hätte abschätzen können und müssen.


Das kann aber keiner. Das hat nichts mit Determinismus zu tun, sondern damit, dass kein Mensch über so umfangreiche Erkenntnisse verfügt, dass er so handeln könnte. Einige Milliarden „erwachsene, verantwortungsbewusste“ Menschen sind gerade dabei, dem Planeten Erde den letzten Rest zu geben, falls Du das noch nicht bemerkt hast. Mit diesem Denken lösen wir dieses Problem nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Von einem Dackel, einem geistig behinderten Menschen, einem Psychotiker, einem schwer Drogensüchtigen, einem Debilen und einem dreijährigen Kind erwarte ich das nicht, von anderen Menschen schon, in weiteren Abstufungen.


Ich erwarte hingegen, dass sich die Menschen endlich mal weniger überschätzen und sich eingestehen, nicht alles abschätzen zu können und deswegen auf bestimmte Handlungen zu verzichten.

Vollbreit hat geschrieben:Ich finde, das ist a) logisch konsistent und b) ausgesprochen alltagstauglich und c) das was ohnehin all tun, bevor sie sich auf die kruden Konstrukte von Hirnforschern und Schmidt-Salomon eingelassen haben.


Wie gesagt, da wir gerade dabei sind, uns aufgrund eines bestimmten Selbstbildes und Weltbildes die Grundlage der eigenen Existenz zu entziehen, bin ich für jeden kreativen Gedanken in eine andere Richtung, als das, was eh gerade alle tun, dankbar, auch wenn ich mit den Konstrukten mancher Hirnforscher auch nicht sehr glücklich bin.

Vollbreit hat geschrieben:Das glaube ich Dir nicht. Wenn ein Irrer damit droht, Deine Liebsten auszulöschen, ich glaube, Du würdest die Polizei einschalten und ich glaube, Du würdest darauf vertrauen, dass die Leute, die Deine Liebsten dann schützen sollen, ihr Handwerk verstehen und nicht überreagieren und keine trägen Schlafmützen sind, sondern Profis im besten Sinne. Und ich glaube, wenn die, die das Leben Deiner Liebsten schützen sollen aus einem Kindern, Orang-Utans und einem Geistesgestörten bestehen, hättest Du ernsthafte Bedenken.


Nein, ich würde ihm eigentlich selbst seine verdammte Rübe vom Hals holen, auf die Polizei würde ich nur deshalb zurückgreifen, weil mir sonst strafrechtliche Konsequenzen drohen. Und NUR deswegen. Ich vertraue Polizisten nicht, kein Stück, ich habe nur in dieser Gesellschaft keine andere Wahl, wenn ich nicht mit den Konsequenzen leben will. Es gibt schließlich ein Gewaltmonopol.

Vollbreit hat geschrieben:Den Blick für die Wirklichkeit, wer soll den denn haben?


Ich zum Beispiel.

Vollbreit hat geschrieben:Wir haben alle nur subjektiv gefärbte Meinungen, aber wohler fühlt man sich, wenn der eine oder andere jenseit von Floskeln und Auswendiggelerntem seine Meinung auch begründen kann, so dass es zu einem echten Dialog oder Diskurs kommt.


Das ist schon wieder postmoderner Unsinn. Wenn Du mir ins Gesicht trittst, dann sind meine Schmerzen keine subjektiv gefärbte Meinung, sondern ein Fakt. Und genau deswegen sollst Du mir auch nicht ins Gesicht treten. Da brauche ich keinen Dialog oder Diskurs, weil Schmerzen nunmal harte Fakten sind und jedem klar sein sollte, was Schmerzen verursacht.
Deswegen sind auch diese momentan angesagten pädagogischen Methoden, einem Kind, das ein anderes geschlagen hat, zu erklären, dass dies dem anderen Kind weh tut, völlig daneben, weil das Kind dies genau weiß und es deswegen getan hat. Viel wichtige wäre es zu fragen, warum das Kind das Bedürfnis hatte, das andere Kind zu schlagen, welche Verletzung dahinter steckt und dies dann auch ernst zu nehmen.
Mir ist es allemal lieber, jemand spricht durch eine Floskel oder durch etwas auswendig gelerntes eine Tatsache aus, als wenn jemand den größten Schwachsinn begründet (was sehr gefährlich ist, weil es dazu führt, dass Leute an den Schwachsinn anfangen zu glauben, danach handeln und die Fakten, die in der Praxis entstehen ignorieren).
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 1. Jan 2012, 20:32

AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, moralische Verantwortung ist keine Juristik, das ist erst mal Philosophie.


Der Begriff „Verantwortung“ kommt wirklich aus der Juristik. Es hieß ursprünglich so viel wie „sich vor Gericht verteidigen“ (siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Verantwort ... antwortung).
Nach den Gründen dafür wurde dann in der Philosophie gesucht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt bei der Willensfreiheitsdiskussion eine enge Verbindung zu moralischer Verantwortung, viele harte Deterministen halten einen freien Willen für eine notwendige Voraussetzung für die gerechtfertigte Zuweisung von moralischer Verantwortung.


Das ist ziemlicher Unsinn, ich würde sogar so weit gehen, dass Verantwortung und Freiheit inkompatibel sind (nähere Erläuterungen folgen gleich).

AgentProvocateur hat geschrieben:(Allerdings habe ich damit ein kleines logisches Problem, denn die Rede von "gerechtfertigt" setzt schon Verantwortlichkeit voraus. Auch eine moralische Forderung, z.B.: "Du darfst anderen keine moralische Verantwortung zuweisen, weil sie nichts dafür können, was sie tun" setzt implizit moralische Ansprechbarkeit und somit moralische Verantwortlichkeit des Addressanten voraus. Mir ist unklar, wie der harte Determinist aus dieser Zwickmühle heraus kommen will: er will etwas von mir, er wendet sich an mich als verantwortliches Wesen, stellt eine moralische Forderung an mich, leugnet aber gleichzeitig, dass es verantwortungsfähige Wesen gibt, weil alles determiniert sei und das Verantwortung ausschlösse. Hallo?)


Ja, das ist Blödsinn, sehe ich genauso.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was Dich betrifft: können wir Deiner Ansicht nach nun verantwortlich für die Entscheidungen sein, die wir treffen oder nicht?


Ich habe vor allem ein Problem mit Schuld bzw. Alleinverantwortung. Deswegen halte ich auch das Strafrechtssystem für absolut falsch.
Aber Handlungen wirken natürlich bei der Entstehung von Problemen und ich denke, dass man sich dann auch zusammensetzen muss, um eine Lösung zu finden. Dies kann aber auch in einem zivilen Gericht oder Rat passieren. Dazu aber demnächst mehr in einem anderen Thread (nämlich hier: viewtopic.php?f=5&t=4015 ich arbeite da gerade noch an meiner Antwort an Nanna, die meinen Vorschlag beinhalten wird).

AgentProvocateur hat geschrieben:Was meinst Du mit "aus sich selbst heraus gebildet"? Meinst Du damit: "entsteht - einfach so - irgendwie zufällig"? Oder: "jemand bildet bewusst einen Willen, hat also Kontrolle über seine Willensbildung"? Siehe dazu auch ganz unten.


Ich meine ersteres, in etwa so: Über die Willensbildung gibt es keine Kontrolle (sofern der Wille frei ist), aber über die Willensausführung gibt es Kontrolle (damit bleibt der Wille zwar Wille, aber ich bin kein Sklave meines Willens).

AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt aber keine Diskrepanz zwischen den einzelnen Parteien über die Definition des Determinismus. Das "hart" und "soft" bezieht sich nicht auf den Determinismus, sondern auf das Verhältnis von Determinismus und Freiheit. (Wobei mW das "soft" ursprünglich pejorativ für Kompatibilisten gemeint war - aber das juckt mich nicht, eine Beleidigung ohne Argument, die nicht zutrifft, fällt schlicht auf den Sager zurück, zeigt nur dessen Unfähigkeit zur rationalen Darlegung seiner Argumente. Er hat keine und es deswegen nötig, persönlich zu werden - sein Problem, das macht ihn nackt, nicht mich.)


Aber das Verhältnis steckt ja in der Definition.

AgentProvocateur hat geschrieben:Dieser Definition von Determinismus stimmen mW alle Parteien zu:

"Determinismus: aus einem gegebenen Weltzustand zum Zeitpunkt t0 und gegebenen Verlaufsgesetzen ergibt sich eindeutig jeder spätere Weltzustand W(tx) [x > 0]"


Sofern man von einem linearen Zeitverlauf ausgeht (was ja in der Quantentheorie nicht mehr zwingend der Fall ist). Aber das scheint keine der Parteien in diesem Streit in Betracht zu ziehen, weswegen das jetzt keine so große Rolle spielt.
Aber ich meine, dass zur Freiheit eben gehört, dass sich eben nicht jeder spätere Weltzustand eindeutig ergibt. Es muss nur jeder spätere Weltzustand möglich sein. Und das scheint mir der eigentliche Standpunkt des Kompatibilisten zu sein, was er nur nicht zugeben will.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und wir betrachten ja hier auch erst mal nicht die Frage, ob unsere Welt tatsächlich in diesem Sinne determiniert ist, sondern wir fragen: "was wäre, wenn sie es wäre? Was machte das für einen Unterschied und warum?" Nach Ansicht der Kompatibilisten würde das keinen Unterschied hinsichtlich des freien Willens machen. Und daher ist die Frage, ob unsere Welt determiniert ist oder nicht, für Kompatibilisten nicht besonders interessant, sie können diesbezüglich einen agnostischen Standpunkt einnehmen: "wir wissen das nicht und können es auch prinzipiell nicht wissen, da wir keinen 'god point's of view' einnehmen können'. (Naja, zumindest ich sehe das so, kann jetzt nicht generell für Kompatibilisten sprechen.)


So gesehen macht es für mich ja auch keinen Unterschied außer den, dass der Wille entweder trotz Determinismus frei ist (also als eigenständige Kraft wirken muss, die dem Determinismus trotzt) oder ob der Wille frei ist, weil es keinen Determinismus gibt. Ich tendiere zu ersterem und denke, dass ich damit eigentlich dem Kompatibilisten sehr nahestehe, nur meine Argumentation sich besser halten lässt, weil ich die Subjektivität dabei als klare Begründung angebe (dass Vollbreit hier auch gegen den Kognitivismus der Inkompatibilisten schießt, ist mir auch grundlegend sympathisch, leider distanziert er sich aber selbst in seiner Argumentation nicht genug von dieser Weltsicht, was ich im letzten Post versucht habe zu erklären).

AgentProvocateur hat geschrieben:Nun, wir müssen hier zwei unterschiedliche Fälle unterscheiden:

1. Es hätte auch anders kommen können

und

2. Jemand hätte auch anders entscheiden / handeln können

Die 1 ist aber immer der Fall: je nachdem, was man für Ausgangsbedingungen setzt, hätte jede beliebige Situation auch anders kommen können, (auch im strengsten Determinismus, dort hätte dann eben der Urknall etwas anders verlaufen können, es hätten sich etwas andere Verlaufsgesetze oder eine etwas andere Ausgangssituation ergeben können).


Meine Determinismusdefinition lässt 1. nicht zu.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber die 1 ist für Freiheit nicht besonders interessant, wäre etwas anders gewesen, dann wäre es eben anders gewesen. Das alleine kann aber noch keine Freiheit konstituieren.


Das alleine nicht, aber der umgekehrte Fall kann Freiheit ausschließen, also ist es durchaus interessant.

AgentProvocateur hat geschrieben:Derjenige Inkompatibilist, der PAP vertreten will, kann also nicht die 1 meinen, sondern: jemand kann sich in ein- und derselben Situation mal so und mal anders entscheiden. Es muss also an ihm liegen, wie er sich entscheidet, die andere Entscheidung darf ihm nicht einfach zustoßen, darf nicht einfach nur an anderen von ihm nicht beeinflussbaren Faktoren liegen.

Und das ist allerdings ein grundsätzliches logisches Problem, denn egal was kann nicht gleichzeitig kontrollierbar und von allem unabhängig sein. Diese beiden Voraussetzungen sind gemeinsam logisch nicht möglich, hier gibt es nur ein entweder-oder.


Aber etwas kann ja in der Entstehung unabhängig, in der Folge aber kontrollierbar sein.

AgentProvocateur hat geschrieben:Bleibt also nur die 1, also: es hätte auch anders kommen können, (ohne dass das an einem selber lag, außerhalb der eigenen Kontrolle). Aber das konstituiert wie gesagt keine Freiheit.

Und so hilft der Zufallsgenerator im Gehirn auch nicht weiter, denn man hat ja im Fallbeispiel keinerlei Kontrolle über dessen Ausgaben.


Ein Zufallsgenerator im Gehirn würde auch nur Chaos anrichten und sich wohl kaum mit konkreten Begebenheiten auseinandersetzen können, das ist klar. Dennoch setzt Du ja voraus, dass es etwas im Subjekt gibt, das auf die Begebenheiten aus sich selbst heraus reagiert, also kein einfaches Reiz-Reaktions-Schema darstellt, richtig? In genau diesem Moment ist das Subjekt ja aber eben nicht mehr dem Determinismus unterworfen. Es ist eine Gegenkraft und kann durch eine Entscheidung den weiteren Verlauf der Dinge beeinflussen. Diese Gegenkraft setzt der Kompatibilist eben doch implizit voraus, weswegen er automatisch zum Dialektiker wird, weil er von einer Kompatibilität aus einer Inkompatibilität heraus spricht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und ergo ist es also irrelevant, ob Kreativität oder was auch immer echt zufällig oder völlig determiniert ist - weil man a) so oder keinen Einfluss darauf hat, das nicht steuern kann und b) es noch nicht mal unterscheiden kann, ob das im Einzelfalle nun determiniert oder echt zufällig erfolgt, der Ablauf und die Ergebnisse dessen völlig identisch sein können.

Und was in allen Einzelheiten völlig identisch ist, ist identisch. Die hypothetischen Welten A (vollkommen determiniert) und B (mit der Möglichkeit von indeterminierten Ereignissen) sind völlig identisch, wenn alles (alle Zustände und Abläufe) dort völlig identisch ist.

Wer das anders sieht, betreibt Metaphysik und zwar in diesem Falle eine Metaphysik, deren Relevanz mir nicht einleuchten will.


In beiden Fällen ist es so gekommen, wie es gekommen ist, ja, aber es gibt ja Menschen, die Interesse daran haben, anderen Menschen dafür die Verantwortung zu geben und in dem Fall wäre es relevant. Deswegen mein starker Zweifel an der Verantwortlichkeit in diesem Sinne (aber eben aus ganz anderen Gründen und mit ganz anderen Konsequenzen als dies bei hart deterministischen Hirnforschern zum Beispiel der Fall ist).

AgentProvocateur hat geschrieben:Daraus würde, wie auch oben schon mehrfach gesagt, folgen, dass ein hypothetischer Mensch mit Tourette-Syndrom, dessen Zuckungen und Äußerungen rein zufällig erfolgten, deswegen frei (und daher dafür verantwortlich wäre - im Gegensatz zu jemandem, der eine Handlung explizit plant und die dann ausführt) wäre, weil diese Zuckungen und Äußerungen von nichts anderem, von nicht Vorherigem oder Aktuellem abhingen.


Ich würde mich hier eher fragen, warum die Freiheit bei der Verantwortlichkeit vorausgesetzt wird. Ich würde eher die Fähigkeit zur Unfreiheit als Voraussetzung dafür sehen (weswegen es auch dann weniger verwundert, dass harte Deterministen meistens zu dem Schluss kommen, sehr harte Strafen als Notwendig anzusehen).

AgentProvocateur hat geschrieben:Allerdings erscheint mir das wenig einleuchtend und auch wenig mehrheitsfähig, glaube nicht, dass viele Leute dem zustimmen würden.


Das liegt aber auch daran, dass viele Leute einen völlig falschen Freiheitsbegriff haben, was auch von der bürgerlich-liberalen Ideologie so gewollt ist (sofern man einer Ideologie einen Willen unterstellen kann).

AgentProvocateur hat geschrieben:Wer einen solchen Freiheitsbegriff vertritt (Unabhängigkeit von allem konstituiert Freiheit, ist notwendige und auch hinreichende Bedingung für Freoheit) steht damit ziemlich alleine da. Normalerweise wird nämlich Kontrolle als wesentlicher Bestandteil von Freiheit angesehen: niemand (so behaupte ich) wird gemeinhin als frei angesehen, dem alles immer nur zustößt, der keine Kontrolle über etwas hat - völlig gleichgültig, wie das, was ihm zustößt, entstanden ist, ob determiniert oder rein zufällig (ohne Zusammenhang zu etwas anderem, also völlig unahängig von allem anderen).


Du setzt also, wenn ich das richtig verstehe, vor allem voraus, dass es mir nicht von außen zustößt, sondern aus mir kommen muss, damit ich frei bin, richtig?
Inwiefern stößt mir eine Zuckung beim Tourette-Syndrom zu? Kann es nicht sein, dass tatsächlich diese Zuckung ein völlig freier Akt ist? Ich kann also nur dafür verantwortlich gemacht werden, dass ich mich nicht kontrolliert habe (im Sinne dessen, der bestimmt, was angemessen ist und was nicht).

AgentProvocateur hat geschrieben:Übrigens glaube ich, falls das noch nicht klar wurde, dass PAP logisch unmöglich ist. Falls PAP nicht nur 1 bedeuten soll ("es hätte auch anders kommen können") - was ich aber für in diesem Zusammenhang für irrelevant hielte, siehe oben. Falls es 2 bedeuten soll: dann mal bitte beispielhaft darlegen, wie man sich das vorstellen kann, wie das logisch möglich wäre.


Es ist immer nur im Nachhinein logisch unmöglich, vorher nicht, es sei denn wir gehen von einem knallharten Determinismus aus. Beispiel: Ich habe zur Auswahl Pommes oder Nudeln zu essen. Ich habe also zu beidem die Möglichkeit, kann mich frei zwischen beiden entscheiden (sofern meine Entscheidung nicht determiniert ist). In dem Moment kann ich davon ausgehen, dass die Entscheidung wirklich offen ist. Wenn ich mich aber erstmal entschieden habe und zum Beispiel Pommes genommen habe, wird klar sein, dass ich aus diesen und jenen Gründen Pommes gegessen habe (wahrscheinlich wird der bewusste Grund der sein, dass mir danach war). Es hängt also irgendwie mit dem relativen Zeitpunkt zusammen. Wenn ich heute Appetit auf Pizza habe und die Wahl zwischen Pommes und Nudeln erst morgen zu fallen hat, wie kann jetzt schon die Entscheidung determiniert sein, wenn noch nicht klar ist, wonach mir morgen der Sinn stehen wird? Ich kann es immer erst hinterher als determiniert ansehen.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » So 1. Jan 2012, 20:43

Teh Asphyx hat geschrieben:Geht es um allgemeine persönliche Freiheit oder um den Freiheit speziell des Willens?

Zumindest mir geht es um die allgemeine (mögliche) persönliche Freiheit, die sich mE aus diesen beiden Komponenten zusammensetzt:

1. Willensfreiheit (das, was ich will und entscheide, kommt aus mir, das tue ich, ist mein Ding, ich kann erkennen und abwägen, ist nicht im Gegensatz dazu ausschließlich von Dritten festgelegt, nur von Dritten manipuliert, z.B. durch Hypnose, Drogen, Gehirnwäsche oder dergleichen)
2. Handlungsfreiheit: ich kann tun, was ich will, das, für das ich mich letztlich entscheide

Also: persönliche Freiheit = Willensfreiheit + Handlungsfreiheit

(Anmerkung: beide Freiheiten sind gleichermaßen niemals absolut: ich kann nicht immer tun, was ich will, (habe keine absolute Handlungsfreiheit - kann z.B. nicht aus eigener Kraft fliegen, egal, ob ich das will oder nicht und habe auch keine absolute Willensfreiheit. Aber ich meine: beides ist gemeinhin unstrittig, ich zumindest kenne niemanden, der ernsthaft behaupten würde, absolute Handlungs- bzw. Willensfreiheit zu haben)

Eine Willens- (und/oder Handlungs-)Freiheit, die nichts mit persönlicher Freiheit zu tun hätte: was soll das sein? Wofür sollte die gut sein?

Teh Asphyx hat geschrieben:Der Kompatibilist scheint es nicht zu schaffen, seine Position zu erklären, ohne Begriffe durcheinander zu werfen. Damit meine ich nicht, dass der Kompatibilist einen Falschen Begriff von Determinismus oder Freiheit hat, sondern dass er zwischen verschiedenen Begriffen hin und her schwankt.

Was meinst Du hier konkret?

Teh Asphyx hat geschrieben:Und die Kompatibilisten können ebenso wenig sagen, was an der Definition der Inkompatibilisten fehlerhaft ist.

Doch, der (normale) Inkompatibilist verlangt logisch Unmögliches: a) soll eine Entscheidung, ein Wille von allem völlig unabhängig sein, aber b) soll die Entscheidung, der Wille kontrollierbar sein. Aber beides zusammen geht per se nicht, ist in jeder logisch möglichen Welt logisch unmöglich. Mit anderen Worten: der Freiheitsbegriff der Inkompatibilisten ist leer, beinhaltet nichts.

Teh Asphyx hat geschrieben:Doch, ich habe den schöpferischen Prozess erwähnt, der nicht nur aus gegebenem abwägt, sondern neue Gegebenheiten kreiert.

Zu begründen wäre aber, wieso ein schöpferischer Prozess nur dann ein schöpferischer Prozess wäre, wenn er nicht determiniert wäre. Oder, anders gesagt: wie man überhaupt eine "echt neue" Gegebenheit von einer "unecht neuen" Gegebenheit unterscheiden könnte, was der wesentliche Unterschied ist und wie man den feststellen kann.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Alles was da mehr sein könnte, geht letztlich in die Richtung: Zufall, Willkür, Irrationalität.

Wovor hast Du da Angst?

Da ist keine Angst, das Problem für den Kompatibilisten ist hier jedoch, verstehen zu können, wieso Zufall, Willkür, Irrationalität notwendige Bedingungen seien, um Freiheit herstellen zu können. Das ist ja nicht per se selbstevident, das erfordert ein gutes Argument. Per se evident wäre erst mal im Gegenteil, dass etwas Zufälliges, das einem nur zustößt, Freiheit eher einschränkt. Zumindest aber ist völlig unklar, wie Zufall persönliche Freiheit herstellen könnte.

Teh Asphyx hat geschrieben:Abgesehen davon hat mir die Erfahrung gezeigt, dass das Bauchgefühl am Ende immer recht hatte und jegliche „logischen“ Erklärungen, die dagegen argumentiert haben, falsch waren.

Mag sein, aber das wäre dann das Ende dieser Diskussion. Dein Bauchgefühl ist dann so, meines anders und das war es dann.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das glaube ich Dir nicht. Wenn ein Irrer damit droht, Deine Liebsten auszulöschen, ich glaube, Du würdest die Polizei einschalten und ich glaube, Du würdest darauf vertrauen, dass die Leute, die Deine Liebsten dann schützen sollen, ihr Handwerk verstehen und nicht überreagieren und keine trägen Schlafmützen sind, sondern Profis im besten Sinne. Und ich glaube, wenn die, die das Leben Deiner Liebsten schützen sollen aus einem Kindern, Orang-Utans und einem Geistesgestörten bestehen, hättest Du ernsthafte Bedenken.

Nein, ich würde ihm eigentlich selbst seine verdammte Rübe vom Hals holen, auf die Polizei würde ich nur deshalb zurückgreifen, weil mir sonst strafrechtliche Konsequenzen drohen. Und NUR deswegen. Ich vertraue Polizisten nicht, kein Stück, ich habe nur in dieser Gesellschaft keine andere Wahl, wenn ich nicht mit den Konsequenzen leben will. Es gibt schließlich ein Gewaltmonopol.

Du hältst das Gewaltmonopol für einen Rückschritt und würdest Selbstjustiz für einen Fortschritt halten? Wäre die Welt / Gesellschaft Deiner Ansicht nach besser, wenn jeder sein eigenes persönliches Ding durchziehen würde und es keine Verständigung, keine Übereinkünfte, keine vereinbarten Regeln gäbe? Wenn ja: warum? Weil Übereinkünfte, Kompromisse, soziale Gemeinschaften die individuelle Freiheit unzulässig einschränken und individuelle Freiheit der höchste Wert ist? Oder warum sonst?
Zuletzt geändert von AgentProvocateur am So 1. Jan 2012, 20:52, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jan 2012, 20:48

Teh Asphyx hat geschrieben:Und ich versuche die ganze Zeit zu erklären, dass Wille und Vernunft in der Philosophie (bis auf die britischen Empiriker, von denen ja der Kompatibilismus stammt) zwei unterschiedliche Dinge sind und das wird konsequent ignoriert (so wie einiges anderes auch).


Ich habe keine sonderliche Nähe zu den britischen Empiristen.
Ich kann auch psychologisch den Willen als Motivation ansehen.
Aber hier geht es ja philosophisch darum, was die Freiheit des Willens meinen könnte.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wen es nur Möglichkeiten gibt, bin ich ja auch frei nach rationalen Gründen zu entscheiden.


Ja, aber wo bist Du dann noch Determiniert?


In dem Szenario gar nicht (oder nur zum Teil), aber das ist ja auch Deines, nicht das, der Kompatibilisten.

Teh Asphyx hat geschrieben:Nein, das eine Mal wählst Du nicht aus Gründen Butter, nur wenn es nicht determiniert ist. Wenn es Determiniert ist, sind es keine Gründe, sondern es ist Bestimmung. Warum sollten Gründe und Bestimmung das Gleiche sein? Ich kann mich auch gegen Gründe entscheiden, aber nicht gegen Bestimmung.


Es könnte ja bestimmt sein, dass ich die und die Einstellung habe und mit deshalb zwingend so und so entscheide. Dennoch könnte ich begründet entschieden haben.

Teh Asphyx hat geschrieben:Nein, der Kompatibilist sagt ja gleichzeitig, dass nur 100% sein können, weil wir ansonsten unfrei wären (jedenfalls tust Du das an vielen Stellen), entscheide Dich bei diesem Punkt mal bitte erstmal für eine Position.


Ich bin da doch ganz entschieden.
Der Kompatibilist sagt auch nicht, dass wir unfrei wären, wenn wir nicht 100% determiniert wären, sondern er behauptet, dass freier Wille und Determinismus sich nicht in die Quere kommen.
Darum sagt der K., dass auch dann wenn wir 100% determiniert wären (was nicht heißen muss, dass man annehmen muss, dass wir es tatsächlich sind) unser Wille frei sein könnte, wenn Freiheit heißt, begründet entscheiden und auch anders zu können.
Das impliziert, das wir auch bei einem 80% Determinismus frei wären und bei jedem anderen.

Teh Asphyx hat geschrieben:Genau da fehlt mir die Strenge. Geht es um allgemeine persönliche Freiheit oder um den Freiheit speziell des Willens?


Wir reden über Willensfreiheit, aber es ist natürlich meine gemeint, wenn ich unter die Kriterien fallen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dann fasse sie doch bitte noch mal kurz zusammen.


Wie wäre es, wenn Du einfach mal nicht immer meine Argumente diesbezüglich ignorieren würdest? Oder ist da irgendwas, was Du nicht verstehst? Dann frage mich konkret (anstatt es zu übergehen) und ich versuche, das zu präzisieren. Ich meine, dass in meiner Erklärung mit der Dialektik alles drin war, aber vielleicht setze ich auch irgendeine Vorwissen voraus, das nicht jeder hat. Das wäre ja nicht ungewöhnlich.


Was ist das Problem, wenn ich Dich um Argumente bitte, Du hättest weniger schreiben müssen, als Du jetzt getan hast?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nein, die Person handelt nicht gegen ihren Willen, sondern gegen die rationale vernünftigen Schlüsse. Das wäre ein Ergebnis von Willkür und offenbar hast Du hier selbst nicht das Empfinden, dass das ein sonderlich freier Akt wäre.


Ich glaube, ich weiß, worauf Du hinauswillst. Ja, aber dann ist wieder die Frage, geht es um den freien Willen oder um die allgemeine persönliche Freiheit?


Es geht um den freien Willen.

Teh Asphyx hat geschrieben:Die Argumentationsweise ist falsch, nicht die Sichtweise an sich. Der Kompatibilist scheint es nicht zu schaffen, seine Position zu erklären, ohne Begriffe durcheinander zu werfen. Damit meine ich nicht, dass der Kompatibilist einen Falschen Begriff von Determinismus oder Freiheit hat, sondern dass er zwischen verschiedenen Begriffen hin und her schwankt.


Hallo? Wo denn bitte? Agent und mir wird schon unterstellt, dass wir ununterscheidbar dasselbe schreiben würden und die Position der Kompatibilsiten kann man klipp und klar beim oft verlinkten Beckermann nachlesen, durcheinander geht da wenig bis gar nichts.

Determinismus heißt dabei, dass alle Vorgänge zu 100% vorherbestimmt sind, auf dem Boden der Naturgesetze, die überall gelten.

Frei ist der Wille dann, wenn man innehalten, sich umentscheiden und rational, auf dem Boden guter Gründe entscheiden kann (wobei steriles Durchrechnen nicht die einzige Quelle sein muss).

Und ansonsten lautet die zentale These, dass selbst dann, wenn der obige Determinismus gilt, der unten genannte freie Wille möglich ist, d.h. Determinismus und freier Wille sind kompatibel.

Wo bitte fehlt es da an Klarheit?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was ist genau ein doppelt verschanzter Dogmatismus und worin liegt er in diesem Fall?


Zum Beispiel Aussagen, die es ermöglichen, jede kritische Äußerung zur Bestätigung der Behauptung umzudeuten.
Bei Wikipedia ist ein Beispiel, das sich auf den harten Determinismus bezieht: http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelt_ve ... ogmatismus


Tja, dummerweise trifft die Kritik in dem wiki Artikel mitten ins Herz der Argumentation von MSS und nicht die der Kompatibilsiten. Muss man eigentlich erkennen können.

Teh Asphyx hat geschrieben:Und die Kompatibilisten können ebenso wenig sagen, was an der Definition der Inkompatibilisten fehlerhaft ist.


Ich tu’s auch gerne noch mal: Es fehlt der Nachweis, dass Zufall oder Willkür den Willen freier machen. Das ist alles.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Alles was da mehr sein könnte, geht letztlich in die Richtung: Zufall, Willkür, Irrationalität.


Wovor hast Du da Angst?


Warum sollte ich da Angst haben, mir fehlen einfach Argumente, warum das so ist.


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn es dann darum geht, zu sagen, wie, wo und warum eine der drei Komponenten denn nun mehr Freiheit ermöglichen, dann kommt nichts mehr.


Bei Dir auch nicht, nach Deiner Erklärung kommt auch nur noch, dass es für Dich reicht, um von Freiheit zu sprechen. Keiner von uns hat da eine sicherere Position in der Hinsicht. Die einzige sichere Position ist die, die an der Praxis nicht scheitert.


Ich muss auch nicht erklären, warum ich meine, dass der Zufall die Freiheit des Willens vergrößert, da ich diese Position nicht vertrete. In meinen Augen vergrößert der Zufall die Freiheit nicht, sondern wenn überhaupt schränkt er sie ein.

Teh Asphyx hat geschrieben:Es sprechen aber nicht alle Argumente für den Kompatibilismus.
Abgesehen davon hat mir die Erfahrung gezeigt, dass das Bauchgefühl am Ende immer recht hatte und jegliche „logischen“ Erklärungen, die dagegen argumentiert haben, falsch waren.


Was spricht denn gegen den Kompatibilismus.
Und was das Bauchgefühl angeht: Meine Erfahrung ist eine andere und was machen wir jetzt damit?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das heißt doch nichts anderes, als, dass, wenn Du über genügend Informationen, aus genügend unterschiedlichen Richtungen verfügst, Du dann unvoreingenommen abwägen und entscheiden kannst. Genau das sagen die Kompatibilisten.


Im Grunde richtig, aber Du übersiehst eine Möglichkeit, nämlich dass alle angebotenen Informationen falsch sein könnten und man selbst wahre Informationen erarbeitet. Es geht nicht nur darum, abzuwägen, sondern vor allem darum, zu überprüfen (das hat jetzt kaum noch was mit dem freien Willen zu tun, aber durchaus mit persönlicher Freiheit).


Ja, zu überprüfen, das ist es, was die Kompatibilisten meinen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:… Erklär doch mal, was diese Unvoreingenommenheit bedeutet, woran man sie erkennt.


Es kommt weniger darauf an, wie groß die Informationsmenge ist …


Schade, dass Du an den wesentlichen Punkten, die diese Diskussionen weiterbrächten immer zugunsten Deiner Tiraden vorbeischlitterst.

Teh Asphyx hat geschrieben:Okay, das ist ja auch die gängige Kritik an der Postmoderne und am Kulturrelativismus, dass da eben insgeheim doch ein hierarchisches Denken hinter steckt. Es trifft insofern nicht auf Dich zu, weil Du Dir dessen bewusst bist. Trotzdem sagst Du hiermit, dass jede Position im Prinzip gleichberechtigt ist, vorausgesetzt sie wird auf eine ganz bestimmte Art und Weise vertreten. Damit bist Du dem Relativismus noch nicht entkommen.


Hä? Nein ich bin ganz und gar nicht der Ansicht, jede Position sei gleichberechtigt, bspw. finde ich Deine, bezogen auf den freien Willen schlecht und zwar, weil Du sie nicht begründen kannst.
Gleichberechtigt wäre sie dann, wenn Du mir Gründe präsentieren würdest, die mich dazu bringen, meine Position noch mal in Frage zu stellen, aber Dein Bauchgefühl interessiert mich dabei nicht und zwar weil Dein Bauch dann für mich zur Instanz würde, nach der ich mich richten muss.
Ansonsten ist es ja durchaus so, dass man sich zuweilen nicht entscheiden kann, welche inhaltliche Position die bessere ist, wenn beide Parteien gute Gründe für ihre Sichtweise haben.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was Du da entgegenstellst ist nahe an der Position des Kompatibilismus. Man wägt ab, reflektiert und bildet sich am Ende seine eigene Meinung.


Gut, Du kommst wenigstens langsam auf den Trichter. Meine Position ist in der Tat nicht weit weg davon. Mir ist der Kompatibilismus nur zu kognitivistisch, die Definition klingt immer wie eine Objekt-Eigenschaft des Menschen und nicht wie der Akt eines Subjekts. Natürlich gibt es ein Abwägen und Reflektieren, aber das bleibt nur bei dem einfachen Reiz-Reaktions-Schema.


Möööp. Veto!
Habe ich ausführlich in der Antwort an Dissidenkt erklärt, warum ich das nicht anerkenne.

Teh Asphyx hat geschrieben:Mir fehlen da ein paar wichtige Komponenten, zum einen das Schöpferische und zum anderen, dass man eine Wahrheit nicht nur durch Abwägen von Informationen, sondern durch den praktischen Versuch bekommt (es geht ja nicht nur um Entscheidungen oder Handlungen).


Die kannst Du von mir haben: Eine Regel wendet sich nicht selbst an.
Das heißt aber nur, dass Rationalität nicht allein im intellektuellen Nachbeten, sodern auch im praktischen Herzeigen, also Handeln zu finden ist. Hatten wir aber schon.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Also ich fühle mich da nicht in Erklärungsnot und gehe so vor:
Ich bin überzeugt, dass es unterschiedliche Grade von Freiheit gibt, die irgendwo bei gar keiner beginnen und allmählich größer wird. Die Grenze zur Verantwortung ziehe ich dort, wo ich der Meinung bin, dass jemand die Folgen seines Tuns hätte abschätzen können und müssen.


Das kann aber keiner.


Doch, ich.
Wenn ich was essen, bin ich satt. Wenn ich jemanden beleidige, ist er sauer auf mich.

Teh Asphyx hat geschrieben:Das hat nichts mit Determinismus zu tun, sondern damit, dass kein Mensch über so umfangreiche Erkenntnisse verfügt, dass er so handeln könnte. Einige Milliarden „erwachsene, verantwortungsbewusste“ Menschen sind gerade dabei, dem Planeten Erde den letzten Rest zu geben, falls Du das noch nicht bemerkt hast. Mit diesem Denken lösen wir dieses Problem nicht.


Geh doch mal von Kollektiv weg, ist doch hier gar nicht das Thema.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich erwarte hingegen, dass sich die Menschen endlich mal weniger überschätzen und sich eingestehen, nicht alles abschätzen zu können und deswegen auf bestimmte Handlungen zu verzichten.


Niemand behauptet, dass man alles abschätzen kann. Ob wir im Herbst noch den Euro haben? Keine Ahnung. Ob Merkel noch mal durchkommt? Keine Ahnung? Selbst wenn es um mich geht, weiß ich vieles nicht. Aber das ist nicht der Punkt: Es geht darum, ob ich bestimmte Folgen meines Denkens, Sagens und Handelns abschätzen kann und auf der Basis dessen, halbwegs weiß, was ich tue, will, denke (und es begründen könnte). Es geht nicht um Wahrsagerei, sondern darum, dass ich sehe, wo ich besser hätte aufpassen können, dass ich meine Stärken und Schwächen und die anderer kenne und so weiter und mich dem entsprechend verhalte.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich finde, das ist a) logisch konsistent und b) ausgesprochen alltagstauglich und c) das was ohnehin all tun, bevor sie sich auf die kruden Konstrukte von Hirnforschern und Schmidt-Salomon eingelassen haben.


Wie gesagt, da wir gerade dabei sind, uns aufgrund eines bestimmten Selbstbildes und Weltbildes die Grundlage der eigenen Existenz zu entziehen, bin ich für jeden kreativen Gedanken in eine andere Richtung, als das, was eh gerade alle tun, dankbar, auch wenn ich mit den Konstrukten mancher Hirnforscher auch nicht sehr glücklich bin.


Dafür bin ich auch dankbar, aber Schmalspurwelterklärungen gibt es wahrlich mehr als genug. Da habe ich keinen weiteren Bedarf.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das glaube ich Dir nicht. Wenn ein Irrer damit droht, Deine Liebsten auszulöschen, ich glaube, Du würdest die Polizei einschalten und ich glaube, Du würdest darauf vertrauen, dass die Leute, die Deine Liebsten dann schützen sollen, ihr Handwerk verstehen und nicht überreagieren und keine trägen Schlafmützen sind, sondern Profis im besten Sinne. Und ich glaube, wenn die, die das Leben Deiner Liebsten schützen sollen aus einem Kindern, Orang-Utans und einem Geistesgestörten bestehen, hättest Du ernsthafte Bedenken.


Nein, ich würde ihm eigentlich selbst seine verdammte Rübe vom Hals holen, auf die Polizei würde ich nur deshalb zurückgreifen, weil mir sonst strafrechtliche Konsequenzen drohen.


Oh, das heißt, dass Du zwar ohne echte Einsicht in das Wesen der Demokratie, die ich Dir in dieser Situation aber zugestehe, aus Angst vor Strafe von der Selbstjustiz Abstand nimmst. Das heißt, Du kannst auch anders, nachdem Dein erster Affekt war „Rübe runna“, hast Du Dich besonnen, nachgedacht und mir hiermit alles bestätigt gegen das Du argumentiert hast und obendrein ein Argument für Strafen geliefert, sonst wärst Du nämlich vielleicht selbst zum Mörder geworden.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wir haben alle nur subjektiv gefärbte Meinungen, aber wohler fühlt man sich, wenn der eine oder andere jenseit von Floskeln und Auswendiggelerntem seine Meinung auch begründen kann, so dass es zu einem echten Dialog oder Diskurs kommt.


Das ist schon wieder postmoderner Unsinn. Wenn Du mir ins Gesicht trittst, dann sind meine Schmerzen keine subjektiv gefärbte Meinung, sondern ein Fakt. Und genau deswegen sollst Du mir auch nicht ins Gesicht treten. Da brauche ich keinen Dialog oder Diskurs, weil Schmerzen nunmal harte Fakten sind und jedem klar sein sollte, was Schmerzen verursacht.


Warum verfolgst Du mich immer mit der Postmoderne, ist doch gar nicht meine Baustelle?
Es geht darum, dass gut begründete Meinungen besser sind als un- oder schlecht begründete.

Teh Asphyx hat geschrieben:Mir ist es allemal lieber, jemand spricht durch eine Floskel oder durch etwas auswendig gelerntes eine Tatsache aus, als wenn jemand den größten Schwachsinn begründet (was sehr gefährlich ist, weil es dazu führt, dass Leute an den Schwachsinn anfangen zu glauben, danach handeln und die Fakten, die in der Praxis entstehen ignorieren).


Wenn jemand etwas begründet und das Schwachsinn ist, kann man wenigstens noch darauf eingehen, dass es Schwachsinn ist. Es gibt klare Grenzen des Diskurses, aber ohne, d.h. nur gegen verinnerlichte Floskeln kommst Du nicht an, bzw. gar nicht erst ins Gespräch.
Dumme Argumente kann man aufklären, bei Dogmen ist das schon schwieriger.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 1. Jan 2012, 21:18

AgentProvocateur hat geschrieben:Zumindest mir geht es um die allgemeine (mögliche) persönliche Freiheit, die sich mE aus diesen beiden Komponenten zusammensetzt:

1. Willensfreiheit (das, was ich will und entscheide, kommt aus mir, das tue ich, ist mein Ding, ich kann erkennen und abwägen, ist nicht im Gegensatz dazu ausschließlich von Dritten festgelegt, nur von Dritten manipuliert, z.B. durch Hypnose, Drogen, Gehirnwäsche oder dergleichen)
2. Handlungsfreiheit: ich kann tun, was ich will, das, für das ich mich letztlich entscheide


Wie erklärst Du Dir aber in einer deterministischen Welt das aus Dir Kommen? Du gehst davon aus, dass das gegeben ist, da sind wir uns auch einig, aber Du hast dafür, dass es dieses aus Dir kommen gibt, auch keine Erklärung vorgelegt, erst recht keine, die es erklärt, dass es mit einem Determinismus ohne weiteres vereinbar ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was meinst Du hier konkret?


Das bezog sich vor allem auf Vollbreits letzte Posts, Du hast inzwischen eine klarere Linie, habe ich den Eindruck.

AgentProvocateur hat geschrieben:Doch, der (normale) Inkompatibilist verlangt logisch Unmögliches: a) soll eine Entscheidung, ein Wille von allem völlig unabhängig sein, aber b) soll die Entscheidung, der Wille kontrollierbar sein. Aber beides zusammen geht per se nicht, ist in jeder logisch möglichen Welt logisch unmöglich. Mit anderen Worten: der Freiheitsbegriff der Inkompatibilisten ist leer, beinhaltet nichts.


Und wie viele Inkompatibilisten hat das überzeugt? Das Problem, worauf ich hinaus will ist, dass Kompatibilisten keine Erklärung hat, die dem Inkompatibilisten einleuchtet, ebenso wenig wie andersherum. Also gibt es auf beiden Seiten Schwächen in der Argumentation.

AgentProvocateur hat geschrieben:Zu begründen wäre aber, wieso ein schöpferischer Prozess nur dann ein schöpferischer Prozess wäre, wenn er nicht determiniert wäre. Oder, anders gesagt: wie man überhaupt eine "echt neue" Gegebenheit von einer "unecht neuen" Gegebenheit unterscheiden könnte, was der wesentliche Unterschied ist und wie man den feststellen kann.


Irgendwo muss ja jede Kausalkette ihren Anfang haben, nehme ich an (alles andere erscheint mir zunächst unlogisch). Also ist genau dieser Ursprung für mich ein schöpferischer Prozess, aus dem heraus etwas neues entsteht, so wie es vielleicht der Urknall war (ein schöpferischer Prozess braucht für mich aber keinen „göttlichen“ Willen als Ursache).

AgentProvocateur hat geschrieben:Da ist keine Angst, das Problem für den Kompatibilisten ist hier jedoch, verstehen zu können, wieso Zufall, Willkür, Irrationalität notwendige Bedingungen seien, um Freiheit herstellen zu können. Das ist ja nicht per se selbstevident, das erfordert ein gutes Argument.


Bei Dir nicht, bei ihm habe ich aufgrund anderer Diskussionen schon das Gefühl, dass da eine gewisse Angst da ist, wenn etwas nicht mehr unter Kontrolle ist. Die Frage kann also nur er beantworten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Mag sein, aber das wäre dann das Ende dieser Diskussion. Dein Bauchgefühl ist dann so, meines anders und das war es dann.


Nicht unbedingt, es kann auch sein, dass wir uns letztendlich nur irgendwo missverstehen. Solange sich in mir etwas widerstrebt, eine Ansicht anzunehmen, gehe ich davon aus, dass es Gründe gibt, die gilt es herauszufinden. Ich kann mich nicht einfach für etwas entscheiden, was zwar irgendwie schlüssig klingt, wo ich aber Widerstände habe. Das habe ich in der Vergangenheit ein paar Male gemacht und aus diesen Fehlern gelernt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Du hältst das Gewaltmonopol für einen Rückschritt und würdest Selbstjustiz für einen Fortschritt halten?


Ja und nein. Ich habe was gegen ein Gewaltmonopol, das ist richtig, ich halte aber auch von Selbstjustiz, so wie sie sich im Allgemeinen versteht nicht viel. In dem Fall geht es aber nicht um Justiz, sondern darum, meine Liebsten zu schützen. Was, wenn der Irre Hitler ist und meine Liebsten sind Juden. Soll ich mich auf die Polizei verlassen? Da habe ich bei einem Orang-Utan doch mehr Hoffnungen.
Ich bin eher für zivile Lösungen, aber dazu wie gesagt woanders mehr.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wäre die Welt / Gesellschaft Deiner Ansicht nach besser, wenn jeder sein eigenes persönliches Ding durchziehen würde und es keine Verständigung, keine Übereinkünfte, keine vereinbarten Regeln gäbe?


Was hat das mit dem Gewaltmonopol zu tun? Natürlich wäre das nicht besser, aber Regeln müssen flexibel sein, nicht starr festgelegt, sonst sind es Dogmen. Je größer ein Nationalstaat, desto weniger Flexibilität.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn ja: warum? Weil Übereinkünfte, Kompromisse, soziale Gemeinschaften die individuelle Freiheit unzulässig einschränken und individuelle Freiheit der höchste Wert ist? Oder warum sonst?


Es kann ja ohne gar kein Miteinander geben. Aber es macht einen Unterschied, wer bestimmt und wie bestimmt wird, inwiefern meine individuelle Freiheit eingeschränkt wird. Wenn ich mich an festgelegte Gesetze unter Strafandrohung halte, halte ich mich an festgelegte Gesetze unter Strafandrohung, das hat mit Übereinkünften rein gar nichts zu tun.
Das Thema ist aber zu komplex um es in diesem Thread abzuhandeln.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jan 2012, 21:35

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Doch, der (normale) Inkompatibilist verlangt logisch Unmögliches: a) soll eine Entscheidung, ein Wille von allem völlig unabhängig sein, aber b) soll die Entscheidung, der Wille kontrollierbar sein. Aber beides zusammen geht per se nicht, ist in jeder logisch möglichen Welt logisch unmöglich. Mit anderen Worten: der Freiheitsbegriff der Inkompatibilisten ist leer, beinhaltet nichts.


Und wie viele Inkompatibilisten hat das überzeugt? Das Problem, worauf ich hinaus will ist, dass Kompatibilisten keine Erklärung hat, die dem Inkompatibilisten einleuchtet, ebenso wenig wie andersherum. Also gibt es auf beiden Seiten Schwächen in der Argumentation.


Also, mindestens einen, mich.
Und ich glaube, ich war ein ziemlich eifriger und stürmischer Inkompatibilist.
Und bei all meiner selbstherrlichen Darstellung, wie ich hier und darauf gekommen bin, habe ich den entscheidenden Punkt vollkommen unterschlagen.
Meinen Diskussionspartner, der Geduld mit mir hatte und letztens Endes die besseren Gründe. Das kann zwar nur jeder selbst einsehen, aber um überhaupt dahinzugelangen, braucht es einen Partner, der einem die eigenen Defizite in der Argumentation beharrlich unter die Nase reibt.
Womöglich liest er ja mit... :2thumbs:
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon stine » So 1. Jan 2012, 22:06

Das heisst, du hast dich jetzt völlig inkompatibel für den Kompatibilismus entschieden?

:o0: stine
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » So 1. Jan 2012, 22:09

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Was Dich betrifft: können wir Deiner Ansicht nach nun verantwortlich für die Entscheidungen sein, die wir treffen oder nicht?

Ich habe vor allem ein Problem mit Schuld bzw. Alleinverantwortung. Deswegen halte ich auch das Strafrechtssystem für absolut falsch.
Aber Handlungen wirken natürlich bei der Entstehung von Problemen und ich denke, dass man sich dann auch zusammensetzen muss, um eine Lösung zu finden. Dies kann aber auch in einem zivilen Gericht oder Rat passieren. Dazu aber demnächst mehr in einem anderen Thread (nämlich hier: viewtopic.php?f=5&t=4015 ich arbeite da gerade noch an meiner Antwort an Nanna, die meinen Vorschlag beinhalten wird).

Gut, dann warte ich Deine Antwort dort ab.

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Was meinst Du mit "aus sich selbst heraus gebildet"? Meinst Du damit: "entsteht - einfach so - irgendwie zufällig"? Oder: "jemand bildet bewusst einen Willen, hat also Kontrolle über seine Willensbildung"? Siehe dazu auch ganz unten.

Ich meine ersteres, in etwa so: Über die Willensbildung gibt es keine Kontrolle (sofern der Wille frei ist), aber über die Willensausführung gibt es Kontrolle (damit bleibt der Wille zwar Wille, aber ich bin kein Sklave meines Willens).

Aber wenn es eh Deiner Ansicht nach über die Willensbildung keine Kontrolle gibt, warum soll es dann einen wesentlichen Unterschied für die Freiheit der Person machen, ob die determiniert oder zufällig erfolgt? Ist doch dann Jacke wie Hose, oder? Warum nicht?

Man könnte hier höchstens einwenden, dass von einem hypothetischen aber von uns nicht einnehmbaren Standpunkt (dem god's point of view) das einen Unterschied machen könnte. Aber da das rein hypothetisch ist, nicht machbar für uns - wir sind nicht Gott, sind beschränkte Wesen - wieso sollte es also einen Unterschied machen?

Teh Asphyx hat geschrieben:Aber ich meine, dass zur Freiheit eben gehört, dass sich eben nicht jeder spätere Weltzustand eindeutig ergibt. Es muss nur jeder spätere Weltzustand möglich sein. Und das scheint mir der eigentliche Standpunkt des Kompatibilisten zu sein, was er nur nicht zugeben will.

Ich verstehe zwar nicht ganz genau, wie Du das meinst, aber: klar gibt es nach meiner Ansicht verschiedene Möglichkeiten des künftigen Weltablaufes. Das liegt einfach daran, dass, egal, ob unsere Welt völlig determiniert ist oder nicht, ich nicht genügend Informationen habe - und die auch nicht haben kann, ich kann aus verschiedenen Gründen nicht den zukünftigen Weltablauf exakt kennen, ich muss verschiedene Möglichkeiten abwägen, anders geht es nicht. Und zwar aus prinzipiellen Gründen nicht, d.h. ich kann prinzipiell nicht wissen, wie ich morgen entscheiden werde.

Allerdings gibt es da schon gewisse Unterschiede in den Wahrscheinlichkeiten, die ich den von mir erwogenen Weltabläufen zuordne. Einige halte ich für wahrscheinlicher, andere für unwahrscheinlicher, andere für völlig unwahrscheinlich, (z.B. halte ich es für extrem unwahrscheinlich, dass die FDP die nächste Bundestagswahl gewinnen wird).

Oder mal anders gesagt: es gibt wohl auch zwei unterschiedliche Auffassungen darüber, was eine Möglichkeit ist. Die eine, (die wohl Inkompatibilisten vertreten) bezieht sich wieder auf den 'god's point of view'. Der andere, (meiner), bezieht sich auf den uns praktisch möglichen, auf unseren Standpunkt. Wir wissen nicht genau - und können es nicht genau wissen - was zukünftig passieren wird. Daher müssen wir Eventualitäten bedenken und berücksichtigen, falls wir denn die Zukunft gestalten wollen.

Mir ist einfach unklar, wieso die Inkompatibilisten immer wieder auf den 'god's point of view' rekkurieren und den für wesentlich halten. Selbst wenn man daher die Argumentation der Inkompatbilisten anerkennen würde, müsste man dennoch zu diesem Punkt kommen: wir wissen nicht, ob wir frei sind oder nicht. Und dann bliebe nur einer pragmatische Entscheidung: da wir das nicht wissen können, sollten wir uns für das entscheiden, was wir für die bessere Option halten.

Teh Asphyx hat geschrieben:So gesehen macht es für mich ja auch keinen Unterschied außer den, dass der Wille entweder trotz Determinismus frei ist (also als eigenständige Kraft wirken muss, die dem Determinismus trotzt) oder ob der Wille frei ist, weil es keinen Determinismus gibt. Ich tendiere zu ersterem und denke, dass ich damit eigentlich dem Kompatibilisten sehr nahestehe, [...]

Nein, zumindest mir stehst Du damit überhaupt nicht nahe. Mir erscheint es nämlich völlig absurd, den Willen als eigenständige Entität, als eigenständigen Akteur anzunehmen. Damit kann ich überhaupt nichts anfangen. 'Wille', 'Entscheidung', 'Handlung' sind meiner Ansicht nach Substantivierungen von Tätigkeiten einer Person, aber keine eigenständigen Entitäten, (eine Person will x, eine Person entscheidet sich für y, eine Person handelt z). Es will mir einfach nicht in den Kopf, wieso jemand aus einer Substantivierung auf eine eigenständige Entität schließen will. Das folgt einfach nicht. Ich tue etwas, ich kann das auch substantivieren: das Tun. Ist soweit überhaupt kein Problem, wenn verstanden wird, dass das eben nur eine Substantivierung ist, wird aber zu einem großen Problem, wenn jemand daraus auf eine eigenständige Entität "Tun" schließen wollen würde. Es gibt aber kein Tun an sich. Ebensowenig, wie es einen Willen, eine Entscheidung, eine Handlung, ein Ich oder ein Selbst an sich gibt.

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Nun, wir müssen hier zwei unterschiedliche Fälle unterscheiden:

1. Es hätte auch anders kommen können[...]

Meine Determinismusdefinition lässt 1. nicht zu.

Wieso nicht? Weil Du schon bestimmte Voraussetzungen triffst ("nehmen wir an, es gäbe die Ausgangssituation A und die Gesetze G, aus den die spätere Situation S folgt, also folgt aus A und G S.")? Aber das wäre eine reine Tautologie, man setzt etwas (prinzipiell Unbekanntes) voraus und das folgt dann. Setzte man etwas anderes voraus, folgte trivialerweise etwas anderes. Aber wie kann aus einer Tautologie, einer Trivialität etwas nicht Tautologisches, etwas nicht Triviales folgen?

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Aber die 1 ist für Freiheit nicht besonders interessant, wäre etwas anders gewesen, dann wäre es eben anders gewesen. Das alleine kann aber noch keine Freiheit konstituieren.

Das alleine nicht, aber der umgekehrte Fall kann Freiheit ausschließen, also ist es durchaus interessant.

Aber nur wenn man das hinreichend und nachvollziehbar begründen könnte, (nicht einfach nur sagen: "ist so, weil ich das meine"). Und wenn man einen Begriff von Freiheit hätte, der nicht per se logisch unmöglich wäre.

Teh Asphyx hat geschrieben:Aber etwas kann ja in der Entstehung unabhängig, in der Folge aber kontrollierbar sein.

Ja, wie gesagt, dafür war oben mein Beispiel mit dem Zufallsgenerator im Gehirn gedacht. Mir ist leider nur immer noch unklar, wieso dabei der Zufall eine Freiheit konstituiert, die sich grundlegend von der Freiheit in einer determinierten Welt unterscheiden würde. Inwiefern spielt es also für eine Rolle, dass Person A einen solchen echten Zufallsgenerator im Gehirn hat und Person B nicht? Es reicht mir nicht, wenn Du einfach immer wieder sagst: "das erscheint mir intutiv als richtig". Denn leider erscheint es mir intuitiv nicht als richtig.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ein Zufallsgenerator im Gehirn würde auch nur Chaos anrichten und sich wohl kaum mit konkreten Begebenheiten auseinandersetzen können, das ist klar.

Moment mal, da gibt es wohl noch ein kleines Missverständnis. Mein Beispiel war nicht so gemeint, dass dieser Zufallsgenerator Chaos produziert, also unendliche viele sinnlose Vorschläge in einer Situation generiert. Man könnte vielleicht sagen, dass der Verschlagsgenerator nicht völlig indeterminiert funktioniert, er produziert ja eben nur sinnvolle Vorschläge. Aber er ist eben auch nicht komplett determiniert, denn er produziert in ein und derselben Situation jeweils eine andere Reihenfolge der Vorschläge. Und mir scheinst, das würde die Anforderung der Inkompatibilisten nach PAP erfüllen, diese Anforderung beinhaltet nicht Chaos, sie beinhaltet nur "nicht vollständig determiniert".

Teh Asphyx hat geschrieben:Dennoch setzt Du ja voraus, dass es etwas im Subjekt gibt, das auf die Begebenheiten aus sich selbst heraus reagiert, also kein einfaches Reiz-Reaktions-Schema darstellt, richtig? In genau diesem Moment ist das Subjekt ja aber eben nicht mehr dem Determinismus unterworfen.

Nein, das sage ich nicht. Ein Subjekt tut mE nichts einfach so aus sich heraus, etwas, das völlig Unabhängig von allem anderen wäre. Jedes Subjekt ist Teil der Welt, also Teil von etwas Umfassenderem. Selbst wenn ein Subjekt rein willkürlich, ohne Zusammenhang zu etwas anderen etwas wollen, entscheiden, tun würde, dann wäre mir nicht klar, was das mit Freiheit zu tun hätte. Hört sich erst mal nur irrational, willkürlich an. Ich sehe keinen Zusammenhang mit Freiheit in irgend einem wesentlichen Sinne.

Ich halte es nicht für richtig, zu meinen, aus Determinismus folge ein reines Reiz-Reaktionsschema, das folgt mE mitnichten.

Teh Asphyx hat geschrieben:In beiden Fällen ist es so gekommen, wie es gekommen ist, ja, aber es gibt ja Menschen, die Interesse daran haben, anderen Menschen dafür die Verantwortung zu geben und in dem Fall wäre es relevant.

Weil? Verstehe ich das richtig, dass Du hier implizit zu meinen scheinst, dass Interessen von Menschen irgendwie böse und daher abzulehnen seien? Oder wie jetzt? Gibt es für Dich nicht zumindest die hypothetische Möglichkeit, dass man gemeinsame Interessen haben und die auf einen Nenner bringen kann? Und so besser fahren könnte als dass jeder nur sein eigenes Interesse durchsetzen will ohne das mit anderen abgleichen zu wollen?

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich würde mich hier eher fragen, warum die Freiheit bei der Verantwortlichkeit vorausgesetzt wird. Ich würde eher die Fähigkeit zur Unfreiheit als Voraussetzung dafür sehen (weswegen es auch dann weniger verwundert, dass harte Deterministen meistens zu dem Schluss kommen, sehr harte Strafen als Notwendig anzusehen).

Den Punkt verstehe ich nicht. Erstens wird normalerweise Freiheit als notwendige Voraussetzung für moralische Verantwortung gesehen, (verstehe nicht, wieso Du das gegenteilig siehst) und zweitens vertreten die meisten harten Deterministen, die ich kenne, die Auffassung, harte Strafen seien nicht gerechtfertigt und es müsste daher darauf verzichtet werden, (womit ich das oben erwähnte logische Problem habe).

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Allerdings erscheint mir das wenig einleuchtend und auch wenig mehrheitsfähig, glaube nicht, dass viele Leute dem zustimmen würden.

Das liegt aber auch daran, dass viele Leute einen völlig falschen Freiheitsbegriff haben, was auch von der bürgerlich-liberalen Ideologie so gewollt ist (sofern man einer Ideologie einen Willen unterstellen kann).

Was ist denn der richtige Freiheitsbegriff und warum ist er richtig?

Teh Asphyx hat geschrieben:Du setzt also, wenn ich das richtig verstehe, vor allem voraus, dass es mir nicht von außen zustößt, sondern aus mir kommen muss, damit ich frei bin, richtig?

Ja.

Teh Asphyx hat geschrieben:Inwiefern stößt mir eine Zuckung beim Tourette-Syndrom zu?

Weil das ungewollt und nicht kontrollierbar ist.

Teh Asphyx hat geschrieben:Kann es nicht sein, dass tatsächlich diese Zuckung ein völlig freier Akt ist?

Nein, in meinem Sinne nicht. Etwas, das nicht kontrollierbar ist, das einem also nur zustößt, ist überhaupt kein Akt, keine Handlung. Es ist lediglich ein unbeeinflussbares Geschehen. Und es ergibt keinen Sinn für mich, zu fragen, ob ein unbeeinflussbares Geschehen frei sein könne oder nicht, mir geht es ja um die Freiheit von Personen. Ich denke nicht, dass das Attribut "frei" für ein reines Geschehen eine Sinn ergibt. (Zumindest keinen, der mich hier interessiert).

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich kann also nur dafür verantwortlich gemacht werden, dass ich mich nicht kontrolliert habe (im Sinne dessen, der bestimmt, was angemessen ist und was nicht).

Aber der mit dem Tourette-Syndrom kann seine Zuckungen und Äußerungen nicht kontrollieren. Egal, ob die determiniert oder rein zufällig erfolgen, das spielt überhaupt keinen Rolle dabei. Er ist so oder so nicht frei, seine Zuckungen stoßen ihm für ihn unkontrollierbar einfach nur zu. Er kann nichts machen außer das einfach zur Kenntnis nehmen. Und das ist ja der Punkt, der mir so unklar ist: wieso meinst Du (oder zumindest ganimed), dass dieser Mensch frei sei? An der Stelle steigt meine Intuition völlig aus, ich meine, dieser Mensch ist unfreier als ein anderer Mensch, der in allem gleich ist, aber nicht unter dem Tourette-Syndrom leidet.

Teh Asphyx hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Übrigens glaube ich, falls das noch nicht klar wurde, dass PAP logisch unmöglich ist. Falls PAP nicht nur 1 bedeuten soll ("es hätte auch anders kommen können") - was ich aber für in diesem Zusammenhang für irrelevant hielte, siehe oben. Falls es 2 bedeuten soll: dann mal bitte beispielhaft darlegen, wie man sich das vorstellen kann, wie das logisch möglich wäre.

Es ist immer nur im Nachhinein logisch unmöglich, vorher nicht, es sei denn wir gehen von einem knallharten Determinismus aus. Beispiel: Ich habe zur Auswahl Pommes oder Nudeln zu essen. Ich habe also zu beidem die Möglichkeit, kann mich frei zwischen beiden entscheiden (sofern meine Entscheidung nicht determiniert ist). In dem Moment kann ich davon ausgehen, dass die Entscheidung wirklich offen ist. Wenn ich mich aber erstmal entschieden habe und zum Beispiel Pommes genommen habe, wird klar sein, dass ich aus diesen und jenen Gründen Pommes gegessen habe (wahrscheinlich wird der bewusste Grund der sein, dass mir danach war). Es hängt also irgendwie mit dem relativen Zeitpunkt zusammen. Wenn ich heute Appetit auf Pizza habe und die Wahl zwischen Pommes und Nudeln erst morgen zu fallen hat, wie kann jetzt schon die Entscheidung determiniert sein, wenn noch nicht klar ist, wonach mir morgen der Sinn stehen wird? Ich kann es immer erst hinterher als determiniert ansehen.

Wir gehen hier aber von einem knallharten Determinismus aus.

PAP ist immer logisch unmöglich, egal, ob eine Welt determiniert ist oder nicht. Etwas (ein Wille, eine Entscheidung, eine Handlung) kann nicht gleichzeitig von nichts abhängig sein und gleichzeitig der persönlichen Kontrolle unterliegen. Das ist ein Widerspruch in sich.

Der knallharte Determinismus impliziert immer den 'god's point of view'. Von diesem aus ist alles festgelegt. Von unserem Standpunkt (dem der für uns Menschen möglich ist) ist das aber, selbst wenn es so wäre, unbekannt. Und daher macht es keinen Unterschied, ob unsere Welt knallhart determiniert ist oder nicht. Und wenn doch: das mal bitte begründen.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Teh Asphyx » So 1. Jan 2012, 22:51

Vollbreit hat geschrieben:Ich habe keine sonderliche Nähe zu den britischen Empiristen.
Ich kann auch psychologisch den Willen als Motivation ansehen.
Aber hier geht es ja philosophisch darum, was die Freiheit des Willens meinen könnte.


Nein, die hast Du sonst nicht, aber hier hast Du die Willensdefinition von ihnen übernommen.

Vollbreit hat geschrieben:In dem Szenario gar nicht (oder nur zum Teil), aber das ist ja auch Deines, nicht das, der Kompatibilisten.


Also doch nicht determiniert und deswegen frei?

Vollbreit hat geschrieben:Es könnte ja bestimmt sein, dass ich die und die Einstellung habe und mit deshalb zwingend so und so entscheide. Dennoch könnte ich begründet entschieden haben.


Das ist dann aber nur ein halber Determinismus, der nur bis zur Einstellung geht. Wo ist der Beweis dafür, dass es auch mit einem 100% Determinismus geht, der also auch die Entscheidung selbst determiniert? Wie kann man dann noch sagen, man hätte begründet entschieden?

Vollbreit hat geschrieben:Darum sagt der K., dass auch dann wenn wir 100% determiniert wären (was nicht heißen muss, dass man annehmen muss, dass wir es tatsächlich sind) unser Wille frei sein könnte, wenn Freiheit heißt, begründet entscheiden und auch anders zu können.


Inwieweit entscheidet der Wille begründet? Da fehlt mir der Zusammenhang, da kann ich auch sagen, dass wir, wenn wir 100% determiniert wären, einen freien Willen hätten, wenn Freiheit bedeutet, dass ich morgen früh zum Bäcker gehe und Brötchen hole. Okay, wenn das die Definition des freien Willens ist, klar. Aber inwieweit bringt uns das weiter? Das ist ja eben nicht die Freiheitsdefinition des Indeterministen. Vielleicht ist das der Punkt, wo man sich nicht einig werden kann?

Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Genau da fehlt mir die Strenge. Geht es um allgemeine persönliche Freiheit oder um den Freiheit speziell des Willens?


Wir reden über Willensfreiheit, aber es ist natürlich meine gemeint, wenn ich unter die Kriterien fallen.


Den Satz verstehe ich leider nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Was ist das Problem, wenn ich Dich um Argumente bitte, Du hättest weniger schreiben müssen, als Du jetzt getan hast?


Das Problem ist, dass ich sie Dir geliefert habe und Du als direkte Antwort darauf verlangst, dass ich sie Dir liefere. Ich verstehe einfach nicht, was Du da genau von mir willst, deswegen brauche ich konkretere Nachfragen.

Vollbreit hat geschrieben:Es geht um den freien Willen.


Also sagst Du, dass der freie Willen den Menschen allein nicht frei macht. Gut, dem stimme ich zu.

Vollbreit hat geschrieben:Hallo? Wo denn bitte? Agent und mir wird schon unterstellt, dass wir ununterscheidbar dasselbe schreiben würden und die Position der Kompatibilsiten kann man klipp und klar beim oft verlinkten Beckermann nachlesen, durcheinander geht da wenig bis gar nichts.

Determinismus heißt dabei, dass alle Vorgänge zu 100% vorherbestimmt sind, auf dem Boden der Naturgesetze, die überall gelten.


Gut, dann hast Du einen anderen Determinismusbegriff als die Inkompatibilisten. Denn das, was Du meinst (wo ich auch vollkommen zustimme) ist, dass die Naturgesetze den Handlungsrahmen bestimmen innerhalb dessen man frei ist.
Die Inkompatibilisten meinen, dass die Naturgesetze im Determinismus so stark bestimmen, dass es gar keinen Handlungsrahmen gibt, wo man von Freiheit sprechen könnte.
Ich würde Deinen Standpunkt aber nicht als Bestimmung, sondern als Grundlage bezeichnen.

Vollbreit hat geschrieben:Frei ist der Wille dann, wenn man innehalten, sich umentscheiden und rational, auf dem Boden guter Gründe entscheiden kann (wobei steriles Durchrechnen nicht die einzige Quelle sein muss).


Das ist eine rationale Entscheidung. Frei ist der Wille für mich dann, wenn ich einfach wollen kann, ohne dass irgendwelche Gründe dazu führen, dass ich etwas bestimmtes will.

Vollbreit hat geschrieben:Und ansonsten lautet die zentale These, dass selbst dann, wenn der obige Determinismus gilt, der unten genannte freie Wille möglich ist, d.h. Determinismus und freier Wille sind kompatibel.

Wo bitte fehlt es da an Klarheit?


So weit ist es klar, aber das hat für mich weder mit Determinismus noch mit freiem Willen zu tun und schon gar nicht damit, was Inkompatibilisten darunter verstehen. Das sollte anhand meiner Definitionen, die ich eben genannt habe, klar sein.

Vollbreit hat geschrieben:Tja, dummerweise trifft die Kritik in dem wiki Artikel mitten ins Herz der Argumentation von MSS und nicht die der Kompatibilsiten. Muss man eigentlich erkennen können.


Natürlich. Aber die Kompatibilisten versuchen ohne Auflösung dieses Dogmas innerhalb der gleichen Begrifflichkeit die Lösung zu finden, was nicht funktioniert, deswegen sollte man Leuten wie MSS oder den Hirnforschern eher klar machen, dass ihre Behauptung unwissenschaftlich ist und warum sie es ist.

Vollbreit hat geschrieben:Ich tu’s auch gerne noch mal: Es fehlt der Nachweis, dass Zufall oder Willkür den Willen freier machen. Das ist alles.


Doch, der ist da. Aber es macht den Menschen insgesamt nicht freier.

Vollbreit hat geschrieben:Warum sollte ich da Angst haben, mir fehlen einfach Argumente, warum das so ist.


Ich weiß nicht warum, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass es Dir unangenehm ist, den Gedanken an Willkür zuzulassen.

Vollbreit hat geschrieben:Ich muss auch nicht erklären, warum ich meine, dass der Zufall die Freiheit des Willens vergrößert, da ich diese Position nicht vertrete. In meinen Augen vergrößert der Zufall die Freiheit nicht, sondern wenn überhaupt schränkt er sie ein.


Hm. Doch, er vergrößert die Freiheit aber reduziert die Nützlichkeit ab einem bestimmten Grad. Wenn alles zufällig wäre, gäbe es nur Chaos und höchstwahrscheinlich auch kein Leben, dafür wäre aber alles möglich, was eine totale Freiheit bedeuten würde. Die würde sich nur tatsächlich keiner wünschen.
Also können wir uns fragen, welcher Grad von Freiheit wünschenswert wäre.

Vollbreit hat geschrieben:Was spricht denn gegen den Kompatibilismus.
Und was das Bauchgefühl angeht: Meine Erfahrung ist eine andere und was machen wir jetzt damit?


Nichts, ich werd nur keine Erklärung akzeptieren, die in mir Widerstände auslöst, sondern so lange weiter machen, bis ich keine Widerstände mehr spüre.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, zu überprüfen, das ist es, was die Kompatibilisten meinen.


Okay, das verstehe und teile ich. Ich möchte das aber nicht freien Willen nennen.

Vollbreit hat geschrieben:Schade, dass Du an den wesentlichen Punkten, die diese Diskussionen weiterbrächten immer zugunsten Deiner Tiraden vorbeischlitterst.


Ich schlittere hier nicht vorbei. Wenn Du den Zusammenhang nicht verstehst, dann frag mich, aber er ist definitiv da und hat mit Tiraden rein gar nichts zu tun. Ich habe einfach nur erklärt, was zu jeweils welchem Ergebnis führt. Wenn Du Dich davon bedroht fühlst, dann können wir gerne darüber reden (vielleicht aber separat und nicht in diesem Thread). Es gibt jedenfalls nach meinem Erkenntnisstand nur diese zwei Möglichkeiten von Vornherein zur Unvorgenommenheit zu kommen (und selbst das ist nicht immer sicher), wenn Du weitere kennst und schlüssig darlegen kannst, ist das ja kein Problem. Aber sei hier bitte nicht so unsachlich, das hast Du nicht nötig.

Vollbreit hat geschrieben:Hä? Nein ich bin ganz und gar nicht der Ansicht, jede Position sei gleichberechtigt, bspw. finde ich Deine, bezogen auf den freien Willen schlecht und zwar, weil Du sie nicht begründen kannst.


Und was, wenn ich mit meiner Position recht hätte, aber rhetorisch nicht so gut drauf wäre, sie Dir nahelegen zu können? Wenn jemand anders aber rhetorisch so gut wäre, dass er Dir begründen könnte, dass freier Wille ein Wildschwein ist (um mal was völlig absurdes zu nehmen), wäre seine Position dann deswegen wertvoller?

Vollbreit hat geschrieben:Gleichberechtigt wäre sie dann, wenn Du mir Gründe präsentieren würdest, die mich dazu bringen, meine Position noch mal in Frage zu stellen, aber Dein Bauchgefühl interessiert mich dabei nicht und zwar weil Dein Bauch dann für mich zur Instanz würde, nach der ich mich richten muss.


Ich stelle Deine Position ja kaum in Frage, falls Du das noch nicht gemerkt hast. Ich stelle nur in Frage, mit welcher begrifflichen Strenge gearbeitet wird. Das ist das, was bei mir im übertragenden Sinne Bauchkrämpfe verursacht.

Vollbreit hat geschrieben:Möööp. Veto!
Habe ich ausführlich in der Antwort an Dissidenkt erklärt, warum ich das nicht anerkenne.


Okay, ich gebe zu, dass ich das nur teilweise gelesen habe, weil mir dieser Diskussionsstrang schnell zu anstrengend wurde. Hut ab auch vor Deiner Ausdauer dort.
Ich weiß, dass Du kein Kognitivist bist, trotzdem klingt Deine Argumentation teilweise so (für mich jedenfalls) und da kriegt es einen absurden Touch.

Vollbreit hat geschrieben:Die kannst Du von mir haben: Eine Regel wendet sich nicht selbst an.
Das heißt aber nur, dass Rationalität nicht allein im intellektuellen Nachbeten, sodern auch im praktischen Herzeigen, also Handeln zu finden ist. Hatten wir aber schon.


Okay, aber was hat das noch mit dem Begriff des freien Willens der Inkompatibilisten zu tun?

Vollbreit hat geschrieben:Doch, ich.
Wenn ich was essen, bin ich satt. Wenn ich jemanden beleidige, ist er sauer auf mich.


Versuche das aber mal auszuweiten. Das sind ja bei weitem nicht die einzigen Konsequenzen bestimmter Handlungen, ab einer bestimmten Ebene (wann die eintritt schwankt äußerst stark) kann man eben nicht mehr alle Folgen einer Handlung nachvollziehen. Das heißt nicht, dass man nicht versuchen sollte, ethisch zu handeln, aber man sollte sich auch nicht verrückt machen, wenn in China ein Orkan ausbricht nachdem man gerade zufällig in der richtigen Windrichtung einen hat fahren lassen. Andererseits sollte man sich zum Beispiel darüber im Klaren sein, dass unser Wohlstand Konsequenzen für Menschen in der dritten Welt hat (die dafür immer noch versklavt werden). Das Ganze ist ziemlich komplex und ich neige einfach aus Erfahrung dazu, eher skeptisch zu sein, was das Absehen der Konsequenzen angeht (wenn man nicht gerade auf einer völlig trivialen Ebene bleibt, aber ich glaube nicht, dass Du das ernsthaft möchtest).

Vollbreit hat geschrieben:Geh doch mal von Kollektiv weg, ist doch hier gar nicht das Thema.


Doch, wenn wir von Verantwortung sprechen, dann ist das sehr wohl das Thema. Auf der Basis Deiner Argumentation (also dass bestimmte Menschen dazu mehr in der Lage sind, Konsequenzen abzusehen als andere) wurden bis vor Kurzem Frauen noch nur an sehr wenigen Entscheidungen beteiligt, ebenso Menschen bestimmter Herkunft oder Hautfarbe und auch heute noch trifft das auf viele Menschengruppen zu, Kinder oder Senioren zum Beispiel auf jeweils eigene Art.
Wenn Deine oder meine Argumentation auf streitbaren Prämissen aufbaut, dann spielt das einfach sehr wohl eine Rolle und das müssen wir zunächst klären.

Vollbreit hat geschrieben:Niemand behauptet, dass man alles abschätzen kann. Ob wir im Herbst noch den Euro haben? Keine Ahnung. Ob Merkel noch mal durchkommt? Keine Ahnung? Selbst wenn es um mich geht, weiß ich vieles nicht. Aber das ist nicht der Punkt: Es geht darum, ob ich bestimmte Folgen meines Denkens, Sagens und Handelns abschätzen kann und auf der Basis dessen, halbwegs weiß, was ich tue, will, denke (und es begründen könnte). Es geht nicht um Wahrsagerei, sondern darum, dass ich sehe, wo ich besser hätte aufpassen können, dass ich meine Stärken und Schwächen und die anderer kenne und so weiter und mich dem entsprechend verhalte.


Okay, aber warum sollte das ein Kind zum Beispiel weniger können als ein beliebiger Erwachsener? Es gibt genug Erwachsene, die so erfahrungsresistent sind, dass sie überhaupt keinen Vorteil davon haben, mehr Jahre auf dem Buckel zu haben (und sie gelten dennoch als psychisch gesund und schuldfähig). Was also macht diese Fähigkeit dann aus? Woher kommt diese Fähigkeit?

Vollbreit hat geschrieben:Dafür bin ich auch dankbar, aber Schmalspurwelterklärungen gibt es wahrlich mehr als genug. Da habe ich keinen weiteren Bedarf.


Das kann ich verstehen, aber dann lass uns doch selbst überlegen. Wenn Du mir in diesem Punkt zustimmst und wenn wir annehmen, dass die Menschen nach dem uns bekannten Verständnis handeln, da aber irgendwas schief läuft, was könnte falsch sein an dem, was wir annehmen, was richtig ist? Okay, das hat in diesem Thread wahrlich nichts zu suchen, aber den Faden können wir ja woanders trotzdem aufnehmen. Trotzdem fänd ich es auch hier interessant zu wissen, was Deine persönliche Motivation ist, den freien Willen nach Deiner Definition als Wahr anzunehmen und was für Dich für Konsequenzen daraus folgen.

Vollbreit hat geschrieben:Oh, das heißt, dass Du zwar ohne echte Einsicht in das Wesen der Demokratie, die ich Dir in dieser Situation aber zugestehe, aus Angst vor Strafe von der Selbstjustiz Abstand nimmst. Das heißt, Du kannst auch anders, nachdem Dein erster Affekt war „Rübe runna“, hast Du Dich besonnen, nachgedacht und mir hiermit alles bestätigt gegen das Du argumentiert hast und obendrein ein Argument für Strafen geliefert, sonst wärst Du nämlich vielleicht selbst zum Mörder geworden.


Nicht so schnell.
Das Wesen welcher Demokratie? Es gibt unzählige Demokratiedefinitionen, in diesem Punkt sind sogar Nanna und ich uns mal einig.
Wer sagt, dass das mein erster Affekt war? Das unterstellst Du jetzt. Ich würde im Gegenteil sagen, dass „Rübe runter“ die Konsequenz einer Überlegung wäre, wenn ich keine andere Lösung sehen würde, meine Liebsten anders zu retten.
Wenn ich in diesem Fall getötet hätte, hätte ich weder eine Strafe verdient, noch wäre diese in irgendeiner Form in erzieherischer Hinsicht nützlich (außer um noch mehr Angst vor der Justiz in mir zu produzieren). Nehmen wir wieder den Fall, der Irre wäre Hitler und meine Liebsten eine jüdische Familie und ich hätte nur die Wahl, diese zu schützen, indem ich gegen das Gesetz verstoße und Hitler umbringe. Soll ich die Polizei rufen, weil ich mich sonst unethisch verhalte?

Vollbreit hat geschrieben:Warum verfolgst Du mich immer mit der Postmoderne, ist doch gar nicht meine Baustelle?
Es geht darum, dass gut begründete Meinungen besser sind als un- oder schlecht begründete.


Weil Du hier einfach sehr relativistisch wirst und ich Dich darauf aufmerksam machen möchte. Ist halt immer die Frage, wie weit man unbewusst schon in dem postmodernen Diskurs „gefangen“ ist.
Mir geht es darum, dass es nicht nur Meinungen, sondern auch Fakten gibt. Und da spielt es keine Rolle, wie gut sie begründet sind, weil sie einfach da sind.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn jemand etwas begründet und das Schwachsinn ist, kann man wenigstens noch darauf eingehen, dass es Schwachsinn ist. Es gibt klare Grenzen des Diskurses, aber ohne, d.h. nur gegen verinnerlichte Floskeln kommst Du nicht an, bzw. gar nicht erst ins Gespräch.
Dumme Argumente kann man aufklären, bei Dogmen ist das schon schwieriger.


Das stimmt, klar. Dennoch sollte klar sein, dass es nicht nur Meinungen, sondern eben auch Fakten gibt und die lassen sich leider nunmal gut leugnen, wenn man irgendwelchen Gedankenkonstrukten anhängt. Was jetzt nicht auf Dich gemünzt ist, sondern in Bezug auf Leute, die zum Beispiel erst in eine Religion erzogen und dann zum Atheismus ummissioniert werden, ohne dass eine echte Erkenntnis (im Sinne von ich erkenne, dass dieser Fakt dem zugrundeliegt) dahintersteckt.

Auch wenn ich Dich hier manchmal gerne etwas provoziere und manchmal auch scharf in meinen Formulierungen bin, sollst Du wissen, dass ich Dich als Diskussionspartner sehr schätze und Dich auch für einen sehr erkenntnisreichen Menschen halte. Es gibt nur so ein paar Sachen, wo ich denke, dass Du Dich vor bestimmten Gedanken sperrst (ich kann mir auch in etwa vorstellen warum und diese Vorstellung hat absolut nichts mit Herrschaft, Ideologie oder ähnliches zu tun, keine Sorge ;-) ).
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » So 1. Jan 2012, 22:52

@ stine:

Ja, so als eingefleischter Vegetarier, bin ich zum inkompatiblen Kompatibilisten geworden und fühle mich traurigfroh.
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