Wie viele sind noch da?

Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jan 2012, 00:45

ganimed hat geschrieben:Wir beide und vermutlich fast alle kultivierten Menschen (sagen wir westliche Kultur) wären aber nicht glücklich.


Dumm nur, wenn sich erweisen sollte, dass die Zahl derer, die Du als unkultiviert ansiehst, größer wäre.
Sollte man einen gesunden Menschen, der aber kriminell ist und der Gesellschaft zur Last fällt und keine Anhgehörigen mehr hat, töten dürfen, wenn mit seinen Innereien wichtige Transplantationen durchgeführt werden könnten, die angesehenere Mitglieder der Gesellschaft retten würden?
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Teh Asphyx » Do 26. Jan 2012, 00:56

Vollbreit hat geschrieben:Ich leugne nicht, dass das ein (ein!) wichtiges Thema sein könnte, aber es gibt noch andere brisante Themen: demographische Entwicklung, Gentechnik, Drogenkriege, Fundamentalismus, Vulkane, die Abholzung der Wälder, Wasserknappheit, Phosphatknappheit (heißt: Ende der Nahrung), Malaria, Energiepolitik, Freiheit und Internet, neue Seuchen und was weiß ich nicht alles.
Alles wichtig. Aber man muss nicht bei jedem Thema vom Ende der Phosophatvorkommen schreiben und nicht jedem, der bei einer Diskussion über Willensfreiheit oder Kinderkrippen nicht mindestens einmal erwähnt, dass das Phosphat zu Ende geht, unterstellen, er würde das Thema leugnen.
Kommt man auf ein Thema immer und bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zurück, liegt der Verdacht sehr nahe, dass es ein eigenes Thema ist.


Tut mir ja leid, dass ich so fragen muss, aber bist Du ein bisschen dumm oder weißt Du einfach nicht, was ein Machtdiskurs ist, sprichst aber einfach trotzdem davon? Oder die dritte Möglichkeit, willst Du einfach nur recht behalten und Dir ist kein rhetorisches Mittel dafür zu schade?
Ein Machtdiskurs ist kein Thema für sich. Ein Machtdiskurs ist in Themen enthalten und er ist ein Schlüssel für die Analyse von Sachverhalten (man kann ihn also in einem Thema jeweils als Bestandteil thematisieren). Und das willst Du einfach nicht sehen wie mir scheint. Wenn es kein Zusammenhang gäbe, würde ich Dir da auch nichts unterstellen. Aber ich habe immer im konkreten Zusammenhang geschrieben.
Entweder verleugnest Du, psychologisierst meine Aussagen, um Dich nicht inhaltlich mit ihnen auseinandersetzen zu müssen oder Du verdrehst meine Worte so wie hier. Das nervt gewaltig, lass es!
Wenn Du solche Dinge leugnen willst, dann mach das meinetwegen, aber hör wenigstens auf, Dich damit ständig als geistig überlegen aufzuspielen, denn das bist Du nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Schon das sollte einem zu denken geben, dass ein und derselbe Tatbestand problemlos von rechten Verschwörungstheoretikern als Stimmungsmache einer linksradikalen Medienmafia und linker Unterwanderung gedeutet wird, während die linken Verschwörungstheoretiker dasselbe als bürgerlich-reaktionäre Unterdrückung ansehen, einer manipulierten Öffentlichkeit, die auf dem rechten Auge blind ist und gehalten wird.


Was sollen denn linke Verschwörungstheoretiker sein?

Vollbreit hat geschrieben:Für die Letzteren hat sich seit der Nazizeit nichts geändert (nur die Mittel sind geschickter geworden),


Nicht erst seit der Nazizeit, sondern seit dem Beginn des Kapitalismus. Das ist ja auch nicht sonderlich überraschend, schließlich leben wir nach wie vor im Kapitalismus. Und ja, die Mittel haben sich verändert, auch das zu leugnen wäre idiotisch. Und was ist daran jetzt verschwörungstheoretisch? Aber klar, wenn man anderen Verschwörungstheorien unterstellt, hat man wieder so eine wunderbare rhetorische Karte ausgespielt, weil man die Leute gleich mal in eine Schublade abgelegt hat, wo man sie nicht mehr ernst nehmen muss. Das gefällt Dir ja, wie Du immer wieder gerne zeigst.

Vollbreit hat geschrieben:für Erstere ist der Marsch durch die Institutionen mit der Absicht das deutsche Volk auszurotten, nach wie vor das, was die Mehrheit der Politiker und der Presse antreibt (natürlich auch, immer durchtriebener).
So is dat.


Ich sehe, da kennt sich jemand ja bestens mit Rechtsradikalismus aus …

@ „Naturalistischer Fehlschluss“

Die Grundargumentation ist falsch. Man kann sogar nur von deskriptiven Eigenschaften überhaupt erst auf irgendwas schließen, auch im wertenden Sinne. Woher soll die Wertung sonst kommen und vor allem auf was soll sie sich beziehen? Das würde ja nur auf ein Arbeiten mit Totalabstraktionen hinauslaufen, was aber im strengen wissenschaftlichen Sinne einer Begründung nicht zulässig ist (wird aber trotzdem ständig gemacht, gerade die Psychologie ist voll davon).
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jan 2012, 12:07

Teh Asphyx hat geschrieben:Ein Machtdiskurs ist kein Thema für sich. Ein Machtdiskurs ist in Themen enthalten und er ist ein Schlüssel für die Analyse von Sachverhalten (man kann ihn also in einem Thema jeweils als Bestandteil thematisieren).


Und eine Alternative ist der herrschaftsfreie Diskurs, der von Argumenten lebt.
Die habe ich Dir geschrieben, darauf kannst Du antworten, wenn Du willst.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Für die Letzteren hat sich seit der Nazizeit nichts geändert (nur die Mittel sind geschickter geworden),


Nicht erst seit der Nazizeit, sondern seit dem Beginn des Kapitalismus. Das ist ja auch nicht sonderlich überraschend, schließlich leben wir nach wie vor im Kapitalismus. Und ja, die Mittel haben sich verändert, auch das zu leugnen wäre idiotisch. Und was ist daran jetzt verschwörungstheoretisch? Aber klar, wenn man anderen Verschwörungstheorien unterstellt, hat man wieder so eine wunderbare rhetorische Karte ausgespielt, weil man die Leute gleich mal in eine Schublade abgelegt hat, wo man sie nicht mehr ernst nehmen muss. Das gefällt Dir ja, wie Du immer wieder gerne zeigst.


Warum ordnest Du Dich bei den linken Verschwörungstheoretikern ein?
Ich wollte die extremen Enden des Spektrum darstellen, von ultralinks, bis ultrarechts, Dich da gleich auf ultralinks zu positioniert zu sehen und zu verteidigen, war Deine Wahl.

Teh Asphyx hat geschrieben:@ „Naturalistischer Fehlschluss“

Die Grundargumentation ist falsch. Man kann sogar nur von deskriptiven Eigenschaften überhaupt erst auf irgendwas schließen, auch im wertenden Sinne. Woher soll die Wertung sonst kommen und vor allem auf was soll sie sich beziehen?


Am Anfang moralischer und ethischer Überlegungen steht die Frage, wie man zusammen leben sollte oder will, die nach dem Miteinander. Die Frage kommt vermutlich tatsächlich erst auf, vor dem Hintergrund, dass der Istzustand als unbefriedigend erlebt wird. („So kann es nicht weitergehen“ So sollte es nicht sein“) Insofern geht es schon auch um Deskription, aber um eine kritisch-hinterfragende Sicht auf das was ist.

Der naturalistische Fehlschluss ist ja gerade der vom Sein aufs Sollen. Die (falsche) Ableitung, dass das was so ist, auch schon dadurch, dass es ist, gut und richtig ist.
Gut und richtig sind aber normative Einstellungen, die erst im Diskurs gefunden werden müssen.
Man muss sich auf das einigen, was als gut und richtig (und falsch und böse) zu bezeichnen ist und begründen, warum das eine anzustreben und das andere abzustellen sein sollte.

Teh Asphyx hat geschrieben:Das würde ja nur auf ein Arbeiten mit Totalabstraktionen hinauslaufen, was aber im strengen wissenschaftlichen Sinne einer Begründung nicht zulässig ist (wird aber trotzdem ständig gemacht, gerade die Psychologie ist voll davon).


Wo in der Psychologie, finden sich denn Totalabstraktionen?
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Teh Asphyx » Do 26. Jan 2012, 12:34

Vollbreit hat geschrieben:Und eine Alternative ist der herrschaftsfreie Diskurs, der von Argumenten lebt.
Die habe ich Dir geschrieben, darauf kannst Du antworten, wenn Du willst.


Anders gesagt, Du möchtest von mir, dass ich die Komponente des Diskurses, die schon die Richtung vorgibt, einfach ignoriere, diese Richtung als gegeben ansehe, mich dann ganz toll neutral fühle und dann in diesem Rahmen argumentiere, egal, ob dann totaler Müll dabei rauskommt?

Vollbreit hat geschrieben:Warum ordnest Du Dich bei den linken Verschwörungstheoretikern ein?


Wo tu ich das?

Vollbreit hat geschrieben:Ich wollte die extremen Enden des Spektrum darstellen, von ultralinks, bis ultrarechts, Dich da gleich auf ultralinks zu positioniert zu sehen und zu verteidigen, war Deine Wahl.


Ich habe nicht nirgends positioniert, ich find es nur arm, wenn ultralinks und ultrarechts so gleich gesetzt werden, weil das davon zeugt, dass man sich inhaltlich damit überhaupt nicht auseinandersetzt. Und dann noch ein „so ist dat“ hinterher setzt, als wäre mit ein paar trivialen Sätzen alles zum Sachverhalt gesagt.

Vollbreit hat geschrieben:Der naturalistische Fehlschluss ist ja gerade der vom Sein aufs Sollen.


Von was soll man denn sonst aufs Sollen schließen? Von irgendeiner geheimnisvollen Kraft oder was?

Vollbreit hat geschrieben:Die (falsche) Ableitung, dass das was so ist, auch schon dadurch, dass es ist, gut und richtig ist.


Und wieder die Frage: Wodurch denn sonst?
Etwas kann nur gut oder schlecht dadurch sein, dass es ist.

Vollbreit hat geschrieben:Gut und richtig sind aber normative Einstellungen, die erst im Diskurs gefunden werden müssen.


Sicher doch, und wenn mir jemand eine reinhaut, muss ich erst im Diskurs erfahren, ob mir das schadet. :irre:

Vollbreit hat geschrieben:Man muss sich auf das einigen, was als gut und richtig (und falsch und böse) zu bezeichnen ist und begründen, warum das eine anzustreben und das andere abzustellen sein sollte.


Und auf welcher Basis möchte man das begründen, wenn nicht auf der, was ist?

Vollbreit hat geschrieben:Wo in der Psychologie, finden sich denn Totalabstraktionen?


Die Frage müsste fast eher lauten, wo sich denn mal keine finden. Nimm allein die Triebspannungen, die sich auf keinerlei Inhalte beziehen sollen, sondern einfach so an-sich schon wirken sollen. Oder die ganzen psychologischen Erklärungen für „Gewaltbereitschaft“, da ist eine dümmer als die andere, weil auch hier jede psychologische Richtung meint, Inhalte ignorieren zu müssen (tatsächliche Gründe für Gewaltausübung), stattdessen wird sich auf irgendein abstraktes Gewaltpotential berufen, das gleich mit der Gewalt selbst bewiesen wird, was einfach nur einen Zirkelschluss ergibt. Wenn Du es ausführlich haben willst: http://www.contradictio.de/kritik_psychologie.html
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jan 2012, 13:32

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und eine Alternative ist der herrschaftsfreie Diskurs, der von Argumenten lebt.
Die habe ich Dir geschrieben, darauf kannst Du antworten, wenn Du willst.


Anders gesagt, Du möchtest von mir, dass ich die Komponente des Diskurses, die schon die Richtung vorgibt, einfach ignoriere, diese Richtung als gegeben ansehe, mich dann ganz toll neutral fühle und dann in diesem Rahmen argumentiere, egal, ob dann totaler Müll dabei rauskommt?


Ich weiß nicht was Du dabei für Empfindungen hast und ehrlich gesagt ist es mir auch relativ egal und ich will Dir aus diesem Grunde auch nicht vorschreiben, wie Du Dich fühlen sollst.
DU kannst ja zum Herrschafts- oder Machtdiskurs ein eigenes Thema aufmachen und Dich dort nach Herzenslust abarbeiten. Aber jeden Satz zu jedem Thema daraufhin abzuklopfen, ob da nun irgendwer, irgendjemanden, irgendwie unterdrücken will, finde ich auf die Dauer etwas anstregend und würde dann aussteigen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Warum ordnest Du Dich bei den linken Verschwörungstheoretikern ein?


Wo tu ich das?


Ich hatte den Eindruck, dass Du Dich mit der Position identifizierst, die besagt, dass sich in den letzten Jahrhunderten eigentlich nichts geändert hat.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich wollte die extremen Enden des Spektrum darstellen, von ultralinks, bis ultrarechts, Dich da gleich auf ultralinks zu positioniert zu sehen und zu verteidigen, war Deine Wahl.


Ich habe nicht nirgends positioniert, ich find es nur arm, wenn ultralinks und ultrarechts so gleich gesetzt werden, weil das davon zeugt, dass man sich inhaltlich damit überhaupt nicht auseinandersetzt. Und dann noch ein „so ist dat“ hinterher setzt, als wäre mit ein paar trivialen Sätzen alles zum Sachverhalt gesagt.


Wie gesagt, mach ein eigenes Thema dazu auf, meinetwegen auch zur richtigen oder falschen Gleichsetzung von politischem Extremismus.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Der naturalistische Fehlschluss ist ja gerade der vom Sein aufs Sollen.


Von was soll man denn sonst aufs Sollen schließen? Von irgendeiner geheimnisvollen Kraft oder was?


Was den Schluss zum Fehlschluss macht, ist nicht, dass er sich auf etwas bezieht, was vorhanden ist, sondern, dass er behauptet, etwas sei gut, richtig, wünschenswert oder anzustreben, allein deshalb, weil es vorhanden ist, also so ist, wie es ist.
Dass also aus einer deskriptiven Position auf einmal eine normative gemacht wird.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Die (falsche) Ableitung, dass das was so ist, auch schon dadurch, dass es ist, gut und richtig ist.


Und wieder die Frage: Wodurch denn sonst?
Etwas kann nur gut oder schlecht dadurch sein, dass es ist.


Ich habe es oben versucht zu erläutern.
Sätze wie: „Es gibt Bananen“ „Viele Tiere haben vier Beine“ oder „In der Natur ist Homosexualität eher selten“ sind erst mal nur deskriptiv.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Gut und richtig sind aber normative Einstellungen, die erst im Diskurs gefunden werden müssen.


Sicher doch, und wenn mir jemand eine reinhaut, muss ich erst im Diskurs erfahren, ob mir das schadet. :irre:


Die Forderung dass man auf Gewalt möglichst verzichten sollte – was Dich regelmäßig nur zu belasten scheint, wenn es um Dich geht, gegen Selbstjustiz scheinst Du ansonsten nichts zu haben – wäre eine Forderung die zu diskutieren wäre, klar. Ich finde die Forderung richtig.


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Man muss sich auf das einigen, was als gut und richtig (und falsch und böse) zu bezeichnen ist und begründen, warum das eine anzustreben und das andere abzustellen sein sollte.


Und auf welcher Basis möchte man das begründen, wenn nicht auf der, was ist?


Auf der Basis der Begründungen dessen, was man sich, bezüglich des Zusammenlebens mit anderen Menschen, wünscht. Das sind eher Möglichkeiten als Gegebenheiten, kann natürlich auch mal sein, dass man etwas was ist ganz prima findet und der Meinung ist, so sollte es weiterlaufen, aber auch das müsste man begründen. „Ich finde es so gut, weil …“ „Ich möchte, dass es so bleibt, weil…“

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wo in der Psychologie, finden sich denn Totalabstraktionen?


Die Frage müsste fast eher lauten, wo sich denn mal keine finden. Nimm allein die Triebspannungen, die sich auf keinerlei Inhalte beziehen sollen, sondern einfach so an-sich schon wirken sollen.


Triebspannungen basieren auf Affekten. Affekte sind Reaktionen auf äußere Reize, von denen einige, bereits von Geburt an, vom Kind gemocht werden (das Kind versucht sie zu wiederholen, lacht, wendet sich zu…) und einige zurückgewiesen werden (das Kind schreit, weint, wendet sich ab, zeigt Ekel oder Aversion…). Das Kind sortiert die Affekte zu Bündeln, guten und schlechten. Aus diesen Bündeln erwachsen dann die Triebe, das eine zu vermeiden, das andere anzustreben und daraus resultieren die Spannungen. Kernberg, Krause, Stern haben hier geforscht.

Teh Asphyx hat geschrieben: Oder die ganzen psychologischen Erklärungen für „Gewaltbereitschaft“, da ist eine dümmer als die andere, weil auch hier jede psychologische Richtung meint, Inhalte ignorieren zu müssen (tatsächliche Gründe für Gewaltausübung), stattdessen wird sich auf irgendein abstraktes Gewaltpotential berufen, das gleich mit der Gewalt selbst bewiesen wird, was einfach nur einen Zirkelschluss ergibt. Wenn Du es ausführlich haben willst: http://www.contradictio.de/kritik_psychologie.html
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Auf den link gehe ich gesondert ein.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Teh Asphyx » Do 26. Jan 2012, 14:50

Vollbreit hat geschrieben:Ich weiß nicht was Du dabei für Empfindungen hast und ehrlich gesagt ist es mir auch relativ egal und ich will Dir aus diesem Grunde auch nicht vorschreiben, wie Du Dich fühlen sollst.
DU kannst ja zum Herrschafts- oder Machtdiskurs ein eigenes Thema aufmachen und Dich dort nach Herzenslust abarbeiten. Aber jeden Satz zu jedem Thema daraufhin abzuklopfen, ob da nun irgendwer, irgendjemanden, irgendwie unterdrücken will, finde ich auf die Dauer etwas anstregend und würde dann aussteigen.


Es geht nicht ums unterdrücken Wollen. Es geht darum, ob eine bestimmte Formulierung oder ein bestimmtes Thema an sich schon ein Machtverhältnis beinhaltet, das dann schweigend beibehalten wird, letztlich aber dadurch am tatsächlichen Problem vorbei diskutiert wird (nicht das Machtverhältnis ist das eigentliche Problem, aber es kann eben nicht gelöst, werden, wenn diese Komponente nicht aufgedeckt und reflektiert wurde). Natürlich ist das anstrengend, wer hat gesagt, dass gehaltvolle Diskussionen, die zu was führen sollen, nicht anstrengend sein dürfen?

Vollbreit hat geschrieben:Ich hatte den Eindruck, dass Du Dich mit der Position identifizierst, die besagt, dass sich in den letzten Jahrhunderten eigentlich nichts geändert hat.


Identifizieren schon gar nicht. Ich kann zumindest mit der Kritik aus dem linken Lager was anfangen, weiß aber weiterhin nicht, was Du mit Verschwörungstheorie in dem Zusammenhang meinst.

Vollbreit hat geschrieben:Wie gesagt, mach ein eigenes Thema dazu auf, meinetwegen auch zur richtigen oder falschen Gleichsetzung von politischem Extremismus.


Wahnsinn, wie hier wieder auf alles eingegangen wird.

Vollbreit hat geschrieben:Was den Schluss zum Fehlschluss macht, ist nicht, dass er sich auf etwas bezieht, was vorhanden ist, sondern, dass er behauptet, etwas sei gut, richtig, wünschenswert oder anzustreben, allein deshalb, weil es vorhanden ist, also so ist, wie es ist.
Dass also aus einer deskriptiven Position auf einmal eine normative gemacht wird.


Nein, es geht ganz allgemein darum, dass in der Beschreibung das Urteil selbst auch drin steckt (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Naturalist ... ehlschluss). Und ich frage halt, wo sonst?

Vollbreit hat geschrieben:Ich habe es oben versucht zu erläutern.
Sätze wie: „Es gibt Bananen“ „Viele Tiere haben vier Beine“ oder „In der Natur ist Homosexualität eher selten“ sind erst mal nur deskriptiv.


… und ein bisschen zu einfach. Spinn das Ding aber mal weiter und beschreibe, welche exakten Geschmackseigenschaften eine Banane hat und dann welche Geschmacksrezeptoren im Menschen sind, wie der gesamte Organismus jeweils auf das Vorhandensein dieser Geschmackseigenschaften reagiert und Du hast immer noch nur deskriptive Aussagen, kannst aber hervorragend daraus ableiten, ob die Banane gut schmeckt oder nicht. Es behauptet ja keiner, dass sich aus jedem Satz etwas normatives ableiten lässt, aber das heißt noch lange nicht, dass es grundsätzlich nicht geht, denn dann müsste ich wieder fragen, wie denn dann sonst?

Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Sicher doch, und wenn mir jemand eine reinhaut, muss ich erst im Diskurs erfahren, ob mir das schadet. :irre:


Die Forderung dass man auf Gewalt möglichst verzichten sollte – was Dich regelmäßig nur zu belasten scheint, wenn es um Dich geht, gegen Selbstjustiz scheinst Du ansonsten nichts zu haben – wäre eine Forderung die zu diskutieren wäre, klar. Ich finde die Forderung richtig.


Das hat alles nichts damit zu tun, ob mir der Schlag schadet. Ich brauche keine Forderung, Justiz oder sonst irgendwas, um festzustellen, ob mir etwas gut tut oder schadet, das merke ich anhand des Sachverhalts einfach.

Vollbreit hat geschrieben:Auf der Basis der Begründungen dessen, was man sich, bezüglich des Zusammenlebens mit anderen Menschen, wünscht. Das sind eher Möglichkeiten als Gegebenheiten, kann natürlich auch mal sein, dass man etwas was ist ganz prima findet und der Meinung ist, so sollte es weiterlaufen, aber auch das müsste man begründen. „Ich finde es so gut, weil …“ „Ich möchte, dass es so bleibt, weil…“


Unfug. Bevor ich etwas wünschen kann, muss es eine Gegebenheit da sein, aufgrund derer ich mir was wünsche. Ich habe erst Hunger (Gegebenheit) und wünsche mir dann etwas zu essen, nicht umgekehrt und schon gar nicht losgelöst voneinander.

Vollbreit hat geschrieben:Triebspannungen basieren auf Affekten. Affekte sind Reaktionen auf äußere Reize, von denen einige, bereits von Geburt an, vom Kind gemocht werden (das Kind versucht sie zu wiederholen, lacht, wendet sich zu…) und einige zurückgewiesen werden (das Kind schreit, weint, wendet sich ab, zeigt Ekel oder Aversion…). Das Kind sortiert die Affekte zu Bündeln, guten und schlechten. Aus diesen Bündeln erwachsen dann die Triebe, das eine zu vermeiden, das andere anzustreben und daraus resultieren die Spannungen. Kernberg, Krause, Stern haben hier geforscht.


Schön für die, dass die das haben.
Also ist die Sache dann damit erledigt, dass man die Totalabstraktionen einfach auf eine weitere Ebene verlegt, immerhin hat man dann ja die Bedingungen für die Triebspannungen. :up:
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jan 2012, 15:43

Teh Asphyx hat geschrieben:Es geht nicht ums unterdrücken Wollen. Es geht darum, ob eine bestimmte Formulierung oder ein bestimmtes Thema an sich schon ein Machtverhältnis beinhaltet, das dann schweigend beibehalten wird, letztlich aber dadurch am tatsächlichen Problem vorbei diskutiert wird (nicht das Machtverhältnis ist das eigentliche Problem, aber es kann eben nicht gelöst, werden, wenn diese Komponente nicht aufgedeckt und reflektiert wurde). Natürlich ist das anstrengend, wer hat gesagt, dass gehaltvolle Diskussionen, die zu was führen sollen, nicht anstrengend sein dürfen?


Das ist nicht anstrengend sondern überbekannt. Ich habe solche Diskussionen schon bis zum Erbrechen geführt, die laufen immer auf die Doppelbindung raus: „Entweder du verstehst nicht, um was es geht oder bist ein ignoranter Unterdrücker.“
Logisch eine petitio principii, argumentativ eine Selbstimmunisierung, psychologisch eine paranoide Einstellung.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was den Schluss zum Fehlschluss macht, ist nicht, dass er sich auf etwas bezieht, was vorhanden ist, sondern, dass er behauptet, etwas sei gut, richtig, wünschenswert oder anzustreben, allein deshalb, weil es vorhanden ist, also so ist, wie es ist.
Dass also aus einer deskriptiven Position auf einmal eine normative gemacht wird.


Nein, es geht ganz allgemein darum, dass in der Beschreibung das Urteil selbst auch drin steckt (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Naturalist ... ehlschluss). Und ich frage halt, wo sonst?


Ja, das sagt mit anderen Worten, dass eine Beschreibung zur Norm erhoben wird.
Das ist ein Fehlschluss, weil eine andere Kategorie vorhanden ist und die Begründung fehlt, warum das was ist, auch sein sollte.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich habe es oben versucht zu erläutern.
Sätze wie: „Es gibt Bananen“ „Viele Tiere haben vier Beine“ oder „In der Natur ist Homosexualität eher selten“ sind erst mal nur deskriptiv.


… und ein bisschen zu einfach. Spinn das Ding aber mal weiter und beschreibe, welche exakten Geschmackseigenschaften eine Banane hat und dann welche Geschmacksrezeptoren im Menschen sind, wie der gesamte Organismus jeweils auf das Vorhandensein dieser Geschmackseigenschaften reagiert und Du hast immer noch nur deskriptive Aussagen, kannst aber hervorragend daraus ableiten, ob die Banane gut schmeckt oder nicht.


Nö.
Genau das kannst Du nicht ableiten, sondern das kannst Du nur durch eine subjektive Geschmacksbewertung und die ist übrigens immer noch kein Sollen. Sollte man Bananen essen, oder nicht essen, weil man weiß, wieviel Zucker sie enthalten?

Teh Asphyx hat geschrieben:Es behauptet ja keiner, dass sich aus jedem Satz etwas normatives ableiten lässt, aber das heißt noch lange nicht, dass es grundsätzlich nicht geht, denn dann müsste ich wieder fragen, wie denn dann sonst?


In dem man ein Werturteil fällt, wie: „Bananen schmecken nicht“ und dieses Werturteil dann begründet. Rein deskritptiv ist es wohl so, dass manchem Bananen schmecken und anderen nicht.
Was folgt jetzt normativ über den Geschmack daraus?


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:Sicher doch, und wenn mir jemand eine reinhaut, muss ich erst im Diskurs erfahren, ob mir das schadet. :irre:


Die Forderung dass man auf Gewalt möglichst verzichten sollte – was Dich regelmäßig nur zu belasten scheint, wenn es um Dich geht, gegen Selbstjustiz scheinst Du ansonsten nichts zu haben – wäre eine Forderung die zu diskutieren wäre, klar. Ich finde die Forderung richtig.


Das hat alles nichts damit zu tun, ob mir der Schlag schadet. Ich brauche keine Forderung, Justiz oder sonst irgendwas, um festzustellen, ob mir etwas gut tut oder schadet, das merke ich anhand des Sachverhalts einfach.


Sicher, wenn etwas mit der Kraft x auf Dein Gesicht trifft, schadet Dir das.
Und was ist an dieser Feststellung normativ, moralisch?
Auch die Aussage: „Ich will nicht, dass mir Schaden zugefügt wird“ ist noch nicht so, dass es eine allgemeine Forderung ist. Diese wird z.B. daraus, wenn Du sagst: „Man sollte Menschen keinen Schaden zufügen.“, was Du dann begründen solltest. Da Du aber für Selbstjustiz bist, ist das nicht Deine Ansicht und dann bleibt Dein, „Ich will nicht das mir Schaden zugefügt wird“ eine Forderung die erstmal nur auf Dich allein beschränkt bleibt und in mir die Gegenfrage auslöst, warum Dir andere Rechte zustehen sollten, als allen anderen, was also Deine hochgradig egozentrische Sichtweise rechtfertigt.

Teh Asphyx hat geschrieben:Bevor ich etwas wünschen kann, muss es eine Gegebenheit da sein, aufgrund derer ich mir was wünsche. Ich habe erst Hunger (Gegebenheit) und wünsche mir dann etwas zu essen, nicht umgekehrt und schon gar nicht losgelöst voneinander.


Ja, das wäre doch mal ein Anfang. Etwas wie: „Man sollte dafür sorgen, dass alle Menschen genug zu essen haben“, wobei freilich auch hier noch eine Begründung fehlt, (Sonst könnte man auch sagen: „Alle Menschen sollten 30 Briefmarken haben.“) die lauten könnte, dass kein Essen zu haben lebensgefährlich sein kann, zu dauerhaften Schäden und Leid führt oder führen kann und dass man das Leid möglichst minimieren sollten, weil die meisten Menschen nicht gerne leiden.


Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Triebspannungen basieren auf Affekten. Affekte sind Reaktionen auf äußere Reize, von denen einige, bereits von Geburt an, vom Kind gemocht werden (das Kind versucht sie zu wiederholen, lacht, wendet sich zu…) und einige zurückgewiesen werden (das Kind schreit, weint, wendet sich ab, zeigt Ekel oder Aversion…). Das Kind sortiert die Affekte zu Bündeln, guten und schlechten. Aus diesen Bündeln erwachsen dann die Triebe, das eine zu vermeiden, das andere anzustreben und daraus resultieren die Spannungen. Kernberg, Krause, Stern haben hier geforscht.


Schön für die, dass die das haben.
Also ist die Sache dann damit erledigt, dass man die Totalabstraktionen einfach auf eine weitere Ebene verlegt, immerhin hat man dann ja die Bedingungen für die Triebspannungen. :up:


Das Wort Totalabstraktion ist ein schwammiger Begriff, der mir auch nach einem Drittel der Analyse des Textes von Kröll nicht klarer geworden ist, obwohl er dort mehrfach auftauchte.
Kannst Du den Begriff bitte mal definieren.

Zum Text selbst (einem Teil davon), habe ich hier etwas geschrieben:
viewtopic.php?f=29&p=84667#p84667
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Teh Asphyx » Do 26. Jan 2012, 16:13

Vollbreit hat geschrieben:Das ist nicht anstrengend sondern überbekannt. Ich habe solche Diskussionen schon bis zum Erbrechen geführt, die laufen immer auf die Doppelbindung raus: „Entweder du verstehst nicht, um was es geht oder bist ein ignoranter Unterdrücker.“
Logisch eine petitio principii, argumentativ eine Selbstimmunisierung, psychologisch eine paranoide Einstellung.


Und trotzdem kann das Argument stimmen. Anstatt zu bemängeln, dass man unterstellt, es gebe nur diese Möglichkeiten, könntest Du ja auch einfach eine weitere ins Spiel bringen.
So wie ich Dich verstanden habe, sagst Du, dass man eine Fragestellung selbst zum Beispiel nicht in Frage stellen sollte, sondern sich einfach nur mit ihrer Beantwortung beschäftigen.
Sisyphos sollte sich lieber darauf konzentrieren den Stein auf den Berg zu rollen, als in Frage zu stellen, warum er das tut. Genau diese Einstellung meine ich, ist ignorant, und die legst Du hier ständig an den Tag. Wenn Du das gut findest, ist das Dein Ding, aber erwarte von mir nicht, dass ich mich deswegen in meiner Infragestellung einschränken lasse. Und wenn Du in diesem Forum mit diskutierst, wirst Du das aushalten müssen.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, das sagt mit anderen Worten, dass eine Beschreibung zur Norm erhoben wird.


Nein, es sagt nur, dass die Norm in der Beschreibung enthalten ist. Deswegen muss noch lange nicht jede Beschreibung zur Norm erhoben werden. Das ist wirklich ein Fehlschluss.

Vollbreit hat geschrieben:Nö.
Genau das kannst Du nicht ableiten, sondern das ist eine subjektive Geschmacksbewertung und übrigens immer noch kein Sollen. Sollte man Bananen essen, oder nicht essen, weil man weiß, wieviel Zucker sie enthalten?


Du machst aus der subjektiven Geschmacksbewertung irgendwas mystisches, was man nicht feststellen könnte. Es lässt sich mittlerweile ziemlich gut ablesen, ob jemanden etwas schmeckt oder nicht. Dass man die eigene Erfahrung und ihre Beschreibung dafür braucht, um das bei einer Beobachtung dann auch feststellen zu können, ist klar. Aber auch hier wurde der Rahmen des Deskriptiven nicht verlassen.
Wenn man ebenso weiß, was die jeweilige Menge Zucker bewirkt, dann folgt das Sollen daraus, ja. Woraus sonst?

Vollbreit hat geschrieben:In dem man ein Werturteil fällt, wie: „Bananen schmecken nicht“ und dieses Werturteil dann begründet. Rein deskritptiv ist es wohl so, dass manchem Bananen schmecken und anderen nicht.
Was folgt jetzt normativ über den Geschmack daraus?


Ich habe eben noch kritisiert, dass Du einen falschen Umkehrschluss postulierst und jetzt machst Du es schon wieder. Es muss nicht aus jeder Beschreibung zwangsläufig irgendwas folgen, aber Grundlage einer Folgerung ist immer eine Beschreibung. Ich muss Dir nicht zeigen, wie aus irgendeiner Beschreibung irgendwas folgt, sondern Du musst mir beweisen, dass das Urteil aus etwas anderem folgt als aus einer Beschreibung. Viel Vergnügen!

Vollbreit hat geschrieben:Sicher, wenn etwas mit der Kraft x auf Dein Gesicht trifft, schadet Dir das.
Und was ist an dieser Feststellung normativ, moralisch?


Etwas schadet mir = etwas ist schlecht (für mich).

Vollbreit hat geschrieben:Auch die Aussage: „Ich will nicht, dass mir Schaden zugefügt wird“ ist noch nicht so, dass es eine allgemeine Forderung ist.


Etwas normatives muss auch nicht allgemein sein.

Vollbreit hat geschrieben:Diese wird z.B. daraus, wenn Du sagst: „Man sollte Menschen keinen Schaden zufügen.“, was Du dann begründen solltest. Da Du aber für Selbstjustiz bist, ist das nicht Deine Ansicht und dann bleibt Dein, „Ich will nicht das mir Schaden zugefügt wird“ eine Forderung die erstmal nur auf Dich allein beschränkt bleibt und in mir die Gegenfrage auslöst, warum Dir andere Rechte zustehen sollten, als allen anderen, was also Deine hochgradig egozentrische Sichtweise rechtfertigt.


Und warum sollte ich mich anmaßen zu entscheiden, dass weil ich etwas für mich nicht möchte, es auch kein anderer bekommen soll? DAS wäre hochgradig egozentrisch, weil ich dann von mir auf alle schließe.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, das wäre doch mal ein Anfang. Etwas wie: „Man sollte dafür sorgen, dass alle Menschen genug zu essen haben“, wobei freilich auch hier noch eine Begründung fehlt, (Sonst könnte man auch sagen: „Alle Menschen sollten 30 Briefmarken haben.“) die lauten könnte, dass kein Essen zu haben lebensgefährlich sein kann, zu dauerhaften Schäden und Leid führt oder führen kann und dass man das Leid möglichst minimieren sollten, weil die meisten Menschen nicht gerne leiden.


Siehst Du, lauter deskripitive Sachverhalte, auf die Du die Begründung stützt.

Vollbreit hat geschrieben:Das Wort Totalabstraktion ist ein schwammiger Begriff, der mir auch nach einem Drittel der Analyse des Textes von Kröll nicht klarer geworden ist, obwohl er dort mehrfach auftauchte.
Kannst Du den Begriff bitte mal definieren.


Es bedeutet, dass alles andere als genau eine Sache ausgeblendet wird, die als Einziges für ausschlaggebend erachtet wird. Statt Triebspannungen sind es jetzt die Affekte. Selbst wenn die Affekte auf äußere Reize reagieren, so werden sie doch alleine als ausschlaggebend angesehen und folglich spielt dann auf der Ebene nur noch der Affekt eine Rolle.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon ganimed » Do 26. Jan 2012, 23:57

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Wir beide und vermutlich fast alle kultivierten Menschen (sagen wir westliche Kultur) wären aber nicht glücklich.
Dumm nur, wenn sich erweisen sollte, dass die Zahl derer, die Du als unkultiviert ansiehst, größer wäre.

Überhaupt nicht dumm. Ich jedenfalls finde es völlig richtig, wenn man die Ethik individuell von den betroffenen Menschen abhängig macht. Römer hatten eine andere Ethik als Westeuropäer. Wenn es tausende von Römern wirklich glücklich macht und den Christen in der Arena, der vom Löwen zerfleischt wird, ebenfalls glücklich macht, dann würde meine abgeleitete Ethik sagen: Just do it and have fun. Und welcher Westeuropäer wollte so arrogant sein, den Römern ihre eigene Ethik zu verwehren? When in rome...

Vollbreit hat geschrieben:Sollte man einen gesunden Menschen, der aber kriminell ist und der Gesellschaft zur Last fällt und keine Anhgehörigen mehr hat, töten dürfen, wenn mit seinen Innereien wichtige Transplantationen durchgeführt werden könnten, die angesehenere Mitglieder der Gesellschaft retten würden?

Wenn alle Beteiligten damit am glücklichsten werden, dann ja. Ich vermute allerdings, dass der Getötete nicht besonders glücklich wird. Also nein. Meine Ethik-Ableitung funktioniert also, obwohl sie von deskriptiven Aussagen abgeleitet wurde. Ich warte aber noch ein wenig, ob jemand mal ein stichhaltiges Argument dagegen hat. Bis dahin lautet meine Arbeitshypothese: der Moore kann einpacken, denn der "Naturalistische Fehlschluss" ist gar kein Fehlschluss, sondern ein gangbarer Weg.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Nanna » Fr 27. Jan 2012, 00:44

ganimed hat geschrieben:Meine Ethik-Ableitung funktioniert also, obwohl sie von deskriptiven Aussagen abgeleitet wurde. Ich warte aber noch ein wenig, ob jemand mal ein stichhaltiges Argument dagegen hat. Bis dahin lautet meine Arbeitshypothese: der Moore kann einpacken, denn der "Naturalistische Fehlschluss" ist gar kein Fehlschluss, sondern ein gangbarer Weg.

Du hast aber keine Ethik abgeleitet, sondern eine formuliert (im Sinne von konstruiert, aufgebaut) - was etwas komplett anderes ist. Sollen-Aussagen sind immer so eine Art Konjunktivaussagen: Träfen diese und jene Bedingungen zu, wäre Zustand XYZ als "gut" anzusehen. Beim naturalistischen Fehlschluss geht es aber, wie Vollbreit (besser als ich in meinem gestrigen Beitrag) dargelegt hat, um die Ableitung aus dem faktischen (nicht dem hypothetischen!) Sein zum Sollen (ich habe gestern nicht so ganz in die richtige Richtung losargumentiert). Mit der Vorbedingung, dass alle Beteiligten glücklich sein müssen, hast du bereits eine hypothetische Prämisse formuliert, die zum Sein ein bestimmtes Sollen addiert. Beim naturalistischen Fehlschluss wird dieser Zwischenschritt aber ausgelassen. Beispielsweise wäre es ein naturalistischer Fehlschluss zu sagen, dass Krieg moralisch gerechtfertigt ist, weil er seiend ist, oder anders formuliert, weil er existiert. Die Präferenzen der Beteiligten sind dabei unerheblich.

In deiner Argumentation klafft ja an der Stelle auch ein dickes Loch: Warum sollte ich dir zustimmen, dass alle Beteiligten glücklich sein müssen? Aus deskriptiver Beschreibung folgt nur, ob die Beteiligten glücklich sind oder nicht. Es folgt ganz explizit NICHT daraus, ob es wünschenswert ist, dass sie glücklich sind. Es wäre durchaus eine solipsistische Ethik denkbar, in der das Quälen anderer Menschen zur eigenen Freude moralisch gerechtfertigt ist. Diese wäre genauso gut bzw. eher schlecht aus deskriptiven Beschreibungen "abgeleitet". Im philosophischen Satanismus wird durchaus so argumentiert, was in der prominenten satanistischen Phrase "Tue was du willst sei das ganze Gesetz!" zum Ausdruck kommt. Wer sich gegen den Willen des Anderen nicht wehren kann, ist in dieser Weltsicht eben nicht lebenswert; hier wird häufig die Evolution bemüht, die ja zweifellos gnadenlos selektiert und dabei unbestreitbar häufig die Schwächeren zuerst. Der dazugehörige naturalistische Fehlschluss ist, dass die Selektion gut im Sinne von "in Ordnung", "nicht änderns- oder bekämpfenswert" ist, WEIL sie natürlicherweise existiert.
Wenn du nun ankommst und das anders haben möchtest, musst du eine entsprechende Norm aufstellen und diese Norm ist nunmal normativ, d.h. sie definiert den Wunschzustand in Abgrenzung zu allen denkbaren und physisch möglichen (!) anderen Zuständen. Selbstverständlich lässt sich, insbesondere unter Annahme eines Determinismus, deskriptiv darlegen, wieso du natürlicherweise dazu kommst, die betreffende Norm zu vertreten. Wie du dazu kommst und wie die Norm begründet wird, ist aber nicht dasselbe - und selbst, wenn es das wäre: Wieso sollte deine Norm dann gegenüber den anderen Millionen persönlichen ethischen Überlegungen anderer Menschen bevorzugt werden? Allerspätestens hier ist mit reiner Deskription wirklich Schluss, weil du diskursiv vor anderen vertreten musst, warum deine Norm als allgemeingültig anerkannt werden sollte. Deskriptive Aussagen wie "Den Bauch aufschlitzen tut weh" helfen dir da nicht weiter, weil der zur Ableitung der Norm notwendige Schritt eine Bewertung beinhaltet, die nur mithilfe der Einführung zusätzlicher Prämissen geführt werden kann -> "Bauch aufschlitzen tut weh und weil es uns ohne Schmerzen allen besser geht, SOLL niemandem der Bauch aufgeschlitzt werden."
Ich finde das im Grunde banal: Der deskriptive, nicht-bewertende Satz "Den Bauch aufschlitzen tut weh" zieht ja keine Schlussfolgerung nach sich. Der Satz steht einfach unbekümmert in der Landschaft herum, er ist eine bloße Darstellung eines Sachverhalts. Man könnte auch jeden beliebigen anderen Inhalt einfügen, z.B. "sfjdsfsdg" oder "1". Relevanz erhält ein Sachverhalt erst durch Interpretation und Interpretation ist eben nicht nur stating the facts, sondern die Einordnung der Fakten in ein Sinnsystem.

Wird ungefähr verständlich, worauf ich hinauswill?
Zuletzt geändert von Nanna am Fr 27. Jan 2012, 01:21, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Unklare Formulierung beseitigt.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon ganimed » Fr 27. Jan 2012, 08:19

Wikipedia schreibt:
    "Als Naturalistischer Fehlschluss (engl. naturalistic fallacy) wird der Versuch bezeichnet, ausgehend von natürlichen oder übernatürlichen deskriptiven Eigenschaften zu definieren, was gut ist. Der Begriff wurde durch den englischen Philosophen George Edward Moore geprägt, der eine solche Reduktion für unzulässig hält. Der Schluss auf eine wertende (präskriptive) Aussage setzt mindestens eine wertende Prämisse voraus, in der gut, geboten oder ein vergleichbares Wertprädikat zumindest implizit vorkommen."
Also. Ich habe tatsächlich eine wertende Prämisse: "Glücklich sein ist gut". Diese Prämisse halte ich aber für so naheliegend, kanonisch und allgemeingültig, dass ich finde, sie sollte erlaubt sein. Und mit dieser Prämisse kann ich dann ausgehend von natürlichen, deskriptiven Eigenschaften (ich stelle fest, wodurch der jeweilige Mensch glücklich wird, beispielsweise durch Befragung oder Botenstoffmessung im Gehirn) eine ethische Empfehlung ableiten.

Moore würde daran Kritik üben, wenn ich recht verstehe, wie in Wikipedia weiter zu lesen ist, mit etwa folgendem Argument: "... ließe sich bei jedem Definitionsvorschlag [also auch bei meinem] immer hinterfragen, ob die Vorgeschlagene Eigenschaft denn wirklich gut sei, d.h. eine ethische Verpflichtung mit sich bringe bzw. positive Wertzuschreibungen zur Folge habe (das Argument der offenen Frage)." Ich argumentiere dagegen, dass ich meine Ableitung eben deshalb kanonisch nenne, weil sie so naheliegend ist. Der Mensch ist genau so gebaut, dass er Glück als positiv definiert. Die Frage, ob etwas, dass bei jedem Menschen automatisch als gut bewertet wird, denn wirklich gut sei, kann ich deshalb mit ja beantworten. Die offene Frage ist bei mir geschlossen.

Nanna hat geschrieben:Beim naturalistischen Fehlschluss geht es aber ... um die Ableitung aus dem faktischen (nicht dem hypothetischen!) Sein zum Sollen (ich habe gestern nicht so ganz in die richtige Richtung losargumentiert). Mit der Vorbedingung, dass alle Beteiligten glücklich sein müssen, hast du bereits eine hypothetische Prämisse formuliert, die zum Sein ein bestimmtes Sollen addiert.

Ich bin nicht sicher, ob ich dein Argument verstehe. Meinst du, dass die Feststellung: "Handlung X macht die Person Y glücklich" gar nicht deskriptiv ist, sich nicht feststellen lässt, sondern immer nur geraten sein kann, also eine unbeweisbare Hypothese bleibt? Man müsste einen Hirnforscher fragen, aber ich wäre jedenfalls der Ansicht, dass eine Glücksmessung noch eine relativ simple Angelegenheit ist. Du selbst hast ja das Stichwort Endorphinausschüttung genannt. Mit etwas Übung sollten die meisten Menschen imstande sein, ungefähr zu erkennen, wann sie glücklich sind (wobei ich zugebe, dass man sich da relativ oft täuschen kann). Auf jeden Fall ist die Aussage "der Mensch ist in diesem Augenblick glücklich" weit mehr als eine vage Hypothese.

Nanna hat geschrieben:Es wäre durchaus eine solipsistische Ethik denkbar, in der das Quälen anderer Menschen zur eigenen Freude moralisch gerechtfertigt ist.

Zugegeben, bei Egomanen wird die Sache kritisch. Dem müsste man einen Riegel vorschieben durch das Prinzip des Utilitarismus, wo das Gesamtglück der beteiligten Personen als Grundlage genommen wird. Aber wie auch immer die Feinheiten aussehen mögen, mit denen man abstruse Fälle in den Griff bekommt (Psychopaten, Masochisten, Komapatienten, jeder der Emotionen wie Glück auf ungewöhnliche Art und Weise generiert, oder komplex Situationen mit 10.000 Menschen) so geht es mir doch erst einmal um den Punkt: ist der Naturalistischer Fehlschlussn wirklich ein Fehlschluss? Kommt man wirklich nie von deskriptiv auf normativ? Ich komme, mit meiner kanonischen Wertungs-Prämisse.

Nanna hat geschrieben:Der deskriptive, nicht-bewertende Satz "Den Bauch aufschlitzen tut weh" zieht ja keine Schlussfolgerung nach sich. Der Satz steht einfach unbekümmert in der Landschaft herum, er ist eine bloße Darstellung eines Sachverhalts.

So würde ein Psychopath schreiben, der an dieser Stelle vielleicht einfach keine Empatiefähigkeit besitzt. Jedem anderen ist in seiner Gehirnstruktur grundlegend eingebrannt, dass man Dinge, die weh tun als negativ wertet. Daher ist es Unsinn, deinem deskriptiven Satz eine innewohnende Wertung abzusprechen.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Vollbreit » Fr 27. Jan 2012, 10:12

ganimed hat geschrieben:Also. Ich habe tatsächlich eine wertende Prämisse: "Glücklich sein ist gut". Diese Prämisse halte ich aber für so naheliegend, kanonisch und allgemeingültig, dass ich finde, sie sollte erlaubt sein.


Ja, aber sie ist auch ungeheuer nichtssagend, wie jede sehr allgemein gehaltene Aussage sehr richtig (oder sehr falsch) ist und sehr nichtssagend. „Glücklichsein ist gut.“ „Das Böse sollte vermieden werden.“ „Das Gute soll uns Vorbild sein.“

Aber was folgt nun daraus, das Glücklichsein gut ist? Soll man das Gute anstreben? Offenbar. Aber was genau ist das Gute? Und was genau ist Glück? Macht das Gute immer glücklich und ist das was glücklich macht immer gut? Schokolade macht viele glücklich. Kann man sagen, dass Schokolade gut ist? So als allgemeine Regel?

Und ist, wenn mich die Tüte Chips, Fußball und Bier am Wochenende glücklich machen, es auch zwingend so, dass es Dich glücklich macht? Oder sollte man, ganz deskriptiv und „demokratisch“ einfach schauen, was die meisten glücklich macht und das dann fordern? Sehr viele schauen gerne Volksmusik, viel mehr als in online Foren der Brights oder Philosophen schreiben. Folgt daraus, dass alle Volksmusik schauen sollten oder DSDS und das Forum hier verlassen weil Volksmusik oder DSDS zu schauen eindeutig beliebter ist?

Oder soll jeder nach seiner Fasson selig werden? Ist schon toll, nur wie weit sollte das gehen dürfen? Wenn mir einer abgeht, wenn andere leiden und ich mich dann so richtig gut fühle, ist das okay?
Irgendwie nicht, spüren wir. Aber umgekehrt: Wenn „wertlose“ Mitglieder der Gesellschaft anderen dadurch nützlich sein könnten, dass man ihre Organe verhökert – an Gesunde, die noch länger leben und nützlicher sind – oder sie einfach stillschweigend entsorgt… Wer alt ist und versoffen und vielleicht keine Angehörigen hat, der trägt zur Wirtschaftsleistung garantiert nichts mehr bei, kostet aber unter Umstände jede Menge, für die letzten Jahre. Wäre da nicht ein etwas schnellerer, sanfter Tod sogar im allgemeinen Interesse? Kann man ja schön machen, im netten Zimmer mit Musik und Blumen langsam die Morphiumpumpe höherdrehen, das tut nicht weh und spart volkswirtschaftlich jede Menge. Ist doch besser als Entzug, wieder auf der Straße, wieder Entzug … bis irgendwann die Pfortadervarizen platzen und man am eigenen Blut erstickt oder im hepatischen Koma dahindämmert bis zum multiplen Organversagen.

ganimed hat geschrieben:Und mit dieser Prämisse kann ich dann ausgehend von natürlichen, deskriptiven Eigenschaften (ich stelle fest, wodurch der jeweilige Mensch glücklich wird, beispielsweise durch Befragung oder Botenstoffmessung im Gehirn) eine ethische Empfehlung ableiten.


Du verwechselst eine ethische Forderung mit Lebenstipps.
Wer glücklich werden will, kann das über Beziehungen, bestimmtes Essen, Hobbies, Freunde, Bewegung, Sinnfindung, erreichbare Ziele, direkten demokratischen Einfluss und religiösen Glauben oder Spiritualität erreichen. Statistisch todsicher. Es ist schön, wenn man das weiß und das fest Ziel hat glücklich zu werden, aber was folgt daraus? Muss oder sollte man das tun?
Du als Bright, täglich eine halbe Stunde Meditation und am Wochenende in den Kirchenchor? Weil es statistisch eben sehr gut ist? Weil die Gemeinschaft mit den Gläubigen sicher auch Dir gut tun wird?

ganimed hat geschrieben:Moore würde daran Kritik üben, wenn ich recht verstehe, wie in Wikipedia weiter zu lesen ist, mit etwa folgendem Argument: "... ließe sich bei jedem Definitionsvorschlag [also auch bei meinem] immer hinterfragen, ob die Vorgeschlagene Eigenschaft denn wirklich gut sei, d.h. eine ethische Verpflichtung mit sich bringe bzw. positive Wertzuschreibungen zur Folge habe (das Argument der offenen Frage)." Ich argumentiere dagegen, dass ich meine Ableitung eben deshalb kanonisch nenne, weil sie so naheliegend ist. Der Mensch ist genau so gebaut, dass er Glück als positiv definiert.


Mag sein, aber was, wenn Glück gegen Erkenntnis steht? Welcher Wert ist der höhere, was ist anzustreben und warum? Oder sollte man die Ziele des Lebens dem Menschen selbst überlassen?
Und wie weit geht man dabei?

ganimed hat geschrieben:Die Frage, ob etwas, dass bei jedem Menschen automatisch als gut bewertet wird, denn wirklich gut sei, kann ich deshalb mit ja beantworten. Die offene Frage ist bei mir geschlossen.


Was genau ist denn bei jedem Menschen als gut bewertet?
Alle wollen glücklich werden. Haustiere, Omega 3 Fettsäuren und Jogging sind Garanten fürs Glück, also wird das jetzt verordnet. Manche würde das Zwangsbeglückung oder Gesundheitsterror nennen.
Und natürlich wollen ja auch alle lange leben. Machen wir uns nichts, Alkohol und Zigaretten, weg damit. Risikosportarten, uhh, nix gut, gestrichen. Kostet die Gesellschaft und wer will schon im Rollstuhl sitzen? Auto fahren? Viel zu gefährlich, gestrichen. Und wenn alle das machen, gibt das auch noch ein herrliches Gemeinschaftgefühl, man macht morgens kollektiv Sport (nicht zu intensiv), isst mittags zusammen reizarme, vegetarische Vollwertkost mit Leinöl, singt dann zusammen Lieder und liest am Abend das auswendig zu lernende Buch „Warum uns Gleichschaltung glücklich macht – wider den Individualistenwahn.“ So?

ganimed hat geschrieben:Ich bin nicht sicher, ob ich dein Argument verstehe. Meinst du, dass die Feststellung: "Handlung X macht die Person Y glücklich" gar nicht deskriptiv ist, sich nicht feststellen lässt, sondern immer nur geraten sein kann, also eine unbeweisbare Hypothese bleibt? Man müsste einen Hirnforscher fragen, aber ich wäre jedenfalls der Ansicht, dass eine Glücksmessung noch eine relativ simple Angelegenheit ist. Du selbst hast ja das Stichwort Endorphinausschüttung genannt. Mit etwas Übung sollten die meisten Menschen imstande sein, ungefähr zu erkennen, wann sie glücklich sind (wobei ich zugebe, dass man sich da relativ oft täuschen kann). Auf jeden Fall ist die Aussage "der Mensch ist in diesem Augenblick glücklich" weit mehr als eine vage Hypothese.


Noch eleganter wäre es natürlich den Menschen direkt zu fragen. ;-)
Ich lebe ja in der verrückten Illusion, dass ich im Zweifel immer noch besser weiß, als der Hirnforscher,der mich untersucht, ob ich glücklich bin. Aber wenn ich Dennett so lese, dann ist das sicher nur ein Irrtum und der geneigte Heterophänomenologe wird mir meinen krankhaften Subjektivismus schon wegerklären. „Sieh her Dummerchen, du meinst auch, hier wäre eine Oase, dabei ist es eine Fatamorgana. Du siehst mit eigenen Augen, dass der Bleistift den ich unter Wasser halte geknickt ist, dabei ist er gerade, Du wirst drei Dutzend Täuschungen Deiner Sinnesorgane nicht erkennen und da willst du Dummerchen besser wissen als ich, the big Dennett, ob du glücklich bist oder nicht? Hohoho.“ Wer will das noch aufmucken, wenn Subjektivismen gegenüber den „Fakten“ rausgekürzt werden und doch wohl klar ist, wer am Ende die Hosen anhat?

ganimed hat geschrieben:Zugegeben, bei Egomanen wird die Sache kritisch. Dem müsste man einen Riegel vorschieben durch das Prinzip des Utilitarismus, wo das Gesamtglück der beteiligten Personen als Grundlage genommen wird.


Gesamtglück klingt immer so gut. Aber welche Gesamtheit meinst Du?
Schau es gibt 6 Milliarden Gläubige und 1 Milliarde Atheisten. Unbestritten gibt es Streiten zwischen den Lagern. Streit ist nicht gut, macht unglücklich. Also verbieten wir den Atheismus, umgekehrt wäre gegen das Glück der Mehrzahl, also das Gesamtglück, und einigen uns auf eine Religion, die schon mal monotheistisch ist und langsam Islam und Christentum zusammenführt, der Rest wird in einem schleichenden Programm über ein paar Generationen umerzogen.
Kennst Du eigentlich „Schöne neue Welt“?

ganimed hat geschrieben: Aber wie auch immer die Feinheiten aussehen mögen, mit denen man abstruse Fälle in den Griff bekommt (Psychopaten, Masochisten, Komapatienten, jeder der Emotionen wie Glück auf ungewöhnliche Art und Weise generiert, oder komplex Situationen mit 10.000 Menschen) so geht es mir doch erst einmal um den Punkt: ist der Naturalistischer Fehlschlussn wirklich ein Fehlschluss? Kommt man wirklich nie von deskriptiv auf normativ? Ich komme, mit meiner kanonischen Wertungs-Prämisse.


Ja, es ist immer ein Fehlschluss.
Die meisten Tiere sind halt nicht homosexuell, da hat der Papst ja Recht und so argumentiert er ja auch. Der Schöpfer hat das nicht gewollt. Wenn Du nun den Schöpfer streichst und sagst, die Natur hat das nicht gewollt oder nur bis zu einer gewissen Quote, alles darüber ist widernatürlich, dann ändert das nichts.

ganimed hat geschrieben:So würde ein Psychopath schreiben, der an dieser Stelle vielleicht einfach keine Empatiefähigkeit besitzt. Jedem anderen ist in seiner Gehirnstruktur grundlegend eingebrannt, dass man Dinge, die weh tun als negativ wertet. Daher ist es Unsinn, deinem deskriptiven Satz eine innewohnende Wertung abzusprechen.


Aha. Muskelkater vom Training tut auch weh, bei bestimmten Liebesspielen sind Schmerzen Teil der Lust. Es ist wieder eine petitio principii vom konventionellen Empfinden auf ein normales Gehirn und von dort aus wieder auf ein konventionelles Empfinden zu schließen. So eine Einstellung versackt schnell in Klischees, Konventionen, Konformismus und am Ende in einem totalitären Kollektivismus.
Wer den Kommunismus schon nicht eklig genug findet, auch die Nazis wollten ja den Volkskörper gesunden lassen, auf dass alles Abartige abgeschafft sei und der herrliche arische Übermensch, gesund, genetisch topp und schön erscheine. Sicherlich irgendwie auch ein Programm des größten Glücks.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Teh Asphyx » Fr 27. Jan 2012, 11:29

Nanna hat geschrieben:Beim naturalistischen Fehlschluss geht es aber, wie Vollbreit (besser als ich in meinem gestrigen Beitrag) dargelegt hat, um die Ableitung aus dem faktischen (nicht dem hypothetischen!) Sein zum Sollen (ich habe gestern nicht so ganz in die richtige Richtung losargumentiert).

Nein, das hat er nicht richtig dargelegt. Wie ich richtig dargelegt habe, argumentiert er falsch, indem er irgendwie darauf schließt, dass aus jeder deskriptiven Aussage eine normative folgen müsste und da das nicht so ist, glaubt er behaupten zu können, dass generell aus einer deskriptiven Aussage keine normative folgen kann. Und das ist totaler Humbug.

Hier macht er es, nachdem er zwei Mal schon meinen Einwand ignoriert hat, einfach schon wieder:
Vollbreit hat geschrieben:Ja, es ist immer ein Fehlschluss.
Die meisten Tiere sind halt nicht homosexuell, da hat der Papst ja Recht und so argumentiert er ja auch. Der Schöpfer hat das nicht gewollt. Wenn Du nun den Schöpfer streichst und sagst, die Natur hat das nicht gewollt oder nur bis zu einer gewissen Quote, alles darüber ist widernatürlich, dann ändert das nichts.

Außerdem muss eine Ethik nicht exakt gleich für jeden verbindlich sein. Das wäre Moral, Moral ist aber eh nur aus Dummheit abzuleiten, Ethik hingegen durchaus aus dem, was ist (und wieder die Frage: woraus denn sonst?).

Nanna hat geschrieben:Im philosophischen Satanismus wird durchaus so argumentiert, was in der prominenten satanistischen Phrase "Tue was du willst sei das ganze Gesetz!" zum Ausdruck kommt.

Das kommt von Aleister Crowley und hat mit philosophischen Satanismus herzlich wenig zu tun, außer dass manche Satanisten sich auf Crowley berufen (und auch längst nicht alle). Der Satanismus ist ein weitaus komplexeres Feld und die Verherrlichung von Qual und Leid hat gerade nichts mit eigener Freude daran zu tun (was auch den Satanisten von Crowley unterscheiden dürfte, der kein Satanist war sondern Okkultist).
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon ganimed » Sa 28. Jan 2012, 23:05

Vollbreit hat geschrieben:Aber was folgt nun daraus, das Glücklichsein gut ist?

Ja, das genau ist meine Behauptung.
Vollbreit hat geschrieben:Soll man das Gute anstreben? Offenbar. Aber was genau ist das Gute?

Dein Arbeitsgedächtnis scheint eine recht kurze Halbwertszeit zu haben. Hier nochmal zur Erinnerung: Das Gute ist genau das, was einen Menschen glücklich macht.
Vollbreit hat geschrieben:Und was genau ist Glück?

Ich nehme an, so ganz genau müsste es noch definiert werden über hirnmedizinische Indikatoren. Bis das soweit ist, muss man wohl mit einem unscharfen Begriff arbeiten, der allerdings hinlänglich geläufig sein dürfte im Alltag.
Vollbreit hat geschrieben:Macht das Gute immer glücklich und ist das was glücklich macht immer gut?

Genau solche Formulierungen kann man aus der Gleichsetzung von Gut und Glück ableiten.
Vollbreit hat geschrieben:Schokolade macht viele glücklich. Kann man sagen, dass Schokolade gut ist? So als allgemeine Regel?

Da das, was glücklich macht, gut ist, ist Schokolade solange gut wie es glücklich macht. Das kann man sogar noch allgemeiner regeln: alles ist gut was glücklich macht, solange es glücklich macht.

Zu deinen anderen Einwänden nur in Kürze:
Ja, diese Ethik ist selbstverständlich genau so individuell wie das Glück es ist. Da bestimmte Dinge nur bestimmte Leute glücklich machen, sind diese Dinge natürlich auch nur für genau diese Leute gut, für andere nicht.

Wenn Glück gegen Erkenntnis steht, dann wählt man das Glück. Aber man wundere sich, wie selten das Glück gegen Erkenntnis steht, denn eine weitere allgemeine Eigenschaft des Hirns scheint zu sein, dass Lernen Spaß macht (wenn man nicht unglücklicherweise durch falsche Pädagogik etwas anderes angewöhnt bekommt).

Man muss und sollte Gutes tun, wenn es geht. Also sollte und muss man nach Glück streben. Wer wollte auch etwas anderes?

Zwangsbeglückung und Gesundheitsterror sind zwei Beispiele für fehlgeleitete Assoziationen, die du da hast. Ich sehe ein, dass der Begriff "Glück" und "Glück für alle" schon sehr oft in einem negativen Zusammenhang verwendet wurde. Die schöne neue Welt ist hier tatsächlich ein naheliegendes Beispiel. Aber selbstverständlich meine ich mit Glück nicht Ruhigstellung, Drogen, Realitätsflucht oder Sterbehilfe. Ich meine Glück im Sinne der Hirnforschung als einen sehr positiv empfundene Hirnzustand, was man defensiver sicher auch als Zufriedenheit oder nachhaltiges Glück bezeichnen könnte. Ich finde es nicht besonders aussichtsreich von dir, gegen etwas zu wettern, dass per Definition positiv ist.

Beim Gesamtglück meine ich die aufsummierten Glückswerte. Ich könnte mir schon vorstellen, dass man das Glück im Einzelfall quantifizieren kann, wenigstens schätzungsweise. Und aus dieser Zahl pro Mensch und Handlungsalternative bildet man Gesamtsummen für alle beteiligten Menschen und deren Handlungsalternativen und kommt so mathematisch und immer richtig zu einer nahe am Optimum gelegenen Handlungsempfehlungen. Mehr kann man von einer guten Ethik nicht verlangen.

Ich berücksichtige übrigens bei der Annahme, dass Schmerzen als negativ empfunden werden, tatsächlich nur die normal empfindenden Menschen. Zugegeben, da habe ich einen Fehler gemacht. Es gibt andersfühlende. Aber in meiner Ethik ist der Fehler nicht drin. Denn soweit ich weiß, gibt es beim Glücksempfinden keine Menschen, die anders herum empfinden würden. Die Glücksdefinition ist zwar entsprechend weich, weil die Auslöser für Glück so individuell verschieden sind, aber gerade diese Individualität scheint mir heutzutage eine wichtige Eigenschaft von akzeptablen Ethiken zu sein. Denn mit den starren Vorgaben und moralischen Prinzipien für alle und jeden und immer haben wir seit jeher nur Probleme erlebt.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Nanna » So 29. Jan 2012, 00:18

Führe dir doch mal folgende Wikipedia-Artikel zu Gemüte, die helfen vielleicht beim besseren Verständnis des Problems:

http://de.wikipedia.org/wiki/Humes_Gesetz (auch ergiebig: die englische Version http://en.wikipedia.org/wiki/Is%E2%80%93ought_problem)
http://de.wikipedia.org/wiki/Metaethik#Naturalismus (der Fairness halber, da hauen viele in dieselbe Kerbe wie du)
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Vollbreit » So 29. Jan 2012, 07:43

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und was genau ist Glück?

Ich nehme an, so ganz genau müsste es noch definiert werden über hirnmedizinische Indikatoren. Bis das soweit ist, muss man wohl mit einem unscharfen Begriff arbeiten, der allerdings hinlänglich geläufig sein dürfte im Alltag.


Das Problem ist schlicht, dass Glück für jeden etwas anderes ist.
Für den einen Ruhe, für den anderen Party, für den einen Sicherheit, für den anderen Abwechslung.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Macht das Gute immer glücklich und ist das was glücklich macht immer gut?

Genau solche Formulierungen kann man aus der Gleichsetzung von Gut und Glück ableiten.


Kann es mich nicht glücklich machen, jemanden zu demütigen? Oder etwas zu besitzen, was ein anderer hat und es zu nehmen? Wäre das dann auch gut?
Und vieles was sicher gut ist, als Kind eine Zahnspange zu tragen, zu lernen, wenn andere spielen, macht vielleicht nicht gerade glücklich.

ganimed hat geschrieben:[
Vollbreit hat geschrieben:Schokolade macht viele glücklich. Kann man sagen, dass Schokolade gut ist? So als allgemeine Regel?

Da das, was glücklich macht, gut ist, ist Schokolade solange gut wie es glücklich macht. Das kann man sogar noch allgemeiner regeln: alles ist gut was glücklich macht, solange es glücklich macht.


Das (diese Präzisierung) ist in der Tat nicht schlecht und geht in Richtung Epikur.

ganimed hat geschrieben:[Zu deinen anderen Einwänden nur in Kürze:
Ja, diese Ethik ist selbstverständlich genau so individuell wie das Glück es ist. Da bestimmte Dinge nur bestimmte Leute glücklich machen, sind diese Dinge natürlich auch nur für genau diese Leute gut, für andere nicht.


Okay, das sehen wir ähnlich.

ganimed hat geschrieben:[Wenn Glück gegen Erkenntnis steht, dann wählt man das Glück. Aber man wundere sich, wie selten das Glück gegen Erkenntnis steht, denn eine weitere allgemeine Eigenschaft des Hirns scheint zu sein, dass Lernen Spaß macht (wenn man nicht unglücklicherweise durch falsche Pädagogik etwas anderes angewöhnt bekommt).


Ist ein interessanter Punkt, im Grunde bin ich Deiner Meinung.

ganimed hat geschrieben:[Man muss und sollte Gutes tun, wenn es geht. Also sollte und muss man nach Glück streben. Wer wollte auch etwas anderes?


Das gilt nur, wenn die Begriffe den exakt gleichen Umfang haben.

ganimed hat geschrieben:[Zwangsbeglückung und Gesundheitsterror sind zwei Beispiele für fehlgeleitete Assoziationen, die du da hast. Ich sehe ein, dass der Begriff "Glück" und "Glück für alle" schon sehr oft in einem negativen Zusammenhang verwendet wurde. Die schöne neue Welt ist hier tatsächlich ein naheliegendes Beispiel. Aber selbstverständlich meine ich mit Glück nicht Ruhigstellung, Drogen, Realitätsflucht oder Sterbehilfe. Ich meine Glück im Sinne der Hirnforschung als einen sehr positiv empfundene Hirnzustand, was man defensiver sicher auch als Zufriedenheit oder nachhaltiges Glück bezeichnen könnte. Ich finde es nicht besonders aussichtsreich von dir, gegen etwas zu wettern, dass per Definition positiv ist.


John Stuart Mill sagt:
„Es ist besser ein unzufriedener Mensch als ein zufriedenes Schwein zu sein; lieber ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Dummkopf sein.“
Aber dennoch ist die Formulierung „Zufriedenheit“ oder „nachhaltiges Glück“, eine, die ich sehr gut finde.

ganimed hat geschrieben:Beim Gesamtglück meine ich die aufsummierten Glückswerte. Ich könnte mir schon vorstellen, dass man das Glück im Einzelfall quantifizieren kann, wenigstens schätzungsweise. Und aus dieser Zahl pro Mensch und Handlungsalternative bildet man Gesamtsummen für alle beteiligten Menschen und deren Handlungsalternativen und kommt so mathematisch und immer richtig zu einer nahe am Optimum gelegenen Handlungsempfehlungen. Mehr kann man von einer guten Ethik nicht verlangen.


Doch. Ein mathematisches Glück fände ich nicht so toll.
Schau mal auf die andere Seite, das Leid, das sollte eine Ethik auch berücksichtigen.

ganimed hat geschrieben:Ich berücksichtige übrigens bei der Annahme, dass Schmerzen als negativ empfunden werden, tatsächlich nur die normal empfindenden Menschen. Zugegeben, da habe ich einen Fehler gemacht. Es gibt andersfühlende. Aber in meiner Ethik ist der Fehler nicht drin. Denn soweit ich weiß, gibt es beim Glücksempfinden keine Menschen, die anders herum empfinden würden.


Wenn Glück das ist, was die Menschen gut finden, dann kann per Definition nichts anderes drin sein.

ganimed hat geschrieben:Die Glücksdefinition ist zwar entsprechend weich, weil die Auslöser für Glück so individuell verschieden sind, aber gerade diese Individualität scheint mir heutzutage eine wichtige Eigenschaft von akzeptablen Ethiken zu sein.


Das glaube ich auch.
Wie also schützt Du das Individuum dagegen, bspw. seine Organe zu verlieren, weil es keine Angehörigen mehr hat und als Organspender noch einen großen Nutzen.
Allgemeiner formuliert, wieviel individuelles Leid darf man für kollektives oder mengenmäßig mehrheitliches Glück in Kauf nehmen?

ganimed hat geschrieben:Denn mit den starren Vorgaben und moralischen Prinzipien für alle und jeden und immer haben wir seit jeher nur Probleme erlebt.


Moral und Ethik sind nicht dasselbe.
Moral (als konkrete Handlungsanweisung verstanden „Du sollst…“ „Du darfst nicht…“ ) mag starr sein, aber sie ist gut für Kinder und Menschen, die zur Reflexion (noch) nicht in der Lage sind.
Ethik ist immer dynamisch, weil sie die immer wieder neue, weil in jeder Situation andere, Interpretation einer sehr allgemeinen Regel erfordert, wenn man diese Regel für sich akzeptieren kann.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Teh Asphyx » So 29. Jan 2012, 12:53

@ ganimed

Sei vorsichtig, mit einer Kategorie wie „Glück“ kann es Dir leicht passieren, dass Du in rhetorische Spielchen reingezogen wirst, die Dir die Hosen ausziehen. Aber so wie ich Dich bisher erlebt habe, kriegst Du das schon hin. Ich wünsch Dir jedenfalls viel Erfolg.

@ Nanna

Humes Gesetz ist aber absolut falsch, allein schon, weil Hume einen Vernunft-Wille-Dualismus voraussetzt, der nicht haltbar ist. Natürlich lässt sich aus dem Sein keine Moral im Sinne von „jeder muss dies und das machen“, solch eine Moral ist aber auch völliger Unsinn. Aber trotzdem lassen sich Urteile fällen. Bei Marx gab es das Beispiel mit dem Gesetz gegen den Streik. Er formulierte, dass aus der Aussage „Ein Gesetz gegen das Streiken ist gegen das Interesse der Arbeiterklasse“ eben deduktiv folgt, dass ein Gesetz gegen das Streiken falsch ist/nicht sein soll (natürlich im Interesse der Arbeiterklasse, aber jede Sollen-Aussage ist irgendjemandes Interesse, das Interesse ist aber auch deskriptiv in Erfahrung zu bringen, da es ein Seins-Zustand ist). Das geht natürlich eben auch bei anderen Interessen als die der Arbeiterklasse.
Von „Glück“ oder „Leid“ zu sprechen halte ich deswegen auch bedenklich, weil damit gleich wieder eine moralische Wertung drin ist, noch bevor etwas überhaupt untersucht wurde. Deswegen finde ich das „Interesse“ weitaus brauchbarer, da es ebenso jemandes Interesse sein kann, nicht zu leiden wie Glück zu finden oder eben vieles andere auch, was immer im jeweiligen Fall untersucht werden muss.

Wikipedia hat geschrieben:Warum sollte man etwa akzeptieren, dass die Aussage „x führt zu mehr Glück als Leiden“ die Aussage „x ist moralisch gut“ impliziert?
Und warum sollte man jede Frage von „Philosophen“ akzeptieren, die meinen, dass man einfach jede praktische Wahrheit als falsch ansehen sollte? Und dann vor allem allein durch die Fragestellung das Gegenteil als wahr annehmen? Denn genau das impliziert Hume hier (nicht den gegenteiligen Schluss, sondern dass man im Gegenteil annehmen sollte, dass aus dem Sein niemals ein Sollen folgen kann).

Wikipedia hat geschrieben:So mag es Handlungen geben, die der Natur des Menschen entsprechen und dennoch als moralisch verwerflich gelten sollen.
Wer behauptet, dass irgendein Verhalten eines irgendwie sozialisierten Menschen ohne Betrachtung der Umstände der „Natur des Menschen“ entsprechen würde macht einen Fehler. Aber nur da ist der Fehler.

Wikipedia hat geschrieben:Zum dritten könnte es Handlungen geben, die mehr Glück als Leiden erzeugen und die man dennoch als unmoralisch zurückweisen möchte.
Ungültiges Argument, weil wieder eine Moral übergeordnet wird, die da nichts zu suchen hat.

Ansonsten sei noch angemerkt: Moral ist für niemanden gut und kein Mensch ist nicht zur Reflexion fähig, außer diejenigen, die zur Moral greifen, weil die Moral der natürliche Feind der Reflexion ist.
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Teh Asphyx
 
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon webe » So 29. Jan 2012, 21:27

Die Bezeichnung Glück stammt aus dem mittelniederdeutschem Wort gelücke oder dem mittelhochdeutsch gelücke: wie etwas gut ausgeht oder endet; und ist heute betrachtet ein vielschichtiger Begriff, der umfasst das momentane und ebenso das anhaltende Glücksgefühl, steht als Erfüllung von Wünschen und Strebenelbige und Strebens nach Jehnen, was aber auch durch äussere Handlungen erfolgen kann, siehe Lebens-, Zufallsglück.

Für mich wäre es ein Glücksgefühl, wenn der Staat und die Politik endlich neutral in Sachen Glauben wären, die Religionsmächte vernichtet, staatliche Subventionen und religiöse Unternehmungen nicht mehr real!

Also hat Glück viele Gesichter, zum Teil für die ganze Gesellschaft, ebenso auch für eine Einzelperson. Selbst Tiere haben ihre Glücksmomente, die sie wahrnehmen.

Gutestun ist eine dehnbare Handlung, und kann auch für den Einen Positives, für den Anderen dagegen was Negatives bedeuten. Ich unterstelle, dass jeder Mensch sich nach bestimmten Glücksformen sehnt und strebt: Sei es auch nur eine Beziehung.
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon Nanna » So 29. Jan 2012, 22:13

Teh Asphyx hat geschrieben:Von „Glück“ oder „Leid“ zu sprechen halte ich deswegen auch bedenklich, weil damit gleich wieder eine moralische Wertung drin ist, noch bevor etwas überhaupt untersucht wurde. Deswegen finde ich das „Interesse“ weitaus brauchbarer, da es ebenso jemandes Interesse sein kann, nicht zu leiden wie Glück zu finden oder eben vieles andere auch, was immer im jeweiligen Fall untersucht werden muss.

Ich will die Brauchbarkeit von "Interesse" erstmal nicht abstreiten, aber auch dieser Begriff ist doch schon nicht mehr 100% deskriptiv. Es handelt sich dabei nicht um eine Beschreibung, sondern um eine Zuschreibung, die der Beobachter mit vermeintlicher Objektivität feststellt. Um festzustellen, was jemandes Interesse ist, musst du ja schon präskriptive Fragen nach den Analysemerkmalen beantworten (warum sollen welche Merkmale ein "Interesse" belegen?). Welche Regeln aber angewandt werden sollen, ist aber schon wieder eine normative Angelegenheit.
Bevor ich diese Ansicht jetzt aber für mich in Stein meißle, warte ich mal ob, ob du vielleicht einen Satz an Kriterien zum Erkennen von "Interesse" aufstellen kannst, der so sauber ist, dass ich das als deskriptiv akzeptieren kann.

Damit verbunden gibt es auch noch andere Fragen: Was tut man bei Interessenkonflikten? Kann man die Interessen anderer übergehen? Was passiert mit Menschen, an denen niemand ein Interesse hat und die ihre eigenen Interessen nicht durchsetzen können (Randgruppen, Minderheiten, Alte, Kranke)?

edit:
Und was ist, um noch eine Frage anzuhängen, mit Interessen, die nicht als solche erkannt werden? Eine Frau im Mittelalter hätte Gleichberechtigung höchstwahrscheinlich nicht als in ihrem Interesse aufgefasst, möglicherweise nichteinmal begrifflich fassen können. Hat eine mittelalterliche Frau (oder eine Frau, die aus heutigen patriarchalischen Gesellschaften kommt) daher tatsächlich kein Interesse an mehr Rechten? Und wenn doch, wie soll eine Fremdzuschreibung von Interessen gerechtfertigt werden?
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Re: Wie viele sind noch da?

Beitragvon webe » Mo 30. Jan 2012, 21:40

Ethik ( Begriff wurde von Aristoteles eingeführt) steht als philosophische Disziplin für Vernunft, Moral dagegen für Handlungsregeln, -muster, -prinzipien für bestimmte Gruppierungen oder Kulturen.
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