ganimed hat geschrieben:Ich habe davon gesprochen, dass eine Handlung akausal ERLEBT wird. Das Verb "erleben" bedeutet in meinem Sprachgebrauch nachgerade, dass es um Subjektivität geht. Deinen Hinweis auf Objektivität deute ich jetzt mal so, dass du mir zustimmst was das subjektive Erleben angeht. Wie "erleben" eine Illusion, die sich objektiv wie du ganz richtig feststellst, nicht halten lässt (zumindest nicht, wenn man Determinist ist).
Nein, habe ich oben schon mehrfach gesagt.
Ich erlebe eine konkrete (komplizierte, nicht bis ins Letzte durchschaubare) Überlegung, Entscheidung, Handlung
weder als kausal,
noch als akausal.
Du magst das zwar so erleben - das kann ich nicht beurteilen - aber ich jedenfalls nicht. Und also gibt es hier kein 'wir'.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Mein Einfluss sieht so aus, dass aus meinen Überlegungen, meinen Meinungen, meinen Einstellungen, meinem Wissen, meinen Wertungen, meinen Erkenntnissen, meinen Abwägungen sich eine Entscheidung und daraus wieder eine darauf folgende Handlung ergibt.
Das Umfallen des letzten Dominosteins (die darauf folgende Handlung) ergibt sich aus dem Umfallen der vorhergehenden Dominosteine (Überlegungen und Co). Das was du da beschreibst ist doch wieder nur die Ursachenkette. Ich hatte dich aber gebeten, mir zu schildern, wie du diese Kette beeinflussen, verändern, stoppen, in Gang setzen oder sonstwie manipulieren kannst. Ich fühle mich vorerst in meiner Ansicht bestätigt, dass diese Manipulationsfähgikeit genau deshalb nicht geschildert werden kann, weil sie nicht vorliegt. Ohne kausale Unabhängigkeit hat man diese Fähigkeit aus der Kausalkette zu springen einfach nicht.
Das, was ich tue, ist frei, wenn es hinreichend von mir abhängt und von mir gewollt wurde. 'Kontrolle' bedeutet, wie gesagt, dass etwas von mir abhängt. Und selbstverständlich wähle ich dann den Ablauf, wer oder was denn sonst?
Eine andere Bedeutung von Kontrolle gibt es nicht. (Übrigens: z.B. ein Thermostat kontrolliert die Raumtemperatur. Und das tut es nicht - und muss es auch nicht, wieso auch? - akausal tun.)
Behaupte ich jedenfalls jetzt mal ganz dreist. Du darfst mich gerne in diesem Punkt widerlegen. Indem Du einen besseren Begriff von 'Kontrolle' darlegst. In dem irgendwo Akausalität vorkommt. Indem Du also zeigst, dass Akausalität notwendige Bedingung für Kontrolle sei.
Oder Du zeigst, dass Akausalität irgendwelche Fähigkeiten herstellen könne, die man nicht haben kann, wenn alles kausal abläuft. Ich glaube nicht, dass Du das kannst. Aber bitte, tue es einfach.
Was bedeutet: "aus der Kausalkette springen" überhaupt
konkret? Beispiel? Darunter kann ich mir nichts vorstellen. Oder meinst Du damit schlicht, dass man plötzlich zusammenhanglos etwas völlig Zufälliges tut? So wie ein Mensch mit Tourette-Syndrom plötzlich und zusammenhanglos und (mal angenommen) akausal zuckt? Aber wenn ja: was hat das mit Kontrolle zu tun, das ist doch im Gegenteil ein gutes Beispiel für etwas, das außerhalb jeglicher Kontrolle liegt, oder etwa nicht? Und wenn nein: wie sonst?
ganimed hat geschrieben:Ich sage in fast jedem Posting gebetsmühlenartig, dass mein Freiheitsbegriff logisch leer ist, dass es einen freien Willen nicht gibt. Und du würdest mir das genau dann abkaufen, wenn ich dir darlegen könnte, dass es ihn doch gibt und wie er zu erreichen wäre? Erst wenn ich dir zeigen könnte, dass meine Aussage falsch ist, würdest du sie glauben? Soll das ein Witz sein?
Mein Punkt hier ist schlicht: Du behauptest, dass Freiheit und Kausalität sich ausschlössen. Und dafür habe ich noch kein Argument von Dir gesehen, außer Deiner Aussage, dass
Dir das plausibel erscheint. Aber das reicht nicht, denn
mir erscheint das nicht plausibel.
ganimed hat geschrieben:Eine Entscheidung ist erst frei, wenn ich Kontrolle über die Entscheidungsfindung habe. Ich meine allerdings "Kontrolle" im Sinne von "verändern können", "etwas am Entscheidungsprozess bestimmen können" und du verstehst unter Kontrolle scheinbar einfach nur den Vorgang der Prozessierung. Du schaust dem Umfallen der Dominosteine, dem Ablauf der Kausalkette einfach nur tatenlos zu und behauptest trotzdem, deine Entscheidung kontrollieren zu können? Ich glaube, du irrst dich einfach nur. Tatenloses Zuschauen ist kein Kontrollieren.
Nein, ich schaue eben nicht tatenlos zu, ich bin ja ein Teil der Kausalketten. Es gibt Dinge, die ich tue (und überlege, entscheide etc.) und Dinge, die ich
nicht tue, überlege, entscheide etc.
Was hat das mit Kausalketten zu tun, bzw. inwiefern können Kausalketten da etwas dran ändern? Oder NICHT-Kausalketten?
Aber ich verstehe eh nicht, was Du unter 'Kontrolle' verstehst. Wahrscheinlich sagst Du an der Stelle mal wieder: "Kontrolle gibt es nicht, der Begriff ist logisch leer". Ist er aber nicht. Ich kontrolliere diesen Beitrag und Du Deinen und ich nicht Deinen und Du nicht meinen.
ganimed hat geschrieben:Im Grunde hast du denselben Freiheitsbegriff wie ich, nämlich die intuitive Annahme, dass eine Handlung nur frei ist wenn man sie kontrolliert. Jetzt müsstest du mir nur noch glauben, dass eine Kontrolle genau die Manipulation einer Ursachenkette bedeuten würde. Und diese Manipulation ist, das liegt in der Natur von Ursachenketten, nur erreichbar durch kausale Unabhängigkeit. Die Fähigkeit, eine Ursachenkette abzuändern, ist praktisch die Definition von kausaler Unabhängigkeit.
Manipulieren kann man eine Kausalkette dann, wenn man sie erkennt, versteht, ihre Folgen alternative Abläufe abwägen kann und seine Handlung(en) danach ausrichten kann. Das bedeutet aber doch nicht, dass man außerhalb (aller) Kausalketten stehen müsste. Zumindest sehe ich nicht wieso und ich kann mir das auch nicht mal im Ansatz vorstellen.
Wenn Du das darstellen könntest - das wäre mal was. Aber das kannst und wirst Du nicht, da bin ich pessimistisch. Du wirst einfach stur grundlos weiter behaupten, dass sich Kontrolle und Kausalität ausschlössen. Wie das jeder tut, der derartiges behauptet.
Das ist zum Mäusemelken. Wenn Du mal eine Alternative darstellen könntest, mal Deinen Freiheits- und / oder Kontrollbegriff festnagelbar darlegen würdest! Und zwar so, dass jeder sagen würde: "ja,
das ist es, nicht das, was AgentProvocateur darunter versteht, was detr darunter versteht, ist ein Witz, ein fades Surrogat von echter Freiheit und echter Kontrolle!".
Solange Du das nicht kannst, nur immer wieder müde sagst: "ja, kann ich nicht darstellen, noch nicht mal die notwendigen und hinreichenden Bedingungen dafür, ich kann nur sagen, dass meine Begriffe intuitiv plausibel sind, (ohne aber darstellbar zu sein), und aber gleichzeitig logisch unmöglich sind", machst Du hier keinen einzigen Punkt.
Das einzige Argument, das ich bisher bei Dir herausfiltern konnte, war dieses: "es ist laut meiner Intuition richtig, dass Kausalität / Determination und Freiheit / Kontrolle sich ausschließen". Aber das ist sehr dünn, insbesondere, weil ich diese Intuition nicht teile. Und weil ich meine, dass andere die auch nicht teilen, dass die keineswegs einen logisch leeren Begriff von 'Freiheit' und 'Kontrolle' haben.
Und wenn Du Dich wieder beklagst, dass ich Deine Argumente damit nicht hinreichend gewürdigt habe:
dann lege die doch bitte mal alle und komplett stichpunktartig dar!Ansonsten sehe ich nicht, wie wir hier weiterkommen können.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:2. mir fehlt die Darstellung, wie eine 'Unabhängigkeit von Kausalketten / Ursachen' irgendwie eine Entscheidung und Handlung nachvollziehbar kontrollierbarer (oder gar: überhaupt erst kontrollierbar) machen könnte - weil nämlich 'Unabhängigkeit von Kausalketten / Ursachen' meiner Ansicht nach nur auf reinen Zufall hinauslaufen kann und reiner Zufall Kontrolle ausschließt
Diese Darstellung fehlt mir ja auch. Weshalb ich dir ja auch zustimme, dass mein Freiheitsbegriff genau deshalb leer ist. Ich behaupte also wirklich, dass der freie Wille im Determinismus gar nicht existieren kann.
Nein, das ist ja nicht korrekt, Du behauptest, dass Dein Freiheitsbegriff
logisch unmöglich ist. Was bedeutet, dass er
niemals, in keiner logisch möglichen Welt erfüllt sein kann, (niemand in keiner logisch möglichen Welt in Deinem Sinne frei sein kann).
Die Behauptung aber, Freiheit sei nur! im Determinismus unmöglich, ist eine andere.
Aber egal: da Dein Argument einzig Deine Intuition ist, bleibt Dir nur, irgendwie zu zeigen, dass Deine Intuition weit verbreitet ist. Da ich aber einige Studien dazu kenne, meine ich, dass das nicht stimmt und Dir das daher nicht gelingen kann. Ich lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:3. ich gebe zu, dass Menschen nicht alles kontrollieren können, insbesondere können sie nicht die Umstände, in die sie hineingeboren werden, kontrollieren. Und wären diese Umstände, die vor ihrer Geburt lagen, nur ein wenig anders gewesen, dann wären sie selber wahrscheinlich auch anders - nur meine ich nicht, dass das jemand ernsthaft anders sieht
Die Befragten in der von dir zitierten Studie sahen das anders. Sie konnten sich so wenig vorstellen, dass man von äußeren Umständen (der Adoptionsentscheidung) abhängig ist, dass sie, als sie ein Szenario präsentiert bekamen, wo ausdrücklich gesagt wurde, dass der Geldbörseneinbehalt nur von diesem äußeren Faktor abhinge, dennoch meinten, dass die beiden Brüder souverän, selber und frei entschieden hätten.
Nein, all das stand nicht in der Studie. Du konstruierst hier die übliche falsche Dichotomie der Inkompatibilisten:
entweder ist man komplett Herr über sich selber - d.h. komplett von äußeren Umständen unabhängig - oder man ist
komplett unfrei. Aber kein Mensch glaubt so was - weder, dass sie alles kontrollieren könnten, noch, dass daraus folge, dass man komplett unfrei sei.
ganimed hat geschrieben:Das zeigt, wie wenig intuitiv und verbreitet die Konsequenz aus dem Determinismus ist.
Aber was ist denn Deiner Ansicht nach die Konsequenz aus dem Determinismus:
1. Dass man nicht
alles komplett kontrollieren kann?
2. Oder dass man
gar nichts kontrollieren könne?
Die 1. ist völlig banal und uninteressant, niemand glaubt sowas, also juckt das wohl auch keinen. Aber die 2. hätte interessante Folgen, (falls das jemand vertreten wollen würde). Willst Du also auf die 2. hinaus?
ganimed hat geschrieben:Und mein Beispiel mit dem akausalen Erleben beim am Kopf kratzen zeigt, dass wir eher die Akausalität als intuitiv wahrnehmen. Bleibt man aber dem selbst erlebten und von Illusionen durchtränkten Gebiet der menschlichen Entscheidungsfindung fern und beschränkt sich auf neutrale Ursachenketten wie Dominosteine, dann ist jedem sofort klar, dass ohne Kontrollmöglichkeit dieser Ursachenketten keine Freiheit möglich ist. Insofern ist mein Freiheitsbegriff der intuitive.
Ich denke das aber nicht. Ich denke, dass sich Dominosteine und Menschen grundlegend unterscheiden. Dominosteine denken nicht, entscheiden nicht, handeln nicht. Daher wirst Du auf wenig Verständnis stoßen, wenn Du behauptetest, dass Menschen und Dominosteine ebenso entscheidungs- und handlungsunfrei seien wie Dominosteine. Daran ist gar nix intuitiv richtig, da wirst Du keine Zustimmung finden. (Dazu nochmal diesen Link:
SEP - Arguments for Incompatibilism - Arguments based on Intuition. Das Argument: "Determinismus bedeutet, dass wir wie Billiardbälle, Dominosteine, Roboter, Spielzeuge etc. sind", ist das mieseste Argument überhaupt der Inkompatibilisten.)
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Das ist nun leider sehr lang geworden.
Ich fasse mal zusammen:
- ich verstehe unter 'Kontrolle': etwas hängt von mir, d.h. meinen Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen ab
- etwas, das überhaupt nicht von mir abhängt, was ich nicht beeinflussen kann, liegt folglich außerhalb meiner Kontrolle
- unter 'Freiheit' verstehe ich: a) die Fähigkeit, mögliche Verläufe von gedachten Alternativen abschätzen zu können und b) die Fähigkeit, die als von mir als die beste angesehene Alternative in die Tat umsetzen zu können
- was Du unter Freiheit und Kontrolle verstehst, ist mir immer noch unklar geblieben, ich glaube nicht, dass Du das bislang hinreichend erläutert hast
- wieso Kausalität / Determinismus meinen Begriffen von Kontrolle / Freiheit widersprechen, was diese damit zu tun haben, ist mir bisher unklar geblieben
- falls aber meine Begriffe von Kontrolle / Freiheit unzureichend / witzlos / ungebräuchlich / wie auch himmer sein sollten, dann ist mir bisher auch unklar geblieben, wieso eigentlich
- ich meine im Gegenteil, dass meine o.g. Begriffe mehrheitsfähig sind und Begriffe, die einfach nur nichts umfassen - so wie Deine - mitnichten die landläufige Bedeutung abdecken können
- und Deine Begriffe, die ich nicht verstehe, aus genau diesem Grunde (=> sind unverständlich, nicht vermittelbar) nicht
- Deine Intuition, (Du habest bei Deinen Entscheidungen und Handlungen die Intuition, die erfolgten irgendwie akausal), kann ich nicht nachvollziehen
- ich glaube nicht, dass viele Leute eine ebensolche Intuition haben wie Du
- woraus folgt, dass nur Du einer Illusion unterliegst, (angenommen, Deine Entscheidungen und Handlungen erfolgten tatsächlich völlig kausal), andere aber so oder so nicht, (falls die nicht Deine Intuition teilen)
- und falls Du tatsächlich diese Intuition hast - die ich nicht nachvollziehen kann - dann wäre es sehr nett, wenn Du die mal explizit erläutern würdest.
Wann genau, an welcher Stelle, meinst Du, dass da irgendwas Akausales sei / abliefe / stattfände? Und inwiefern und wieso meinst Du, dass das notwendige Bedingung für Kontrolle / Freiheit sei? Wie könnte - mal beispielhaft dargelegt - Akausalität irgendwie Kontrolle / Freiheit herstellen, was aber kausal nicht möglich sei?