ganimed hat geschrieben:Wenn A=>B und B=>C dann gilt auch A=>C. Durch das Wort "letztlich" würde ich es auch auf Ursachenketten anwenden wollen. Wenn A die einzige Ursache von B ist (100%) und B die einzige Ursache von C, dann ist A letztlich die einzige Ursache von C. Oder sehe ich das falsch?
Ja, ich glaube, Du siehst das falsch. Die Ursache von C ist in dem Falle B. Was aber das Wort "letztlich" hier bedeuten soll, ist mir unklar. Denn Ursachenketten beginnen ja nicht mit A, bzw., falls doch, dann kennen wir dieses A nicht und können folglich nichts darüber aussagen. Dein "letztlich" bezieht sich also genau genommen auf etwas Unbekanntes, nicht? Aber so sehen wir Ursachen nie, das ergibt pragmatisch gesehen einfach keinen Sinn, ist einfach nur fruchtlos, damit kämen wir nie zu Potte. Wir betrachten immer nur die
hinreichenden Ursachen, aber nicht die
letztliche Ursache in Deinem Sinne. Wüsste auch nicht, was das bringen würde.
Was wir sagen können, (angenommen der Determinismus ist wahr), ist: "jede Ursache hat eine andere Ursache". Das ist alles. Was aber die "letztliche" Ursache ist, ist im täglichen Leben irrelevant. (Und theoretisch gesehen: worauf, bitteschön, soll das hinauslaufen?)
Es sei denn aber: jemand würde meinen, es gäbe Erstursachen, die seien wichtig für irgendwas. Für 'Schuld' oder für was auch immer. Fragt sich nur, ob das tatsächlich viele meinen. Falls aber
nicht: wofür sollte das dann relevant sein? Falls aber doch: wer und wo und mit welchen Argumenten?
ganimed hat geschrieben:Ich verstehe gerade nicht so ganz, was so komplex an dem Begriff "Veränderung einer Ursachenkette" ist. Eine Ursachenkette ist eine Aneinanderreihung von ursächlichen Faktoren. A->B->C->D->E->F. In der Mengenlehre nennt man die von mir gemeinte Veränderung, glaube ich, Permutation. Eine Veränderung wäre demnach die Änderung der Reihenfolge oder die Änderung der Elementenmenge (Elemente einfügen, Elemente streichen). Ich habe dir auch ein Beispiel genannt.
Wir verändern Kausalketten alleine durch unsere Existenz - wären wir nicht da, verliefe die Kausalkette trivialerweise anders. Und natürlich durch unsere Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen. Wie auch sonst sollte man Kausalketten verändern können? Mir ist unklar, worauf Du eigentlich hinauswillst. Wir sind Teil dieser Welt und können als Teil dieser Welt diese Welt dennoch verändern, oder etwa nicht? Wie stellst
Du Dir das eigentlich vor? Inwiefern sonst (dass er etwas denkt, überlegt, entscheidet und handelt) könnte jemand Kausalketten ändern, Deiner Ansicht nach?
ganimed hat geschrieben:Ich finde deine Definition hinkt. Sie vertritt das Bild von persönlicher Handlungsfreiheit aus unserer Alltagssprache. Sie ignoriert die Implikationen eines angenommenen Determinismus, dessen Konsequenzen eben nicht Teil unserer Alltagsvorstellung sind. Deine Aufzählung von Fähigkeiten halte ich für willkürlich (wieso fehlt immernoch das Flaschenöffnen?) und irrelevant. Keine dieser Fähigkeiten führt dazu, dass man nicht zu 100% genau das entscheidet, was sich aus den ursächlichen Faktoren ergibt. Es gibt auch bei rationalen Entscheidungen mit Reflektion keine Varianz, keinen Spielraum, keine Freiheit. Dein Freiheitsbegriff beschreibt eben nicht Freiheit (also Alternativen, Spielraum) sondern nur bestimmte Eigenschaften eines eindimensionalen, unveränderbaren und kausal abhängigen Kettenablaufs. Du verwechselst Freiheit mit Reflektivität und Rationalität.
Ich glaube aber, ich verwende "Willensfreiheit" so, wie es die meisten Leute verwenden. Siehe z.B.
hier.
Unter "Willensfreiheit" verstehe ich etwas anderes als unter "Handlungsfreiheit", daher fehlt dabei das Flaschenöffnen, (X will eine Flasche öffnen und kann diese Flasche öffnen -> Handlungsfreiheit) wie oben schon gesagt.
Und zum "willkürlich": kannst Du es wirklich überhaupt nicht nachvollziehen, dass Leute diese Fähigkeiten als notwendig für Willensfreiheit ansehen? Hältst Du diese Fähigkeiten gar für irrelevant für Willensfreiheit?
Was Du mit "Alternativen" oder "Spielraum" hier genau meinst, weiß ich nicht und ich vermute sehr stark, dass Du das auch nicht darstellen kannst.
ganimed hat geschrieben:Hier verwechselst du Freiheit mit Lernfähigkeit. Eine Lernerfahrung versetzt dich lediglich in einen anderen Zustand. Du entscheidest danach zwar anders aber eben auch wieder genau abhängig von den kausalen Faktoren. Nur weil ich eine Dominosteinkette etwas anders ausrichte, wird sie dadurch nicht zu einer freien Veranstaltung. Ob die Dominosteine nach Westen oder Osten umfallen, jedenfalls fallen sie der Reihe nach um und das nenne ich nicht frei. Sobald du gelernt hast, dass der Passat weniger kostet und das bessere Auto ist, wirst du dich sklavisch und unfrei für ihn entscheiden.
Der Unterschied zwischen uns ist wohl, dass es etwas gibt, dass ich "frei" nenne und es nichts gibt, was Du "frei" nennen würdest. Und die spannende Frage wäre nun, wer von uns eher den landläufigen Begriff "Willensfreiheit" trifft. Und wir beide meinen, dass jeweils wir es sind.
Und der Unterscheid ist wohl auch das, was wir "sklavisch" nennen. Wenn ich etwas gerne tue, dann ist daran nichts "sklavisch", sondern das ist dann "freiwillig". Einen anderen "Sklaven" zu nennen, der das nicht so sieht, ist meist nur Paternalismus, ("ich weiß, was für Dich das Beste ist, Du aber nicht").
ganimed hat geschrieben:Wenn jemand anders könnte, die Freiheit hätte, anders zu handeln, auch wenn es hirnrissige Handlungen wären, dann wäre er frei. Wenn man als Sklave gezwungen wird, kluge Dinge zu tun, dann handelt man zwar nicht hirnrissig, aber man ist unfrei. Du erkennst hoffentlich an diesen beiden Beispielen, dass Freiheit eben nichts mit Hirnrissigkeit oder Klugheit zu tun hat.
Aber ein Sklave wird von einem anderen dazu gezwungen, etwas zu tun, was er nicht will, bzw. was er nicht täte, würde er nicht dazu gezwungen. Das solltest Du hier wohl berücksichtigen.
Freiheit hat etwas mit Zwang zu tun und zwar ist mE Freiheit das Gegenteil von Zwang. Und Kausalität bedeutet nicht Zwang und Akausalität bedeutet nicht Zwanglosigkeit. Denn "Zwang" ist keine rein objektive Kategiorie, andere können nicht für Dritte beurteilen, was für diese Zwang ist, ohne diese zu befragen. Was für jemanden Zwang ist und was nicht, hängt von dessen Zielen und Wünschen ab und die sind nicht (zumindest nicht völlig) objektivierbar. ("Is it better to burn out than to fade away?" -> darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort.)
"Willensfreiheit" hat nun nach meinem Verständnis sehr wohl etwas mit bestimmten Fähigkeiten (zu Erkenntnis, Reflexion, Abwägung etc.) zu tun. Fehlten diese Fähigkeiten komplett, dann wäre das betreffende Wesen nach meiner Ansicht nicht willensfrei. Vollkommen egal, ob es in einer noch so akausalen Welt existieren würde, das spielte dann überhaupt keine Rolle mehr.
ganimed hat geschrieben:Nochmal: ich stimme ja durchaus zu, dass Menschen ihr Ding machen können. Meinetwegen auch mit Reflektion, Rationalität und allem Pi Pa Po. Aber sie können nur dieses eine Ding machen, sie haben nicht die Freiheit, sich andere Dinger auszusuchen. Welches Ding ihr Ding ist, hängt letztlich von externen Faktoren ab (so dass du dir deine Reflektionen und Rationalitäten als Irrelevanzen schenken kannst). [...] Dieses X sind Handlungsalternativen und Entscheidungsalternativen. Wenn ich keine Alternativen habe, dann nenne ich und Merkel das "alternativlos". Wenn man alternativlos ist, dann nenne ich das unfrei, denn man muss diese eine Alternative ausführen. Jetzt behauptest du ebenfalls, man hat nur eine Alternative aber nennst das unlogischerweise frei. Und jeden, der dir widerspricht, fragst du dann, was denn eine andere Alternative sein könnte um frei zu sein. Aber diese Frage ist eigentlich irrelevant. Solange auch du zustimmst, dass wir nur eine Alternative haben, kannst du nicht von Freiheit reden und sie mit irrelevanten Dingen wie Denkfähigkeit begründen. Denken erzeugt keine Alternativen. Unsere Entscheidungen sind und bleiben alternativlos.
Niemand kann etwas anders machen, als es ist. Alles ist immer so, wie es ist, war immer so, wie es war und wird immer so sein, wie es sein wird. Und das hat absolut null mit Kausalität / Determinismus zu tun: diese Aussage ist
immer und ausnahmslos wahr. Denn das ist schlicht eine Tautologie. Wenn jemand fragt: "kann etwas auch anders sein?", dann muss er dazu sagen, in Bezug auf was anders. Aber zu fragen: "kann etwas anders sein, als es ist, mal angenommen, es wäre, wie es ist?" ist einfach nur sinnlos, denn, wie gesagt, ist schlicht alles immer so, wie es ist. Alles ist immer und ausnahmlos zu sich selber identisch, es kann niemals etwas geben, das nicht zu sich identisch ist.
Deine Vorstellung von Freiheit ist daher einfach nur absurd, weil sie beinhaltet, dass etwas zu sich selber nicht identisch ist.
Wenn jemand sein Ding macht, dann macht er eben sein Ding. Und genau deswegen ist er frei. Würde er
nicht sein Ding machen, weil er dazu gezwungen würde oder aus einem anderen Grunde,
dann wäre er weniger frei. Mir erscheint es völlig merkwürdig, zu sagen: "jemand macht sein Ding und deswegen ist er unfrei". Nach meiner Auffassung von Freiheit ist genau das Gegenteil der Fall.
ganimed hat geschrieben:Meine Position ist durchaus logisch. Denn ich behaupte ja genau, dass man Ursachenketten nicht manipulieren kann und es daher unmöglich ist, in ein- und derselben Situation mal so und mal so zu entscheiden. Ich erlange also logische Stringenz dadurch, dass ich sage: Freiheit ist unmöglich, und das wodurch man Freiheit gewänne ist auch unmöglich. Das passt doch genau zusammen. Was bitte ist daran unlogisch?
Unlogisch im Zuammenhang ist
Dein Beispiel von oben mit dem Menschen mit dem Zufallsgenerator im Gehirn, das Du angebracht hast, um Deinen Freiheitsbegriff zu verdeutlichen.
Es sei denn, Du würdest tatsächlich meinen, dass Du die o.g. Fähigkeiten, die ich für Willensfreiheit unabdingbar sehe, für irrelevant ansiehst und Dein Freiheitsbegriff ausschließlich auf Akausalität fußt. Also "Akausalität = Freiheit".
Aber das mag ich immer noch nicht so recht glauben, denn das wäre einfach zu absurd.
Gilt dennoch - nach Deiner Ansicht - diese schlichte Formel: "Akausalität = Freiheit"?