Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Fr 27. Apr 2012, 15:33

Lumen hat geschrieben:Die Welt ist aber nicht schwarz/weiß. Wenn es keine Erziehung gibt, wird aus dem Nachwuchs trotzdem kein Mörder und Dieb. Noch weniger gibt es Anzeichen dafür, dass für die Erziehung eine Gottheit nötig ist. Nach allem was wir wissen, reicht eine Erziehung, die auch atheistisch sein kann (also nicht-theistisch). Die meisten Erziehungsmodelle dieser Tage sind atheistisch.


Stimme ich nur bedingt mit überein. Zunächst einmal gibt es meines Wissens keinen sozialen Menschen, der nicht die eine oder andere Erziehung genossen hätte. Die Literatur kennt die Beispiele sog. "Wolfskinder", die im vorletzten und letzen Jahrhundert in Indien ausgesetzt worden waren. Jedoch wurden diese Kinder nicht alt und starben bald. Wir wissen also nicht, was aus diesen grausamen, unfreiwillgen "Experimenten" geworden wäre. Wir wissen aber davon, daß nahezu alle psychisch auffälligen Personen aus problematischen Elternhäusern stammen bzw. in Heimen untergebracht waren (ja, auch in kirchlichen Heimen).

Erziehung ist also ganz wesentlich, damit ein Mensch überlebt und nicht zum psychischen Krüppel wird. Aber "Erziehung" klingt immer ein bisschen steif. Viel wichtiger noch als Erziehung ist das Wohlwollen, das man den Kindern entgegenbringt.

Selbstverständlich muss man nicht an Gott glauben, um Kindern Wohlwollen entgegenzubringen. Auch muss einer noch nie in der oder in einer Kirche gewesen sein, um das zu vermitteln, was in seinen Augen Wert ist. Das Bild, welches er vom anderen Menschen und von sich selbst hat, ist hier entscheidend. Statt Bild könnte man vielleicht auch "Persönlichkeitsbegriff" sagen. Also: wer bin ich? Nicht ob ich bin ist hier die Frage, sondern wer?

Ich erlebe mich zunächst als Mensch mit eigenem Antrieb oder eigenem Willen. Ich habe eine persönliche Geschichte, die sonst keiner mit mir teilt. Auch diese Erinnerungen machen mit zu dem was ich jetzt bin. Manches könnte zwar besser gelaufen sein, aber grundsätzlich stehe ich mir wohlwollend gegenüber. Wer bin ich nun? Bin ich nur einer, der jetzt gerne bei den Brights im Forum schreibt? Oder bin ich identisch mit meinen Erinnerungen? Oder bin ich einfach nur einer, der sich ok findet, der sich mag?

Auch wenn man es an der Oberfläche kaum noch wahrnimmt, so hat doch unsere Vorstellung darüber, was eine "Person" eigentlich ist oder sein soll, ganz entscheidende Impulse aus der christlichen Trinitätslehre genommen: Gedächtnis, Wille, Liebe und wie sie im Personenbegriff zusammenwirken. Denn die Idee der Trinität ist ja, daß sich Gedächtnis, Wille und Liebe gegenseitig bedingen. Ein Wille, der sich nicht aus den Erinnerungen eines bestimmten Menschen speisen würde, wäre niemandes Willen. Meine Erinnerungen wären nicht die meinen, wenn mein Wille nicht wäre und meine Liebe zu mir selbst und zum Nächsten. Ohne mich als Mensch zu akzeptieren (zu lieben!) habe ich keinen eigenen Willen und kein eigenes Gedächtnis, ohne eigenes Gedächtnis keinen eigenen Willen. Kann ich mich wirklich grundsätzlich lieben und mir zufriedensein, wenn ich meinen Nächsten grundsätzlich nicht wohlwollend bin?

Der Atheismus in seiner westlichen Form ist durchtränkt von christlichem Gedankengut. A-theismus, das sagt schon der Name, ist eine Spielart des Theismus. Die Negation, die sich darin ausspricht, kann sich nur auf etwas konkretes, schon vorhandenes beziehen. Oder aber man übernimmt und wandelt Konzepte aus der christlichen Tradition ab. So ist alles am Atheismus entweder ein "Nein" (und damit doch wieder ein Ja) oder "alter Wein in neuen Schläuchen".
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Fr 27. Apr 2012, 16:58

Noch ein P.S. zu meinem letzen Beitrag:

in Abwandlung eines bon mots von Egon Friedell fällt mir zu Atheismus ein: "Ich verstehe nicht, wie man Atheist sein kann. Das Normale ist doch schon unangenehm genug"
:hallo:
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Lumen » Fr 27. Apr 2012, 18:28

@stine und laie
Dass der Atheismus vom Christentum durchtränkt sei und quasi darauf aufbaut ist leider sachlich falsch. Es gibt auch fernöstliche atheistische Traditionen, die beispielsweise aus dem Buddhismus heraus entstanden sind. Auch in Japan, wo die vorwiegende Tradition bisweilen der schamanistische Shintoismus ist, gibt es numnehr atheistische Spielarten. Man kann nicht aus einer einfachen Folge (Christentum > Atheismus) einen beliebigen inhaltlichen Zusammenhang herstellen.

Eure selektive und sehr konfuse Logik fällt schon an der Stelle auseinander, wo der Atheist bestimmte Inhalte und Gebote ignoriert, aber andere beibehält und fortan auch seinen Nachwuchs so erzieht. Nach welchen Regeln soll das passieren? Woher weiß ein Mensch, dass er zwar auf Gott verzichten kann (die ersten paar Gebote), aber dennoch niemanden umbrigen möchte (Gebot 5)? Er muss irgendwelchen anderen (Meta-Regeln) folgen, um diese Entscheidung zu treffen.

Umgekehrt treibt ihr hier Geschichtsverfälschung, wenn ihr behauptet, die Christen seien ihrerseits immer konsequent einem bestimmten "wahren" Verhalten gefolgt und hätten diese perfekte christliche Erziehung der brutalen Wolfs-Menschheit gebracht. Das ist doch vollkommener Unsinn. Die christliche Geschichte, noch ihre Lehren, noch was praktisch dabei herausgekommen ist, eignet sich zur Nachahmung und ist auch nicht sonderlich appetitlich (und mir langsam zu doof, das wieder runterzubeten). Natürlich ist der Weisheit letzter Schluss nicht plötzlich vom Himmel gefallen, weder in einem noch anderen Sinne. Doch erstens sind ähnliche Moralvorstellungen in vielen Teilen der Welt entstanden und zweitens haben die Christen ihre Erziehung ihrerseits von Vorgängern (wie den Juden) übernommen oder haben andere Leute konvertiert, die ebenfalls bereits eine (a-christliche) Erziehung genossen hatten. Das bedeutet, dass ihr hier zusätzlich unehrlich argumentiert, wenn ihr beliebig in der Geschichte eine Linie zieht nur damit das Christentum mal wieder gut wegkommt. Warum geht unsere Erziehung dann nicht auf Urmenschen zurück? Oder Zoroastrier? Oder noch besser, die Germanen (die ja bereits erzogen waren, als sie ihre Götter gegen Christliche getauscht haben).

Schließlich ist es fraglich, inwiefern abendländische Erziehungen christliche Gemeinsamkeiten haben können. Was hat ein 68'er Haushalt mit dem eines amerikanischen Evangelikalen zu tun (beide ja irgendwie, laut euer verqueren Logik dasselbe, da "christlich geprägt"). Vielleicht ist die Erziehung in einem evangelikalen Haushalt einem chinesischen näher und der protestantische ähnelt vielleicht einem japanischen?

Eure "Argumentation" bewegt sich langsam auf sehr unguten Gebiet, wirkt auf mich unehrlich, unsachlich und beleidigend. Eure krasse Geschichtsverfälschung rückt euch eher in die Nähe mit Holocaust-Leugnern und anderen Leuten, die sich gerne ihre Wirklichkeit so hinbiegen, dass "ihre" Weltsicht als die "gute" davonkommt, obwohl die Geschichtsbücher doch eine klar andere Geschichte erzählen.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Nanna » Fr 27. Apr 2012, 19:15

stine hat geschrieben:Unsere Gesellschaft ist bis Dato christlich geprägt.

laie hat geschrieben:Der Atheismus in seiner westlichen Form ist durchtränkt von christlichem Gedankengut.

Das Problem bei Aussagen dieser Art ist, dass Religion inhaltlich völlig entgrenzt wird. Anscheinend kann man dem Konzept eines Gottes indifferent bis ablehnend begegnen, muss sich aber ungeachtet dessen erklären lassen, dass man nichtsdestotrotz auf eine bastardisierte Art religiös sei. Nun leugne ich religiöse Einflüsse auf meine Erziehung, Kultur und Mentalität, kurz: auf meine Identität, keineswegs, zumal ich ja selber eine religiös orientierte Erziehung "genossen" habe. Allerdings frage ich mich, was für Bedingungen für euch, stine und laie, erfüllt sein müssten, dass die Gesellschaft / der Atheismus nicht mehr von christlichem Gedankengut durchtränkt wären. Wenn es für euch so aussieht, dass z.B. jedes kooperative Verhalten schlüssig auf Nächstenliebe zurückgeführt werden kann, insbesondere in Gesellschaften, in denen in den letzten 2000 Jahren mal jemand "Nächstenliebe" gesagt hat, dann frage ich mich, wie eure Sichtweise überhaupt widerlegbar, also falsifiszierbar, sein könnte. Wie stark muss das spezifisch Christliche (was das überhaupt ist, also was wirklich weltweit christliche Alleinstellungsmerkmale sind, müsste dazu vorab geklärt werden - ich neige Lumens Ausführungen zu, dass es viel weniger eindeutige Ableitungen aus der genuin christlichen Kernlehre gibt, als ihr behauptet) verdünnt werden, dass ihr bereit seid, zuzustimmen, dass eine Weltanschauung oder eine gesellschaftliche Kultur/Mentalität nicht mehr dominant christlich geprägt ist?
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Sa 28. Apr 2012, 08:17

@nanna, lumen

Lumen hat geschrieben:Dass der Atheismus vom Christentum durchtränkt sei und quasi darauf aufbaut ist leider sachlich falsch. Es gibt auch fernöstliche atheistische Traditionen, die beispielsweise aus dem Buddhismus heraus entstanden sind. Auch in Japan, wo die vorwiegende Tradition bisweilen der schamanistische Shintoismus ist, gibt es numnehr atheistische Spielarten. Man kann nicht aus einer einfachen Folge (Christentum > Atheismus) einen beliebigen inhaltlichen Zusammenhang herstellen.


Sehr richtig. Genau das habe ich gemeint, wenn auch vielleicht nicht immer deutlich gesagt. Deshalb sprach ich immer von "Atheismus westlicher Prägung". Ich bin mir nämlich sicher, daß der Atheismus, der aus dem Shintoismus entstanden ist, nicht mit "unserem" Atheismus vergleichbar ist.

Lumen hat geschrieben:Umgekehrt treibt ihr hier Geschichtsverfälschung, wenn ihr behauptet, die Christen seien ihrerseits immer konsequent einem bestimmten "wahren" Verhalten gefolgt und hätten diese perfekte christliche Erziehung der brutalen Wolfs-Menschheit gebracht.


Erwischt! Genau das haben wir gesagt :ironie: komm, :keks:

Lumen hat geschrieben:Eure "Argumentation" bewegt sich langsam auf sehr unguten Gebiet, wirkt auf mich unehrlich, unsachlich und beleidigend. Eure krasse Geschichtsverfälschung rückt euch eher in die Nähe mit Holocaust-Leugnern und anderen Leuten, die sich gerne ihre Wirklichkeit so hinbiegen, dass "ihre" Weltsicht als die "gute" davonkommt, obwohl die Geschichtsbücher doch eine klar andere Geschichte erzählen.


Oh! Da ist einer beleidigt! Pass mal auf, es wäre schön, wenn du wüsstest, wo die Lichtquelle steht, die dich anstrahlt. Uns in die Nähe von Holocausleugnern zu bringen aufgrund unserer Meinung, ist gemein.

Nanna hat geschrieben:Allerdings frage ich mich, was für Bedingungen für euch, stine und laie, erfüllt sein müssten, dass die Gesellschaft / der Atheismus nicht mehr von christlichem Gedankengut durchtränkt wären.


Das müssen nicht stine und ich zeigen, sondern ihr brights. Ich habe dennoch versucht, meine Position an etwas wie dem Personenkonzept festzumachen. Man könnte auch andere Beispiele aufführen. Hatte die Jenseitshoffnung wirklich keinen Einfluss auf unser modernes "Es kann immer besser werden"? Und Nanna, ich weiss, dass du auch Webers Aufsatz über Protestantismus und Kapitalismus kennst.

Natürlich gefällt euch das alles nicht. Nur: wenn du sagst, mein Argument sei bequem, weil es religionslose Gesellschaften ohnehin nicht gegeben habe, dann kann ich nur sagen: so sind die Fakten. Und brights haben doch keine Angst vor Fakten oder? Nur wenn die Fakten so weh tun wie hier, dann degradiert man sie schnell zu einem "bequemen Argument".
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Sa 28. Apr 2012, 09:54




mehr unerzogene Tiere

(als Beispiele für soziales Verhalten bei Tieren. Es gibt bestimmt viel bessere. Den katholischen Ideologen geht das sicher am A. vorbei, aber für die hab ich es auch nicht gepostet.)
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Sa 28. Apr 2012, 10:40

Ohne Ironie: solche Aufnahmen sind wunderschön und sehr rührend. Aber was zeigen sie? Vermutlich, daß Brutpflege angeboren ist. Und daß das Nashorn offensichtlich einen Artgenossen nicht von einem fremden unterscheiden kann, daß also die Brutpflege so ein starker Impuls ist, daß man sogar tote Junge oder lebende Fremde mit sich herumträgt.

Wie bette ich jetzt dieses Verhalten in die Evolutionstheorie ein? Wo ist der selektive Vorteil für das Nashorn?

Letztlich geht es nicht um Wunder der Natur, sondern schlicht um die Tatsache, daß der Mensch zu keiner Zeit ohne seine Tradition zu denken ist. Klar, der Mensch als biologisches Lebewesen fiel nicht vom Himmel. Aber wo das Natur-Kultur Übergang ist, welche Verhaltensweisen noch nicht von Kultur berührt wurden (und damit verdorben wurden, wie manche Naturalisten vielleicht insgeheim bedauern) und welche schon, das weiss kein Mensch. Wie gesagt: Wolfskinder waren in dieser Frage nicht besonders aufschlußreich.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Sa 28. Apr 2012, 11:28

Ich unterstelle mal, dass dir die nötigen Kenntnisse in stringenter Argumentation fehlen. Ansonsten müsste ich dich als Demagogen betrachten. Die katholische Fraktion erinnert mich hier gelegentlich an einen Spruch des weisen Salomo: So wie der Hund zu seinem Gespeih zurückkehrt und die Sau zu ihrem Kot, so ist der Tor, der seine Torheit wiederholt. Schönen Sonntag!
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Sa 28. Apr 2012, 12:13

Au weia! Warum bist du denn jetzt so beleidigend? Wollen wir drüber reden?
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Sa 28. Apr 2012, 12:57

Die Bibel beleidigt dich - falls du das meinst.

Es ist übrigens ein Nilpferd - Nashörner haben, wie der Name schon sagt ein Horn auf der Nase - und das Tier trifft immerhin eine Unterscheidung zwischen dem Krokodil und der Antilope. Und ich könnte jetzt auch über - sagen wir - Mutter Teresa behaupten, dass sie ihre genetischen Verwandten nicht von wildfremden Menschen unterscheiden konnte und dass wir auf Grund dieses verbreiteten Ticks Religion nicht brauchen. Deine Argumention ist selektiv und oberflächlich - typisch für religöse Schwärmer, die sich von Fakten nicht behelligen lassen. Es geht nur darum, den Gesprächspartner mit Gesülze zu ermüden.

Weiterhin ist die Tatsche, dass du dir etwas nicht erklären kannst, kein Beleg dafür, dass es nicht doch so ist. Ich tippe mal, dass du Evolution falsch verstehst. Ein angeborenes Verhalten entsteht evolutionär betrachtet rein zufällig, ohne Sinn und Ziel, denn Evolution zielt auf gar nichts. Wenn es dem Organismus zum Vorteil gereicht, wir es vererbt. Dabei kann dieses Verhalten auch Organismen ganz anderer Arten zum Vorteil sein. Und es kann übrigens auch ein völlig belangloses Verhalten sein, das weder Vor- noch Nachteile bringt (z.B. Katholizismus :mg: ).

Es gibt auch einen scheinbar selbstlosen Altrusimus, z.B. wenn Menschen anderen Menschen helfen, die ganz fremd sind und die sie nie wieder sehen werden. Das funktioniert aber nur, weil Verstöße gegen den altrusitischen Instinkt allgemein bestraft werden. Letzlich ist dieser Altruismus dann doch egoistisch, weil er eine Norm verteidigt, die dem Einzelnen im Ungücksfall selbst zugute kommt. (Man muss also nicht mal "Gruppenselektion" bemühen, um das zu erklären.) Deswegen müssen die Herzlosen in die Hölle.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » Sa 28. Apr 2012, 18:03

@ujmp Kannst du das ganze nicht etwas kürzer fassen? Was sagst du?

Es ist übrigens ein Nilpferd - Nashörner haben, wie der Name schon sagt ein Horn auf der Nase - und das Tier trifft immerhin eine Unterscheidung zwischen dem Krokodil und der Antilope. Und ich könnte jetzt auch über - sagen wir - Mutter Teresa behaupten, dass sie ihre genetischen Verwandten nicht von wildfremden Menschen unterscheiden konnte und dass wir auf Grund dieses verbreiteten Ticks Religion nicht brauchen. Deine Argumention ist selektiv und oberflächlich - typisch für religöse Schwärmer, die sich von Fakten nicht behelligen lassen. Es geht nur darum, den Gesprächspartner mit Gesülze zu ermüden.


Ich weiss jetzt immer noch nicht, was du mit dem Nilpferdbeispiel sagen wolltest?

Wenn es dem Organismus zum Vorteil gereicht, wir es vererbt.


Nein. Völlig falsch und irreführend. Sondern es sind zur Zeit einfach mehr Lebewesen da, die dieses Merkmal vererbt bekommen haben. Alles ist schon geschehen und dann erst kommt der Evolutionist und sagt: "Wie interessant! Das und das Merkmal hat sich durchgesetzt".

Wir: "Was heisst 'hat sich durchgesetzt'?"

Er: "Es wird zumindest gegenwärtig von mehr Lebewesen getragen als von anderen. Ob das in einem oder in zehn Jahren auch noch so ist, wissen wir nicht."

Wir:"Aha, dann bedeutet also 'sich durchsetzen' soviel wie 'mehr Nachkommen haben'."

Er: "Ja."

So haben wir das noch gar nicht gesehen: ein Lebewesen hat mehr Nachkommen, weil es mehr Nachkommen bekam.

Es gibt auch einen scheinbar selbstlosen Altrusimus, z.B. wenn Menschen anderen Menschen helfen, die ganz fremd sind und die sie nie wieder sehen werden. Das funktioniert aber nur, weil Verstöße gegen den altrusitischen Instinkt allgemein bestraft werden. Letzlich ist dieser Altruismus dann doch egoistisch, weil er eine Norm verteidigt, die dem Einzelnen im Ungücksfall selbst zugute kommt. (Man muss also nicht mal "Gruppenselektion" bemühen, um das zu erklären.) Deswegen müssen die Herzlosen in die Hölle.


"Scheinbar selbstloser Altruismus." Ja, der Altruismus. Der sperrt sich immer. Also du sagst, es gibt auch Altruismus, der "nur scheinbar selbstlos" ist. Na, dann sag doch einfach "Egoismus" zu dieser Form des Altruismus. Sag doch einfach: "Egoismus ist, wenn Menschen anderen Menschen helfen, die ganz fremd sind und die sie nie wieder sehen."
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » Sa 28. Apr 2012, 19:41

Altruistic punishment in humans, Ernst Fehr, Simon Gächter

"By showing that altruistic punishment is a key force in the establishment
of human cooperation, our study indicates that there is more
at work in sustaining human cooperation than is suggested by these
theories. Thus, our evidence suggests that the evolutionary study of
human cooperation in large groups of unrelated individuals should
include a focus on explaining altruistic punishment. Moreover,
because altruistic punishment occurs among genetically unrelated
individuals and under conditions that rule out direct reciprocity
and reputation formation, the above-mentioned theories do not
readily account for altruistic punishment."


Wann dominiert der Eigennutz das Sozialverhalten? Ernst Fehr, Universität Zürich (dasselbe komprimiert auf deutsch)
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Lumen » Sa 28. Apr 2012, 20:56

laie,
Du bist auf die zahlreichen Argumente überhaupt nicht eingetragen, daher sehe ich keinen Sinn darin, sie nochmal zu wiederholen. Stelle bitte dar, was an unserer Erziehung "christlich" sein soll, worin die Alleinstellungsmerkmale bestehen und woher es kommt, dass heute im Klassenzimmer kein Rohrstock mehr steht. Es wäre auch interessant, wie du diese christliche Tradition in der Geschichte festmachst. In der jüngeren Geschichte waren die Deutschen, und damit mehrheitlich Christen, zum Beispiel am Massenmord beteiligt. Da bin ich jetzt höchst gespannt, wie du dir das zurecht biegst. Oben sind noch eigentliche Argumente genannt.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon laie » So 29. Apr 2012, 09:29

lumen:

ok, da meine Argumente wohl untergangen sind und ich auch nicht recht zugehört haben mag: welche Argumente hast du denn für deine Behauptung gebracht, daß deine und meine Kultur nicht seit 1700 Jahren durch das Christentum geprägt wird.

Zu Deiner Erinnerung: Ich habe das Beispiel des Personenkonzepts, der Heilserwartung, des Protestantismus und Kapitalismus gebracht. Ja, auf den Punkt gebracht: die westliche Aufklärung beginnt bereits mit dem Satz: "Gott ist Mensch geworden".

Jetzt du.

Und damit es nicht wieder heisst, ich würde auf deine Argumente nicht eingehen:

die Deutschen, und damit mehrheitlich Christen, zum Beispiel am Massenmord beteiligt.


Stimmt. Nur denke ich muss man da fairerweise schon differenzieren: zum einen war die Ideologie der Nazis nicht christlich, sondern ein Golem aus verschiedenen Rassentheorien, nationalstaatlichen Fantastereien ("wir stammen von den Urgermanen ab") und Antisemitismus.

Zum anderen haben wir in der Bismarck-Zeit den Kulturkampf, da die katholische Kirche massiv an Einfluss verlor und die preussisch-lutherische Kirche zur wilhelminischen Staatskirche votierte. Die deutsche Gesellschaft hatte sich also zunächst schon einmal einer Stimme entledigt, die kritisch hätte sein können. Im 3. Reich selbst gibt es genügend kirchliche Geistige, die sich gegen den Naziterror aussprachen, darunter auch hohe kirchliche Würdenträger wie Clemens August Graf von Galen, der Bischof von Münster, auf dessen Predigten hin die Euthanasie zumindest ein vorzeitiges Ende fand.

Aber natürlich ist die offizielle Stellung der katholischen Kirche im 3. Reich selbst sehr irritierend.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » So 29. Apr 2012, 09:33

laie hat geschrieben:
Ich weiss jetzt immer noch nicht, was du mit dem Nilpferdbeispiel sagen wolltest?


Man kann ein bestimmtes Verhalten beim Menschen beobachten, das wir "sozial" nennen mögen, welches sich bei Tieren ebenso beobachten lässt, und das sich daher nicht mit Erziehung erklären lässt. Das Nilpferd ist ein Gegenbeleg für die Behauptung, dass soziales Verhalten erzogen werden muss.

Deine Behauptung, das Nilpferd könne fremde Tiere nicht von Artgenossen unterscheiden ist offensichtlich falsch, denn das Nilpferd unterscheidet in dieser Situation sehr wohl zwischen dem Krokodil und der Antilope. Diese Behauptung ist nicht nur falsch sondern auch dumm, denn sie liefert mir ein Argument gegen deine Position. Ich könnte nämlich jetzt mit dem selben Recht sagen: "Mutter Teresa konnte fremde Menschen nicht von ihren Verwandten unterscheiden, deshalb war ihr Verhalten nichts Selbstloses sondern schlicht egoistische Brutpflege".
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Lumen » So 29. Apr 2012, 10:23

laie hat geschrieben:Zu Deiner Erinnerung: Ich habe das Beispiel des Personenkonzepts, der Heilserwartung, des Protestantismus und Kapitalismus gebracht. Ja, auf den Punkt gebracht: die westliche Aufklärung beginnt bereits mit dem Satz: "Gott ist Mensch geworden".

Jetzt du.


Die Heilserwartung in christlicher Form sehe ich als eins der negativsten Elemente der Religion, und eine der schlimmsten Erfindungen der Menschheit. Die Christen schufen das Konzept des Seelenheils und etablierten dann ein Monopol auf dessen Pflege und Deutung. Auf der Idee ruhte das ganze totalitäre Gefüge, dass Menschen in nahezu perfekter Weise unterdrückte und von der Wiege bis in auf Bahre (und laut Dogmen sogar darüber hinaus) und von den Festen, über denn Alltag bis ins Schlafzimmer alles umfasste und bestimmte. Diese Idee ist der absolute moralische Nullpunkt, den die Christen bis zum letzten Blutstropfen ausnutzten, bis sich ihre total gefangenen Subjekte dagegen auflehnten. Nein, mit derartigen Konzepten möchte ich nichts zu tun haben. Ein Leben nach dem Tod wurde von den meisten Religionen vorgeschlagen, und auch oft humaner ausgestaltet.

Was du mit Personenkonzept meinst, musst du erklären. Der Kapitalismus ist keine christliche Erfindung. Wie gesagt, ich lehne die Deutung ab, wonach alles was von Christen und/oder in christlicher Zeit entwickelt wurde quasi "Copyright Jesus Christus" ist, vor allem da Christen ja gerne selektiv werden: bei den Nazis sind es dann plötzlich nicht-christliche Einflüsse, aber die Erfindung der Wäscheklammer ist natürlich auf eine christliche Erziehung zurückzuführen.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Vollbreit » So 29. Apr 2012, 10:58

@ laie:

Stimmt.

Neben der offiziellen Linie der Kirche in der Zeit der Nazidiktatur, gab es aber auch noch die kleineren Verbände und Organisationen. Gerade die Katholiken haben es – übrigens im Gegensatz zu den Evangelen, die oftmals stärkere Mitläufer waren – Hilter nicht leicht gemacht.
Nicht umsonst wurden nicht nur die Zeugen Jehovas verboten sondern auch Organisationen wie der katholische „Bund Neudeutschland“ wurde verfolgt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bund_Neudeutschland

Und in einer Bevölkerung die Mehrheitlich zu dieser Zeit den großen Konfessionen angehörte, wird natürlich die Mehrzahl an Gräueltaten beteiligt gewesen sein, wie in Regionen die offiziell antireligiös war, dort eben erklärte Atheisten Abermillionen von Toten zu verantworten haben.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Vollbreit » So 29. Apr 2012, 11:06

@ Lumen:

In der heutigen Gesellschaft sind 40% der Bevölkerung atheistisch, etwa je 30% fallen auf die großen christlichen Religionen.

Was meinst Du denn: Waren bei dem jüngsten Aufruf zur Lynchjustiz (im Zusammenhang mit dem Sexualmord von Emden) via facebook wohl auch Atheisten dabei, oder bestand der Mob nur aus Angehörigen der Kirchen?

Vielleicht waren nur 10% Atheisten dabei, vielleicht aber auch 60%, ganz sicher werden aber welche dabei gewesen sein. Meinst Du, dass lässt allgemeine Rückschlüsse, auf die Atheisten zu, oder nicht?

Zur katholikenfreundlichen Einstellung der Nazis ein gewisser Adolf H.:
Adolf Hitler hat geschrieben: „Wenn ich meine Tätigkeit wiederaufnehme, werde ich eine neue Politik befolgen müssen. Statt die Macht mit Waffengewalt zu erobern, werden wir zum Verdruß der katholischen und marxistischen Abgeordneten unsere Nasen in den Reichstag stecken. Zwar mag es länger dauern, sie zu überstimmen, als sie zu erschießen, aber am Ende wird uns ihre eigene Verfassung den Erfolg zuschieben. Jeder legale Vorgang ist langsam.“

(zitiert aus: Joachim Fest,Hitler – Eine Biographie, 1973, Ullstein, Spiegelausgabe 2006/7 S.367f)

Dass der Kapitalismus keine christliche Erfindung sei, dazu gibt es auch mehr als eine Meinung.
Eine von Deiner abweichende werde ich nachher zitieren.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon Vollbreit » So 29. Apr 2012, 11:08

@ ujmp:

Was Du nicht ausschließen kannst, ist die Möglichkeit, dass das Nilpferd nur einem unbewussten Programm folgt. Gerade das (es so ist) wird ja idiotischerweise von Anhängern der Evolutionstheorie immer hochgehalten. Paradigmatisch Dakwins‘ egoistische Gene die ein autonom entscheidendes Individuum aus dem Rennen nehmen (wollen) um, später an dasselbe zu appellieren.

Kooperationen zwischen Fressfeinden sind schon lange bekannt, auch der Verhaltensforscher Eberhard Trumler berichtet in „Meine wilden Freunde“ von Jagdgemeinschaften von Wildhunden mit anderen Tieren, die ansonsten Konkurrenten sind.

Frans de Waal konnte jüngst nahelegen, dass Empathie offenbar angeboren ist.
Affen waren in Experimenten bereit, eine eigene größere Belohnung mit einem weniger belohnten Kameraden zu teilen.

Aber was heißt das nun? Dass wir alle nur Bioautomaten sind, von Hirn und Genen ferngesteuert?
Dieser ganze halbgare Quatsch von Singer, Roth, Schmidt-Salomon und Dawkins?
Das ist doch nur eine Orgie von Selbstwidersprüchen mit petito principii, die nur darum „überzeugt“, weil der Mehrheit der Leser eben ungebildeter ist, als sie selbst meinen.

Oder heißt es, dass Tiere nach rationalen Gründen entscheiden?
Wie denn? Auf der Basis welcher, wie vermittelter, Argumente?
Ist das nicht immer wieder nur der Rekurs auf eine animalische „Geheimsprache“, bei dem, völlig unnötig (so von wegen Ockham und „schlanke Theorie“) und empirisch zu genau 0% belegt, in harter metaphysischer Überfrachtung unterstellt wird, es könne ja durchaus sein, dass eben auch Affen und Nilpferde philosophieren, ausschließen kann man es ja nicht.
Für Kant wäre der Fall damit erledigt.

Es müsste also die Grenze herausgearbeitet werden, von der man sagen kann, dass bei ihrem Übertritt eine freie, rationale Entscheidung für oder gegen möglich ist. Bei Lebewesen mit schlichter Kommunikation ohne Zeit, Abstrakta, Konjunktive ist das schwer möglich.

Was Du also mit dem Video belegen willst, bleibt unklar, dass Mutter Theresa nicht unterscheiden kann, kannst Du nicht behaupten, sie kann sich ja begründet rechtfertigen.
Das Video belegt nicht, dass Mutter Theresa irrational war.
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Re: Nach einem Gott fragen heißt Thema verfehlen

Beitragvon ujmp » So 29. Apr 2012, 11:32

Du hast mein Argument missverstanden. Ich habe lediglich von einem Verhalten gesprochen dass Mensch und Tier offensichtlich gemeinsam haben. Wie ihr ethisch, philosophisch oder religiös damit klar kommt, ist euer Bier.
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