Nanna hat geschrieben:Lässt man mehr Leute rein, senkt man automatisch das Niveau.
Ja, wenn die Akademiker prozentual niedrig gehalten werden, indem man die Qualität hoch hält, ist glaube ich auch dort für alle gesorgt und vielen gedient.
Die Wirklichkeit ist aber momentan anders.
Nanna hat geschrieben:Das mit den Lehrern ist natürlich ein Randthema, weil es nur einen geringen Teil der Studenten betrifft.
Als Randthema würde ich es schon deshalb nicht sehen, weil der Dozenten- und Lehreranteil an den Akademikern fast 40% ausmacht, wenn man Deinem link folgt, Seite 8.
Nanna hat geschrieben:Natürlich brauchen wir auf Dauer nicht mehr so viele Lehrer - andererseits könnten wir die Lehrerschwemme bei kluger Bildungspolitik auch nutzen, um die Betreuungsquote an den Schulen zu verbessern.
Fände ich auch cool schon weil man sich bei Diskussionen um Bildungspolitik und Unterricht unversehens ins letzte Jahrtausend zurückversetzt fühlt. Lehrermangel, Klassengröße, Kritik am Frontalunterricht und so weiter, als hätten die letzten 50 Jahre nicht stattgefunden. Ist aber ein anderes Thema.
Nanna hat geschrieben:Wir müssen uns ja auch darüber klar sein, dass bei einem Rentnerberg die Minderheit der arbeitenden Bevölkerung entsprechend ausgebildet sein muss, um das Geld für die Versorgung von Rentnern und eigenen Kindern erwirtschaften zu können.
Ja, das könnte ein Modell sein, das klappt.
Leider wohl nur auf dem Papier, denn nach wie vor muss auch jemand den Müll wegbringen, die ganzen Rentner pflegen, medizinisch versorgen, bespaßen, es muss Tankstellen, Supermärkte, Restaurants und so weiter geben, dass dort zukünftig 50 Euro Mindestlohn pro Stunde bezahlt werden ist nicht zu erwarten.
Nanna hat geschrieben:Und insgesamt geht der Trend nunmal weg von Handarbeit, egal in welcher Branche.
In der Pflege ziemlich undenkbar – schon Rollmöpse drehen, kann kein Roboter, wechsel mal ne Schutzhose – und falls denkbar, wünschenswert? Wo die Familien immer kleiner werden und immer weniger Zeit für einander haben, kommt kompensatorisch der Pflegedienst ins Haus, bevor es endgültig ab ins Heim geht, wenn dann dafür zukünftig der Roboter kommt, ich weiß nicht.
Nanna hat geschrieben:Das muss in der Konsequenz nicht Akademisierung bedeuten, aber lebenslanges Lernen auf jeden Fall.
Das wäre doch fast ein Traum.
Nanna hat geschrieben:In erster Linie ging es aber am Anfang des Themas auch nur darum, zu widerlegen, dass Akademiker überdurchschnittlich häufig arbeitslos wären. Und das ist eben nachweislich nicht der Fall.
Das sind die sicher nicht, aber dort sieht es eben auch nicht mehr so rosig aus, der Philosoph ist sicher ein Extrembeispiel, aber ein Ingenieur Ende 40, Anfang 50 spezialisiert auf die Produktion optischer Linsen, Firma leider pleite, der kann einpacken, der lernt auch nicht mehr mal eben um.
Derzeit zumindest. Und bei Lehrern sieht es wirklich nicht rosig aus, weil die Arbeitsbedingungen immer ruppiger werden, 90% der Lehrer erreichen ihr Rentenalter nicht, sondern werden frühpensioniert, bei allen auch berechtigten Witzen, gut ist das nicht, die deutschen Mediziner gehen oft ins Ausland und dafür werden teilweise wirkliche Pfeifen eingestellt.
Nanna hat geschrieben:Ich gehe auch nicht davon aus, dass es da einen Negativtrend geben wird, weil mit steigender Komplexität und Globalisierung der Arbeitswelt weiterhin Fähigkeiten gefordert sein werden, die Akademiker mitbringen.
Denke ich auch, vieles wird auch im online Sektor möglich sein.
Nanna hat geschrieben:Aber wie gesagt, das heißt nicht, dass wir die hervorragende berufliche Ausbildung in Deutschland schleifen lassen sollen, sonst sieht es bei uns bald aus wie in den arabischen Ländern. Dort haben wegen des sozialen Prestiges und einer undurchdachten Bildungspolitik unheimlich viele Leute studiert, aber dafür fehlt jetzt die komplette berufliche Basis. Einen ausgebildeten Klempner zu bekommen ist in Damaskus oder Kairo schon gar nicht so einfach, einen Anwalt bekommst du dagegen nachgeschmissen.
Ja, auf den Punkt.
Im Ingenieursbereich gibt es da seit einiger Zeit Kooperationen, Studium und Betrieb, überspitzt gesagt, ist die Wirklichkeit jetzt in der Waldorfschule angekommen.
Nanna hat geschrieben:Das steht natürlich dem Wirtschaftswachstum dort ganz stark mit im Weg. Insofern verstehe ich deine Argumente schon, aber die Zunahme der Akademikerbeschäftigung (und eben nicht nur der Akademikerausbildung) ist ja nicht wegzuleugnen.
Gut, es spricht sicher nichts dagegen, Akademiker zu sein oder zu werden, nur der Garant auf lebenslange Beschäftigung bei gutem Gehalt ist es tatsächlich nicht mehr, auch wenn man dabei nicht in Extreme verfallen darf, das soll keine Werbung für die Sonderschule sein.
Viel schöner, besser und wichtiger finde ich, dass Du die Diskussion um diesen Aspekt erweitert hast:
Nanna hat geschrieben:Aber wie gesagt, das heißt nicht, dass wir die hervorragende berufliche Ausbildung Das Lapidare an der Antwort, so bestechend es klingt, übertüncht aber eben auch, dass ein Legastheniker hervorragende Denkleistungen erbringen kann - kann, nicht muss. Ein Freund von mir ist leichter Legastheniker und ist ein Ass in Mathe, studiert mittlerweile eine Naturwissenschaft und ist mittlerweile an seinem dritten internationalen Studienort angekommen. Es wäre schon ein Verlust gewesen, wenn man den eine Lehre hätte machen lassen.
Das scheint mir wirklich eine Schwäche in Deutschland zu sein, die Bürokratiehürden. Für alles braucht man ein Jodeldiplom, auch wenn das längst an der Wirklichkeit vorbeigeht und für Schmalspurakdemiker ohne Praxiskenntnisse überhaupt kein Bedarf besteht.
Ich kenne selbst ein paar Leute, die mitunter hochintelligent sind und deren Potential im Grunde nirgendwo genutzt werden kann. Einfach etwas gut zu können, reicht häufig nicht aus. Manche haben eine akademische Laufbahn eingeschlagen, andere nicht. Sie habe alle mehr oder weniger ihre Nischen gefunden, aber ich habe das Gefühl, das hier einfach viel Potential gehoben werden könnte, wenn man manches anders regelt.
Hier weiß ich allerdings auch nicht weiter. Man will ja zurecht nicht jeden überall positionieren.
Andererseits: Das Verstörende an sogenannten Hochstaplern ist ja oft, dass sie sich über Jahre irgendwo einnisten und im Kreise der Kollegen gar nicht negativ auffallen. Per Zufall wurde letztens eine Kinderärztin enttarnt, die jahrelang praktizierte und bei Patienten und Kollegen gleichermaßen beliebt war und als kompetent galt.
Röntgen der als einer der bahnbrechendsten Forscher überhaupt gilt, hatte noch nicht mal Abitur.
Viele Denker und Forscher, die wir heute als Genies verehren, hatten sogar kräftig einen an der Waffel und in vielen Branchen gehört es gewisses Maß an Psychopathologie zum guten Ton. Es sind eigentlich die Nischen, die das Leben als lebenswert erscheinen lassen, wo sich diese Menschen tummeln. Leider fällt vieles von dem in Zeiten der Fixierung auf den Nutzen flach. Wirtschaftlich durch den ungebremst agierenden Kapitalismus (der allmählich die Zügel der Macht in die Hand nimmt), ideologisch durch die in meinen Augen sehr ungesunden Biologisierungstendenzen in der Wissenschaft. Das passt leider so gut zusammen, dass von Darth Nefarius und er steht nur exemplarisch für andere, die ebenso denken, einen inneren Zusammenhang sieht, bei dem die Möglichkeit und Notwendigkeit zur Kritik überhaupt nicht mehr erkannt wird. Überall in der Natur herrsche Kapitalismus heißt es dann, da möchte man ja fast Marxist werden.
Da gibt es dann einen eleganten Übergang Egoismus der Natur zum Egoismus der Wirtschaft.
Wird all das, worauf es im Leben ankommt, dann auch noch als sowieso angeboren deklariert, erscheinen Einwände nur noch als Blockade von Leuten, die die Realität irgendwie nicht ertragen können. Das ist vielleicht etwas vom Thema weg, aber Potentiale nutzt man glaube ich dadurch am wenigsten, dass man alle zum Denken im Gleichschritt erzieht. Auch im Naturalismus und der Wissenschaft liegt diese Gefahr sehr viel näher, als viele ahnen.
Dass man bei Geisteswissenschaften nicht weiß, was man damit eigentlich anfangen soll, Theater sich nicht „lohnen“ und Bildung immer mehr das ist, was den Anforderungen der Betriebe gerecht wird, ist keine sehr schöne Entwicklung.