Wozu dient der Gottesbegriff?

Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Mi 11. Jul 2012, 17:33

Vollbreit hat geschrieben:Meine Frage an laie ist, ob Du nicht mit Deiner Skizzierung in einen gewissen Konflikt mit Eckharts Predigt 52 geräts, ich habe ihn dort so verstanden, dass ihm Gott als Schöpfer aller Kreaturen zu wenig ist. Möglicherweise habe ich aber auch das Konzept der notwendigen Bezogenheit auf Gott/Sein noch nicht richtig verstanden.


Du meinst vermutlich die Stelle

"Nun sagen wir, daß Gott, soweit er (lediglich) »Gott« ist, nicht das höchste Ziel der Kreatur ist."

"sofern er nur "Gott" ist", ist entscheidend. Gott in Anführungszeichen interpretiere ich so, daß damit unser Bild von Gott gemeint ist. Wie deutest du diese Stelle?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mi 11. Jul 2012, 18:06

Ja, genau die Stelle meine ich.
Ich habe "Gott" dort immer als Schöpfergott gedeutet und den Gott der im Durchbrechen zuteil wird, als den, der den Schöpfergott noch überragt.
Mir ist da eigentlich nie etwas anderes in den Sinn gekommen, aber vielleicht bin ich da auf dem falschen Dampfer unterwegs.
Wie siehst Du diese Trennung?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Mi 11. Jul 2012, 18:45

Vollbreit hat geschrieben:[...] Ich habe "Gott" dort immer als Schöpfergott gedeutet und den Gott der im Durchbrechen zuteil wird, als den, der den Schöpfergott noch überragt.[...]


Gott und Demiurg, mit anderen Worten. Bist du Monist oder Gnostiker, oder jüdisch näher an der Kaballa dran? Wie dem auch sei: es ist Fantasy.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Mi 11. Jul 2012, 21:28

Lumen hat geschrieben:Die Informationskontrolle rührt daher, dass immer nur ausgewählte Zugang zur "göttlichen" (oder im Falle von Scientology außerirdischen) Information haben wollen.


Ja, vermutlich geht das auf den Schamanismus zurück.

Lumen hat geschrieben:Die Exklusivität wird mindestens an das gläubig-sein geknüpft und darüberhinaus auch an bestimmte "Fähigkeiten". Diese sind stets so beschaffen, dass nicht überprüft werden kann, ob der Betreffende die Fähigkeit wirklich erlangt hat. Gemeinhin wird dies Erleuchtung genannt und an wirre, semantisch oder auch syntaktisch unsinnige "Aussagen" geknüpft, die angeblich nur der Erleuchtete versteht.


Zen-Meister überprüfen ja diese Fähigkeit.
Das Problem ist eigentlich nur das: Wenn nur ein paar Leute wissen wie Pfeffer schmeckt und nun jemand Wacholderaroma nimmt und behauptet es sei Pfeffer, kann das von denen, die Pfeffer nicht kennen eigentlich niemand kontrollieren.

Eine Möglichkeit der Deutung ist, dass das alles nur ein Trick ist.
Irgendwer behauptet es gäbe Pfeffer und der sei ganz köstlich nur eben sehr selten.
Aber in Wahrheit gibt es gar keinen Pfeffer.
Die andere Variante ist, dass die Erfahrungen nicht systematisiert sind.
Kann sein, dass sich bei der Systematisierung erweist, dass alles nur Spinnerei ist.
Kann sein, dass sich anderes erweist. Der Prozess läuft ja ohnehin bereits.

Lumen hat geschrieben:Da kommen dann z.B. Sachen ins Spiel, die Dennett Deepities nennt. In diesem Umfeld blühen Ideen wie die von der Trinität Gottes, mystische Lehren und auch Quacksalberei. Das Spiel besteht dann darin, sich selbst, oder wenigstens die anderen Jünger davon zu überzeugen, man habe die sagenhaften Fähigkeiten soweit erlangt, um sich als Stellvertreter der Gottheit ausrufen zu können. Bei Protestanten passiert das gradueller, in anderen Religionen in diskreteren Schritten.


Ich kann Dennetts Argumentation da nicht teilen, warum nicht, habe ich geschrieben.
Mir ist unklar, was mit einer vollständigen Objektivierung (auch Dennetts Heterophänomenologie ist nichts anderes als zu zeigen, dass subjektive Äußerungen im Grunde wertlos sind) letzten Endes dienen sollen. Was genau wäre damit gewonnen?

Die Abwehr des Qualia-Begriffs von Dennett ist nicht ohne Witz und Rafinesse. Kennst Du seine Argumentation aus „Süße Träume“? Er spielt damit – und das tut er gut – dass die Qualia-Befürworter genau dann, wenn sie behaupten, man könne alles über das Bewusstsein wissen, im zweiten Schritt einen Rückzieher machen und sagen, man kann zwar alles wissen, aber nicht was „blau“ ist. Dennett beharrt darauf, dass die Behauptung dann eigentlich ist, dass man eben nicht alles weiß. Weiß man alles, dann weiß man eben alles, also auch was „blau“ ist.

Der eigentliche Punkt ist aber an anderer Stelle und berührt unsere Diskussion. Kann man etwas wissen, ohne es selbst erfahren zu haben? Und hier tut sich eine Kluft auf, denn was gemeint ist, ist, dass man eigentlich wenn man 100 Bücher über Sex liest, ohne je welchen gehabt zu haben, wie der Blinde von der Farbe redet. Oder eben doch nicht? Man kann ja von Tomaten wissen, dass sie rot sind, auch wenn man farbenblind ist.

Es gibt also scheinbar Wissen, ohne eigene primäre Erfahrung.
Jetzt ist die Preisfrage, wie weit man es damit treiben kann.
Könnte man theoretisch – im Gedankenexperiment – auf eigene Erfahrungen komplett verzichten?
Etwa wenn einem Wissen über die Welt in einen Chip im Hirn heruntergeladen würde?

Die Beantwortung dieser Frage klärt, ob innere Zustände nur Geschwaller sind.


Lumen hat geschrieben:Um die Sektiererei von innen einzudämmen, …


Das ist vielleicht eine richtige Beschreibung aber die Soziologenperspektive.
Mitglieder würden sagen, dass das Wesentliche damit verfehlt wird, das was passiert, wenn man vom Beobachter zum Teilnehmer wird.

Das gilt für so ziemlich alle Prozesse, man kann da auch Fußballfans nehmen.
Insofern stimmen die Beschreibungen, die Frage ist, sind sie hinreichend?

Lumen hat geschrieben:Möchte man, wie es moderne Gläubige tun, die tatsächliche Beschreibung der religiösen Offenbarung in Zweifel ziehen, fragt sich der Atheist, wo denn das symbolische beginnt und wo das tatsächliche aufhört. Das ist erwiesenermaßen beliebig. Jesus gabs also wirklich, aber dematerialisiert als er in den "Himmel aufstieg" hat er sich wohl nicht. Die eine Wundertat ist symbolisch, die andere faktisch. Wenn es alles symbolisch ist, nach moderner Lesart, dann gab es also niemals einen Adam und keine Eva. Keinen Baum, und damit keine verbotene Frucht, keine Erbsünde und somit ist auch das Opfer eines Juden aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung hinfällig.


Ich halte das für eine weitgehend private Entscheidung, wie jemand seinen Glauben und den Umgang mit mythologischen Bildern ausdeutet. Es ist ja ähnlich wie mit der Griechenlandhilfe.
Keiner weiß, wie es weiter geht.
Oder mit dem Rauchen. Tut man es, bekommt man überhäufig Lungenkrebs, aber 99% der Raucher bekommen eben keinen.
Oder allgemein mit der Gesundheitsprophylaxe. Gesund wollen viele sein, wenn das, was man dafür tut irgendwann zum Stress wird, ist das dann noch gesund?
Man würfelt sich halt seine Glaubensbilder zusammen und tut gut daran, sie nicht weiter zu hinterfragen, zu halten sind die allermeisten nicht.

Die Frage ist, ob man im Angesicht dessen, naiv wird oder zynisch oder Existentialist oder Nihilist.

Lumen hat geschrieben:All diese Mechanismen sind allesamt recht gut verstanden und werden auch umfassend in anderen Bereichen, selten aber so gut orchestriert, eingesetzt. Die Werbung zum Beispiel "weckt" Bedürfnisse und bietet dann das Produkt an, um sie zu stillen. Werbung arbeitet auch fortwährend mit der Plazierung von Ideen im Alltag. Vereine bis Nationen nutzen Symbole um Gemeinsamkeiten zwischen Anhängern zu "stiften" usf.


Klar, Werbung funktioniert, die Brights haben ja auch ein Symbol, und?

Lumen hat geschrieben:Hartnäckig halten sich aber dennoch Vorstellungen an Gott. Sie stammen aus der Erziehung und aus dem Umfeld, also von anderen Menschen. Deshalb glaubte der Däne vor 1000 Jahren an andere Dinge als der heutige Italiener, der Japaner an andere Dinge als der Inder. Diese "Theorien" des Göttlichen gehen, um mal bei der Wissenschaftskritik zu bleiben in keiner Weise ineinander über. Sie haben Elemente, die teilweise durch eine gemeinsame Vergangenheit vergleichbar sind, aber doch profund unterschiedlich sind.


Auch in der Mystik?
Für die mythische Ebene ist das ja bekannt.
Die Frage ist doch, wie es überhaupt zum Gottesbegriff kam. Woher die Notwendigkeit etwas zu konstruieren, was niemand je erfahren hat, wie Du meinst.
Vielleicht war diese Erfahrung ja nur ein Traum oder ein epileptischer Anfall oder eine Psychose, aber dann war es eine Erfahrung. Oder es ist eine breitere Erfahrung oder eben nicht nur eine.
Eine für die Masse, Sinnstiftung und Bestätigung durch die soziologischen Mechanismen.
Eine für die Spitze, direkte Erfahrung.

Lumen hat geschrieben:Für die Existenz eines Gottes, insbesondere für eine spezifische Sorte von Gott gibt es indes keinerlei Anhaltspunkte. Ein Mensch der sich Tatsächlich seiner Rationalität bedient, kann zu keinem anderen Schluss gelangen, dass Religionen durch ihr historisches Umfeld und ihre Mechanismen keinewegs "nicht von dieser Welt" stammen (d.h. offenbart wurden), sondern —im Gegenteil— sehr genau auf kognitive Beschaffenheit von Menschen abgestimmt sind.


Schöne petitio principii, aber tatsächlich kommen auch rationale Menschen zu einer anderen Auffassung.

Lumen hat geschrieben:Darüberhinaus sind positive Effekte wie der Plazebo-Effekt nicht an Götter gebunden, sondern hat mit komplexen psychosomatischen Wechselwirkungen zu tun.


Ja, natürlich.

Lumen hat geschrieben:Eingedenkt dieser Tatsachen, kann eine Religion nicht als Trost-spendend gelten.


Du kannst doch nicht für andere entscheiden, was ihnen Trost spendet.

Lumen hat geschrieben:Ohne den induzierten Mangel gibt es keine Notwendigkeit, diesen zu heilen.


Trost wird ja auch gespendet, weil Gott einen verlassen hat, sondern weil der Ehepartner gestorben ist oder sonst etwas. Natürlich ist der Trostfaktor über die reine Gemeinschaft hinaus nur dann relevant, wenn man die Prämissen akzeptiert.

Lumen hat geschrieben:Religionen beheben nicht das Problem unserer Endlichkeit, denn jeder verhält sich so als sei eine Existenz wirklich irgendwann endet, einschließlich der Trauer die damit verbunden ist, wenn jemand anderes stirbt. Noch nie habe ich erlebt, wie jemand gejubelt hat, da der Geliebte sich nun am denkbar besten Ort befindet.


Doch es gibt im Osten solche Jubelfeiern. Dennoch trauert man ja um den eigenen Verlust, der Tote hat es so oder so hinter sich. Eigentlich geht keine Zeit so dermaßen verkrampft mit dem Tod um, wie ausgerechnet unsere westliche Moderne, kannst Du bei Ariès nachlesen.

Lumen hat geschrieben:Zudem kann jede mögliche positive Idee über beliebige Kontexte hergestellt werden. Es gibt keine argumentative Verbindung zwischen dem positivem Nutzen z.B. einer Erlösungsfantasie zu einer bestimmten Religion. Wenn jemand die Vorstellung von einem Jenseits braucht, um mit der Trauer fertig zu werden, wird sich diese Vorstellung selbst entwickeln. Dafür braucht sich keine Religion im Vorfeld als Mittler implantieren.


Das behauptet doch auch niemand.
Du kämpfst da gerne gegen eine Alleinvertretungsanspruch den doch hier niemand formuliert.

Lumen hat geschrieben:Man kann argumentieren, dass keine zwei Religionen sich gleichen, da jeder Gläubige seine Privatreligion mit Privatvorstellungen entwickelt, die nur oberflächlich über geteilte (aber ambivalente) Symbole scheinbar synchonisiert werden. …Und das ganz sicher auf eine andere Art mit viel größeren Unsicherheiten behaftet als das im Alltag mit "greifbaren" Dingen der Fall ist.


Das ist ein guter Einwand, aber nur auf den ersten Blick, denn da haben die Religionen ja eben ihre verbindenden Rituale, Gesänge, Gebetspraxis... Schlechter wäre dann die Demokratie oder etwas in der Art dran.

Lumen hat geschrieben:Das sich Religionen komplett auf einer "hohen" sozio-kulturellen Stufe abspielen, und nicht etwa wie die Physik auf einer "tiefen", sind alle mitgeschleiften "Ungenauigkeiten" die sich aus Emergenz ergeben, komplett in der Religion vorhanden.


Was soll das denn genau heißen? Ich wüsste nicht was daraus abzuleiten wäre.
Sagenhaft unpräzise ist bspw. unsere Alltagssprache? Stört es jemanden? Im Gegenteil.

Lumen hat geschrieben: Wenn es keine Wirklichkeit gibt, dann hat Jesus und ein Buch mit Märchend drin noch viel weniger eine Chance als sonst. Am Ende läuft es auf den "Leap of Faith" hinaus, der Glauben von Unglauben unterscheidet. Das ist schlicht die Neigung einer Person, inwiefern sie den Mechanismen die ich oben ausgeführt habe, erlegen ist.


Warum sollte es keine Wirklichkeit geben?

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:[...] Ich habe "Gott" dort immer als Schöpfergott gedeutet und den Gott der im Durchbrechen zuteil wird, als den, der den Schöpfergott noch überragt.[...]


Gott und Demiurg, mit anderen Worten. Bist du Monist oder Gnostiker, oder jüdisch näher an der Kaballa dran? Wie dem auch sei: es ist Fantasy.


Warum hast Du so ein dringendes Etikettierungsbedürfbedürfnis? Bist Du Lagerverwalter?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ganimed » Mi 11. Jul 2012, 21:53

laie hat geschrieben:x ist eine klassische Theorie der Angst gdw es Person (P) körperliche Symptome (kS), haben (h), Verhaltensänderungen (VÄ) gibt so daß gilt:
1) ...

x ist eine neuronale Theorie der Angst, gdw es Person (P), neuronale Muster, Amygdala, Hormonreaktionen usw. gibt, so daß gilt: (spare ich mir jetzt):

jetzt zeig, ob die beiden Ps identisch sind. ist kS dasselbe wie Hormonreaktionen usw.

Das kann ich leicht zeigen. Ich führe eine Studie an 100 Studenten (P1 bis P100) durch, mache ihnen im Scanner Angst oder auch nicht und mache ihnen beim Psychater Angst oder auch nicht und frage sie hinterher, ob sie Angst gehabt haben. Die Scanner-Ergebnisse werte ich aus und sage laut der Hirnforschungs-X-Theorie voraus, ob Pn Angst hatte oder nicht. Der Psychater gibt eine Abschätzung ab laut seiner Psychater-X-Theorie. Und wenn sowohl das eine X als auch das andere X die Eigenaussagen der Probanden bestätigen, dann habe ich gezeigt, dass beide Theorien dasselbe psychische Phänomen beschreiben und diagnostizieren können. Ich würde also meine Behauptung bekräftigen wollen: Beide Ebenen beschreiben das gleiche Phänomen. Durch die wechselnde und sich ergänzende Betrachtungsweise auf beiden Ebenen lernt man viel mehr über die Welt als mit nur einer Ebene.

Vollbreit hat geschrieben:Eine Welt zu postulieren in der Elefanten keine Elefanten sind, sondern Quantenballungen Elefanten sehr viel treffender, wahrer und besser beschreiben, ist Metaphysik, schon weil wir zu dieser Welt überhaupt keinen Zugang haben.

Du hast den Reduktionismus falsch verstanden. Der behauptet nicht, dass Elefanten keine Elefanten sind. Sondern er behauptet, dass Elefanten auf der einen Ebene Elefanten sind und auf einer anderen Ebene gleichzeitig auch eine Quantenballung, wobei die Quanten eine unglaublich spezifische Anordnung haben.

Vollbreit hat geschrieben:Und ein Stapel sind wirklich nur Zeitschriften. Und Denken ist wirklich nur Hirngewitter. Und Liebe ist wirklich nur Neurotransmitterausstoß. Seltsam, dass man überhaupt diese Begriffe bemühte, nicht wahr?

Ab hier zieht sich dieser Verständnisfehler durch den Rest deiner Argumentation, fürchte ich. Die Begriffe will der Reduktionismus gar nicht eleminieren. Er will nur eine Transformationsmöglichkeit von der einen Ebene auf andere Ebenen postulieren. Und auf der anderen Ebene ist ein Zeitschriftenstapel nicht einfach nur Zeitschriften, sondern Zeitschriften + spezifische, vertikale Anordnung. Wenn du behauptest, dass auf der Betrachtungsebene Quanten eine Schüssel Hefe äquivalent zu einem Gehirn sei, dann machst du wieder den Fehler, zu vergessen, dass die Quanten eines Gehirns eine völlig andere Anordung haben als die der Hefeschüssel. Du unterschlägst eine riesige Datenmenge (Strukturinformation, Wechselwirkungen, etc.) und wunderst dich dann, dass anschließend nur Unsinn heraus kommt. Kunststück.

Vollbreit hat geschrieben:Meines Wissens ist es so, dass man ungefähr gar nichts Neues aus den Erforschungen der Hirnforscher für die Psychologie ableiten kann, was nicht schon seit Jahrzehenten bekannt ist.

Heute morgen erst habe ich eine Folge des Podcasts "Braincast" gehört, in der ein Experte für Pädophilie erklärte, dass es heute mit einem einfachen Hirnscan möglich ist, die wahre sexuelle Neigung eines Straftäters aufzuzeigen (verschiedene Bilder und Filme zeigen und beobachten, wo und wann das Belohnungssystem aufleuchtet). Und das ermögliche dann die Planung einer viel effektiveren Therapie. Früher sei das nicht möglich gewesen und der Therapeut hätte nicht entscheiden können, ob der Straftäter, welcher meistens Padophilie leugnet und seine Tat ganz anders erklärt, lügt oder die Wahrheit sagt. Eine geeignete Therapie und auch die Prognose für Rückfälle hänge aber stark von dieser Unterscheidung bzw. der wahren sexuellen Ausrichtung ab.

Vollbreit hat geschrieben:Was also ist damit gewonnen, wenn man auf einen Millimeter genau bestimmen kann, welches Areal oder sind es zwei, oder vier, oder doch 38 oder 17.000, bei mir aktiv ist, wenn ich an Rotwein denke?

Natürlich kann nicht jeder Experte in allen Disziplinen sein. Ich bin da auch nur ein schrecklich uninformierter aber interessierter Laie. Alleine das regelmäßige Hören dieses Podcasts, wo Hirnforschungsthemen noch recht verständlich aber vermutlich auch sehr vereinfacht dargestellt werden, lässt mich zumindest erahnen, was so alles damit gewonnen ist. Wenn du nicht weißt, was damit gewonnen ist, ist das legitim. Dein voreiliger Schluss daraus scheint aber leider zu sein, dass damit vermutlich also nichts gewonnen ist, weil du es sonst wüsstest. Ich glaube, da irrst du dich gewaltig. Dein Wettern gegen die Ungenauigkeit und Wirkungslosigkeit von Hirnforschungsmethoden kommt mir jedenfalls wie, entschuldige, billiges weil uninformiertes Stammtischgeschimpfe vor. Da wäre jede Menge Spielraum, deine Position und Argumentation überzeugender zu gestalten. Mir drängt sich jedenfalls der Eindruck auf: hat von Hirnforschung keine Ahnung und versteht Reduktionismus falsch, alle seine dargelegten Folgerungen sind, vermutlich aus diesem Grund, ebenso falsch.

Vielen Dank aber jedenfalls für den Hinweis auf meine Probleme mit dem Begriff "Metaphysik" und den Link. In der Tat habe ich den Begriff dann wohl falsch gebraucht. Als das Thema hier aufkam, ging es eher (jedenfalls mir) um Materialismus (meine Position) gegen Idealismus (Nannas Position, wie mir schien). Entzündet unter anderem an der Frage, ob Gedanken immateriell sind und damit jenseits der Physik. Und soweit ich nun verstehe, wird diese Frage von der Metaphysik (als philosophischer Disziplin) nur gestellt. So kann also, ich hoffe das, ein Metaphysiker ein Materialist sein?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Do 12. Jul 2012, 01:32

Hallo Vollbreit, meines Erachtens vermischt du Sachen auf eine (für mich) seltsame Art und Weise.

Ich entnehme deinen Ausführungen, dass du davon ausgehst, dass innere Regungen, Qualia und Wissen "dass man nicht erfahren hat" in irgendeinem Zusammenhang mit dem Gottesbegriff stehen. Wenn nicht, solltest du erklären, worauf du dann hinaus möchtest. Du hast auf den vergangenen Seiten demonstriert, dass du sehr kritisch mit allen möglichen Sachverhalten umgehst, hast es aber versäumt die gleiche Rigorosität auf oben genannten Zusammenhang anzuwenden.

Qualia, ob Dennett Recht hat, ob der Geschmack von Wacholder sich überprüfbar von Pfeffer unterscheidet sind offenbar Nebensächlichkeiten. Alles was du schreibst kann vollkommen richtig, komplett falsch oder eine beliebige Mischung von beidem sein, inklusive aller Wahrscheinlichkeiten und trotzdem wirst du nicht umhin kommen festzustellen, dass ein Gott noch nie belegt wurde und es auch keine Möglichkeit gibt eine Gott-Kommunikationsfähigkeit zu testen. Jedenfalls ist mir nichts bekannt, inwiefern ein Priester übermenschliche Fähigkeiten erhält, die ihm eine Form der Telepathie mit dem Übersinnlichen erlauben. Dasselbe lässt sich von Gläubigen sagen. Wir wissen nichts davon, es wurde noch nie nachgewiesen, verträgt sich überhaupt nicht mit Naturgesetzen, passt genau genommen in kein Konzept rein. Aber! es ergibt schlagartig vor historischer Kulisse einen Sinn.

Die rationale, vernünftige Annahme ist also die, dass Menschen früherer Tage sich geirrt haben. Eine weitere ist die, dass Menschen offenbar sehr komplexe Ideen entwickeln können und dabei auch in sehr abstrakten Begriffen denken können. Nichts davon hat per se etwas mit Gottheiten oder Religionen zu tun. Weiterhin wäre es rational anzuerkennen, dass sich, wenn wir hypothetisch einmal annähmen es gäbe keinen Gott, sich genau nichts ändern würde. Wir könnten jeden Gedanken beliebig ausschmücken und mit Gedöhns vollstellen, oder Formeln entwickeln, die Bestandteile enthalten die sich komplett aufheben, inhaltslos sind, vielleicht auch nur hübsche dekorative Zeichen sind--nur, wir haben davon nichts. Das Überflüssige ist sinnlos. Zweifelsohne gibt es andere Kriterien als Sinn und Wahrheit, zum Beispiel Ästhetik. Wir können Gott einem ästhetischen Nutzen zuweisen. Aber was da passiert hat eben nichts mit Erkenntnis oder Wahrheit zu tun (oder welche Begriff dir auch immer beliebt).

Das Problem hat Hitchens auf eine schöne Formel gebracht: "That which can be asserted without evidence, can be dismissed without evidence" (was ohne Belege behauptet werden kann, kann auch ohne Belege verworfen werden). Meine Ausführung zu den Mechanismen des Glaubens ist insofern ein Bonus.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 12. Jul 2012, 09:44

Ganimed hat geschrieben:Das kann ich leicht zeigen.


Nun, ich glaube nicht, daß du hier eine logisch stringente Reduktion vorgenommen hast. Du vergleichst zwei intendierte Anwendungen miteinander. In beiden sagt der Proband Pn, daß er Angst hatte. Dann sagst du, daß die beiden Theorien sich auf dasselbe Phänomen beziehen. Nur: wie die anderen Begriffe in den beiden Theorien miteinander agieren, um das, was der Probant hatte, zu beschreiben, das ist damit nicht ausgesagt. Eine logische Reduktion fängt nicht auf der Ebene der intendierten Anwendung an, sondern auf der Ebene des Theorie-Kerns, d.h. auf der nackten logischen Ebene von zwei Theorien.

Um einem möglichen falschen Eindruck vorzubeugen: ich habe überhaupt nichts dagegen, Phänomene aus grundlegenderen Einheiten zu erklären, wenn dies logisch zulässig ist. So wie du das Wort "Reduktionismus" gelegentlich verwendest, erinnert es mich mehr an einen wissenschaftlichen Salon des 19. Jahrhunderts, wo versteckt hinter dicken Tabakrauchschwaden ernst gewandete Männer mit ernsten Gesichtern darüber diskutieren, ob alles auf den "Magnetismus" reduzierbar ist. (so etwa wie in Edgar Allan Poes Erzählung "Der Fall Waldemar")
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 12. Jul 2012, 10:52

Lumen hat geschrieben:Religionen beheben nicht das Problem unserer Endlichkeit, denn jeder verhält sich so als sei eine Existenz wirklich irgendwann endet, einschließlich der Trauer die damit verbunden ist, wenn jemand anderes stirbt.


Wären wir nicht mehr endlich, wenn wir unsterblich wären? Ich denke, jeder von uns würde diese Frage bejahen. Aber der Begriff "Endlichkeit" oder als Beiwort "endlich" wird in der Theologie anders verwendet. Jedes Seiende hat irgendetwas nicht, das andere haben, darum ist es endlich. Endlichkeit hat also mit der wesensmäßigen Beschränkung eines Dings im Vergleich zu anderen Dingen zu tun, nicht mit Zeitlichkeit. Selbst wenn wir ewig leben würden, wären wir endlich. Das Problem der Endlichkeit ist es also in der Tat nicht, was die Religion zu beheben behauptet; denn sie kann es nicht beheben. Beheben liesse es sich nur, wenn alle Unterschiede zu anderen Dingen verschwinden würden. Dann wären wir Gott.

@Vollbreit:
Nach Eckhart schafft Gott die Welt nicht wie ein Baumeister ein Haus, also als ein Objekt ausserhalb von ihm, er ist nämlich kein Demiurg, sondern er schafft die Welt, indem er sie "ins Sein hineinsetzt". Daher hört die Schöpfung der Welt auch nie auf. Schön, nicht wahr?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 12. Jul 2012, 11:45

Wer kann Endlichkeit aufheben? Eine entfesselte, diesseitig orientierte Wissenschaftsgläubigkeit erweckt manchmal den Eindruck, sie könne das. Sie hebt Endlichkeit scheinbar auf, indem sie alles Seiende unter einen Begriff zu bringen trachtet, also durch "Gleichmachen": alles ist Evolution, alles ist Quanten, alles ist Higgs usw. Und nichts anderes mehr. Nothing else but. Doch das ist eine Illusion, "eine gefährliche Illusion". Die Endlichkeit der Welt können wir nicht überwinden. Die naive Wissenschaftsgläubigkeit verleitet den Menschen nur dazu, endliche, geschaffene Dinge (also auch seine eigenen Theorien) mit dem unendlichen, ungeschaffenen Gott zu verwechseln. Das macht den Menschen klein. Das endliche Seiende als Ziel macht den Menschen klein. Das ist der Ursprung und der wahre Kern aller Bilderverbote von Gott. Religion und Glauben wirken hier wie ein Medikament für den Menschen. Sie machen den Menschen gross, nicht klein.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » Do 12. Jul 2012, 12:49

Diese Kleinmacherei, das Niederdücken von Ideen und das Bekämpfen von aufrechter Haltung findest du überall im Sozialismus. Es ist sozusagen sein Kerngedanke. Es haftet nichts und niemandem etwas Besonderes an. Es wundert daher auch nicht, dass im Lager der Sozialisten die meisten Atheisten zu finden sind.

Irgendwo scheint da eine Verbindung zu sein...

:mg: stine
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Darth Nefarius » Do 12. Jul 2012, 14:34

Welches Kleinmachen meinst du da? Das des eigenen Wesens oder das der anderen? Beim zweiten Fall würde ich dir eventuell zustimmen, allerdings steht das überhaupt nicht im Zusammenhang mit dem Atheismus. Eher die zweite Tendenz der eigenen Überhöhung (der unbegründete Stolz des Proletariats) ist eher eine Eigenschaft, die Atheisten besitzen, aber zum einen ist das keine Häufung, zum anderen muss das nicht schlecht sein. Wenn man sich unter Wert verkauft, wird man nichts erreichen.
Auf laies Unsinn antworten, denke ich, genug Leute. Ich wüsste nicht, wo ich anfangen müsste, zu widersprechen, die Auswahl ist groß aber meine Geduld endlich. :up:
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon laie » Do 12. Jul 2012, 16:22

Jetzt möchte ich das Thema erweitern:

der Versuch, die Endlichkeit der Welt zu übersteigen, führt nur zu weiteren "Gottesbildern" oder "Gottesillusionen". Daran kranken m.E. sowohl der Naturalismus der Brights als auch die kruden Ideen der Anhänger eines Intelligent Designers. Warum?

In der Wissenschaft läuft prinzipiell alles darauf hinaus, das Weltgeschehen auf wenige, physikalisch zugrundeliegende Tatbestände zurückzuführen oder zu reduzieren. Das ist das Ideal, die Einheit allen Wissens. Könnte man, so würde man versuchen, soziokulturelle Phänomene auf biologische zu reduzieren, diese auf molekularbiologische, diese wiederum auf physikalische. Alles wäre dann Physik. Es gab im 18. Jh. fröhlich-naive Wissenschaftler, die glaubten tatsächlich, daß Zuneigung und Liebe letztlich auf die gleichen physikalischen Kräften zurückführbar seien wie die Bewegungen der Gestirne.

Ebenso versuchen Anhänger des Kreationismus, die Endlichkeit des Seienden zu überwinden, indem sie einen intelligenten Designer als erste Ursache installieren. Dieser Designer entspringt aber ihren eigenen Wunschvorstellungen. Sie tun so, als könnte man von dem Weltgeschehen auf ein "höchstes Wesen" zurückschließen. Und weil sie glauben, daß sie das können, zerstören sie die Unbegreiflichkeit Gottes.

Ob man nun lieber Bright oder Kreationist ist, hängt in erster Linie vom persönlichen Geschmack ab. Es gelingt den Kreationisten ja mühelos, eine physikalische Entdeckung wie das "Gottesteilchen" für ihre Zwecke zu vereinnahmen bzw. als Beleg für ihre Weltsicht auszugeben. Beide Weltsichten sind nur zwei Seiten einer Medaille, die den Menschen klein macht, wie ich vorher schrieb. Ich bin überzeugt, daß mancher Bright, wenn er konvertiert, einen ganz exzellenten Kreationisten abgeben würde, so wie schon mancher Kreationist ein Bright wurde.

Die Gottesvorstellung, wie sie in diesem thread nach und nach evaluiert wurde, bietet zu diesen beiden Weltsichten eine Alternative: sie erlaubt es, alles endliche Seiende mit Hilfe angemessener wissenschaftlicher Methoden zu untersuchen und trotzdem kein Seiendes mit Gott zu verwechseln.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon stine » Do 12. Jul 2012, 17:11

Daraus ließe sich aber dennoch schließen, dass Gott noch mehr darüber hinaus ist oder dass es ihn schlichtweg nicht gibt.
Oder wie meintest du das jetzt, @laie?

LG stine
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ganimed » Do 12. Jul 2012, 17:25

laie hat geschrieben:Du vergleichst zwei intendierte Anwendungen miteinander. In beiden sagt der Proband Pn, daß er Angst hatte. Dann sagst du, daß die beiden Theorien sich auf dasselbe Phänomen beziehen. Nur: wie die anderen Begriffe in den beiden Theorien miteinander agieren, um das, was der Probant hatte, zu beschreiben, das ist damit nicht ausgesagt.

Richtig. Ich kann keine Transformationsanweisung angeben, die es ermöglichte, die Theorien ineinander zu überführen. Ich habe aber gezeigt, dass sich beide Theorien auf das Gleiche beziehen. Wenn jetzt mit der einen Theorie etwas erkannt wird, dann kann man dieses Wissen, weil ja die logische Transformationsvorschrift fehlt, nicht so ohne weiteres in die Begriffe der anderen Theorie überführen. Dann muss man einen Experten fragen, der schaut noch mal nach, und kann das dann im Einzelfall auch so, oder mit ein wenig Forschungsaufwand. (In meinem Pädophil-Beispiel erkennt man im Scanner das Aufleuchten des Belohnungssystems und überträgt auch ohne Kenntnis der formalen Überführungsvorschrift den Befund auf den psychologischen Bereich und hat die sexuelle Neigung ermittelt). Will sagen: dein Argument, weil das nicht logisch stringent überführbar ist, würde man aus dem Wechselspiel der beiden Ebenen (das es ja dennoch gibt) keinen Erkenntnisgewinn ziehen können, erscheint mir falsch. Du müsstest erstmal begründen, wieso es ohne logische Überführbarkeit unmöglich ist, einzelne Erkenntnisse, meinetwegen nach einer experimentellen Überprüfung, zu überführen.

laie hat geschrieben:In der Wissenschaft läuft prinzipiell alles darauf hinaus, das Weltgeschehen auf wenige, physikalisch zugrundeliegende Tatbestände zurückzuführen oder zu reduzieren. Das ist das Ideal, die Einheit allen Wissens. Könnte man, so würde man versuchen, soziokulturelle Phänomene auf biologische zu reduzieren, diese auf molekularbiologische, diese wiederum auf physikalische. Alles wäre dann Physik.

Soweit ich verstanden habe, passt dir diese Form von Wissenschaft gar nicht. Ich verstehe nur nicht so ganz, was du eigentlich dagegen einzuwenden hast. Dein Argument, mit Reduktionismus würde man nichts über die Welt lernen, erscheint mir jedenfalls nicht der wahre Kern deiner Vorbehalte zu sein. Ich vermute eher, dass du dich von dem Versuch der materialistischen Welterklärung ganz einfach in deinem Idealismus bedrängt siehst. Könnte es so sein?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Do 12. Jul 2012, 18:12

ganimed hat geschrieben:Du hast den Reduktionismus falsch verstanden. Der behauptet nicht, dass Elefanten keine Elefanten sind. Sondern er behauptet, dass Elefanten auf der einen Ebene Elefanten sind und auf einer anderen Ebene gleichzeitig auch eine Quantenballung, wobei die Quanten eine unglaublich spezifische Anordnung haben.


Der Reduktionismus behauptet aber, dass man Phänomene von der Ebene tiefer aus betrachtet besser versteht. Es geht beim Reduktionismus ums Verstehen. Quantenphysiker können uns aber nicht mehr über Elefanten sagen, ich wüsste zumindest nicht was. Kannst Du einen Hinweis geben?

ganimed hat geschrieben:Und auf der anderen Ebene ist ein Zeitschriftenstapel nicht einfach nur Zeitschriften, sondern Zeitschriften + spezifische, vertikale Anordnung.


Dann besteht ein Stau vielleicht auch gar nicht nur aus Autos, sondern Autos + spezifische, horizontale Anordnung. ;-)

ganimed hat geschrieben:Wenn du behauptest, dass auf der Betrachtungsebene Quanten eine Schüssel Hefe äquivalent zu einem Gehirn sei, dann machst du wieder den Fehler, zu vergessen, dass die Quanten eines Gehirns eine völlig andere Anordung haben als die der Hefeschüssel.


Haben sie das? Ich behaupte mal, das ist eine Vermutung die niemand belegen kann.
Zudem kann niemand belegen, was es denn nun hießt, wenn sich3% mehr Quanten auf 27° Nordost drubbeln, d.h. der Wissensvorteil der Reduktion ist nicht gegeben.

Zu sagen dass die eigentlich Welt aus Quanten besteht, ist auch nur eine willkürliche Annahme, Metaphysik eben. Kleiner ist wahrer. Warum? Warum ist nicht die Ganzheit des Universums die Wahrheit. Verstehen wir denn ein Wort besser, wenn wir es in einzelne Buchstaben zerlegen und die ini Geraden und Krümmungen. Nein, wir verlieren den Sinn, gewinnen aber mehr, wenn wir das Wort in den Kontext eines Satzes stellen und das ist den Kontext eines sinnhaft ganzen Satzgefüges.

Keiner zwingt uns das zu machen, das tun wir ganz organisch, hat sie Evolution so eingerichtet.
Nun soll sie den Spieß auf einmal umdrehen?

ganimed hat geschrieben: Du unterschlägst eine riesige Datenmenge (Strukturinformation, Wechselwirkungen, etc.) und wunderst dich dann, dass anschließend nur Unsinn heraus kommt. Kunststück.


Nein, ich unterschlage sie nicht, ich thematisiere sie. Genau dieser klitzekleine Rest, dass die Welt gar nicht nur aus Quanten besteht, was immer diese sind, sondern es auf vielleicht noch 1 oder 2 oder 5 oder 80.000 andere Paramater ankommt, macht diese Quantenebene zur Projektionsfläche und „Wünsch dir was“- Veranstaltung. Niemand weiß bisher irgendwas darüber.
Du kannst Dir damit vielleicht mit Ach und Krach ein Proton zusammenschrauben, und?

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Meines Wissens ist es so, dass man ungefähr gar nichts Neues aus den Erforschungen der Hirnforscher für die Psychologie ableiten kann, was nicht schon seit Jahrzehenten bekannt ist.

Heute morgen erst habe ich eine Folge des Podcasts "Braincast" gehört, in der ein Experte für Pädophilie erklärte, dass es heute mit einem einfachen Hirnscan möglich ist, die wahre sexuelle Neigung eines Straftäters aufzuzeigen (verschiedene Bilder und Filme zeigen und beobachten, wo und wann das Belohnungssystem aufleuchtet).


Ich wundere mich manchmal, was Leute so reitet wenn man ihnen ein Mikro unter die Nase hält.

ganimed hat geschrieben:Und das ermögliche dann die Planung einer viel effektiveren Therapie. Früher sei das nicht möglich gewesen und der Therapeut hätte nicht entscheiden können, ob der Straftäter, welcher meistens Padophilie leugnet und seine Tat ganz anders erklärt, lügt oder die Wahrheit sagt. Eine geeignete Therapie und auch die Prognose für Rückfälle hänge aber stark von dieser Unterscheidung bzw. der wahren sexuellen Ausrichtung ab.


Ist es denkbar, dass ein Mensch, der z.B. ein Kind getötet hat, auch noch lügt?
Er könnte sagen, „Sorry, ich bin nicht pädophil, ihr MRT muss sich irren.“ Dann sagt der Hirnforscher. „Doch, sehen sie selbst, da leuchtet es, das ist der Beweis.“ Und dann wir der gerissene Kriminelle sagen: „Oh, da leuchtet es, na wenn das so ist, geb ich es zu.“

ganimed hat geschrieben:Dein Wettern gegen die Ungenauigkeit und Wirkungslosigkeit von Hirnforschungsmethoden kommt mir jedenfalls wie, entschuldige, billiges weil uninformiertes Stammtischgeschimpfe vor.


Darum fragte ich ja nach einem Beispiel. Aber das hast Du ja geliefert, danke dafür, wir werden erleben, ob es sich durchsetzt.

Ich will meine Skepsis aber noch erläutern. Es gibt Menschen, die pädophil sind und man streitet darüber ob Pädophilie einfach eine Neigung ist, wie Homosexualität – die als nicht pathologisch gilt – oder ob Pädophilie immer mit Pathologie assoziiert ist. Wie gesagt man streitet, die einen meine dies, die anderen das.
Die andere Frage ist, ob jemand, falls er die Neigung hat, diese auslebt. Das sind also zwei Komponenten die zusammen kommen. Sollte Pädophilie eine Neigung sein, könnte man sie gar nicht therapieren. Therapieren könnte man sie dann, wenn sie pathologisch ist.
Nun ist es aber so, dass dann wenn Pädophilie ausgelebt wird (dort, wo sie verboten ist) sie oft mit einem hohen Grad an Pathologie einhergeht, je schlimmer das Delikt, ich nehme an, Du sprichst auf Vertuschungsmorde an, desto gravierender die Pathologie. Das geht bis zu Krankheitsbildern, bei denen die Täter ohne Gewissensbisse lügen können, d.h. sie kommen in keinerlei inneren Konflikt. Die kann man (bisher) gar nicht therapieren.

Dass die Rückfallquote von der sexuellen Ausrichtung abhängen soll, glaube ich nicht, ich glaube, dass sie von dem Grad an antisozialen Tendenzen abhängt. An Instituten, die schon seit Jahren und Jahrzehnten mit den schwersten Fällen arbeiten, wird routinemäßig auch Hirnforschung betrieben, neben 1000 anderen Ansätzen. Ich bin immer skeptisch, dass Leute, die wirklich bahnbrechend Neues gefunden haben und offen für so ziemlich alles sind, ausgerechnet auf diese Idee, noch nicht gekommen sein sollen.

Das wäre mein Einwand, mein anderer ist, dass gerade Hirnforscher in den letzten 10- 15 Jahren dermaßen viele Kurzschlüsse in die Welt entlassen haben, von Lügendetektoren die absolut sicher sein sollen, über den ganzen Quatsch um Willensfreiheit und Ich, den berühmt-berüchtigten Persinger Helm und was weiß ich nicht alles.

ganimed hat geschrieben:Vielen Dank aber jedenfalls für den Hinweis auf meine Probleme mit dem Begriff "Metaphysik" und den Link. In der Tat habe ich den Begriff dann wohl falsch gebraucht.


Gern, das ist ja schön, wenn man das ausräumen kann.
Wir sind zwar bedauerlicherweise fast nie einer Meinung, aber ich schätze Dich als fairen Diskussionspartner, der wirklich den anderen zu verstehen versucht.

ganimed hat geschrieben:Als das Thema hier aufkam, ging es eher (jedenfalls mir) um Materialismus (meine Position) gegen Idealismus (Nannas Position, wie mir schien). Entzündet unter anderem an der Frage, ob Gedanken immateriell sind und damit jenseits der Physik.


Ich glaube es geht nicht darum, ob etwas immateriell ist, das ist ein häufiger Irrtum, aber ich denke, der link hat das ganz gut erklärt. Der Begriff der Metaphysik ist insofern versaut, weil man gewohnt ist, sich von ihm distanzieren zu müssen, weil darunter immer so etwas verstanden wird, wie Geister, die durch die Gegend fliegen oder unbekannte Kräfte die vom Jenseits aufs Diesseits wirken usw.

ganimed hat geschrieben:Und soweit ich nun verstehe, wird diese Frage von der Metaphysik (als philosophischer Disziplin) nur gestellt. So kann also, ich hoffe das, ein Metaphysiker ein Materialist sein?


Ja.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Vollbreit » Do 12. Jul 2012, 18:35

Lumen hat geschrieben:Hallo Vollbreit, meines Erachtens vermischt du Sachen auf eine (für mich) seltsame Art und Weise.

Ich entnehme deinen Ausführungen, dass du davon ausgehst, dass innere Regungen, Qualia und Wissen "dass man nicht erfahren hat" in irgendeinem Zusammenhang mit dem Gottesbegriff stehen. Wenn nicht, solltest du erklären, worauf du dann hinaus möchtest.


Ich möchte unter anderem einen Raum dafür schaffen, dass Du z.B. anerkennen kannst, dass man durchaus gläubig sein kann (bin ich eher nicht) und nicht dem stereotypen Bild des Strohmann-Gläubigen das bspw. ein Richard Dawkins zeichnet, entsprechen muss.
Ich möchte zeigen, dass man die Mystik für voll nehmen und praktizieren kann (tue ich) und dennoch nicht an Schizophrenie erkrankt sein muss.

Ansonsten habe ich vor den einen oder anderen Bright im konstruktiven Sinne etwas zu verunsichern, was vor allem bei denen gelingen dürfte, deren Glauben nicht so fest sein muss und die etwas Spaß am Spiel haben.
Ich diskutiere halt auch gerne und bin sogar in der Lage meine Meinung zu revidieren, was mir im Verlaufe von Diskussionen mit anderen schon gelungen ist. Insofern, spiele ich das Spiel des Gebens und Nehmens.

Wenn Du auf eine übergeordnete Mission von mir wartest, dann muss ich Dich enttäuschen. Mir ist da keine bewusst, außer vielleicht einem gewissen Drang zur Erkenntnis, einem Hang zur Selbstdarstellung, der jährlich abnimmt und dem Versuch irgendwie so etwas zu schaffen, was Meister Eckhart beschreibt. Locker bleiben, so sein, wie man ist oder wie Gott einen haben will.
Ob man dabei mit dem Gottesbegriff operieren muss, weiß ich nicht.
Ich sehe den selben Geist im Zen oder anderen spirituellen Disziplinen.
Mehr coming out habe ich nicht anzubieten.

Doch, ich könnte Dir lange Arien über den integralen Ansatz von Ken Wilber schreiben, aber dafür gibt es Foren und Gelegenheiten, dies mit Leuten zu tun, die das auch interessiert, meine missionarische Ader ist nicht sonderlich ausgeprägt.

Lumen hat geschrieben:Jedenfalls ist mir nichts bekannt, inwiefern ein Priester übermenschliche Fähigkeiten erhält, die ihm eine Form der Telepathie mit dem Übersinnlichen erlauben. Dasselbe lässt sich von Gläubigen sagen. Wir wissen nichts davon, es wurde noch nie nachgewiesen, verträgt sich überhaupt nicht mit Naturgesetzen, passt genau genommen in kein Konzept rein. Aber! es ergibt schlagartig vor historischer Kulisse einen Sinn.


Das sind Fragen, die mich eigentlich gar nicht interessieren, weil ich nicht ständig bestrebt mit, jemanden mit dem Kopf unter Wasser zu halten.

Lumen hat geschrieben:Die rationale, vernünftige Annahme ist also die, dass Menschen früherer Tage sich geirrt haben. Eine weitere ist die, dass Menschen offenbar sehr komplexe Ideen entwickeln können und dabei auch in sehr abstrakten Begriffen denken können. Nichts davon hat per se etwas mit Gottheiten oder Religionen zu tun.


Das ist nicht meine Baustelle, es ist Deine.
Kämpf da weiter, wenn Du magst, es interessiert mich wirklich nicht sonderlich.

Lumen hat geschrieben:Weiterhin wäre es rational anzuerkennen, dass sich, wenn wir hypothetisch einmal annähmen es gäbe keinen Gott, sich genau nichts ändern würde. Wir könnten jeden Gedanken beliebig ausschmücken und mit Gedöhns vollstellen, oder Formeln entwickeln, die Bestandteile enthalten die sich komplett aufheben, inhaltslos sind, vielleicht auch nur hübsche dekorative Zeichen sind--nur, wir haben davon nichts. Das Überflüssige ist sinnlos. Zweifelsohne gibt es andere Kriterien als Sinn und Wahrheit, zum Beispiel Ästhetik. Wir können Gott einem ästhetischen Nutzen zuweisen. Aber was da passiert hat eben nichts mit Erkenntnis oder Wahrheit zu tun (oder welche Begriff dir auch immer beliebt).


Menschen funktionieren aber nicht so, wie Du Dir das vorstellst. Ihr Weltbild ergibt sich logisch, aus ihren Prämissen, natürlich haben die mit Prägung zu tun, mit Tradition, mit großer Zahl.
Darum sind ja Religionen im Aufwind, die bekommen die Kinder, Atheisten nicht.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Do 12. Jul 2012, 19:46

Lumen hat geschrieben:Hallo Vollbreit, meines Erachtens vermischt du Sachen auf eine (für mich) seltsame Art und Weise.

Ich entnehme deinen Ausführungen, dass du davon ausgehst, dass innere Regungen, Qualia und Wissen "dass man nicht erfahren hat" in irgendeinem Zusammenhang mit dem Gottesbegriff stehen. Wenn nicht, solltest du erklären, worauf du dann hinaus möchtest.

Dass weiß er selber nicht - er sucht ja noch! :mg:

Vollbreit hat geschrieben:Menschen funktionieren aber nicht so, wie Du Dir das vorstellst.

Du weißt es ja selber nicht!
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Nanna » Do 12. Jul 2012, 22:11

laie hat geschrieben:der Naturalismus der Brights

Der Naturalismus der Brights, um das nochmal sehr klar zu wiederholen, ist kein Szientismus. Der Naturalismus der Brights besagt lediglich, dass es keine übernatürlichen oder mystischen Phänomene, also letztlich keine aphysischen Phänomene gibt. Er impliziert, dass alles Seiende auf einem energetisch-materiellen System beruht, das ja.

laie hat geschrieben:Es gab im 18. Jh. fröhlich-naive Wissenschaftler, die glaubten tatsächlich, daß Zuneigung und Liebe letztlich auf die gleichen physikalischen Kräften zurückführbar seien wie die Bewegungen der Gestirne.

Zuneigung und Liebe beruhen in letzer Konsequenz irgendwie auf physikalischen Prozessen, ja - aber eine Urlaubsreise beruht auch auf einem Flugzeug, einer Badehose und einem Sonnenschirm, wobei man aber nicht sagen würde, dass ein Urlaub die Summe eines Flugzeugs, einer Badehose und eines Sonnenschirms wären.
Es ist schwierig, hier nicht in dualistische Fahrwasser zu geraten, aber es scheint gewisse Metaebenen zu geben, sobald wir Sprache verwenden, in denen nicht-essentielle Begriffe existieren - was für den Anhänger eines strikten Physikalismus schwierig ist. Ich bin aber strikt dagegen, den Naturalismus auf Physikalismus oder Szientismus zu reduzieren. Wenn man das tut, begeht man denselben Reduktionsfehler mit anderen Gegenständen, den man dem Naturalismus vorwirft.

laie hat geschrieben:Die Gottesvorstellung, wie sie in diesem thread nach und nach evaluiert wurde, bietet zu diesen beiden Weltsichten eine Alternative: sie erlaubt es, alles endliche Seiende mit Hilfe angemessener wissenschaftlicher Methoden zu untersuchen und trotzdem kein Seiendes mit Gott zu verwechseln.

Die Frage ist, was aus diesem Gottesbild überhaupt noch folgt. Je länger die Diskussion geht, desto mehr fühle ich mich an den Pantheismus erinnert. Nur zur Erinnerung, die Brights heißen Pantheisten explizit willkommen (soviel zum Naturalismusbegriff der Brights).

@Vollbreit, Lumen, ganimed:
Was bisher nicht zur Sprache kam: Die deepities, von denen Dennett spricht, sind doch genau diese Reduktionismen, über die ihre gerade streitet. Dennett führt als Beispiel für eine deepity (sinngemäßg "something that is true on a trivial level and would be earthshaking, if it actually were true") in einem Video den Spruch "love is just a word" an. Wie passt diese antireduktionistische Rede zum eliminativen Programm Dennetts, kann mir das jemand erklären?
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon ujmp » Do 12. Jul 2012, 22:31

Nanna hat geschrieben:
laie hat geschrieben:Die Gottesvorstellung, wie sie in diesem thread nach und nach evaluiert wurde, bietet zu diesen beiden Weltsichten eine Alternative: sie erlaubt es, alles endliche Seiende mit Hilfe angemessener wissenschaftlicher Methoden zu untersuchen und trotzdem kein Seiendes mit Gott zu verwechseln.

Die Frage ist, was aus diesem Gottesbild überhaupt noch folgt. Je länger die Diskussion geht, desto mehr fühle ich mich an den Pantheismus erinnert. Nur zur Erinnerung, die Brights heißen Pantheisten explizit willkommen (soviel zum Naturalismusbegriff der Brights).

Es wurde gar nichts "evaluiert". Es ist rausgekommen, dass die Verteidiger des Gottesbegriffes selbst nicht wissen, was sie darunter verstehen. Sie nörgeln nur an den Gottesbegriffen anderer herum, weil sie wissen dass es dummes Zeug ist.
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Re: Wozu dient der Gottesbegriff?

Beitragvon Lumen » Do 12. Jul 2012, 23:27

laie hat geschrieben:Wer kann Endlichkeit aufheben? Eine entfesselte, diesseitig orientierte Wissenschaftsgläubigkeit erweckt manchmal den Eindruck, sie könne das. Sie hebt Endlichkeit scheinbar auf, indem sie alles Seiende unter einen Begriff zu bringen trachtet, also durch "Gleichmachen": alles ist Evolution, alles ist Quanten, alles ist Higgs usw. Und nichts anderes mehr. Nothing else but. Doch das ist eine Illusion, "eine gefährliche Illusion".


Da spricht die diffuse Angst vor der (unverstandenen) Wissenschaft, mit Versatzstücken und emotionalen Übertragungen: Ein Cocktail gemixt aus Größenwahn, Technokratie, Gleichmacherei und Dogmatismus der emotional auf den Leser wirken soll und wahrscheinlich von dir auch geglaubt wird. Es ist dir einfach egal, ob wissenschaftliche Theorien eben nicht auf immer und ewig und in allen Bereichen auf alle Zeit gelten. Es ist dir auch egal, ob du bereits hinreichend davon in Kenntnis gesetzt wurdest. Du sagst einfach das Gegenteil. Das ist mit systematischer Ignoranz noch nett umschrieben. Zumal wir diesen Sachverhalt, soweit ich mich entsinne bereits hatten.

Die emotionale Schiene wird im religiösen Bereich gerne gefahren: die "frohe Botschaft", wo Jesus und Gott jeden "liebt", wo Menschen in Gott "aufgehoben" sind und dergleichen. Das ist leider kein Witz. Was traurig ist, dass religiöse Menschen diese Art der Manipulation offenbar nicht bemerken und denken, sie seien damit irgendwie im Recht.

Das ist so dermaßen 1984, dass mir das kalte Grausen kommt. Im Prinzip bist du wie die Gedankenpolizei. In einer normalen Konversation mit allen Wörtern intakt, würde man sagen, dass Wissenschaftler versuchen etwas über die Welt herauszufinden, was wir dann nutzen können. Man würde Wörter wie Tatsachen und Fakten benutzen und würde auf Nachfrage sicher auch einmal darauf eingehen können, was damit gemeint ist. Nicht so mit dir. Du hast dafür gesorgt, dass es mir zumindest so geht, dass im Prinzip ganze Wörter geradezu vergiftet sind (nicht allgemein, aber auf die Diskussion bezogen).

Nachdem du und dein Kollege nun genügend Neusprech betrieben habt, und noch immer nicht darlegen konntet, wo denn nun der Punkt ist, finde ich es nach wie vor kurios, wie unbekümmert du dieses Spiel fortsetzen möchtest. Es hat doch keine Substanz. Dein kritisches Denken hört schlagartig auf, sobald du mit deinen eigenen Aussagen konfrontiert wirst. Wir werden das gleich noch sehen.

laie hat geschrieben:Die Endlichkeit der Welt können wir nicht überwinden. Die naive Wissenschaftsgläubigkeit verleitet den Menschen nur dazu, endliche, geschaffene Dinge (also auch seine eigenen Theorien) mit dem unendlichen, ungeschaffenen Gott zu verwechseln. Das macht den Menschen klein. Das endliche Seiende als Ziel macht den Menschen klein.


Das sind beliebige Aussagen die nur vage an eine menschliche Sprache erinnern. Gemeinhin erwarten Religionen, dass sich Gläubige unterwerfen. Ein plakatives Beispiel: Islam, arabisch "Unterwerfung (unter Gott)/völlige Hingabe (an Gott)". Klingt jetzt nicht nach Größe. Ist das Christentum da grundsätzlich anders beschaffen? Würde ich beim Überfliegen der Geschichte mal nicht sagen. Jedenfalls ist eine derartige Behauptung ohne jede Erörterung direkt dubios und wieder ein Punkt für Neusprech und religiösen Revisionismus.

laie hat geschrieben:Das ist der Ursprung und der wahre Kern aller Bilderverbote von Gott. Religion und Glauben wirken hier wie ein Medikament für den Menschen. Sie machen den Menschen gross, nicht klein.


Interessanterweise sind weder Wikinger-Drachenboote bewusst "designed" worden, noch Religionen. Dennoch sind sie optimal an bestimmte Umstände angepasst. Das Bilderverbot in manchen Religionen hat höchstwahrscheinlich den Vorteil, den Gott weiter entrückt zu belassen, ihn somit weiter entfernt, noch mehr über den Dingen stehend erscheinen zu lassen, wohingegen eine bildliche Darstellung den Vorteil hat, dass sie zwar einerseits profaner ist, aber auch greifbarer--volksnäher sozusagen. Es ist sicher kein Zufall, dass im Christentum beides sogar in einem vereint ist, und auch noch Zielgruppengenrecht, denn Jesus ist eine Art Superheld für die Armen.

Ansonsten ist deine Wortwahl hier besonders putzig: "wahrer Kern". Man kann in der Erde nach Fossilien buddeln und DNA untersuchen, da brichst du dir einen ab. Hier wird dann einfach ein Universums-Geist behauptet, den man aus hochtrabenden Gründen nicht malen dürfte. Vollbreit hat schonmal abgesichert, dass Atheisten den Glauben nicht "pathologisieren". Ich bin hier nahe dran. Wie wär's denn wenn jemand 10 Seiten über Drogen wettert, in einem Nebensatz aber erwähnt, er sei Raucher. Ohne weitere Erklärung. Das ist doch mindestens kurios.

Was dein Mengenlehren-Fetisch angeht (Gott über alles): Ich habe keine Mühen mit Mengenlehre und bin nicht völlig aus dem Häuschen, weil ich mir eine Menge vorstellen kann, die alle Mengen enthält. Natürlich kann ich mir diese Menge nur in theoretischer Weise, als Manipulation von Symbolen vorstellen, denn ich bin ja selbst immer Teil der Menge und kann nie gleichzeitig "drinnen" sein, und "draußen" um das Ganze sehen zu können (da per Definition nichts und niemand außerhalb der Mengen aller Mengen sein kann, um sie festzustellen).

Das kann man auch noch auf Stufe 11 hoch drehen. Was wäre, wenn die Menge aller Mengen selbst ein Objekt wäre, also immer über ihrer eigenen Feststellung als Ganzes steht. Das wäre dann eine Art invertierte Rekursion. Wooaahh...

Unser Verstand kann eine ganze Menge solcher Sachen machen und ich kann auch den ästhetischen Reiz verstehen. Ob nun Leipniz Monaden-Theorie, Penrose' Ideen zum menschlichen Geist auf der Grenze zur Quantenmechanik, oder neuerdings die Supersymmetrie-- es gab und wird noch viele weitere Hypothesen (oder Theorien) geben, die Menschen aus ästhetischen Gründen besser finden als andere. Das sagt aber nun nichts darüber aus, ob sie auch stimmen. Und mit stimmen meine ich, ohne Gedankenpolizei-Einfluss, einfach nur, dass sie besser funktionieren als alternative Erklärungen (was mit Vorhersagbarkeit, Erwartungen und so fort also jenen Themen zu tun hat, die ujmp erfolglos versucht hat, dir zu erklären).

Jedenfalls finde ich es die Neusprech und Totalitarismus-Tendenzen bedenklich, die ich herauslese. Einen Gott abschaffen ist "sich klein machen". Sich unterwerfen ist "Freiheit" (weiter oben irgendwo). Dazu eine heftige Dosis der perfiden emotionalen Manipulation, wie sie bei religiösen Aussagen fast schon zum Guten Ton gehören. Dazu dann eine verrückte Ansicht, was Wissenschaft ist. Dabei könnte man sagen, dass alle Menschen von Natur aus Forscher sind. Wenn wir Fehler machen und daraus lernen, nennen wir das "Erfahrung" und erwarten, dass wir es beim nächsten Mal anders machen. Wenn etwas nicht funktioniert, versuchen wir mehr oder weniger durch Versuch und Irrtum und Ausschlussverfahren herauszufinden, was es ist. Haben dazu meist vorher eine Idee, was es sein könnte und passen unser Vorgehen daran an. Warum genau wird das dämonisiert? Weil es religiösen Offenbarungen eben nicht gerade entgegen kommt.

ujmp hat geschrieben:Es wurde gar nichts "evaluiert". Es ist rausgekommen, dass die Verteidiger des Gottesbegriffes selbst nicht wissen, was sie darunter verstehen. Sie nörgeln nur an den Gottesbegriffen anderer herum, weil sie wissen dass es dummes Zeug ist.


Ja, und QED. Ich hatte solche Diskussionen schon öfter und es läuft immer darauf hinaus. Die etwas erfahreneren Religiösen sind da weiter, die lassen den Bullshit direkt weg und sagen direkt, das Glaube nicht Wissen ist. Dann ist das Gespräch entspannter und da sind unterschiedliche Sichtweisen interessant und bereichernd. In den Fällen wo das nicht so ist, geht so wie hier, hin und her, bis man die Jungs irgendwann Schachmatt hat und es sie auch nicht mehr anders können als darauf zu kommen, dass Glaube eben letztlich nicht rational ist. Warum muss er das auch sein, könnte man als gelassener Mönch anführen.

Solche Sachen wie Wissenschaften mit Kreationismus gleichsetzen finde ich schon hart. What can be asserted without evidence...
Da gehe ich aber mal jetzt nicht noch ein. Habe schon genug Futter für Gedankenpolizisten und Neusprecher geliefert.
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