Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Sa 21. Jul 2012, 20:32

ujmp hat geschrieben:Obwohl der Ganze Beitrag von Darth Nefarius, aus dem das stammt m.E. recht gut ist und er in vielem Punkten recht hat, übersieht er m.E. genau wie du etwas ganz wichtiges.


Alles in allem recht gut?
Also, ich halte das weitgehend für indiskutablen Mist, aber jeder nach seiner Façon.

ujmp hat geschrieben:Man kann einen Menschen durch Kultur oder Ideologie nicht beliebig formen- weder zum Guten noch zum Bösen. Darth überschätzt das m.E. maßlos. Ein Mensch wird vielmehr mit dem Gro seiner Preferenzen geboren. Es gab z.B. noch nie eine Gesellschaft, in der Mord oder Diebstahl gutgeheißen wurde, schon immer waren es marginale Minderheiten, die das tun. Einen Durchschnittsmenschen bekommst du nur dazu so etwas zu tun, indem du ihn so manipulierst, dass er übersieht dass er mordet oder stiehlt - das ist wohl machbar. Normalerweise ist ein Mensch aber ein hochsoziales Wesen und im Grunde ganz verträglich.


Herzerfrischend.

ujmp hat geschrieben:Das Bedürfnis nach Miteinander ist angeboren und viel stärker als das Bedürfnis nach Gegeneinander. Es stimmt nun zwar m.E. dass dieses Verhalten im biologischen Sinne vollständig mit Egoismus erklärt werden kann. Das spielt aber im sozialen Sinne keine Rolle. Der soziale Begriff des Egosimus ist ein ganz anderer und man kann m.E. einen sozialen Egoismus nicht mit dem biologischen Egoismus rechtfertigen.


Wo würdest Du denn den Unterschied ziehen.
Was markiert die Grenze, zwischen Natur und Kultur?

ujmp hat geschrieben:Reden wir doch mal biologisch: Ein Teil der Menschen - Gruppe A - handelt egoistisch in der Weise, dass sie in ihre Gesellschaft investieren um etwas zurück zu erhalten. Ein anderer Teil -Gruppe B - handelt egoistisch in der Weise, dass sie die Gesellschaft möglichst nichts investieren und sie nur ausnutzen. Die Strategie der Gruppe A funktioniert nicht zusammen mit der Gruppe B (umgedreht geht es) und deshalb ächtet die Gruppe A die Gruppe B und bezeichnet sie als "Egoisten" - das ist halt nur der Name für ein objektiv unterschiedliches Verhalten.


Das beides biologisch gesprochen nichts weiter als Egoismus ist.
Lass Dich mal von Darth aufklären.

ujmp hat geschrieben:Ich kann in Cesare Borgia nur ein Exempel für ein kleine Minderheit sehen, der die Killer dieser Welt angehören. War sein Verhalten ein Zeichen für seine Fitness? - Meinetwege! Aber meine Ablehnung solche Charktere ist ein Zeichen für meine Fitness und meine Spezies hängt solche Typen früher oder später auf!


Mit anderen Worten: Egoismus erklärt alles und nichts, genau das ist das Problem.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Sa 21. Jul 2012, 21:05

Du hast nicht verstanden was ich gesagt habe, oder ignorierst meine Argumente, weil du weißt, dass sie deine Position widerlegen!

Mit "Egoismus" in einem sehr weiten Sinn, kann man tatsächlich sehr Vieles erklären. Das ist aber eben irrelevant in Bezug auf die Tatsache, dass es ganz unterschiedliches "egosistisches" Verhalten gibt - und zwar angeborenes Verhalten. Die meisten Menschen haben offensichtlich einen kooperativen Instinkt. Der ist ein Teil ihrer Fitness - keine andere Spezies ist in der Lage so hoch organisierte Gesellschaften zu schaffen, wie es Menschen tun und das geht nur mit Kooperation. Und der Punkt ist, dass die Moral oder Ethik oder auch Religion oder Ideologie, die diese Menschen haben, eine Folge ihrer Preferenzen sind und nicht umgedreht, da diese Preferenzen angeboren sind. In allen Gesellschaften gibt es Gerechtigkeit, Liebe, Schutz des Eigentums usw. offensichtlich unabhängig von der Kultur oder der herrschenden Ideologie.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Lumen » Sa 21. Jul 2012, 22:59

Korrekt. Diese Neigungen, reziprok altruistisch genannt, sind die Grundlage für unsere Moralvorstellungen. Siehe auch hier.

Mit Anstand auf die Welt hat geschrieben:[...] Wäre es richtig, den Mann zu schubsen? Wie sie sich in diesen und ähnlichen Zwangslagen verhalten würden, haben Forscher bereits rund 300 000 Menschen gefragt. Und egal ob sie Kinder oder Erwachsene, Atheisten oder Gläubige, Frauen oder Männer, Arbeiter oder Akademiker, Chinesen oder US-Bürger untersuchten, für jedes Dilemma schälte sich ein gleiches Muster heraus [...] Überall auf der Welt teilen Menschen offenbar gleiche Intuitionen von Werten wie Fairness, Verantwortung oder Dankbarkeit. Jemanden mit Absicht zu verletzen etwa gilt in allen Kulturen als viel schlimmer, als wenn dies ohne Absicht geschieht.


Zu den anderen Sachen mehr, wenn ich mehr Zeit habe. Jedenfalls ist die Vermischung von allenmöglichen mit Dawkins als Champion nachweislich falsch und in der Tendenz eher Meinungsmache. Der Artikel, auf den ich oben verwiesen hatte, aus der FR ist unterirdisch.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Darth Nefarius » So 22. Jul 2012, 10:08

Lumen hat geschrieben:
Mit Anstand auf die Welt hat geschrieben:[...] Wäre es richtig, den Mann zu schubsen? Wie sie sich in diesen und ähnlichen Zwangslagen verhalten würden, haben Forscher bereits rund 300 000 Menschen gefragt. Und egal ob sie Kinder oder Erwachsene, Atheisten oder Gläubige, Frauen oder Männer, Arbeiter oder Akademiker, Chinesen oder US-Bürger untersuchten, für jedes Dilemma schälte sich ein gleiches Muster heraus [...] Überall auf der Welt teilen Menschen offenbar gleiche Intuitionen von Werten wie Fairness, Verantwortung oder Dankbarkeit. Jemanden mit Absicht zu verletzen etwa gilt in allen Kulturen als viel schlimmer, als wenn dies ohne Absicht geschieht.


Und was hat das bitte mit Altruismus zu tun? Die Menschen haben einfach nicht das Verlangen, weil es ihnen instinktiv zuwiderläuft, kurzsichtige Forscher interpretieren da Fairness, Verantwortung und Dankbarkeit ein. Selbst wenn es diese Dinge gäbe, hätten sie kausal nichts mit Altruismus zu tun. Und dann ist da noch ein Aspekt, der für mich ein Grund wäre, den Mann nicht zu schubsen: ich würde eine Strafe erhalten, auch wenn ich vielleicht als Held gefeiert werden würde, hätte ich andere Menschen damit gerettet. Tatsächlich würde ein Altruist den Mann noch eher schubsen als ein Egoist, der keine Strafe erhalten will. Er würde seinen Ruf und seine Freiheit zugunsten der anderen aufgeben und als Mörder dastehen. Ein Altruist.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 10:55

Darth Nefarius hat geschrieben:Und was hat das bitte mit Altruismus zu tun? Die Menschen haben einfach nicht das Verlangen, weil es ihnen instinktiv zuwiderläuft, kurzsichtige Forscher interpretieren da Fairness, Verantwortung und Dankbarkeit ein. Selbst wenn es diese Dinge gäbe, hätten sie kausal nichts mit Altruismus zu tun. Und dann ist da noch ein Aspekt, der für mich ein Grund wäre, den Mann nicht zu schubsen: ich würde eine Strafe erhalten, auch wenn ich vielleicht als Held gefeiert werden würde, hätte ich andere Menschen damit gerettet. Tatsächlich würde ein Altruist den Mann noch eher schubsen als ein Egoist, der keine Strafe erhalten will. Er würde seinen Ruf und seine Freiheit zugunsten der anderen aufgeben und als Mörder dastehen. Ein Altruist.


Hi Darth Nefarius, ich teile ja deine Ansicht, dass sich diese Verhaltensweisen, die wir "Fairness, Verantwortung und Dankbarkeit" nennen mit Mechanismen erklären lassen, die letztlich dem egoistischen Interesse des Organismus entspringen. Das ist aber offensichtlich Egoismus der genau so unbewusst ist wie z.B. bestimmte Stoffwechselvorgänge. Und das kann uns die Zuversicht vermitteln, dass wir auch ohne religiösen erhobenen Zeigefinger friedlich miteinander leben können.

Die Forscher Interpretieren überhaupt nichts, sie beobachten erstmal nur ein Handeln. Es ist doch gleichgültig, warum Menschen so oder so handeln, erstmal ist interessant, wie sie handeln. Und da gibt es Unterschiede. Und wenn Menschen nur deshalb nicht morden, weil sie Strafe fürchten, was ist dein Problem damit? Die Gefahr geht von Menschen aus, die morden weil sie keine Strafe fürchten, und solche Irre gibt es glücklicherweise nur wenige.

Was ich (und ich glaube auch Lumen) damit sagen möchte ist: Ich habe kein Problem damit, dass der Mensch biologisch gesehen ein egoistischer Organismus ist. Menschen unterscheiden sich aber objektiv in ihrem Verhalten und die meisten Menschen zeigen sozusagen ein gesellschaftsfähiges Verhalten. Wir nennen im sozialen Kontext ein Verhalten homonym "egoistisch" um ein davon objektiv abweichendes Verhalten zu bezeichnen (was ich oben mit Gruppe A und B beschrieben habe). Das hat nur entfernt etwas mit dem biologischen Egosimus zu tun.

Wenn du so willst, dann ist meintewegen Altruismus nur eine spezielle Unterform des Egosimus. Er bezeichnet aber - ich betone es nochmal - ein objektiv eigenständiges Verhalten, dessen Eigenstädigkeit man nicht einfach ignorieren kann. D.h. jedes Verhalten mag egoistisch sein, aber nicht jedes Verhalten ist altruistisch. Man muss Altrusimus also nicht als Gegenteil von Egoismus konstruieren.

Das Problem an deiner Sichweise ist nicht, dass sie sachlich falsch ist, sondern dass sie so undifferenziert ist. Sie läuft auf Gleichmacherei heraus. Sie setzt das Verhalten von sich aufopfernden Menschen mit dem von brutalen Killern gleich - und das ist absurd.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » So 22. Jul 2012, 11:35

ujmp hat geschrieben:Du hast nicht verstanden was ich gesagt habe, oder ignorierst meine Argumente, weil du weißt, dass sie deine Position widerlegen!


Komm mal auf den Teppich. Wenn Deine Argumente gut wären, würden sie für sich selbst sprechen, oft glänzen sie durch Abwesenheit.

ujmp hat geschrieben:Mit "Egoismus" in einem sehr weiten Sinn, kann man tatsächlich sehr Vieles erklären.


Man kann damit sogar alles erklären, genau das ist das Problem.
Nicht falsifizierbar, müsste Dir was sagen.

ujmp hat geschrieben:Das ist aber eben irrelevant in Bezug auf die Tatsache, dass es ganz unterschiedliches "egosistisches" Verhalten gibt - und zwar angeborenes Verhalten.


Es gibt also ganz unterschiedliches egoistisches Verhalten. Wenn es tatsächlich ganz unterschiedlich ist, warum sollte man es egoistisch nennen? Alle Kleidung sind Hosen. Manche zieht man sich halt über die Kopf und anderen fehlen die Beine.

ujmp hat geschrieben:Die meisten Menschen haben offensichtlich einen kooperativen Instinkt. Der ist ein Teil ihrer Fitness - keine andere Spezies ist in der Lage so hoch organisierte Gesellschaften zu schaffen, wie es Menschen tun und das geht nur mit Kooperation.


Ja, nennen wir Kooperation doch Kooperation. Was hältst Du davon?
Aber warum sollte an der Basis der Kooperation allen Lebens nun Egoismus stehen?
Der Trick der dabei gemacht wird ist doch erkennbar: Wenn ich berechnend kooperiere, ist die Triebfeder klar. Ich bin nett, damit ich nett behandelt werde, ich helfe, damit mir geholfen wird, ich spende, damit meine sozialen Aktien steigen.

Wenn es für Dich in den Rahmen des Vorstellbaren oder hoffentlich sogar in den der gemachten Lebenserfahrung fällt, dass es im Leben hier und da kleine Handreichungen gibt, die vielleicht ohne Zeugen stattfinden, bei denen kein Ruhm, kein Lohn, kein Pressebericht zu erwarten ist und Menschen tun es dennoch… wieso sollte ich da noch Egoismus reinpressen wollen?
Auch bei einer Kosten/Nutzen-Rechnung kommt irgendwann der Punkt an dem einem Helfer, der ein entbehrungsreiches Leben führt, vermutlich nur noch mit Mühe Egoismus unterstellt werden kann.
Über ein: „Er/Sie wird schon was davon haben, sonst würde er/sie es ja nicht tun“, kommt diese Konstruktion, bei der man genau das erntet was man reinsteckt, nicht hinaus.
Es wird noch abenteuerlicher wenn man das, was man nicht findet, dann postwendend zu einem unbewussten Motiv deklariert. Gerade weil ich es nicht weiß oder bestreite, ist es ja unbewusst, heißt es dann.

Nun habe ich persönlich nichts einzuwenden gegen den Begriff des Unbewussten. Nur sollte man sich vielleicht mal kurz damit beschäftigen, woran man denn erkennt, ob etwas wirklich ein unbewusster Triebwunsch ist. Ich könnte ja sagen, Dein fundamentaler Antrieb im Leben ist der Wunsch Salami zu essen. Wenn Du mit sagst: „Sorry, das ist dämlich, außerdem mag ich überhaupt keine Salami“, sage ich: „Da siehste mal wie unbewusst Dir dieser Wunsch ist.“ Deine Vorliebe für Käsebrote ist nur dem unbewussten Motiv geschuldet, so zu tun, als würdest Du keine Salami wollen.
Du hattest vielleicht noch keine wirkliche Salamierfahrung, vielleicht hast Du da auch was verdrängt, wer weiß? Aber fest steht, Du willst Salami.

ujmp hat geschrieben:Und der Punkt ist, dass die Moral oder Ethik oder auch Religion oder Ideologie, die diese Menschen haben, eine Folge ihrer Preferenzen sind und nicht umgedreht, da diese Preferenzen angeboren sind. In allen Gesellschaften gibt es Gerechtigkeit, Liebe, Schutz des Eigentums usw. offensichtlich unabhängig von der Kultur oder der herrschenden Ideologie.


Jo, schlagene Beweise, dass alles von tiefem Egoismus durchdrungen ist.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 11:46

Vollbreit hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Das ist aber eben irrelevant in Bezug auf die Tatsache, dass es ganz unterschiedliches "egosistisches" Verhalten gibt - und zwar angeborenes Verhalten.


Es gibt also ganz unterschiedliches egoistisches Verhalten. Wenn es tatsächlich ganz unterschiedlich ist, warum sollte man es egoistisch nennen? Alle Kleidung sind Hosen. Manche zieht man sich halt über die Kopf und anderen fehlen die Beine.


Nein, sondern alle Hosen sind Kleidungsstücke, aber nicht alle Kleidungsstücke sind Hosen.

(Ein bissel Mühe musst du dir schon machen, wenn du für voll genommen werden willst. :/ )
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » So 22. Jul 2012, 11:57

ujmp hat geschrieben:Was ich (und ich glaube auch Lumen) damit sagen möchte ist: Ich habe kein Problem damit, dass der Mensch biologisch gesehen ein egoistischer Organismus ist.


Lumen möchte das aber nicht sagen, sage ich jetzt mal für ihn. Er wird mir gewiss widersprechen, wenn ich ihn fehlinterpretiere.

Ihr redet über zwei Dinge.
Du und Darth (und die vermutlich größere Zahl der Biologenfraktion) ihr seid der Auffassung, dass alle Motive eines Individuums an ihrer Wurzel egoistisch sind. Was Du, ujmp, als klares Argument bezeichnest liest sich dann so:
ujmp hat geschrieben:Hi Darth Nefarius, ich teile ja deine Ansicht, dass sich diese Verhaltensweisen, die wir "Fairness, Verantwortung und Dankbarkeit" nennen mit Mechanismen erklären lassen, die letztlich dem egoistischen Interesse des Organismus entspringen. Das ist aber offensichtlich Egoismus der genau so unbewusst ist wie z.B. bestimmte Stoffwechselvorgänge. Und das kann uns die Zuversicht vermitteln, dass wir auch ohne religiösen erhobenen Zeigefinger friedlich miteinander leben können.


Wenn es so offensichtlich ist, erklär es doch mal eben. Ich sehe es nämlich nicht.

Lumen ist aber nicht eurer Meinung. Er ist vielmehr, mit Dawkins, der Auffassung, dass es egoistische Gene sind, denen wir folgen und diese egoistischen Gene nennt Dawkins deshalb so, weil sie den „Wunsch“ haben sich zu reproduzieren, in, durch und mit einzelnen Individuen.
Das heißt die Gene „wollen sich fortpflanzen“, das ist ihr einziges Bestreben, ihr „Egoismus“.
Auf der Ebene des Indiviuums kann das aber gerade bedeuten, dass ein Individuum überhaupt nicht egoistisch ist, sondern sich sogar opfert (wenn die Gene davon profitieren). Es kann aber auch sein, dass ein Individuum egoistisch (wenn die Gene davon profitieren). Es geht den Genen darum., ihr Muster weiter zu geben und sowohl Lumen als auch mir ist klar, dass dieses „Wollen“ der Gene metaphorisch zu verstehen ist, da es blinde und ungerichtete Naturvorgänge sind, die sich einfach in (sozio-)ökologische Nischen quetschen.

Das sind zwei paar Schuhe.
Darth und Lumen ist immerhin klar, dass es zwei paar Schuhe sind, sie streiten nur bezüglich dessen, wer nun Recht hat. Ist das Individuum immer egoistisch (wie Darth und die größere Biologenfraktion glaubt) oder sind es die Gene und das Individuum wäre dann durchaus im echten Sinne altruistisch wie Lumen und de Waal meinen.

Ist Dir dieser Unterschied klar, ujmp?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 12:31

Vollbreit hat geschrieben:Ist Dir dieser Unterschied klar, ujmp?

Ich hab ihn ja oben gerade mühselig klargemacht. Ich wiederhole: RICHTIG DURCHLESEN, ich werd mir von deinem Gesülze nicht die Zeit stehlen lassen! Und es ist m.E. auch nicht nötig, dass Lumen deinen willkürlichen Interpretationen widerspricht!
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 13:07

Bloß mal noch dazu:

Du stellst Dawkins Position falsch dar...:
Vollbreit hat geschrieben:Lumen ist aber nicht eurer Meinung. Er ist vielmehr, mit Dawkins, der Auffassung, dass es egoistische Gene sind, denen wir folgen und diese egoistischen Gene nennt Dawkins deshalb so, weil sie den „Wunsch“ haben sich zu reproduzieren, in, durch und mit einzelnen Individuen.
Das heißt die Gene „wollen sich fortpflanzen“, das ist ihr einziges Bestreben, ihr „Egoismus“.
Auf der Ebene des Indiviuums kann das aber gerade bedeuten, dass ein Individuum überhaupt nicht egoistisch ist, sondern sich sogar opfert (wenn die Gene davon profitieren). Es kann aber auch sein, dass ein Individuum egoistisch (wenn die Gene davon profitieren). Es geht den Genen darum., ihr Muster weiter zu geben und sowohl Lumen als auch mir ist klar, dass dieses „Wollen“ der Gene metaphorisch zu verstehen ist, da es blinde und ungerichtete Naturvorgänge sind, die sich einfach in (sozio-)ökologische Nischen quetschen.


...denn Dawkins ist sich selbst darüber im Klaren, dass dieser "Egoismus" nur metaphorisch gemeint ist. Ein Gen interessiert sich nichteinmal für den den Organsimus, in dem es sich befindet. Z.B. "wollen" sich auch die Gene für Krebs oder Schizophrenie reproduzieren - die Metapher "Egoismus" passt besonders in solchen Fällen gut.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Lumen » So 22. Jul 2012, 13:17

Ihr habt jetzt beide den Sachverhalt korrekt wiedergegeben. Ujmp hatte oben ausgeführt, dass altruistisches Verhalten eigenständig jenseits eines egoistisch-genetischen Fundaments existiert, das hatte ich ebenso erklärt und es spiegelt sich auch in der guten Zusammenfassung der Position bei Vollbreit wieder. Falls nicht etwas übersehen habe.

Nun sind wir an der Stelle, die ich zuvor Vermenschlichung und Idealisierung nennen würde. Man kann die Bedingungen, was altruistisches Verhalten ist, sehr hoch legen, wie es Vollbreit mit dem Beispiel des Unbewussten getan. Damit wird Altruismus letzlich als Begriff eleminiert und selbst Philantropen, die Millionensummen spenden, fallen unter ein egoistisches Etikett, denn sie machen das ja "nur" weil sie irgendwo anders profitieren. Oder ehrenamtliche Helfer. Damit wird auch deutlich, wie schnell die Begriffe mit moralischen Zuschreibungen beladen werden.

Darum sollten, meiner Meinung nach, solche Begriffe in sinnvollen und vernünftigen Situationen oder Kontexten verwendet werden. Es ist sinnvoll bei Genen, es ist sinnvoll bei bestimmten Verhaltensweisen. Aber die Natur als solche ist nicht so oder so. Auch allgemeines Verhalten, was dem Organismus selbst nutzt ist nur mit einer speziellen und nüchternen Definition von Egoismus zutreffend beschrieben. Ist zum Beispiel etwas essen per se egoistisch zu nennen, vielmehr, ist das sinnvoll?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 14:42

Lumen hat geschrieben:Ihr habt jetzt beide den Sachverhalt korrekt wiedergegeben. Ujmp hatte oben ausgeführt, dass altruistisches Verhalten eigenständig jenseits eines egoistisch-genetischen Fundaments existiert,

Nein, das hab ich nicht gesagt! Ich habe ganz klar gesagt, dass es keine Rolle spielt, ob altruistisches Verhalten ein egoistisch-genetisches Fundament hat. Alle Hosen sind Kleidungsstücke, aber nicht alle Kleidungsstücke sind Hosen! Und Hose ist dabei nicht das Gegenteil von Kleidungsstück! Logik, liebe Freunde!

Man kann aber Altruismus genetisch auch so sehen: Da bei der geschlechtlichen Paarung immer ein zufälliges Element im Spiel ist, bei dem nur ein Teil der Merkmale vererbt werden kann (Rekombination), ist für einen Organsimus potentiell jeder andere Organsimus mit dem eine Paarung möglich ist oder mit dessen Nachkommen eine Paarung möglich ist oder wenn zwischen seinen und dessen Nachkommen eine Paarung möglich ist usw. im Interesse der eigenen Reproduktion. Jeder Artgenosse ist reproduktionsrelevant. Falls also der biologische "Egoismus" der Gene tatsächlich eine Auswirkung auf unser Verhalten hat, wird dieses sehr wahrscheinlich zu gleichen Teilen uneingennützig und eigennützig sein. Denn ein Merkmal muss "wissen" dass seine Reproduktions-Chance bei einer Paarung viel kleiner als 1 ist.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » So 22. Jul 2012, 14:45

Lumen hat geschrieben:Nun sind wir an der Stelle, die ich zuvor Vermenschlichung und Idealisierung nennen würde. Man kann die Bedingungen, was altruistisches Verhalten ist, sehr hoch legen, wie es Vollbreit mit dem Beispiel des Unbewussten getan. Damit wird Altruismus letzlich als Begriff eleminiert und selbst Philantropen, die Millionensummen spenden, fallen unter ein egoistisches Etikett, denn sie machen das ja "nur" weil sie irgendwo anders profitieren. Oder ehrenamtliche Helfer. Damit wird auch deutlich, wie schnell die Begriffe mit moralischen Zuschreibungen beladen werden.


Nur noch mal zur Klärung, weil ich es hier nicht ganz erkennen kann:
Dir ist klar, dass das was ich unterstrichen habe nicht meine Position ist, oder?
Ich referiere hier die Einstellung von Darth und der breiteren Biologenfraktion.

Und unabhängig davon welche Einstellung Dawkins in dieser Frage nun vertritt – ob also echtes altruistisches Verhalten, das im Kern oder überwiegend schon vom Motiv her altruistisch ist, mit egoistischen Genen angemessen zu erklären ist, oder nicht – kritisiere ich, soweit ich sehe zusammen mit Dir, dieses Konzept des individuellen Egoismus, das besagen soll, dass Individuen im Kern immer egoistisch motiviert sind.

Lumen hat geschrieben:Darum sollten, meiner Meinung nach, solche Begriffe in sinnvollen und vernünftigen Situationen oder Kontexten verwendet werden. Es ist sinnvoll bei Genen, es ist sinnvoll bei bestimmten Verhaltensweisen. Aber die Natur als solche ist nicht so oder so.


Und meine Frage ist, ob der Naturbegriff überhaupt hinreichend ist, also den richtigen Kontext bietet, um diese Frage zu klären. Wie ein Motiv geartet ist, dazu ist man beim Menschen in der Luxussituation ihn fragen zu können. Warum sollte man diesen Bonus verspielen? Nur weil der Mensch sich nicht immer über seine Motive im Klaren ist? Das ist durchaus ein Argument, aber diejenigen die es anführen müssen ihren Einwand ihrerseits legitimieren.

Wenn eine Begründung bezweifelt werden darf, dann vor allem deshalb, weil sie besser ist. Weil sie, bleiben wir auf der psychischen Ebene, mehr Verhalten erklärt, als die andere Theorie. Das heißt aber auch, einfach zu behaupten, dass jemand egoistisch ist und das nur nicht weiß, ist ein wenig dünn.

Lumen hat geschrieben:Auch allgemeines Verhalten, was dem Organismus selbst nutzt ist nur mit einer speziellen und nüchternen Definition von Egoismus zutreffend beschrieben. Ist zum Beispiel etwas essen per se egoistisch zu nennen, vielmehr, ist das sinnvoll?


In meinen Augen nicht. Egoistisch wäre es dann, wenn ich nicht teile. Dieser Egoismus kann im Wolfsrudel durchaus seine biologische Funktion haben. Es macht Sinn, vor allem erst mal die Leistungskraft des Alpha-Tiers zu erhalten und unterm Strich profitiert auch das Rudel davon, denn das Alpha-Tier ist oft das Klügste (nicht mal immer das Stärkste). Nur kann es sein, dass das Omega-Tier dabei ziemlich alt aussieht.
Wir legen Menschen, die sich nicht selbst ernähren können, Magensonden, das ist ziemlich genau das entgegengesetzte Prinzip. Wir hoffen auch, dass die Gesellschaft davon profitiert, nur in einem anderen Sinn, nämlich aufgrund der Überlegung, dass wir meinen, dem Individuum gebühre besonderer Schutz und besondere Sorge und dies soll eine gesellschaftliche Verabredung sein, ein Konsens. Biologisch ist es vollkommen sinnlos Schlaganfallpatienten, Behinderte oder Zeugungsunfähige durchzuziehen, wenn evolutionärer Erfolg das bedeuten soll, was er biologisch und darwinistisch bedeutet, nämlich Nachkommen zu zeugen, die ihrerseits in der Lage sind Nachkommen zu zeugen und dies auch tun.
So rigide argumentieren im Grunde nur Faschisten und Sozialdarwinisten, die es natürlich gibt.

Dawkins hat natürlich erkannt, dass diese rigiden und auch menschenverachtenden Kriterien nicht der Weisheit letzter Schluss sein können und hat deshalb z.B. die Idee mit den Memen ersonnen.
Ich finde es gar nicht mal unattraktiv, die Integralen benutzen den Mem-Begriff übrigens auch, wenn auch mit einer leichten Bedeutungsverschiebung.
Die Grundidee ist, dass auch Verhaltensmuster die Tendenz haben sich irgendwie zu vererben, fortzusetzen und ein gewisses „Interesse“ an ihrer Selbsterhaltung haben. Nur ist das nicht mehr biologisch einzufangen und berührt dann doch eher die Bereiche von Luhmann oder Heidegger.
Oder auch der Künstler. Schriftsteller und Komponisten wissen, was sie tun, wenn die einen Roman oder ein Sinfonie beginnen, aber die Berichte sind Legion in denen dann das Werk sozusagen die Führung übernimmt und das ist nicht unbedingt metaphorisch gemeint. Der Schriftsteller wird oft zum Chronisten von Prozessen, die nicht mehr völlig seiner Kontrolle unterliegen.
Das ist übrigens jener Zustand von dem auch in der Mystik die Rede ist. Man ist schon beteiligt an der Sache, aber irgendwie übernimmt die Welt das Kommando, das große Werk, wie es ja auch manchmal genannt wird.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » So 22. Jul 2012, 15:19

ujmp hat geschrieben: Alle Hosen sind Kleidungsstücke, aber nicht alle Kleidungsstücke sind Hosen! Und Hose ist dabei nicht das Gegenteil von Kleidungsstück! Logik, liebe Freunde!


Nett, aber an der Sache vorbei.
Vom Egoismus wird behauptet, er sei die Wurzel allen Verhaltens.
Wenn Du wirklich etwas von Logik verstehst, müsste jetzt in Dir ein grell rotes Licht aufleuchten und ein aufdringlicher Mööp-Mööp-Mööp Ton erklingen, weil sie mit so einer Formulierung, wenn sie etwas Begründen soll , in einen Zirkel gerätst.

Erst wird eine Allaussage behauptet und diese wird sogleich zur Begründung herangezogen:
Wenn alles Verhalten egozentrisch ist, dann muss ja in dem was altruistisch erscheint eine egozentrische Wurzel haben. Wer suchet, der findet. Wer unter Leiden und Entbehrungen anderen hilft, der muss nun etwas davon haben (wenn die Prämisse gilt). Er wird heimlich auf Ansehen aus sein, oder ist ein wenig masochistisch veranlagt, ist vielleicht nur asymmetrischen Beziehungen fähig, vielleicht auch ein heimlicher Sadist, der sich am Leiden der anderen uneingestanden weidet, vielleicht hat es auch mit der Bankerkarriere nicht hingehauen oder man kompensiert eine verflossene Liebe, oder oder oder. Irgendwas findet sich immer. Logisch ist das eine petitio principii und das ist ein Fehlschluss, kann man also in die Tonne kloppen.

Formulier mir doch mal bitte eine Bedingung, unter der sich der Egoismus falsifizieren ließe.

ujmp hat geschrieben:Man kann aber Altruismus genetisch auch so sehen: Da bei der geschlechtlichen Paarung immer ein zufälliges Element im Spiel ist, bei dem nur ein Teil der Merkmale vererbt werden kann (Rekombination), ist für einen Organsimus potentiell jeder andere Organsimus mit dem eine Paarung möglich ist oder mit dessen Nachkommen eine Paarung möglich ist oder wenn zwischen seinen und dessen Nachkommen eine Paarung möglich ist usw. im Interesse der eigenen Reproduktion. Jeder Artgenosse ist reproduktionsrelevant. Falls also der biologische "Egoismus" der Gene tatsächlich eine Auswirkung auf unser Verhalten hat, wird dieses sehr wahrscheinlich zu gleichen Teilen uneingennützig und eigennützig sein. Denn ein Merkmal muss "wissen" dass seine Reproduktions-Chance bei einer Paarung viel kleiner als 1 ist.


Mal so ganz naiv gefragt: Wieso sollte man nicht einfach ein ineinander übergehendes Spektrum von Egoismus und Altruismus formulieren? Manches Verhalten ist ganz offensichtlich egoistisch, manches ist ganz offensichtlich altruistisch, meistens gibt es Grauzonen. Wenn ich mir mein Wochenende mit einem lästigen Umzug um die Ohren haue, ist das natürlich auch dann altruistisch, wenn ich darauf baue, dass der andere mir mal helfen muss. Ich würde vielleicht lieber ein Weißbier im Biergarten trinken und die anderen schwitzen lassen. Wenn ich geschickt genug bin, werde ich mich schon rausreden können.
Und wo soll denn bitte der Egoismus sein, wenn ich jemandem an einer Landstraße im dicksten Regen die Reifen wechsle, wissend, den sehe ich nie wieder, ohne Lohn anzunehmen? Klar, weil es mich glücklich macht, jemanden glücklich zu sehen, aber irgendwann zieht das auch nicht mehr, damit könnte man auch Sklaverei und Vergewaltigungen schönreden.
Oder weil ich ja nicht direkt davon profitiere, aber der wird mein Muster der uneigennützigen Hilfe vielleicht übernehmen und dieses Genmuster konkurriert mit anderen und on the long run profitiere ich dann doch, wenn die Mehrheit meiner Einstellung ist.
Wenn man diese Einstellungen, dass man seinen Genen sklavisch zu gehorchen hat aber ins Extrem treibt, dann – Achtung ujmp, Logik – dann ist die Aufforderung sich seinen Genen zu widersetzen, die Dawkins formuliert, obsolet. Der Appell an eine Verhaltensänderung macht nur dann Sinn, wenn man unterstellt, dass jemand sein Verhalten tatsächlich ändern kann. Kann er es nicht, ist der Appell sinnlos bis zynisch. Einer Ampel zu sagen, mach doch mal blau, immer die gleichen Farben ist doch langweilig, bringt nichts.

Und woher kommt eigentlich die merkwürdige Ansicht, dass es genau einen Urtrieb geben muss?
Warum nicht zwei, drei oder 123?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Darth Nefarius » So 22. Jul 2012, 15:35

ujmp hat geschrieben:Hi Darth Nefarius, ich teile ja deine Ansicht, dass sich diese Verhaltensweisen, die wir "Fairness, Verantwortung und Dankbarkeit" nennen mit Mechanismen erklären lassen, die letztlich dem egoistischen Interesse des Organismus entspringen. Das ist aber offensichtlich Egoismus der genau so unbewusst ist wie z.B. bestimmte Stoffwechselvorgänge. Und das kann uns die Zuversicht vermitteln, dass wir auch ohne religiösen erhobenen Zeigefinger friedlich miteinander leben können.

Ah, ein unerwarteter Fürsprecher. Ja, mir ist auch bewusst, dass nicht jede Motivation bewusst sein kann.
ujmp hat geschrieben:Die Forscher Interpretieren überhaupt nichts, sie beobachten erstmal nur ein Handeln.

Das ist ein Ideal, jeder ernsthafte Wissenschaftler hat einen Plan, seine Beobachtungen sind nicht willkürlich, sondern sollen eine Vermutung beweisen oder widerlegen. Ich wüsste gern, woher du dieses Wissen nehmen willst. Zumindest habe ich eine andere Erfahrung gemacht und ich habe schon öfters im Labor gearbeitet. natürlich müssen dann Ergebnisse ausgewertet werden. Was meinst du ist wohl das gewollte Ergebnis bei einer Untersuchung eines Stoffes, wenn man herausfinden will, ob er krebserregend ist? Es ist völlig unspektakulär und unbedeutend die Harmlosigkeit eines Stoffes zu bestätigen. Die meisten Stoffe werden auf einen Verdacht hin untersucht. Natürlich können es manche übertreiben und stellen fest, dass sogar Wasser krebserregend ist.
ujmp hat geschrieben: Es ist doch gleichgültig, warum Menschen so oder so handeln, erstmal ist interessant, wie sie handeln.

Das sehe ich anders. Wenn man die nötige Erfahrung hat, wird man wissen wie die Menschen handeln, aber um besser antizipieren zu können, wie sie handeln werden, ist das Wissen ums warum wichtig. Nicht die Erkenntnis, dass ein Apfel von einem Baum fällt war bedeutsam, sondern die Erkenntnis, warum dies geschieht.
ujmp hat geschrieben:Und da gibt es Unterschiede. Und wenn Menschen nur deshalb nicht morden, weil sie Strafe fürchten, was ist dein Problem damit?

Ich habe nicht mit dem Ergebnis ein Problem, sondern mit der vorigen Interpretation, dass diese Zurückhaltung selbstlos sei.
ujmp hat geschrieben:Die Gefahr geht von Menschen aus, die morden weil sie keine Strafe fürchten, und solche Irre gibt es glücklicherweise nur wenige.

Ja, das stimmt.
ujmp hat geschrieben:Was ich (und ich glaube auch Lumen) damit sagen möchte ist: Ich habe kein Problem damit, dass der Mensch biologisch gesehen ein egoistischer Organismus ist.

Ich denke, dass Lumen das wirklich anders sieht. Ich habe sehr lange mit ihm diskutiert und er meint, egoistische Gene und ein dazugehörendes altruistischesTier würden einander bedingen.
ujmp hat geschrieben: Menschen unterscheiden sich aber objektiv in ihrem Verhalten und die meisten Menschen zeigen sozusagen ein gesellschaftsfähiges Verhalten. Wir nennen im sozialen Kontext ein Verhalten homonym "egoistisch" um ein davon objektiv abweichendes Verhalten zu bezeichnen (was ich oben mit Gruppe A und B beschrieben habe). Das hat nur entfernt etwas mit dem biologischen Egosimus zu tun.

Und ich denke, darin liegt auch Lumens Problem. Er assoziiert Eigennpützigkeit/Egoismus mit Sadismus gegenüber anderen. Ich sehe darin ein Problem und die Ursache des Konflikts. Letztlich ein Missverständnis, das auf Ressentiments gegenüber einer logisch und nicht emotional entlehnten Haltung betrifft.
ujmp hat geschrieben:Wenn du so willst, dann ist meintewegen Altruismus nur eine spezielle Unterform des Egosimus. Er bezeichnet aber - ich betone es nochmal - ein objektiv eigenständiges Verhalten, dessen Eigenstädigkeit man nicht einfach ignorieren kann. D.h. jedes Verhalten mag egoistisch sein, aber nicht jedes Verhalten ist altruistisch. Man muss Altrusimus also nicht als Gegenteil von Egoismus konstruieren.

Ich würde dem eher zustimmen, wenn du "reziproker Altruismus" geschrieben hättest. Ich habe selbst geschrieben, dass ich und viele andere, die sich damit auskennen, den reziproken Altruismus als Kosmetik für die Gesellschaft betrachten, damit kein Hass und keine Furcht gegenüber der Biologenfraktion entflammt. Reziproker Altruismus soll nur Egoismus bedeuten, der kooperativ und sozial ist. Altruismus im allgemeinen widerspricht in seiner tatsächlichen Bedeutung aber dem Egoismus.
ujmp hat geschrieben:Das Problem an deiner Sichweise ist nicht, dass sie sachlich falsch ist, sondern dass sie so undifferenziert ist. Sie läuft auf Gleichmacherei heraus. Sie setzt das Verhalten von sich aufopfernden Menschen mit dem von brutalen Killern gleich - und das ist absurd.

Inwiefern tue ich das? Wer hat das bitte behauptet? Ich setze es wenn überhaupt nur in dem Maße gleich, wie sie zur selben Spezies gehören. Das ist nicht falsch und auch nicht undifferenziert, sondern soll die Sichtweise eher erweitern. Diese Typen sind nunmal gleichermaßen Menschen wie sie Egoisten sind, sich gegen diese Erkenntnis zu stämmen bedeutet nicht differenziertes Denken, sondern Sturheit, Ignoranz. Gerade aus dieser Erkenntnis kann erst eine differenzierte und sachliche Untersuchung der Unterschiede resultieren. Dadurch kommen völlig unterschiedliche Ergebnisse raus: Während der lokale Pfarrer den Killer als "gottlos, egoistisch" oder sonstwas bezeichnen würde, hätte ein Biologe ihn "übermäßig triebgesteuert/aggressiv" bezeichnet. meinst du nicht, dass da Unterschiede sind? Was meinst du ist differenzierter?
Lumen hat geschrieben:Man kann die Bedingungen, was altruistisches Verhalten ist, sehr hoch legen, wie es Vollbreit mit dem Beispiel des Unbewussten getan. Damit wird Altruismus letzlich als Begriff eleminiert und selbst Philantropen, die Millionensummen spenden, fallen unter ein egoistisches Etikett, denn sie machen das ja "nur" weil sie irgendwo anders profitieren.
Das wäre eine differenzierte und nicht beschönigende Feststellung, deswegen ist sie dir nicht eigen.
Lumen hat geschrieben:Damit wird auch deutlich, wie schnell die Begriffe mit moralischen Zuschreibungen beladen werden.

Gerade durch die Legitimation durch das Etikett "Altruismus" schreibst du bestimmten Verhaltensweisen Moral zu und anderen nicht. DAS ist verkürzt.
Lumen hat geschrieben:Ist zum Beispiel etwas essen per se egoistisch zu nennen, vielmehr, ist das sinnvoll?

Wenn man vor die Wahl gestellt wird zwischen egoistisch und altruistisch dann ja. Du hast natürlich recht, wenn du meinst, dass man nicht alles in diese zwei Schubladen sortieren muss (das habe ich auch nie behauptet), allerdings ist die Erkenntnis, dass bewusstes wie unbewusstes Verhalten den eigenen Vorteil im Sinn hat, eine nötige, um differenzierter über die Bedeutung von Moral, von Trieben und von Kompromissfähigkeit zu sprechen. Banalisierungen wie "gottlos" oder "egoistisch" als Beschimpfung oder noch schlimmer als Grund für aggressive Reaktionen zu benutzen, halte ich für falsch. Diese Handlungen werden seltener, wenn eine Akzeptanz eintritt.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Lumen » So 22. Jul 2012, 16:29

ujmp hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Ihr habt jetzt beide den Sachverhalt korrekt wiedergegeben. Ujmp hatte oben ausgeführt, dass altruistisches Verhalten eigenständig jenseits eines egoistisch-genetischen Fundaments existiert,

Nein, das hab ich nicht gesagt! Ich habe ganz klar gesagt, dass es keine Rolle spielt, ob altruistisches Verhalten ein egoistisch-genetisches Fundament hat. Alle Hosen sind Kleidungsstücke, aber nicht alle Kleidungsstücke sind Hosen! Und Hose ist dabei nicht das Gegenteil von Kleidungsstück! Logik, liebe Freunde!


Ich meinte folgende Stelle:

ujmp hat geschrieben:Was ich (und ich glaube auch Lumen) damit sagen möchte ist: Ich habe kein Problem damit, dass der Mensch biologisch gesehen ein egoistischer Organismus ist. Menschen unterscheiden sich aber objektiv in ihrem Verhalten und die meisten Menschen zeigen sozusagen ein gesellschaftsfähiges Verhalten. Wir nennen im sozialen Kontext ein Verhalten homonym "egoistisch" um ein davon objektiv abweichendes Verhalten zu bezeichnen (was ich oben mit Gruppe A und B beschrieben habe).


"Biologisch gesehen" verstand ich hier als "egoistische Gene" haben. Ja. Aber: Altruismus als eine Form des Egoismus zu sehen, ist sprachliches Kauderwelsch. Es heißt auch reziproker Altruismus, denn das ist das ist ja der Clou, dass ein auf Selbsterhaltung getrimmter Mechanismus von Genen zu wechselseitigem Verhalten führt, weil die Gene identische Kopien von sich selbst in anderen Organismen haben und Verhalten befördert was diesen, also sich selbst (da sie identische Kopien sind) nützlich ist. Dies führt zu angeborenen Neigungen, die aber auf Ebene des Individuums eben nicht mehr egoistisch sind. Wobei es ungeachtet dessen natürlich auch Gene gibt, die zu egoistischem Verhalten auf der Ebene des Individuums führen.

Dabei gibt es aber nicht nur einen, sondern mehrere genetische Faktoren, z.b. das Kindchenschema, wieder andere stellen Familie höher als andere Artgenossen. Die Gene "wissen" aber nichts von Familien. Darum läuft diese gegenseitige Verhalten zumindest Teilweise über externe Faktoren. Vereinfacht ausgedrückt: eine Gen-Gruppe kann einen Geruch und ein Verhalten bewirken, wonach ein Artgenosse gefüttert wird, der gleich riecht. Somit würden sich Träger dieser Gengruppe gegenseitig helfen, also die Gene "sich selbst" helfen. Das Tier handelt aber nicht egoistisch! Es ist sprachlich widersinnig, das egoistisch zu nennen. Denn zum einen sind nicht die Träger der Gengruppe egoistisch, sondern die Gene selbst, und dann nur im metaphorischen Sinne. Zum anderen wird eine Win-Win Situation, ein Tauschgeschäft usw. auch im menschlichen Alltag nicht als egoistisch bezeichnet. Es ist also schlampig, hier von Egoismus zu sprechen und eben verwirrend, weil es gerade bei den Genen zutreffend ist.

Jetzt können aber andere Lebewesen durch Anpassung ebenfalls diesen Geruch annehmen, oder Menschen können Parfüms entwickeln usw. und somit die genetischen Anlagen ausnutzen und in andere Richtungen treiben. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, insbesondere über die Familie, wird in menschlichen Kulturen überall "missbraucht", weshalb es eben kein Automatismus ist. Gewisse Nationen deklarierten ihre Bürger als Träger eines bestimmten Blutes, dass dann gegen andere "verteidigt" werden müsste. Oder Religionen sehen ihre Mitglieder als Abkömmlinge eines Stammes, einer Erblinie an. Oder andere Gläubige sind "Brüder" und "Schwestern" usw. usf. Wenn man also keine Hilfe aus den Anlagen ableiten kann, ist das zutreffend.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 16:31

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist ein Ideal, jeder ernsthafte Wissenschaftler hat einen Plan, seine Beobachtungen sind nicht willkürlich, sondern sollen eine Vermutung beweisen oder widerlegen. Ich wüsste gern, woher du dieses Wissen nehmen willst. Zumindest habe ich eine andere Erfahrung gemacht und ich habe schon öfters im Labor gearbeitet. natürlich müssen dann Ergebnisse ausgewertet werden.

Auch da bin ich mit dir einer Meinung, ich hatte das zu krass ausgedrückt. Was ich meinte ist, dass man bestimmte Beobachtungen, speziell objektive Unterschiede im Verhalten von Menschen, locker irgendwie benennen kann. Z.B auch mit dem Wort "Fairness" ohne dass man damit etwas bewertet oder begründet. Man könnte diese Beobachtungen auch einfach durchnummerieren. Es gibt dann eben Verhalten 1 dass sich von Verhalten 2 unterscheidet - darauf kam es mir an. Ich weiß auch, dass jede Beobachtung theoriegeladen ist, das ist aber irellevant für die Tatsache, dass sich Beobachtungen unterscheiden.

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben: Es ist doch gleichgültig, warum Menschen so oder so handeln, erstmal ist interessant, wie sie handeln.

Das sehe ich anders. Wenn man die nötige Erfahrung hat, wird man wissen wie die Menschen handeln, aber um besser antizipieren zu können, wie sie handeln werden, ist das Wissen ums warum wichtig. Nicht die Erkenntnis, dass ein Apfel von einem Baum fällt war bedeutsam, sondern die Erkenntnis, warum dies geschieht.

Auch korrekt (mein "erstmal" war an der falschen Stelle, werd mich bemühen präziser zu formulieren). Wir schließen vom Wie auf das Warum. Deshalb ist es erstmal interessant, wie sich menschliches Verhalten unterscheiden kann.

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben: Menschen unterscheiden sich aber objektiv in ihrem Verhalten und die meisten Menschen zeigen sozusagen ein gesellschaftsfähiges Verhalten. Wir nennen im sozialen Kontext ein Verhalten homonym "egoistisch" um ein davon objektiv abweichendes Verhalten zu bezeichnen (was ich oben mit Gruppe A und B beschrieben habe). Das hat nur entfernt etwas mit dem biologischen Egosimus zu tun.

Und ich denke, darin liegt auch Lumens Problem. Er assoziiert Eigennpützigkeit/Egoismus mit Sadismus gegenüber anderen. Ich sehe darin ein Problem und die Ursache des Konflikts. Letztlich ein Missverständnis, das auf Ressentiments gegenüber einer logisch und nicht emotional entlehnten Haltung betrifft.

Ich konnte das aus Lumens Texten nicht rauslesen. Mir jedenfalls geht es um Ressentiments gegenüber einem Menschenbild, dass den Menschen einfach nur als Teil der Natur sieht, ohne dass er deshalb zu einem Tier wird. Das sind Ressentiments die gerne von Religiösen mehr oder weniger absichtlich geschürt werden.

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Wenn du so willst, dann ist meintewegen Altruismus nur eine spezielle Unterform des Egosimus. Er bezeichnet aber - ich betone es nochmal - ein objektiv eigenständiges Verhalten, dessen Eigenständigkeit man nicht einfach ignorieren kann. D.h. jedes Verhalten mag egoistisch sein, aber nicht jedes Verhalten ist altruistisch. Man muss Altrusimus also nicht als Gegenteil von Egoismus konstruieren.

Ich würde dem eher zustimmen, wenn du "reziproker Altruismus" geschrieben hättest. Ich habe selbst geschrieben, dass ich und viele andere, die sich damit auskennen, den reziproken Altruismus als Kosmetik für die Gesellschaft betrachten, damit kein Hass und keine Furcht gegenüber der Biologenfraktion entflammt. Reziproker Altruismus soll nur Egoismus bedeuten, der kooperativ und sozial ist. Altruismus im allgemeinen widerspricht in seiner tatsächlichen Bedeutung aber dem Egoismus.

Ach wo, das sind Definitionsprobleme. Altruismus ist einfach nur ein Wort, dass ein objektiv unterscheidbares Verhalten benennt. Streichen wir das Wort einfach aus der Diskussionen und reden über Verhalten A und Verhalten B, und beschreiben diese...

Darth Nefarius hat geschrieben: Diese Typen sind nunmal gleichermaßen Menschen wie sie Egoisten sind, sich gegen diese Erkenntnis zu stämmen bedeutet nicht differenziertes Denken, sondern Sturheit, Ignoranz.

Versteh mal, dass ich nicht von den Gemeinsamkeiten rede, sondern von den Unterschieden!

Darth Nefarius hat geschrieben:Gerade aus dieser Erkenntnis kann erst eine differenzierte und sachliche Untersuchung der Unterschiede resultieren. Dadurch kommen völlig unterschiedliche Ergebnisse raus: Während der lokale Pfarrer den Killer als "gottlos, egoistisch" oder sonstwas bezeichnen würde, hätte ein Biologe ihn "übermäßig triebgesteuert/aggressiv" bezeichnet. meinst du nicht, dass da Unterschiede sind?

Nein, das sind nur unterschiedliche Bennennungen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Was meinst du ist differenzierter?

Die Aussage, dass wir uns alle "menschlich" verhalten, ist nicht falsch, aber auch nicht besonders informativ. Eine Aussage dagegen, nach der sich manche Menschen so und manche Menschen anders verhalten ist informativer, weil sie die Menge des Gemeinten eingrenzt - eben "differenziert". Zu sagen "Ein Killer ist ganz normaler Mensch" ist wertlos oder eben falsch, wenn normal "durchschnittlich" bedeuten soll.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 17:02

Darth Nefarius hat geschrieben:Ah, ein unerwarteter Fürsprecher. Ja, mir ist auch bewusst, dass nicht jede Motivation bewusst sein kann.

Ürigens: Ich spreche nie für oder gegen dich, sondern für oder gegen das, was du da gesagt hast. ;-)
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » So 22. Jul 2012, 17:12

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Was ich (und ich glaube auch Lumen) damit sagen möchte ist: Ich habe kein Problem damit, dass der Mensch biologisch gesehen ein egoistischer Organismus ist.

Ich denke, dass Lumen das wirklich anders sieht. Ich habe sehr lange mit ihm diskutiert und er meint, egoistische Gene und ein dazugehörendes altruistischesTier würden einander bedingen.


Nicht unbedingt. Das Tier, was an den egoistischen Genen hängt, kann in seinem Verhalten sowohl egoistisch als auch altruistisch sein. Das ist die Konsequenz aus dem Konzept der selfish genes.

Darth Nefarius hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben: Menschen unterscheiden sich aber objektiv in ihrem Verhalten und die meisten Menschen zeigen sozusagen ein gesellschaftsfähiges Verhalten. Wir nennen im sozialen Kontext ein Verhalten homonym "egoistisch" um ein davon objektiv abweichendes Verhalten zu bezeichnen (was ich oben mit Gruppe A und B beschrieben habe). Das hat nur entfernt etwas mit dem biologischen Egosimus zu tun.

Und ich denke, darin liegt auch Lumens Problem. Er assoziiert Eigennpützigkeit/Egoismus mit Sadismus gegenüber anderen. Ich sehe darin ein Problem und die Ursache des Konflikts. Letztlich ein Missverständnis, das auf Ressentiments gegenüber einer logisch und nicht emotional entlehnten Haltung betrifft.


Nein, das ist nicht Lumens Problem. Er kann die Begriffe sehr wohl auseinader halten. Er erkennt in diesem Fall klar, dass der Begriff „Egoismus“ einfach vollkommen ungeeignet ist, die ganze Palette des sozialen Verhaltens zu erklären, dass dann in sozialer Beschreibung mal Egoismus, mal Altruismus genannt wird.

Ihr behauptet, dass das, was in sozialer Beschreibung „altruistisch“ genannt wird, an seiner biologischen Wurzel egoistisch motiviert ist.
Dafür fehlt erstens, die Begründung. Warum sollte das so sein? Sagt es doch mal.
Zweitens: Warum soll es überhaupt nur einen Urtrieb geben, und nicht mehrere?
Drittens: Ihr schmuggelt damit heimlich, biologischen Begründungen in soziale Kontexte ein:
Soziologisch würde man es altruistisch nennen, sagt ihr, aber im Kern ist es Egoismus.
Und damit behauptet ihr implizit eine Reihenfolge, bei der die biologische Sicht höherrangig ist, ebenfalls vollkommen unbegründet.

Die biologisierende Deutung ist leider momentan nervtötende Marotte, die ich in diesem Thread kritisiere.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 17:48

Vollbreit hat geschrieben:Die biologisierende Deutung ist leider momentan nervtötende Marotte, die ich in diesem Thread kritisiere.

Von dir kommt leider keine vernünftige Entgegnung, das meiste sind mehr oder weniger bewusste Strohmänner.

Vollbreit hat geschrieben:Ihr behauptet, dass das, was in sozialer Beschreibung „altruistisch“ genannt wird, an seiner biologischen Wurzel egoistisch motiviert ist. Dafür fehlt erstens, die Begründung. Warum sollte das so sein? Sagt es doch mal.

Solange man keine zusätzlichen Entitäten benötigt, soll man sie auch nicht vermehren. Und man kann zeigen, das der Altrusimus in bestimmten fällen Zusammenbricht, wenn er offensichtlich nicht reziprok ist.

Vollbreit hat geschrieben:Zweitens: Warum soll es überhaupt nur einen Urtrieb geben, und nicht mehrere?.

Nieman hat das hier behauptet. Aber warum sollte es mehrere geben?
Vollbreit hat geschrieben:Drittens: Ihr schmuggelt damit heimlich, biologischen Begründungen in soziale Kontexte ein:
Soziologisch würde man es altruistisch nennen, sagt ihr, aber im Kern ist es Egoismus.

Ich hab gesagt dass, der soziale Atrusimus biologisch ein egoistisches Fundament hat. Das braucht man nichts "reinzuschmuggeln", wenn es eine Tatsache ist.

Vollbreit hat geschrieben:Und damit behauptet ihr implizit eine Reihenfolge, bei der die biologische Sicht höherrangig ist, ebenfalls vollkommen unbegründet.

Dieses Vorurteil ist wohl der Motor dieser Diskussion. Es ist aus meiner Sicht unbegründet.
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