Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Darth Nefarius » So 22. Jul 2012, 18:31

ujmp hat geschrieben:Ich konnte das aus Lumens Texten nicht rauslesen. Mir jedenfalls geht es um Ressentiments gegenüber einem Menschenbild, dass den Menschen einfach nur als Teil der Natur sieht, ohne dass er deshalb zu einem Tier wird. Das sind Ressentiments die gerne von Religiösen mehr oder weniger absichtlich geschürt werden.

Das hat er auch nicht unbedingt hier, sondern an anderer Stelle deutlich gemacht. Welches Menschenbild meinst du da? Der Egoismus hat jedenfalls den Vorteil, dass er den Menschen gerade als Tier sieht. Ich bin aber positiv überrascht, dass du deine fehlerhaften Formulierungen einsiehst, zu den richtigstellungen von dir schreibe ich deswegen auch nichts, ich stimme denen zu.
ujmp hat geschrieben:Ach wo, das sind Definitionsprobleme. Altruismus ist einfach nur ein Wort, dass ein objektiv unterscheidbares Verhalten benennt. Streichen wir das Wort einfach aus der Diskussionen und reden über Verhalten A und Verhalten B, und beschreiben diese...

Naja, so einfach kannst du es dir nicht machen. Gewiss sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir uns ziemlcih einig sind, auch in Details der Interpretation, dennoch nicht in allen. Ideologien kannst du auch nicht einfach gleichsetzen, weil sie eine ähnliche Ausprägungsform haben: Der Kommunismus ist eine ganz andere als der Faschismus, auch wenn sie aufs Gleiche hinauslaufen. Selbst wenn du übersetzt das gleiche Wort meinst, macht es schon einen gewaltigen Unterschied, ob du "Gott", oder "Allah", oder "Jahwe" sagst. Und spezielle in der Diskussion hier geht es letztlich um ein funktionalistisches und ein idealisiertes Menschenbild, die hier im Konflikt stehen. Die Konsequenzen aus diesen feinen Unterschieden der Interpretation sind sehr bedeutsam für die Wahrnehmung der Umgebung und die Schlussfolgerungen, die unterschiedlicher in ihren Forderungen nicht sein könnten: Während Anhänger des Altruismus niemals verstehen würden, warum sich nicht genug Leute engagieren, würde ein Anhänger des Egoismus klar feststellen, dass sie keinen Anreiz haben. Worte sind sehr mächtig.
ujmp hat geschrieben:Versteh mal, dass ich nicht von den Gemeinsamkeiten rede, sondern von den Unterschieden!

Ich verstehe das ganz gut, unsere Gewichtung ist nur unterschiedlich. Ich denke, dass die Unterschiede wichtiger sind, als die Gemeinsamkeiten in diesem Fall.
ujmp hat geschrieben:Nein, das sind nur unterschiedliche Bennennungen.

Meinst du wirklich? Gut, dann gehen wir weiter mit den Konsequenzen: Was würde wohl der Priester mit diesem Menschen machen? Das harmloseste wäre noch für ihn zu beten, allerdings wenig effektiv. Er könnte aber auch die Todesstrafe oder dergleichen fordern, sodass beeinflussbare Menschen ihm folgeleißten und den Menschen umbringen.
Wenn der Biologe das Sagen hätte, würde er ihn in Gewahrsam nehmen lassen, ihn untersuchen und vielleicht sogar ein Hormonpräparat erfinden, das dieser Mensch und andere mit gleichen Problemen nutzen könnten. Du siehst also für die Taten ist die Benennung der gleichen Sache äußerst wichtig. Ein Weltbild entscheidet über die Taten desjenigen.
ujmp hat geschrieben:Die Aussage, dass wir uns alle "menschlich" verhalten, ist nicht falsch, aber auch nicht besonders informativ. Eine Aussage dagegen, nach der sich manche Menschen so und manche Menschen anders verhalten ist informativer, weil sie die Menge des Gemeinten eingrenzt - eben "differenziert". Zu sagen "Ein Killer ist ganz normaler Mensch" ist wertlos oder eben falsch, wenn normal "durchschnittlich" bedeuten soll.

Ja, hier ging es aber nicht um "menschlich", sondern "egoistisch" oder "altruistisch". Das ist sehr informativ. In der Kriminologie müssen Motive und Denkschemata verstanden und erahnt werden, um eine Tat korrekt zu deuten oder vielleicht vorherzusagen. Ich habe auch nie von "durchschnittlich" gesprochen, sondern erstmal festgestellt, was NICHT die Ursache des Problems ist. Wenn eine falsche Ursache diagnostiziert wird, kann das schlimme Konsequenzen haben. Ein weiteres Beispiel: Geisteskrankheit könnte im Mittelalter als Besessenheit ausgelegt werden, in der Moderne als Geisteskrankheit. Im ersten Fall würde der Mensch raqsiert, gebranntmarkt und am Ende wohl getötet werden, im zweiten Fall therapiert und mit Medikamenten ausgestattet werden. Wie gesagt, die Bezeichnungen der vielleicht selben Sache sind entscheidend für den Umgang mit dieser.
ujmp hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ah, ein unerwarteter Fürsprecher. Ja, mir ist auch bewusst, dass nicht jede Motivation bewusst sein kann.


Ürigens: Ich spreche nie für oder gegen dich, sondern für oder gegen das, was du da gesagt hast.

ich habe dich auch nur als Fürsprecher bezeichnet, nicht als meinen Fürsprecher. Mich habe ich in den ersten Satz überhaupt nicht einbezogen.
Vollbreit hat geschrieben:Nicht unbedingt. Das Tier, was an den egoistischen Genen hängt, kann in seinem Verhalten sowohl egoistisch als auch altruistisch sein. Das ist die Konsequenz aus dem Konzept der selfish genes.

ich habe nur Lumens Sichtweise widergegeben. Abgesehen davon sehe ich das anders und ich habe auch nahegelegt, von Dawkins wegzukommen.
Vollbreit hat geschrieben:Er erkennt in diesem Fall klar, dass der Begriff „Egoismus“ einfach vollkommen ungeeignet ist, die ganze Palette des sozialen Verhaltens zu erklären, dass dann in sozialer Beschreibung mal Egoismus, mal Altruismus genannt wird.

Er ist absolut geeignet, weil er die Motivation preisgibt. Die Motivation ist für die Kooperation mit einem Gegenüber wichtig. Wenn ich also erkenne, dass ich das Gegenüber nur überzeugen kann, wenn es seinen eigenen Voprteil in einer Aktion erkennt, dann habe ich einen großen Nutzen aus dieser Erkenntnis.
Und ja, man sollte den Begriff Altruismus wirklich sein lassen und nur beim Egoismus bleiben.
Vollbreit hat geschrieben:Ihr behauptet, dass das, was in sozialer Beschreibung „altruistisch“ genannt wird, an seiner biologischen Wurzel egoistisch motiviert ist.
Dafür fehlt erstens, die Begründung. Warum sollte das so sein? Sagt es doch mal.

Das wird so sein, weil ein Individuum nur dann seine Gene, seine Eigenschaften weitergeben kann, wenn es eine für dieses Individuum nützliche Eigenschaft hat. Sich selbst nützen zu wollen IST eine nützliche Eigenschaft und wird somit vererbt. Das bedeutet, dass nur Egoisten fitt sind.
Vollbreit hat geschrieben:Zweitens: Warum soll es überhaupt nur einen Urtrieb geben, und nicht mehrere?

Es ist kein Urtrieb im eigentlichen Sinne. Die Urtriebe sind Fortpflanzung und Selbsterhaltung. Sie lassen sich nur zum Egoismus zusammenfassen, der kein wirklicher Urtrieb ist, sondern ein Modell, um die Motivation des Handelns zusammenzufassen.
Vollbreit hat geschrieben:Drittens: Ihr schmuggelt damit heimlich, biologischen Begründungen in soziale Kontexte ein:
Soziologisch würde man es altruistisch nennen, sagt ihr, aber im Kern ist es Egoismus.
Und damit behauptet ihr implizit eine Reihenfolge, bei der die biologische Sicht höherrangig ist, ebenfalls vollkommen unbegründet.

Das ist keineswegs unbegründet, die Soziologie ist keine echte Wissenschaft.
Vollbreit hat geschrieben:Die biologisierende Deutung ist leider momentan nervtötende Marotte, die ich in diesem Thread kritisiere.

Wenns dir Spaß macht. Richtig liegst du mit deiner Ablehnung dadurch natürlich nicht.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Nanna » So 22. Jul 2012, 19:54

Darth Nefarius hat geschrieben: die Soziologie ist keine echte Wissenschaft.

Erinnerst duch mich bitte daran, dir bei Gelegenheit einen ordentlichen Satz Wissenschaftstheorie um die Ohren zu hauen?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » So 22. Jul 2012, 20:13

Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: die Soziologie ist keine echte Wissenschaft.

Erinnerst duch mich bitte daran, dir bei Gelegenheit einen ordentlichen Satz Wissenschaftstheorie um die Ohren zu hauen?

:applaus:

Au ja, ich warte schon lange auf den Fred "Was ist Wissenschaft?"
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon mat-in » Mo 23. Jul 2012, 06:48

Nanna hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: die Soziologie ist keine echte Wissenschaft.

Erinnerst duch mich bitte daran, dir bei Gelegenheit einen ordentlichen Satz Wissenschaftstheorie um die Ohren zu hauen?

Der hat's gesagt! *Auf Richard Feynman zeigt* den zu erst hauen ;)
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 09:59

Es ist schon komisch, daß der Mensch sich immer mehr als Teil der Natur begreift, je mehr er sich ihr entzieht. Ich meine, der westliche Mensch ist heutzutage der Natur weitgehend entfremdet. Leben und Sterben von den Tieren, die wir essen, sieht man dem verpackten Fleischstück um Supermarkt nicht mehr an. Und in dieser totalen Entfremdung erzählen jetzt die Menschen aneinander, daß alles "biologisch" zu erklären sei, das alles Natur sei: Bücher, Würste, Lego, Vernunft, Gott, Tod und Teufel, Schach, Faust und Eiscreme. Ist das nicht spannend?

Es ist doch vielmehr so, daß ein Mensch nackt und hilflos und mit nichts in die Welt kommt und nackt und hilflos und mit nichts aus der Welt geht. Und zwischen Geburt und Tod haben wir alles von den Menschen um uns herum: Alles ist schon da, bevor wir auf die Welt kommen, und alles wird noch da sein, wenn wir von der Welt gehen. Alles ist schon da: was die Welt überhaupt sein soll, ihre Entstehung, ihre Kausalität, daß wir Menschen uns aus anderen Lebewesen entwickelt haben sollen, usw. all diese Geschichten hören wir von unseren Mitmenschen, die sie wiederum gehört haben, die sie wiederum ....
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Mo 23. Jul 2012, 10:27

laie hat geschrieben:Es ist schon komisch, daß der Mensch sich immer mehr als Teil der Natur begreift, je mehr er sich ihr entzieht. Ich meine, der westliche Mensch ist heutzutage der Natur weitgehend entfremdet. Leben und Sterben von den Tieren, die wir essen, sieht man dem verpackten Fleischstück um Supermarkt nicht mehr an. Und in dieser totalen Entfremdung erzählen jetzt die Menschen aneinander, daß alles "biologisch" zu erklären sei, das alles Natur sei: Bücher, Würste, Lego, Vernunft, Gott, Tod und Teufel, Schach, Faust und Eiscreme. Ist das nicht spannend?

Lego und Schach und Flugzeuge sind genau so Natur, wie Spinnennetzte, Vogelnester oder Maulwurfhügel.
laie hat geschrieben:Es ist doch vielmehr so, daß ein Mensch nackt und hilflos und mit nichts in die Welt kommt und nackt und hilflos und mit nichts aus der Welt geht.

Richtig - und in der Zwischenzeit sollte man es sich gutgehen lassen! ;-)

laie hat geschrieben:Alles ist schon da: was die Welt überhaupt sein soll

Nein, daran lässt sich was ändern! - das ist doch der Sinn deiner Rede, oder?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 11:18

ujmp hat geschrieben:Lego und Schach und Flugzeuge sind genau so Natur, wie Spinnennetzte, Vogelnester oder Maulwurfhügel.


"Lego und Schach und Flugzeuge sind genau so Natur, wie Spinnennetzte, Vogelnester oder Maulwurfhügel" ist zunächst einmal ein Satz. Diesen Satz hören wir von anderen. Wir sind nicht "die Natur" und die Natur spricht auch nicht zu uns. Unsere Eltern sprechen zu uns, unsere Lehrer, alle möglichen Personen, aber nicht die Natur. Unsere Naturerfahrung beschränkt sich für gewöhnlich auf unmittelbare Sinnesreize, etwa, wenn ich mir mit dem Hammer auf den Finger haue.

Da alles kulturell vermittelt wird, können wir zur unvermittelten Natur gar nicht vorstossen. "Das ist ein Maulwurfshügel" ist ja auch schon wieder ein kulturell gelernter Satz. Es ist ein bisschen Mode geworden, die Bedeutung kultureller Traditionszusammenhänge (ich sage bewußt nicht: der Gesellschaft, weil ich nicht nur die gegenwärtige Gesellschaft meine) für das Individuum herunterzuspielen. Am liebsten wäre es den sog. "Naturalisten" doch, wenn alles "angeboren" wäre bzw. genetisch bedingt wäre.

Die Frage, ob erworben oder angeboren, ist jedoch längst keine Frage des guten Geschmacks. Wir können es einfach nicht abschütteln, daß wir alles und jedes lernen, auch daß eigentlich alles angeboren ist. Nur, weil wir in der jeweiligen Tradition "mitschwimmen", sind wir das, was wir sind.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Mo 23. Jul 2012, 11:33

Hallo Laie,
für einen Nataturalisten ist jede Form und jeder Ausdruck des menschlichen Lebens ein Teil der Natur - inklusive deiner erkenntnistheoretischen Probleme und meinetwegen auch inklusive der Unfähigkeit, sich selbst als Teil der Natur zu begreifen. ;-)
Genau so, wie wir einem Maulwurf, der die Wiese umgräbt keinen Vorwurf machen, sollten wir uns selbst keinen Vorwurf machen, dass wir Flugzeuge bauen. Der Mensch zeichnet sich aber durch die Fähigkeit aus, dass er die Wirkungen seines Verhaltens vorhersehen kann und wird deshalb zunehmend umweltbewusster. Das ist eine Folge des wissenschaftlichen Fortschrittes und nicht etwa von religiöser Besinnung.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 12:03

ujmp hat geschrieben:für einen Nataturalisten ist jede Form und jeder Ausdruck des menschlichen Lebens ein Teil der Natur - inklusive deiner erkenntnistheoretischen Probleme und meinetwegen auch inklusive der Unfähigkeit, sich selbst als Teil der Natur zu begreifen.


woher weisst du das?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Nanna » Mo 23. Jul 2012, 12:07

Naja, da wir die Natur, also die raumzeitlich energetisch-materielle physische Umgebung, in der wir existieren (oder epistemologisch noch präziser, wenn du so willst: annehmen zu existieren), als einzigen existenten und damit einzigen für uns betretbaren und relevanten Bereich ansehen, muss alles Denkbare Teil dieser Umgebung, also der Natur sein. Unter Natur ist ja nicht der Bioacker vor der Stadt zu verstehen.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 23. Jul 2012, 12:19

Nanna hat geschrieben:Erinnerst duch mich bitte daran, dir bei Gelegenheit einen ordentlichen Satz Wissenschaftstheorie um die Ohren zu hauen?

Sorry, aber manche Sachen sind einfach zu bescheuert, um sich als Wissenschaft bezeichnen zu lassen. Theologie und Soziologie gehören für mich dazu. Es geht immer um dämliche, ideologisch eingefärbte Spekulationen.
Da würde ich Meteorologie noch eher als Wissenschaft bezeichnen.
ujmp hat geschrieben:Au ja, ich warte schon lange auf den Fred "Was ist Wissenschaft?"

mat-in hat geschrieben:Der hat's gesagt! *Auf Richard Feynman zeigt* den zu erst hauen ;)

:lachtot: :lachtot: :lachtot:
laie hat geschrieben:Und zwischen Geburt und Tod haben wir alles von den Menschen um uns herum: Alles ist schon da, bevor wir auf die Welt kommen, und alles wird noch da sein, wenn wir von der Welt gehen.

Nö, wir können unsere Umgebung verändern, einiges vernichten, anderes erschaffen. Und dann überlegen, wie sich die Welt geändert hat, als du gelebt hast.
laie hat geschrieben:Wir sind nicht "die Natur" und die Natur spricht auch nicht zu uns. Unsere Eltern sprechen zu uns, unsere Lehrer, alle möglichen Personen, aber nicht die Natur. Unsere Naturerfahrung beschränkt sich für gewöhnlich auf unmittelbare Sinnesreize, etwa, wenn ich mir mit dem Hammer auf den Finger haue.

Also, "die Natur" (wenn ihr schon über einen so sinnlosen Begriff reden wollt) kann schon mit dir sprechen: Deine Eltern gehören dazu, sie sind die Natur, sie sind Deutschland, du bist Deutschland (so ein blöder Werbespruch :selbstmord: :fart: :kotz: ) :applaus: .
laie hat geschrieben:Die Frage, ob erworben oder angeboren, ist jedoch längst keine Frage des guten Geschmacks. Wir können es einfach nicht abschütteln, daß wir alles und jedes lernen, auch daß eigentlich alles angeboren ist.

Doch, wir können und wir werden irgendwann. Die Macht der Gentechnologie ist groß.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 12:25

@nanna Ich weiss, dass nicht der Bioacker gemeint ist. Noch einmal: woher weisst du das?

Du sagst: "weil wir die Natur ... ansehen". Tut mir leid, ich sehe da nichts. Hast du vielleicht andere Augen? Ich denke nicht. Ich habe wohl gehört, daß man unter Natur dies und jenes verstehen kann, aber gesehen habe ich nichts. Und folglich muss für mich das Denkbare keineswegs Teil der Natur sein. Umgekehrt: die Natur ist Teil der Kultur. Was Natur ist, können wir gar nicht wissen, verstehen oder begreifen ausserhalb kultureller Traditionszusammenhänge.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 23. Jul 2012, 12:32

laie hat geschrieben:die Natur ist Teil der Kultur. Was Natur ist, können wir gar nicht wissen, verstehen oder begreifen ausserhalb kultureller Traditionszusammenhänge.

Das ist alles eine Definitionsfrage. Ich persönlich sehe es NICHT so wie du, aber ein willkürlicher, unnützer Begriff kann gerne anders gefasst werden. Und wir können durchaus diesen Begriff sinnvoll definieren, verstehen, begreifen. Auch außerhalb kultureller Zusammenhänge. Es ist viel logischer die Natur als "Umgebung" aufzufassen, genuin als auch als Derivat vorliegend, anstatt die abstrakte und unterschiedliche Kultur miteinzubeziehen.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 12:50

Was begreift denn der "nackte Mensch", der eben gerade "den Mutterschoß durchbrochen hat"?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Nanna » Mo 23. Jul 2012, 13:32

laie hat geschrieben:Du sagst: "weil wir die Natur ... ansehen". Tut mir leid, ich sehe da nichts. Hast du vielleicht andere Augen? Ich denke nicht. Ich habe wohl gehört, daß man unter Natur dies und jenes verstehen kann, aber gesehen habe ich nichts. Und folglich muss für mich das Denkbare keineswegs Teil der Natur sein. Umgekehrt: die Natur ist Teil der Kultur. Was Natur ist, können wir gar nicht wissen, verstehen oder begreifen ausserhalb kultureller Traditionszusammenhänge.

Kann es sein, dass du gerade in einer leicht solipsistischen Position gefangen bist?

Natürlich ist unser Bild der Natur kulturell vorgeprägt und natürlich betrachten wir die Natur durch bestimmte "Brillen". Letztlich geht es doch darum, welche Brille das plausibelste Bild erzeugt. Die Brille des Naturalismus ist da meines Erachtens relativ umfassend und kann auch die Sichtweisen anderer Brillen, z.B. der religiösen, gut verarbeiten, weil er gute Ansätze hat, zu erklären, wie die Perspektiven dieser Brillen zustande kommen. Wenn du statt des "Alles ist Natur" des Naturalismus ein "Alles ist Kultur" annimmst, dann tust du dich schon allein schwer, zu erklären, was die physische Realität ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Erinnerst duch mich bitte daran, dir bei Gelegenheit einen ordentlichen Satz Wissenschaftstheorie um die Ohren zu hauen?

Sorry, aber manche Sachen sind einfach zu bescheuert, um sich als Wissenschaft bezeichnen zu lassen. Theologie und Soziologie gehören für mich dazu. Es geht immer um dämliche, ideologisch eingefärbte Spekulationen.
Da würde ich Meteorologie noch eher als Wissenschaft bezeichnen.

Du offenbarst gerade, dass du keinen Schimmer davon hast, was Soziologen tun. ;-)
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 13:50

Nanna hat geschrieben:Kann es sein, dass du gerade in einer leicht solipsistischen Position gefangen bist?


Nein. Wäre ich das, würde ich ja gerade die Bedeutung der Kommunikation, des Wortes ("Am Anfang war das Wort") vernachlässigen und mich sozusagen in mich selbst einkapseln und mich so zum Maßstab machen.

Nanna hat geschrieben:Wenn du statt des "Alles ist Natur" des Naturalismus ein "Alles ist Kultur" annimmst, dann tust du dich schon allein schwer, zu erklären, was die physische Realität ist.


Die physische Realität (sieh an, zuerst haben wir von der "Natur" gesprochen, unter die alles angeblich subsummierbar war, nun sprechen wir nur noch über die "physische Realität", geht doch!) kann ruhig so beschrieben werden, wie sie beschrieben wird. Es geht darum, daß wir "ohne die anderen" gar keine Vorstellung von physischer Realität hätten.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Nanna » Mo 23. Jul 2012, 14:21

laie hat geschrieben:Es geht darum, daß wir "ohne die anderen" gar keine Vorstellung von physischer Realität hätten.

Ok, dem kann ich mich absolut anschließen, das läuft auf einen intersubjektiven Erkenntnisprozess hinaus.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 15:09

genau.

Aber noch viel entscheidender ist doch: wir müssen nicht so leben, wie wir nach "Meinung der Biologismen" leben sollten. Denn es ist nur eine Geschichte ...

Diese Geschichte wird neben anderen in einer Gesellschaft erzählt. Mir geht es nicht darum, daß alle Geschichten gleichwertig sind. Sondern dass alles, was der Mensch ist, bereits vor ihm da war und nach ihm immer noch da sein wird. Ohne die anderen sind wir nichts, und nicht nur, wenn es um einen Erkenntnisprozess geht. Auch und gerade dann nicht, wenn es um unsere eigentliche Existenz und Personalität selbst geht.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Nanna » Mo 23. Jul 2012, 15:20

Meinst du beispielsweise Sachen wie, dass wir die Wahl haben, altruistisch zu sein, auch wenn gewisse Biologismen uns erzählen, dass wir eigentlich egoistisch sind?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Mo 23. Jul 2012, 16:02

ja, ich denke schon. Natürlich darf man die Macht des jeweiligen Diskurses nicht unterschätzten. Gezeigt zu haben, daß auch die allernatürlichste, aussermenschliche, aussersubjektive Frage im Kern doch auch nur eine kulturelle Frage ist, die nur eine kulturelle Antwort hat, ist aber der erste Schritt zur Emanzipation.
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