Ist der freie Wille eine Illusion?

Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Freidenker1 » Mo 6. Aug 2012, 16:04

Ich habe mich der Meinung vieler Hirnforscher und Philosophen angeschlossen. Auch ich halte die Willensfreiheit für eine Illusion. Als Autor und Maler
habe ich diesem Thema eine extra Ausstellung in meiner neu gegründeten http://www.freidenker-galerie.de gewidmet. "Philosophie und Hirnforschung"
heißt die Ausstellung, wo ich neben vielen Zitate auch meine Bilder mit Sprüchen zeige. Insgesamt zeige ich mehr als 300 philosophische Bilder. Von Sokrates
bis Nietzsche, die Gedanken vieler Philosophen könnt ihr in der Online-Galerie entdecken.

Entschuldigt bitte meine Werbung, aber ich habe so viele Argumente gegen die Willensfreiheit, dass ich sie hier gar nicht alle aufzählen kann.
Ein Blick auf meine mit philosophischen Bilder wird euch viele Denkanstöße geben. Nun noch einmal die Frage an euch:

Ist der freie Wille eine Illusion???

"Die Idee eines freien menschlichen Willens ist mit wissenschaftlichen Überlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren. Wissenschaft geht davon aus, dass alles, was geschieht, seine Ursache hat, und dass man diese Ursache finden kann. Für mich ist unverständlich, dass jemand, der empirische Wissenschaft betreibt, glauben kann, dass freies, also nicht determiniertes Handeln denkbar ist."

Prof. Dr. Wolfgang Prinz
Psychologe, Hirnforschung Max-Planck-Institut, Leipzig
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 6. Aug 2012, 18:08

Freidenker1 hat geschrieben:Ist der freie Wille eine Illusion???

Kommt 1. darauf an, was man jeweils unter einem "freien Willen" versteht und 2. darauf, ob jemand etwas fälschlich meint/erfährt/wahrnimmt, was aber tatsächlich nicht der Fall ist, (dejenige würde dann einer Illusion unterliegen).

Die von Dir genannten "vielen Hirnforscher" verstehen unter "freiem Willen" oft ein Ding, das vollkommen unabhängig von der Welt und den Abläufen darin unsere Handlungen steuert, einfach so, aus dem Nichts, ein ganz und gar geheimnisvoller, unverständlicher, nicht darstellbarer metaphysischer Akteur, (nicht wir handeln demnach, sondern das "freier-Wille-Dingens"). Fragt sich bloß, wer sowas ernsthaft annimmt? Ich nicht.

Ein anderer "Trick" der Hirnforscher ist es, "uns" aus der materiellen Welt völlig herauszulösen, so als ob wir ein Geist wären, der unabhängig von der Materie existierte, so, als ob wir nicht unser Körper wären, sondern etwas ganz anderes, irgendwie eine Art "Seele". Oder, damit das nicht so offensichtlich wird, behaupten sie, "wir" seien unser Hier-und-Jetzt-Bewusstsein oder unser Arbeitsgedächtnis oder unser Selbstmodell. Fragt sich wieder, wer sowas ernsthaft annimmt? Ich wiederum nicht, ich bin - mal ganz grob gesagt - mein Körper inkl. der darin ablaufenden Prozesse.

Also: nein, so (das "absolut freie Willensding" der Hirnforscher) oder so ("freier Wille" bedeutet die Fähigkeit, begründete Entscheidungen treffen und danach handeln zu können, bzw. im Nachhinein geschehene Handlungen bewerten zu können) ist der freie Wille keine Illusion. (Ersteres glaubt so gut keiner, so gut wie keiner unterliegt also einer solchen Illusion, Zweiteres ist schwer abzustreiten, ist keine Täuschung, also auch keine Illusion.)

Zu dem Thema gibt es übrigens hier schon einige Threads. z.B.:

Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Willens- bzw. Handlungsfreiheit

Willensfreiheit bei Schmidt-Salomon
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 6. Aug 2012, 19:23

AgentProvocateur hat geschrieben:Die von Dir genannten "vielen Hirnforscher" verstehen unter "freiem Willen" oft ein Ding, das vollkommen unabhängig von der Welt und den Abläufen darin unsere Handlungen steuert, einfach so, aus dem Nichts, ein ganz und gar geheimnisvoller, unverständlicher, nicht darstellbarer metaphysischer Akteur, (nicht wir handeln demnach, sondern das "freier-Wille-Dingens"). Fragt sich bloß, wer sowas ernsthaft annimmt? Ich nicht.

Diese Forscher benutzen den Begriff "Freiheit" in dem Zusammenhang, wie er gebraucht werden will. Man kann nicht unabhängig von jeder Ursache sein. Abhängigkeit bedeutet Unfreiheit. Wozu den Begriff verwenden, wenn er nur eine unzureichende Bedeutung hat? Du wirst gewiss mit der Argumentation anfangen "Frei sein zu etwas", man könnte genauso sagen: "Determiniert sein zu etwas.", was sogar viel mehr Berechtigung in der Begründung hätte. Und deine letzte Frage ist nicht so lächerlich, wie du denkst oder uns weißmachen willst. Jeder, der auf eine Straße geht, meint so eine Freiheit. Für eine "Freiheit zum Toilettengang" geht niemand auf die Straße, sonder für "Eine Freiheit von Diktator xyz".
Den meisten ist nicht klar, dass nicht nur ein Diktator ein determinierender Faktor sein kann oder ist, deswegen glauben sie an Freiheit.
AgentProvocateur hat geschrieben:"freier Wille" bedeutet die Fähigkeit, begründete Entscheidungen treffen und danach handeln zu können, bzw. im Nachhinein geschehene Handlungen bewerten zu können

Eine pseudo-Kompromuss-Definition, um ein sinnloses Wort zu erhalten. Ich finde diese Definition ziemlich schlecht, sie hat nichts mit freiem Willen zu tun. Da hast du Phrasen verwendet, die in eigenen Themen diskutiert werden könnten. Triffst du deine Entscheidungen? Wer definiert "Begründung"? Und was bedeutet für dich Bewertung und inwiefern hat sie bitte etwas mit einem freien Willen zu tun? Bewertung bedeutet Analyse, Interpretation und das können primitive unter Vorgaben auch Maschinen auch. Verstehst du überhaupt wie Entscheidungen getroffen werden?? Such mal die Rolle der Großhinrrinde raus, das Ergebnis wird dich erstaunen und überlegen lassen, ob nicht das meiste schon feststeht, wenn ein gewisser Hormongradient erreicht ist. Alles Chemie.
Ach, übrigens dirskutieren wir auch "Illusionen" ganz allgemein in einem Thema, das ich eröffnet habe.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon xander1 » Mo 6. Aug 2012, 19:28

Ich glaube Diskussionen über den freien Willen haben wir schon unzählige hier im Forum und auch anderswo im Internet ist dieses Thema häufig diskutiert worden. Das wird wohl auch in Zukunft so bleiben.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 6. Aug 2012, 19:42

Darth Nefarius hat geschrieben:Jeder, der auf eine Straße geht, meint so eine Freiheit. Für eine "Freiheit zum Toilettengang" geht niemand auf die Straße, sonder für "Eine Freiheit von Diktator xyz".

Ja, aber er meint damit nicht: "unabhängig von allem". Denn das bedeutete logischerweise auch z.B. "unabhängig von Vernunft, guten Gründen, meinen Wünschen, Absichten, Überzeugungen, Zielen etc.".

Es ist einfach völlig witzlos, Freiheit in einen Gegensatz zu Determinismus zu stellen, solange man nicht zeigen kann, wieso und inwiefern Indeterminismus notwendige Bedingung für Freiheit sein könne/müsse.

Darth Nefarius hat geschrieben:Den meisten ist nicht klar, dass nicht nur ein Diktator ein determinierender Faktor sein kann oder ist, deswegen glauben sie an Freiheit.
AgentProvocateur hat geschrieben:"freier Wille" bedeutet die Fähigkeit, begründete Entscheidungen treffen und danach handeln zu können, bzw. im Nachhinein geschehene Handlungen bewerten zu können

Eine pseudo-Kompromuss-Definition, um ein sinnloses Wort zu erhalten. Ich finde diese Definition ziemlich schlecht, sie hat nichts mit freiem Willen zu tun.

Wie ist Deine Definition? "Freier Wille = unabhängig von allem"? Jemand, der Abhängigkeiten von fremder Beeinflussung auflösen/denen entgehen kann/denen weniger ausgesetzt ist, ist mE freier, als jemand, der noch in diesen Abhängigkeiten steckte; jemand aber, der Entscheidungen und Handlungen von allen Gegebenheiten, also auch von sich selber, unabhängig machte, wäre einfach nur verrückt - das würde nämlich logischerweise bedeuten, dass er völlig zufälllig/willkürlich/zusammenhanglos handelte.

Du darfst gerne meinen, dass das echte und einzige Freiheit wäre. Ist mir egal, ich glaube auch nicht, dass Du damit irgend jemanden überzeugen könntest, ich glaube noch nicht mal, dass Du das für Dich selber überzeugend findest, sprich: ich glaube nicht, dass so eine Freiheit jemand anders, inklusive Dir, anstrebt. Aber für Gegenbeispiele bin ich offen.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon ujmp » Mo 6. Aug 2012, 21:00

Freidenker1 hat geschrieben:
"Die Idee eines freien menschlichen Willens ist mit wissenschaftlichen Überlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren. Wissenschaft geht davon aus, dass alles, was geschieht, seine Ursache hat, und dass man diese Ursache finden kann. Für mich ist unverständlich, dass jemand, der empirische Wissenschaft betreibt, glauben kann, dass freies, also nicht determiniertes Handeln denkbar ist."

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Gesülze. Die Ursache ist dann halt der freie Wille.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 6. Aug 2012, 21:45

AgentProvocateur hat geschrieben:Ja, aber er meint damit nicht: "unabhängig von allem". Denn das bedeutete logischerweise auch z.B. "unabhängig von Vernunft, guten Gründen, meinen Wünschen, Absichten, Überzeugungen, Zielen etc.".

Natürlich nicht, aber der Verstand der meisten Menschen ist sehr fokussiert (um es schmeichelhaft auszudrücken). Wenn sie über ein Problem nachdenken, dass sie gerade besonders stört und sie meinen, dass es gelöst werden muss, haben sie nichts anderes im Sinn und rufen aber generell nach "Freiheit". Die Grundsätze jedes Staates, der sich als Demokratie bezeichnet, beinhalten auch Freiheit. Aber historisch gesehen müsste es bei den USA die "Freiheit von britischer Bevormundung" und bei Frankreich die "Freiheit von absolutistischer Monarchie" heißen. Dem ist aber nicht so. Sie betrachten sich beide als Hort der "wahren" Freiheit, konkretisieren sie nicht.
Diese Formulierungen sind idealisiert, Freiheit wird als etwas generell Positives betrachtet, weswegen absolute Freiheit als erstrebenswert gilt und bei einigen Radikalen (von denen ich glaube, dass auch hier welche vorhanden sind) die logische Konsequenz aus absoluter Freiheit nicht verstehen. Ich streite mit dir nicht über die Bedeutung von absoluter Freiheit, sondern über die Fähigkeit der Mehrheit diese zu verstehen. In diesem punkt bist du optimistischer als ich. Der zweite Punkt ist die Notwendigkeit dieses Begriffs, obwohl nur eine sehr subjektive halbwegs Berechtigung finden kann und somit das Wort hinfällig wird (zumal es immer idealisiert wird, sehr selten von Pragmatikern konkret auf etwas bezogen).
AgentProvocateur hat geschrieben:Es ist einfach völlig witzlos, Freiheit in einen Gegensatz zu Determinismus zu stellen, solange man nicht zeigen kann, wieso und inwiefern Indeterminismus notwendige Bedingung für Freiheit sein könne/müsse.

Das liegt doch auf der Hand: Determinismus bedeutet, dass alles kausal verknüpft ist und es weder für ein Quark noch für einen Willen einen Spielraum geben kann. Wenn der Wille nicht zwischen mindestens 2 Optionen wirklich entscheiden kann (und der Wollende das nicht nur glaubt), kann man nicht ernsthaft von freiem Willen reden. Freiheit bedeutet einen Spielraum zu haben, der Determinismus verneint einen solchen Spielraum.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie ist Deine Definition? "Freier Wille = unabhängig von allem"?

Nein, die Optionalität. Der Determinismus räumt diese nicht ein, konsequent verstandene Kausalität tut das nicht.
AgentProvocateur hat geschrieben:Jemand, der Abhängigkeiten von fremder Beeinflussung auflösen/denen entgehen kann/denen weniger ausgesetzt ist, ist mE freier, als jemand, der noch in diesen Abhängigkeiten steckte;

Und wie soll das bewerkstelligt werden? Ein bisschen weniger Kausalität??? :irre:
Ja, ich kenne Menschen, die es nicht begründen können, aber um ihres Verstandes Willen einfach nicht konsequent an Determiniertheit der Dinge glauben können.
AgentProvocateur hat geschrieben:jemand aber, der Entscheidungen und Handlungen von allen Gegebenheiten, also auch von sich selber, unabhängig machte, wäre einfach nur verrückt - das würde nämlich logischerweise bedeuten, dass er völlig zufälllig/willkürlich/zusammenhanglos handelte.

Er wäre nicht verrückt, es wäre einfach nicht möglich. Und "Willkür" ist ethymologisch betrachtet genau das, was du mit dem freien Willen anstrebst. In der Biologie bedeutet"willkürliche Kontraktion des Muskels" nicht Chaos, sondern definiert den Muskeltypus.
AgentProvocateur hat geschrieben:Du darfst gerne meinen, dass das echte und einzige Freiheit wäre.

Das tue ich auch. In anderen Zusammenhängen ist das Wort völlig fehl am Platz und demonstiert Begrenztheit der Wahrnehmung. Das bedeutet noch lange nicht, dass ich diesen Zustand anstrebe, genausowenig wie mein anspruchsvolles Verständnis von Moral dazu führt, dass ich ein Moralapostel werde. Für mich sind die Definitionen dieser Konzepte der Beleg für ihr Defizit: Sie sind Illusionen, nicht real, verschleiern Tatsachen.
AgentProvocateur hat geschrieben: Ist mir egal, ich glaube auch nicht, dass Du damit irgend jemanden überzeugen könntest, ich glaube noch nicht mal, dass Du das für Dich selber überzeugend findest, sprich: ich glaube nicht, dass so eine Freiheit jemand anders, inklusive Dir, anstrebt.

Warum sollte ich Freiheit so definieren und behaupten, dass ich sowas anstrebe? Wann habe ich das getan? Oder anders: Ich kann durchaus Freiheit so definieren, sie folglich für ein widersprüchliches und unrealistisches Konzept halten und sie somit nicht anstreben. Ich befinde mich damit nicht im Widerspruch, du allerdings schon, weil du offensichtlich nach Anspruch definierst und Worte gemäß deinen Wünschen auslegst, bis es passt und du aus idealistischen Tendenzen sagst:"Ja, ich mag Freiheit und strebe sie an." Meine Haltung ist anders: Ich definiere streng und überlege ziemlich neutral und ohne ideologische Präferenz, ob ich mit diesem Begriff etwas anfangen kann. Du allerdings hängst nur an einem Wort, die Bedeutung ist für dich variabel, bis du dich selbstbetrügen kannst und dein Wunsch durch einen logischen Spagat für dich gerechtfertigt ist.
ujmp hat geschrieben:Die Ursache ist dann halt der freie Wille.

Und as ist bitte dessen Ursache? Entweder meinst du, er hätte keinen, oder definierst wie AgentProvocateur Freiheit ziemlich lasch und inkonsequent. Ein Wille ist durch Motive determiniert, diese sind wiederum durch Triebe determiniert. Erfahrungen und kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen die Entscheidungen, aber der Wille ist durch diese Faktoren determiniert und damit alles andere als frei.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 6. Aug 2012, 22:21

Freiheit bedeutet meiner Ansicht nach Selbstbestimmung, die Fähigkeit dazu, Gegebenheiten reflektieren und gegebene Umstände für die eigenen Ziele nutzbar machen zu können.

Das Gegenteil von Freiheit ist Zwang, Fremdbestimmung. Aber das Gegenteil von Freiheit ist nicht Determinismus oder Kausalität und auch nicht das Vorhandensein von Umständen und/oder von Ursachen.

Wenn Leute von "Freiheit" reden, meinen sie das so wie ich, behaupte ich mal dreist.

Natürlich wäre es logisch möglich, dass jemand immer nur völlig zufällig, unbeeinflusst von allen Gegebenheiten, frei von Ursachen, (und somit "frei" in Deinem Sinne), handelte. Wieso sollte das auch logisch unmöglich sein? Nur glaubt keiner, dass er oder andere das tut/tun und zweitens strebt das auch niemand an. Das würde nämlich das Fehlen von Kontrolle über die eigenen Handlungen bedeuten und das sieht man gemeinhin nicht als Freiheit an, wenn jemand nicht aktiv und kontrolliert (d.h. determiniert/bestimmt von den eigenen Überlegungen, selbstbestimmt) handeln kann.
Zuletzt geändert von AgentProvocateur am Mo 6. Aug 2012, 23:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon ujmp » Mo 6. Aug 2012, 22:30

Darth Nefarius hat geschrieben:Und as ist bitte dessen Ursache? Entweder meinst du, er hätte keinen, oder definierst wie AgentProvocateur Freiheit ziemlich lasch und inkonsequent. Ein Wille ist durch Motive determiniert, diese sind wiederum durch Triebe determiniert. Erfahrungen und kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen die Entscheidungen, aber der Wille ist durch diese Faktoren determiniert und damit alles andere als frei.

Das nennt man "begging the question" oder "petitio principii". Du setzt einfach voraus, dass Wille determiniert sein muss. Es geht aber gerade darum, das zu belegen.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 7. Aug 2012, 00:16

AgentProvocateur hat geschrieben:Freiheit bedeutet meiner Ansicht nach Selbstbestimmung, die Fähigkeit dazu, Gegebenheiten reflektieren und gegebene Umstände für die eigenen Ziele nutzbar machen zu können.

Und genau diesen Umstand halte ich bei konsequenter Kausalität nicht für real. Wir drehen uns im Kreis. Reflexion ist da möglich, aber Selbstbestimmung nicht. Wie soll die bitte möglich sein wenn alles eine Ursache hat?
AgentProvocateur hat geschrieben:Das Gegenteil von Freiheit ist Zwang, Fremdbestimmung. Aber das Gegenteil von Freiheit ist nicht Determinismus oder Kausalität und auch nicht das Vorhandensein von Umständen und/oder von Ursachen.
Fremdbestimmung muss nicht auf eine Person bezogen sein. Ursachen können vielfältiger Natur sein, damit auch die Wirkungen auf uns. Somit kann auch ein Stein uns beeinflussen, determinieren in der Entscheidung, was wir zu Mittag essen, das bestimmt dann, welche Laune wir haben, usw.. Fremdbestimmung ist eine Wirkung einer Ursache, damit Kausalität auf uns bezogen. Wie willst du bitte erklären, dass Freiheit nicht das Gegenteil von Determinismus ist? Du ignorierst einfach die Konflikte und stellst behauptungen auf, während dir das Problem der Unvereinbarkeit zwischen "Freiheit von..." und "Determiniertheit zu..." nicht auffällt. Oder du unterschlägst diesen Umstand wissentlich.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Leute von "Freiheit" reden, meinen sie das so wie ich, behaupte ich mal dreist.
So, und ich behaupte ganz dreist das Gegenteil, bzw. das sowohl du als auch die Mehrheit logische Unvereinbarkeiten ignoriert. Es ist wwie der Gottelglaube, der zweckdienlich, nicht logisch ist. Deine Definition von Gott passt sich an, bis dein Verstand diesen Mist halbwegs schluckt. Die Ergebnisse sind sowas wie Deismus und Pantheismus.
In deinem Fall eine inkonsequente Definition von Moral. Und wach auf, die Menschen brauchen sich nicht so viel Mühe zu geben, um Mist zu glauben.
Natürlich wäre es logisch möglich, dass jemand immer nur völlig zufällig, unbeeinflusst von allen Gegebenheiten, frei von Ursachen, (und somit "frei" in Deinem Sinne), handelte.

Nein, wäre es nicht. Da gibt es nämlich schon einige Determinanten: Es gibt einen Entscheidungsträger. Seine mentale Beschaffenheit und die Situation, die ihn zum Handeln auffordert, sind bereits Faktoren, die die Handlung bestimmen (Man parkt rückwärts ein, wenn man im Auto sitzt). Somit ist allein Die Situation, dass jemand handelt eine kausale Verketzung von Umständen, die die Handlung selbst determiniert. Das muss dir doch klar sein!
AgentProvocateur hat geschrieben:Wieso sollte das auch logisch unmöglich sein?

Wie gesagt, wenn jemand zum Handeln veranlasst wird, ist die Veranlassung schon eine Determinante, eine Ursache. Die Handlung ist dann die Wirkung.
AgentProvocateur hat geschrieben:Nur glaubt keiner, dass er oder andere das tut/tun und zweitens strebt das auch niemand an.

Ja, weil Menschen gerne Widersprüche schlucken. Logisches Denken ist ein Privileg, mit Mehrheitsmeinungen kannst du nicht ernstzunehmend argumentieren. Die mehrheit der Welt ist religiös. Was sagt uns das entsprechend deinem Argumentationsstil?
AgentProvocateur hat geschrieben: Das würde nämlich das Fehlen von Kontrolle über die eigenen Handlungen bedeuten und das sieht man gemeinhin nicht als Freiheit an

Post hoc, ergo propter hoc. Du begründest die Existenz der Freiheit damit, dass das Fehlen von Kontrolle die Abwesenheit von Freiheit bedeuten müsste. Das stimmt auch, aber es ist kein Grund dass die Freiheit existieren soll.
AgentProvocateur hat geschrieben:..., wenn jemand nicht aktiv und kontrolliert (d.h. determiniert/bestimmt von den eigenen Überlegungen, selbstbestimmt) handeln kann.

Wie gesagt, du begründest es nicht. Du stellst nur fest, was diesbezüglich als Annahme stimmen würde, aber meinst selbstgefällig, dass nicht sein kann, was nicht sein darf (du sprichst es nur nicht aus).
ujmp hat geschrieben:Du setzt einfach voraus, dass Wille determiniert sein muss. Es geht aber gerade darum, das zu belegen.

Ich setze gar nicht voraus. Ich nehme es an, weil ich meinen Denkprozess kenne: Ich bin vor eine Entscheidung durch eine Situation gestellt (1.Determinante, weil ich dazu veranlasst werde, zu entscheiden). Dann ist die Situation spezifisch (2.Determinante: die Natur der Situation, die die Entscheidungsmöglichkeiten eingrenzt). Ich habe nur ein begrenztes Repertoir an Reaktionen (3. Determinante: Ich bin in meinem Wesen grundsätzlich eingeschränkt, das ist kein Vorraussetzen, ich denke, das muss ich nicht ausführen). Dann habe ich eine gewisse Erfahrung (4. Determinante), die meine Präferenz beeinflussen wird. Und ich habe meine Triebe und Motive, die die weitere Präferenz determinieren. Schließlich sind da noch hormonelle Gradienten, die nachweisbar unterschiedliches Verhalten und Entscheidungen generieren. Ich habe dir genug Dinge genannt, die selbst von Laien als beeinflussende Faktoren erkannt werden können.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 7. Aug 2012, 01:09

1. Du möchtest Dir ein Vanilleeis kaufen, Du kannst Dir ein Vanilleis kaufen, Du kaufst Dir ein Vanilleeis

2. Du möchtest Dir ein Vanilleeis kaufen, Du kannst Dir kein Vanilleeis kaufen (hast kein Geld oder es gibt keines)

3. Du möchtest kein Vanilleeis kaufen, jemand zwingt Dich mit vorgehaltener Pistole, ein Vanilleeis zu kaufen

Gibt es dann evtl. Unterschiede zwischen der Nr. 1 und den anderen beiden Fällen bezüglich Freiheit? Doch wohl unbestritten sehr wohl.

Selbstbestimmung ist, wenn man reflektieren kann und in Übereinstimmung mit seinen Überlegungen, Wünschen, Zielen etc. gewünschte Handlungen durchführen kann. Fremdbestimmung ist, wenn man das nicht kann, (entweder nicht hinreichend erkennen und reflektieren oder die gewünschte Handlung in einem bestimmten Falle nicht durchführen kann). Beides (sowohl Selbst- als auch Fremdbestimmung) hat zwar ("normalerweise") gleichermaßen Ursachen, ist aber dennoch nicht das Gleiche. Es gibt keine logische Unvereinbarkeit von Freiheit und Determinismus - zumindest hast Du die bisher noch nicht schlüssig dargestellt.

Zu dem "normalerweise" oben: jemand kann theoretisch (das ist logisch möglich) sehr wohl ohne Ursachen handeln, (obwohl man das wohl nicht "Handlung" nennen würde, sondern "Verhalten"). Stelle Dir einfach jemanden mit Tourette-Syndrom vor, der rein zufällig immerzu zuckt und Laute hervorbringt - ohne weitere Ursache/indeterminiert/akausal. Ich behaupte, dass niemand meinen würde, der sei frei. Wiewohl er aber in Deinem Sinne frei wäre, oder?

Ich begründe die Existenz der Freiheit keineswegs damit, dass ein Fehlen von Kontrolle die Abwesenheit von Freiheit bedeuten müsse, ich definiere Freiheit so, sehe hinreichende Kontrolle als notwendige Bedingung für Freiheit: ein vom Akteur unkontrollierbares Verhalten wird - im landläufigen Sinne von "Freiheit" - nicht als "frei", sondern als unfrei angesehen, wird nicht dem Akteur als eigene Handlung zugerechnet.

Du darfst dem gerne widersprechen - das ist ja bisher nur eine semantische Behauptung von mir - allerdings meine ich nicht, dass Du das plausibel tun kannst. Alternativ - und evtl. plausibler - könntest Du das aber akzeptieren und zusätzliche notwendige Bedingungen für Freiheit nennen, die hinzukommen müssen, damit man von Freiheit - im landläufigen Sinne - reden könne.

Der Fallstrick hier ist allerdings der, dass Du nicht einfach "Indeterminismus" oder "Akausalität" als zusätzliche Bedingungen nennen kannst, denn eine (völlig) indeterminierte oder gar (völlig) akausale Handlung wäre eben keine Handlung mehr, sondern lediglich ein Verhalten, (siehe mein Beispiel oben mit dem Menschen mit dem Tourette-Syndrom, das voraussetzungsgemäß indeterminiert bzw. akausal auftreten soll).

Vielleicht aber könntest Du plausibel erläutern, wie eine teilweise determinierte und teilweise indeterminierte/akausale Entscheidung/Handlung frei sein könne?

Anders gesagt: Kontrolle erfordert Abhängigkeit, (von mir, meinen Überlegungen, Meinungen, Ansichten, Intuitionen, meiner Persönlichkeit), Indeterminismus/Akausalität bedeutet Zufall, d.h. Unabhängigkeit, (von Allem, also auch von mir), d.h. Unkontrollierbarkeit. Hier gibt es also einen Widerspruch, den Du irgendwie auflösen müsstest, falls Du behaupten wollen würdest, dass sowohl Kontrolle als auch Indeterminismus/Akausalität notwendige Bedingungen für Freiheit seien.

Oder aber, Du zeigst irgendwie anders, dass Indeterminismus/Akausalität notwendige Bedingungen für den landläufig verwendeten Begriff "Freiheit" seien. Als reine Behauptung jedoch ist das per se mehr als unplausibel.

"Freiheit" per se so zu definieren, dass sie per se logisch unmöglich ist, ist einfach wenig plausibel. In dem Falle solltest Du Dich ernsthaft fragen, ob Du nicht hier einen Fehler machst (sprich: eine ungebräuchliche, von der der anderen abweichende Definition hast) und nicht einfach davon ausgehen, dass alle anderen einen Fehler machen.

Und übrigens halte ich Deinen Ansatz, die Bedeutung von Begriffen per Logik herleiten zu wollen, schon im Ansatz für völlig falsch. Die Bedeutung von Begriffen ergibt sich aus ihrem allgemeinen Gebrauch, es ist dabei völlig irrelevant, ob Du das persönlich logisch oder unlogisch findest.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 7. Aug 2012, 10:55

AgentProvocateur hat geschrieben:1. Du möchtest Dir ein Vanilleeis kaufen, Du kannst Dir ein Vanilleis kaufen, Du kaufst Dir ein Vanilleeis

2. Du möchtest Dir ein Vanilleeis kaufen, Du kannst Dir kein Vanilleeis kaufen (hast kein Geld oder es gibt keines)

3. Du möchtest kein Vanilleeis kaufen, jemand zwingt Dich mit vorgehaltener Pistole, ein Vanilleeis zu kaufen

Gibt es dann evtl. Unterschiede zwischen der Nr. 1 und den anderen beiden Fällen bezüglich Freiheit? Doch wohl unbestritten sehr wohl.

Nein, denn es sind nur unterschiedliche Determinanten, die die Handlung festlegen. Es spielt dabei keine Rolle, ob mangelndes Geld mich daran hindert, oder jemand mich dazu zwingt. Auch erster Fall ist determiniert, weil ich genung Geld habe, Hunger auf Eis und wohl eine visuelle Anregung erfahren habe, um auf die Idee zu kommen. Dann ist klar, welches Eis ich kaufen werde, weil ich nur einige weinige Lieblingssorten habe (Vanille gehört nicht dazu).
AgentProvocateur hat geschrieben:Selbstbestimmung ist, wenn man reflektieren kann und in Übereinstimmung mit seinen Überlegungen, Wünschen, Zielen etc. gewünschte Handlungen durchführen kann.

Du wiederholst dich, kannst du dir denn nicht die Mühe machen, auf meine Beiträge zu antworten? Ich habe schon gesagt, dass Reflexion möglich ist, aber nicht zum freien Willen beiträgt. Wünsche, Ziele sind für mich Determinanten, die die Handlung festlegen. Der Wille ist durch diese Elemente determiniert, sie sind selbst Ergebnis der Umwelt und die Wirkung von URsachen. Wenn ich z.Bsp. Unsterblichkeit erreichen will, liegt es daran, dass ich sterblich bin und es mir bewusst ist. Wenn ich mir ein EIs wünsche, dann liegt es daran, dass ich einen Zuckerschub brauche und Endorphine allein beim Gedanken an ein EIs ausgeschüttet werden, wodurch die Entscheidung für ein Eis "erleichtert" wird.
AgentProvocateur hat geschrieben:Fremdbestimmung ist, wenn man das nicht kann, (entweder nicht hinreichend erkennen und reflektieren oder die gewünschte Handlung in einem bestimmten Falle nicht durchführen kann).

Reflexion ist kein zwingendes Merkmal. das hast du einfaxch festgelegt. Das höre ich bei Deutsch öfter, weil so wohl gewolltes aber unreflektiertes Handeln gerechtfertogt werden soll. "Man hat ja nur Befehle befolgt",- nicht wahr? Falsch! Auch Befehle werden gewollt, wenn sie befolgt werden. Die elektrischen Impulse an die Muskeln, die die in der Hand sitzen, die abdrücken soll, kommen immer noch aus dem eigenen Gehirn.
Und Fremdbestimmung ist immer vorhanden, weil die Dinge, die du aufgezählt hast allesamt determiniert werden.
AgentProvocateur hat geschrieben:Beides (sowohl Selbst- als auch Fremdbestimmung) hat zwar ("normalerweise") gleichermaßen Ursachen, ist aber dennoch nicht das Gleiche.

Nur in der Art der Unfreiheit gibt es Unterschiede, aber nach der Chaostheorie gleicht sich keine Situation. Warum also für zwei Sorten Unfreiheit 2 Extrabegriffe erhalten?
AgentProvocateur hat geschrieben: Es gibt keine logische Unvereinbarkeit von Freiheit und Determinismus - zumindest hast Du die bisher noch nicht schlüssig dargestellt.

Doch natürlich, du behauptest nur, es sei unlogisch, während du offensichtlich nicht verstanden hast, was ich geschrieben habe und dich deswegen wiederholst. Zitier doch genau die Stelle, die nicht schlüssig ist, ich habe keine Lust mich zu wiederholen. Dann kann ich dir nochmal erklären, was damit gemeint ist. Ich finde, dass es absolut logisch ist, dass eine Determinante etwas festlegt (das sagt schon das Wort an sich). Das bedeutet, die Optionen werden eingschränkt, das bedeutet, dass die Freiheit/die Auswahl proportional zur Zunahme an Determinanten abnimmt. In unserem Universum hat alles mindestens eine Ursache, die Wirkungen sind durch die Ursache festgelegt. Die Handlung ist eine Wirkung aus durch die Umwelt geformte Motive und Triebe. Es gibt da keinen Spielraum. Das ist logsich.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu dem "normalerweise" oben: jemand kann theoretisch (das ist logisch möglich) sehr wohl ohne Ursachen handeln, (obwohl man das wohl nicht "Handlung" nennen würde, sondern "Verhalten").

Du wiederholst dich. Sag mal, kommt es öfter vor, dass dein Kopf in einer Logikschleife feststeckt? Nicht böse gemeint, es fällt nur auf und wir lästig, wenn ich gleich das ganze zum dritten mal lesen muss. Nun zu deinem Beispiel:
AgentProvocateur hat geschrieben:Stelle Dir einfach jemanden mit Tourette-Syndrom vor, der rein zufällig immerzu zuckt und Laute hervorbringt - ohne weitere Ursache/indeterminiert/akausal. Ich behaupte, dass niemand meinen würde, der sei frei. Wiewohl er aber in Deinem Sinne frei wäre, oder?

Nein, die Ursachen werden erforscht und sind teilweise bekannt. Deswegen gibt es Hirnschrittmacher und Psychopharmaka, die das unterbinden und kontrollieren können. Abgesehen davon sind die Laute nicht zufällig, die oft derbe Sprache fällt uns nur als derb auf, weil die Worte, die oft produziert werden, uns bekannt und nicht erfunden sind. Wenn es also die Sorte Tourette ist, die einen obszön reden lassen wird, wird ein deutscher Betroffener auf deutsch obszön reden, ein Franzose auf französisch.
Damit ist auch jemand mit Tourette nicht frei, weil ihn andere Determinanten beeinflussen, wie fehlerhafte Verschaltungen und falsche Dosen an bstimmten Neurotransmittern.
AgentProvocateur hat geschrieben:Ich begründe die Existenz der Freiheit keineswegs damit, dass ein Fehlen von Kontrolle die Abwesenheit von Freiheit bedeuten müsse, ich definiere Freiheit so, sehe hinreichende Kontrolle als notwendige Bedingung für Freiheit:

Kontrolle ist eine Illusion, das versuche ich dir die ganze Zeit zu erklären. Du ignorierst einfach verschiedenste Determinanten, die unsere Wahl festlegen. Wir können nur verstehen, was wir tun, es nicht kontrollieren.
AgentProvocateur hat geschrieben: ein vom Akteur unkontrollierbares Verhalten wird - im landläufigen Sinne von "Freiheit" - nicht als "frei", sondern als unfrei angesehen, wird nicht dem Akteur als eigene Handlung zugerechnet.

Richtig, wir haben nur nie die Kontrolle über unser Verhalten.
AgentProvocateur hat geschrieben:Du darfst dem gerne widersprechen - das ist ja bisher nur eine semantische Behauptung von mir - allerdings meine ich nicht, dass Du das plausibel tun kannst.

Dein Glaube kann erschüttert werden. Bei all deinen Beispielen hast du nur gewisse Determinanten ignoriert.
AgentProvocateur hat geschrieben: Kontrolle erfordert Abhängigkeit, (von mir, meinen Überlegungen, Meinungen, Ansichten, Intuitionen, meiner Persönlichkeit),

Kontrolle widerspricht der Abhängigkeit, sie existiert nicht. Du drehst dich im Kreis, wenn du Willensfreiheit mit Kontrolle (also Willensfreiheit) erklärst, ein Zirkelschluss.
AgentProvocateur hat geschrieben:Oder aber, Du zeigst irgendwie anders, dass Indeterminismus/Akausalität notwendige Bedingungen für den landläufig verwendeten Begriff "Freiheit" seien. Als reine Behauptung jedoch ist das per se mehr als unplausibel.

Wir reden ja von Freiheit, deswegen ist meine Definition nicht faslch und auch sehr plausibel. Wenn ich also absolute freiheit definieren will, gehört auch Freiheit vom eigenen Willen dazu. Das bedeutet zwangsläufig ein ähnlicher Zustand wie bei Tourette (wie ich aber weiss, ist Tourette durchaus determiniert, weil es Ursachen gibt, die man teilweise kennt). Ich werde auch nicht anfangen inkonsequent wie du zu werden und eine Prise Determinismus und einen kleinen Schuss Indeterminismus wo es mir gerade passt hinpfeffern. Du nimmst völlig selbstüberschätzend an, dass ich nur eine Bandbreite an Möglichkeiten zur Reaktion habe, aber deine Behauptungen reichen nicht aus, um mich zu überzeugen. Deine Selbstsicherheit ist aber irgendwie drollig, du scheinst andere Diskusionene, in die ich verwickelt war, nicht zu kennen.
AgentProvocateur hat geschrieben:"Freiheit" per se so zu definieren, dass sie per se logisch unmöglich ist, ist einfach wenig plausibel.

Nein, die Freiheit wird dadruch als Wort nur nicht mehr praktisch anwendbar. Das hat nichts mit Plausibilität zu tun, sondern mit deinem Wunsch, dich selbst zu betrügen und dir dieses Wort zu erhalten. Deswegen biegst du es dir zurecht. Das habe ich auch schon festgestellt, du hast das igoriert. Dieser Begriff ist einfach nicht notwendig, weil er konsequent definiert nicht möglich ist. Wenn er inkonsequent definiert wird, werden einfach kausale Zusammenhänge ignoriert und ihr Einfluss auch.
AgentProvocateur hat geschrieben: In dem Falle solltest Du Dich ernsthaft fragen, ob Du nicht hier einen Fehler machst (sprich: eine ungebräuchliche, von der der anderen abweichende Definition hast) und nicht einfach davon ausgehen, dass alle anderen einen Fehler machen.

Wieder das gleiche Argument. Dazu habe ich auch geschrieben, dass ich keinen Fehler mache, wenn ich eine von der Mehrheit abweichende Definition besitze. Es ist kein Fehler überdurchschnittlich zu sein, genausowenig wie unterdurchschnittlich. Ein Nobelpreis wird nicht der Mehrheit verliehen, die einen Sachverhalt hinnimmt und erkannt hat, sondern immer nur wenigen, weil ihre Definitionen und Ergebnisse schlüssig sind (wenn auch nur für wenige). In der Minderheit zu sein bedeutet nicht unrecht zu haben.
AgentProvocateur hat geschrieben:Und übrigens halte ich Deinen Ansatz, die Bedeutung von Begriffen per Logik herleiten zu wollen, schon im Ansatz für völlig falsch.

Sehr schön, und ich halte deinen für völlig falsch, weil du die Dummheit der Masse versuchst logisch zu rechtfertigen. Man kann eine große Masse leicht zum Narren halten, die Religionen sind ein gutes Beispiel dafür.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Vollbreit » Di 7. Aug 2012, 12:29

@ AgentProvocateur:

Ich hatte schon mal in einem der anderen Threads über Willensfreiheit versucht ein Szenario zu entwerfen, das dem Kompatibilismus m.E. ein Stück weit zuwider läuft.
Du hattest damals auf meine Ausführungen nicht reagiert, doch ich finde keinen grivben Fehler in ihnen, so dass ich es noch mal versuche.

Du hast – dankenswerterweise und als einer der Ausnahmen – Deine Vorstellungen von Freiheit definiert:
AgentProvocateur hat geschrieben:Freiheit bedeutet meiner Ansicht nach Selbstbestimmung, die Fähigkeit dazu, Gegebenheiten reflektieren und gegebene Umstände für die eigenen Ziele nutzbar machen zu können.


Auch den darin enthaltenen Begriff der Selbstbestimmung hast Du definiert:
AgentProvocateur hat geschrieben:Selbstbestimmung ist, wenn man reflektieren kann und in Übereinstimmung mit seinen Überlegungen, Wünschen, Zielen etc. gewünschte Handlungen durchführen kann. Fremdbestimmung ist, wenn man das nicht kann, (entweder nicht hinreichend erkennen und reflektieren oder die gewünschte Handlung in einem bestimmten Falle nicht durchführen kann). Beides (sowohl Selbst- als auch Fremdbestimmung) hat zwar ("normalerweise") gleichermaßen Ursachen, ist aber dennoch nicht das Gleiche. Es gibt keine logische Unvereinbarkeit von Freiheit und Determinismus - zumindest hast Du die bisher noch nicht schlüssig dargestellt.


Mein Beispiel drehte sich um jemanden, der vermutlich fremdbestimmt ist, obwohl mir nicht ganz klar ist, inwieweit man hier von Fremdbestimmung reden kann, bzw. wo die Grenze liegt oder die Grauzone.

Ein Mann bekommt aus irgendwelchen Gründen die Werbeschrift einer Sekte in die Hand, liest diese und gewinnt die Überzeugung, was da geschrieben stünde, sei gar nicht so schlecht. Er wird nicht gedrängt, nicht überredet und entscheidet aus freien Stücken. Demnach wäre er frei.
Er geht zu einer Veranstaltung der Sekte, trifft auf nette Menschen, die ihn wie einen verloren Sohn begrüßen und er fühlt sich wohl und angenommen.
Im Folgenden reduziert er die Kontakte zu seinen gewohnten Beziehungen und investiert Zeit, Geld und Energie in die neue Gemeinschaft der Sekte.

Normalerweise ist „in einer Sekte sein“ ein Klassiker der Unfreiheit.
In dem von mir beschriebenen Szenario, ist aber – so weit ich es erkennen kann – kein einziger Schritt unfreiwillig oder unter Zwang geschehen.

Man könnte nun sagen, der Mensch sei – gemäß Deiner Definition von Fremdbestimmung – insofern fremdbestimmt, da er wohl nicht hinreichend in der Lage sei zu reflektieren, andernfalls müsste er die Strategien der Sekte durchschauen können.
Doch diese Argumentation ist erst einmal eine petitio principii.

Man könnte sagen, dass die Mehrheit der Sprachgemeinschaft eine Sektenmitgliedschaft als unfrei einstufen würde und das der Mann vielleicht einfach etwas schlicht ist, oder gerade in einer emotionalen Notlage oder es sonstige Gründe gäbe.

Aber, selbst wenn kürzlich seine Frau gestorben ist und er zu wenig soziale Kontakte hat, was berechtigt uns dazu ihm die Freiwilligkeit seiner Entscheidung abzusprechen?

Und was sind die Kriterien, die wir anlegen dürfen bezüglich einer hinreichenden Fähigkeit zur Reflexion. Wenn Forschungen davon ausgehen, dass 80% der Bevölkerung in diesem Lande höchstens zu konventioneller Moral fähig sind –
Karl-Otto Apel hat geschrieben:"„Am Letztbegründungsanspruch der Ethik brauchen wir auch nicht mit Rücksicht auf deren präsumptive Relevanz für die Lebenswelt festzuhalten. Die moralischen Alltagssituationen bedürfen der Aufklärung der Philosophen nicht. In diesem Falle scheint mir ein therapeutisches Selbstverständnis der Philosophie, wie es von Wittgenstein inauguriert worden ist, ausnahmsweise am Platz zu sein. Die philosophische Ethik hat eine aufklärende Funktion allenfalls gegenüber den Verwirrungen, die sie im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat – also nur insoweit wie der Werteskeptizismus und der Rechtspositivismus sich als Professionsideologien festgesetzt haben und über das Bildungssystem ins Alltagsbewusstsein eingedrungen sind. Beide haben die im Sozialisationsprozess naturwüchsig erworbenen Intuitionen mit falschen Deutungen neurtralisiert; unter extremen Umständen können sie dazu beitragen, die von Bildungsskeptizismus erfassten Akademikerschichten moralisch zu entwaffnen." (Habermas)

An dieser Passage, die außer mir auch viele andere Habermaskenner schockiert bzw. ratlos gemacht hat, möchte ich nicht etwa die These kritisieren, dass die Philosophie durch die angegebenen Positionen ... Verwirrungen im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat. Diese Tatsache, die in der Tat seit der philosophischen Aufklärung zu beobachten ist, lässt sich m.E. relativ leicht als Verwirrung des postkonventionellen Denkens auf der Kohlbergschen Krisenstufe 4 ½ (des noch nicht bewältigten Übergangs von der konventionellen zu einer rational begründeten postkonventionellen Moral) verständlich machen – und dies ganz auf der Linie von Habermas selbst im Sinne der „rekonstruktiven Wissenschaft“ (also der Kritischen Theorie) rezipierten und tentativ auf die Phylogenese angewandten Entwicklungslogik im Sinne von Piaget und Kohlberg. Wie aber soll gerade mit diesem rekonstruktiven Verständnis die Vorstellung zu vereinbaren sein, die „unbefangene substanzielle Sittlichkeit“ (Hegel) der Lebenswelt vor der philosophischen Aufklärung – also im Sinne Kohlbergs: die konventionelle Binnenmoral der Stufen 3 und 4 (grob gesprochen: die der Stammesgesellschaften und der frühen staatlich organisierten Gesellschaften) - sei gewissermaßen eine moralisch problemlose heile Welt gewesen; oder, in aktueller Version: die nach Kohlberg heute noch für ca. 80% der westlichen Industriegesellschaft maßgebende Orientierung an der konventionellen Moral repräsentiere die Basis der „moralischen Alltagssituationen“, die der philosophischen Aufklärung (nach Kohlberg also: der universalistischen Orientierungen im Sinn der utilitaristisch begründeten Vertragstheorie und, darüber hinausgehend, das Prinzip der „vollständig reversiblen Reziprozität des role taking“ bzw, der Gerechtigkeit als Fairness) prinzipiell nicht bedürften. Hat denn nicht die philosophische Aufklärung ... die Metainstitution des argumentativen Diskurses überhaupt erst geschaffen, ohne die doch eine radikale oder rationale Einlösung oder Verwerfung von Geltungsansprüchen jenseits aller offenen und verdeckten Gewaltlösungen (also auch jenseits von Ritualen und Verhandlungen) gar nicht als möglich gedacht werden kann? Und hat nicht andererseits die Infragestellung, ja Ridikülisierung universalisitisch-humanitärer Rechts- und Moralvorstellungen im Nationalsozialismus (z.B. die Parole „Recht ist, was dem Volke nutzt“) mir großem Erfolg an die vorphilosophischen, also konventionelle Solidaritätsgefühle einer völkischen Binnenmoral appellieren können?“
(K.-O. Apel, Auseinandersetzungen, Suhrkamp 1998, S. 661f)

– inwieweit dürfen wir von Freiwilligkeit reden, wenn sich jemand piercen lässt oder sonstigen konventionellen (An)Geboten folgt?

Wenn es im Einklang mit dem steht, zu dem er, nach bestem Wissen und Gewissen „ja“ sagt, müssen wir im Sinne des Kompatibilismus von Freiheit reden.
Im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise dürfen wir aber skeptisch sein.

Siehst Du mein Problem, ist es für Dich auch eines und wie würdest Du es auflösen?
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 7. Aug 2012, 14:25

Vollbreit hat geschrieben:Wenn es im Einklang mit dem steht, zu dem er, nach bestem Wissen und Gewissen „ja“ sagt, müssen wir im Sinne des Kompatibilismus von Freiheit reden.
Im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise dürfen wir aber skeptisch sein.

Warum sollte man die kompatibilistische Postion einnehmen? Sie ist ziemlich inkonsequent und fehlerhaft. Zuetwas "Ja" sagen kann man immer ich kann jemanen dazu bringen, "Ja" zu sagen, ob nun direkt oder indirekt. Beides wäre fremdbestimmt, dennoch könnte er im Nachhinein sinnieren, reflektieren, dass es auch in Ordnung war und er es so wollte. Das war ja ein Kriterium für A.P. das als freien Willen zu bezeichnen, ich erkenne keinen kausalen Zusammenhang zwischen Reflexion und freiem Willen.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Vollbreit » Di 7. Aug 2012, 14:43

Darth Nefarius hat geschrieben:Warum sollte man die kompatibilistische Postion einnehmen?


Weil sie frei von Widersprüchen ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Sie ist ziemlich inkonsequent und fehlerhaft. Zuetwas "Ja" sagen kann man immer ich kann jemanen dazu bringen, "Ja" zu sagen, ob nun direkt oder indirekt. Beides wäre fremdbestimmt, dennoch könnte er im Nachhinein sinnieren, reflektieren, dass es auch in Ordnung war und er es so wollte.


Warum wäre das fremdbestimmt?
Wenn mich jemand zum Abendessen einlädt, würde ich ja sagen, aber ich hätte nicht den Eindruck fremdbestimmt zu sein.
Wenn mich jemand mit der Knarre in der Hand dazu bringt, etwas zu tun, was ich sonst nicht tun würde, wäre das im Sinne des Kompatbilismus Zwang und würde nicht unter Selbstbestimmung und Willensfreiheit fallen. Darin ist kein Widerspruch.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das war ja ein Kriterium für A.P. das als freien Willen zu bezeichnen, ich erkenne keinen kausalen Zusammenhang zwischen Reflexion und freiem Willen.


Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man von freiem Willen ohne ein gewisses Mindestmaß an Reflexion sprechen kann.

Um davon zu sprechen, dass man etwas will, muss man sich ja zunächst einmal dessen bewusst werden. Auch wenn dieses Wollen einem natürlichen Bedürfnis folgt (also durch dieses determiniert ist), habe ich immer noch die Möglichkeit mir darüber klar zu werden, ob ich das will, oder ob ich das nicht will.
Ich kann Hunger spüren und damit einverstanden sein. Ich kann schon wieder zur Toilette müssen und das kann mir auf die Nerven gehen, dennoch kann ich evtl. nichts dagegen machen.
Ebenso ist es mit sozialen Anregungen. Jemand kann mich zum Essen einladen und ich finde das ganz prima, jemand kann mich zum Umzug einladen und meine Begeisterung hält sich in Grenzen.

Ob ich das aber will – im Sinne von: Ich bin einverstanden damit –, was mir durch meine Natur und mein kulturelles Umfeld gerade angeboten wird, darüber kann ich frei entscheiden.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 7. Aug 2012, 15:07

@Darth Nefarius

Ich fasse Deine Aussagen mal ein bisschen zusammen:

1. Freiheit = Unabhängigkeit von jeder Ursache
2. Unfreiheit = Abhängigkeit
3. Freiheit bedeute Optionalität bzw. Spielraum zu haben
4. Selbstbestimmung sei nicht möglich, wenn alles eine Ursache habe
5. eine Handlung, die durch Determinanten festgelegt werde, könne nicht frei sein
6. Kontrolle sei eine Illusion (wir haben nie die Kontrolle über unser Verhalten)
7. Du habest eine vom Alltagsverständnis abweichende Definition von "Freiheit"
8. was die Leute gemeinhin unter "Freiheit" verstehen, sei falsch und dumm

Zu den Punkten 1 bis 4 folgte, dass der von mir skizzierte Mensch mit dem Tourette-Syndrom nach Deinem Verständnis frei wäre, (vorausgesetzt, es gäbe keine Ursachen für sein Verhalten, seine Äußerungen - die entünden indeterminiert/akausal), bzw. aber zumindest, wenn dieser nicht nach Deinem Verständnis frei wäre, müsste noch mindestens eine notwendige Bedingung für Freiheit zu der Unabhängigkeit von Ursachen hinzu kommen müsste. Was wäre das? Bitte mal beispielhaft skizzieren, wie Freiheit in Deinem Sinne vorstellbar (logisch möglich) wäre.

Zu 5.: bitte mal erklären, was Du unter "Kontrolle" verstehst, bitte mal Kontrolle in Deinem Sinne positiv beispielhaft skizzieren.

Zu 7 und 8: die Bedeutung von Begriffen wird durch ihren Gebrauch festgelegt, nicht durch Logik. Daher ist es hier durchaus wichtig, das Alltagsverständnis des behandelten Begriffes zu treffen.

Das gilt auch in Bezug auf die Ausgangsfrage: "Ist der freie Wille eine Illusion?" Auch hierbei muss eruiert werden, was die Leute unter einem freien Willen verstehen, und, falls man von einer Illusion reden will, gesagt werden, was die Leute fälschlich glauben, also welcher Illusion sie unterliegen. Dazu reicht es nicht, einfach schnell mal ein paar Behauptungen aufzustellen, ("echte Freiheit bedeutet Unabhängigkeit von allen Ursachen", "die Leute meinen, sie seien in dem Sinne echt frei"), diese müssten belegt, plausibel gemacht werden.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 7. Aug 2012, 15:31

Vollbreit hat geschrieben:Man könnte sagen, dass die Mehrheit der Sprachgemeinschaft eine Sektenmitgliedschaft als unfrei einstufen würde und das der Mann vielleicht einfach etwas schlicht ist, oder gerade in einer emotionalen Notlage oder es sonstige Gründe gäbe.

Aber, selbst wenn kürzlich seine Frau gestorben ist und er zu wenig soziale Kontakte hat, was berechtigt uns dazu ihm die Freiwilligkeit seiner Entscheidung abzusprechen?

Nichts.

Wie kommst Du darauf, dass ein Sektenmitglied als unfrei, (bzw. als unfreier als Nicht-Sektenmitglieder), eingestuft würden? Das finde ich erst mal überraschend. Was anderes wäre natürlich, wenn das Sektenmitglied die Sekte verlassen wollen würde und dann massivem Zwang anderer Sektenmitglieder ausgesetzt würde.

Vollbreit hat geschrieben:– inwieweit dürfen wir von Freiwilligkeit reden, wenn sich jemand piercen lässt oder sonstigen konventionellen (An)Geboten folgt?

Wenn es im Einklang mit dem steht, zu dem er, nach bestem Wissen und Gewissen „ja“ sagt, müssen wir im Sinne des Kompatibilismus von Freiheit reden.
Im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise dürfen wir aber skeptisch sein.

Siehst Du mein Problem, ist es für Dich auch eines und wie würdest Du es auflösen?

Hm, auch Dein Beispiel mit dem Piercen finde ich nicht so gut - das ist ja normalerweise eine individuelle Entscheidung. Wieso sollte man da "im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise" skeptisch sein, ob die freiwillig erfolgte?

Hm, sehe ich Dein Problem? Nun ja, es gibt hier mE zwei unterschiedliche Probleme:

1. Völlige Freiheit kann nicht erreicht werden. Sagen wir mal, ich möchte A und B, was aber nicht gleichzeitig möglich ist. Beispiel: ich möchte die Sekte verlassen, ich möchte aber auch gute Kontakte zu den anderen Sektenmitgliedern beibehalten. Da das nicht beides gleichermaßen geht, muss ich mich für eines entscheiden und die Nicht-Erfüllung des Anderen in Kauf nehmen.

2. Was sind die Kriterien für hinreichende Reflexionsfähigkeit? Hm, eine Grenze ist schwer anzugeben, aber beispielhaft geht das durchaus. Sagen wir mal, ich will ein gebrauchtes Auto kaufen, der Verkäufer verschweigt mir aber arglistig einen Mangel. Ich kaufe das Auto, hätte es aber nicht gekauft, wenn ich von dem Mangel gewusst hätte. Wie man an dem Beispiel vielleicht schon sieht, geht mE es dabei meist nicht um fehlende Reflexionsfähigkeit, sondern mehr um fehlendes Wissen um die Umstände, Determinanten. Ich denke, dass ein durchschnittlicher Erwachsener hinreichende Reflexionsfähigkeit hat, um seine Ziele verfolgen zu können.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 7. Aug 2012, 18:23

Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Warum sollte man die kompatibilistische Postion einnehmen?


Weil sie frei von Widersprüchen ist.

In diesem Fall mit dieser Beschreibung von Freiheit nicht.
Vollbreit hat geschrieben:Warum wäre das fremdbestimmt?
Wenn mich jemand zum Abendessen einlädt, würde ich ja sagen, aber ich hätte nicht den Eindruck fremdbestimmt zu sein.

Das sage ich doch, der Eindruck kann durchaus abweichen, aber er ist nicht entscheidend, wenn jemand dich genau dazu bringen will. Soetwas nennt man Verführung, das kleine 1 mal 1 zur Manipulation. Das wichtigste ist, dass das Ziel nicht merkt, dass es manipuliert wird. Aber der subjektive Eindruck entscheidet nicht, was Tatsache ist und was nicht. Du kannst nicht den Eindruck haben, dass es einen Gott gibt und deswegen gibt es einen. So läuft das nicht.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn mich jemand mit der Knarre in der Hand dazu bringt, etwas zu tun, was ich sonst nicht tun würde, wäre das im Sinne des Kompatbilismus Zwang und würde nicht unter Selbstbestimmung und Willensfreiheit fallen. Darin ist kein Widerspruch.

Nein, aber ich habe auch nicht bestritten, dass das Fremdbestimmung ist, sondern das was du zuerst beschrieben hast, Freiheit ist.
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man von freiem Willen ohne ein gewisses Mindestmaß an Reflexion sprechen kann.

Man kann umgekehrt von Reflexion ohne freien Willen sprechen. Wenn das der Fall ist, besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden. Man kann ja durchaus bei deinem Beispiel mit der Pistole nicht entscheiden, aber durchaus überlegen, wie es dazu kommen konnte, wie man rauskommen könnte, oder dass man keine Wahl hat. Auch im Nachhinein ist das möglich (sofern das überlebt wird).
Vollbreit hat geschrieben:Um davon zu sprechen, dass man etwas will, muss man sich ja zunächst einmal dessen bewusst werden. Auch wenn dieses Wollen einem natürlichen Bedürfnis folgt (also durch dieses determiniert ist), habe ich immer noch die Möglichkeit mir darüber klar zu werden, ob ich das will, oder ob ich das nicht will.

Du begehst einen Zirkelschluss. Du willst deinen triebgesteuerten, determinierten Willen mit Willenskraft kontrollieren. Mal angenommen, du hättest 2 Arten von Willen, meinst du nicht, dass beide wohl durch Triebe und hormone determiniert sein werden? Oder postulierst du einen dritten, der das nicht ist?
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann Hunger spüren und damit einverstanden sein. Ich kann schon wieder zur Toilette müssen und das kann mir auf die Nerven gehen, dennoch kann ich evtl. nichts dagegen machen.

Ja, es wird dich aber auch anderes dazu bewegen, nichts zu essen. Warum solltest du das tun? Wenn du es tust, hast du ein Motiv und damit ist ein hormoneller oder elektrischer Signaltransduktionsweg vorauszusetzen, der eindeutig auch Ursachen hat.
Vollbreit hat geschrieben:Ebenso ist es mit sozialen Anregungen. Jemand kann mich zum Essen einladen und ich finde das ganz prima, jemand kann mich zum Umzug einladen und meine Begeisterung hält sich in Grenzen.

Und? Beides determiniert dich - ob beabsichtigt oder nicht - das eine oder andere zu empfinden und damit zu tun (wenn man es monokausal halten will).
Vollbreit hat geschrieben:Ob ich das aber will – im Sinne von: Ich bin einverstanden damit –, was mir durch meine Natur und mein kulturelles Umfeld gerade angeboten wird, darüber kann ich frei entscheiden.

Nein, kannst du nicht. Diese Präferenzen sind entweder angeboren oder anerzogen. Auch determiniert.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu den Punkten 1 bis 4 folgte, dass der von mir skizzierte Mensch mit dem Tourette-Syndrom nach Deinem Verständnis frei wäre, (vorausgesetzt, es gäbe keine Ursachen für sein Verhalten, seine Äußerungen - die entünden indeterminiert/akausal), bzw. aber zumindest, wenn dieser nicht nach Deinem Verständnis frei wäre, müsste noch mindestens eine notwendige Bedingung für Freiheit zu der Unabhängigkeit von Ursachen hinzu kommen müsste. Was wäre das?

Ich habe doch gesagt, dass es Ursachen fürs Tourette gibt und dass sie teilweise bekannt sind, ansonsten wäre es überhaupt nicht therapierbar.
AgentProvocateur hat geschrieben:Bitte mal beispielhaft skizzieren, wie Freiheit in Deinem Sinne vorstellbar (logisch möglich) wäre.

Sie ist es eben nicht, deswegen halte ich sie für eine Illusion in einem kausalen Universum. Warum sollte ich eine unmögliche Situation skizzieren? Es liegt nicht in meiner Absicht, den Begriff plausibel zu gestalten, sondern ihn logisch zu erfassen und zu bewerten. Das habe ich getan.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu 5.: bitte mal erklären, was Du unter "Kontrolle" verstehst, bitte mal Kontrolle in Deinem Sinne positiv beispielhaft skizzieren.

Auch die ist nicht möglich, wenn sie sauber definiert wird. Kontrolle setzt Freiheit voraus, mehrere Entscheidungsmöglichkeiten und Optionen zu besitzen. Wenn es keine Freiheit gibt, existiert keine Kontrolle.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu 7 und 8: die Bedeutung von Begriffen wird durch ihren Gebrauch festgelegt, nicht durch Logik.

Das sehe ich anders. Da kommen wir nicht überein. Ich werde mein Verständnis nicht der allgemeinen Unzulänglichkeit anpassen. mein Ansatz ist es, möglichst widerspruchsfrei zu reden und zu argumentieren (ja, da ist das Wort "Frei" drin, aber das ist nur eine wie bereits postulierte "Freiheit von" einem speziellen Umstand, keine generelle Freiheit).
AgentProvocateur hat geschrieben:Daher ist es hier durchaus wichtig, das Alltagsverständnis des behandelten Begriffes zu treffen.

Wozu dann noch denken wenn die Mehrheit alles irgendwie (wenn auch widersprüchlich und unzulänglich) definiert hat? Mein anspruch ist ein anderer. Die Allgemeinheit ist keine logische Autorität, wenn eine mathematische Formel, die in jeder Schule gelehrt wird, sich als logisch und empirisch falsch herausstellt, muss sich die Gesellschaft, nicht der Wissenschaftler anpassen.
AgentProvocateur hat geschrieben:Das gilt auch in Bezug auf die Ausgangsfrage: "Ist der freie Wille eine Illusion?" Auch hierbei muss eruiert werden, was die Leute unter einem freien Willen verstehen, und, falls man von einer Illusion reden will, gesagt werden, was die Leute fälschlich glauben, also welcher Illusion sie unterliegen. Dazu reicht es nicht, einfach schnell mal ein paar Behauptungen aufzustellen, ("echte Freiheit bedeutet Unabhängigkeit von allen Ursachen", "die Leute meinen, sie seien in dem Sinne echt frei"), diese müssten belegt, plausibel gemacht werden.

Ich denke, das habe ich getan: Die Politikphilosophie der Geschichte, die Ideale, die den demokratischen Staat ausmachen reden immer von "Freiheit". Sie werden nicht oder nur in Ausnahmefällen konkret. Es heißt nicht "Freiheit vor den Monarchen/der britischen Regierung/dem Großgrundbesitzer/der Kirche" sondern immer nur (die) Freiheit. Der allgemeine Sprachgebrauch und die mangelnde Konkretisierung zugunsten einer Idealisierung bestätigen mich in meiner Annahme der Definition des allgemeinen Menschen. Dass diese Art Freiheit nicht möglich ist, interessiert diesen wenig, bzw. es ist ihm nicht klar. Genauso ist es mit dem theistischen Gottesbild gewesen, das manche auch heute noch haben.
Sind dir die Phrasen nicht bekannt? "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"?
Auch diese Begriffe wurden in einer bestimmten Zeit neu definiert, strenger, weniger religiös und unterwürfig. Dabei sind sie nicht perfekt geworden, haben aber einen Sprung gemacht.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Vollbreit » Di 7. Aug 2012, 18:26

AgentProvocateur hat geschrieben:Wie kommst Du darauf, dass ein Sektenmitglied als unfrei, (bzw. als unfreier als Nicht-Sektenmitglieder), eingestuft würden? Das finde ich erst mal überraschend. Was anderes wäre natürlich, wenn das Sektenmitglied die Sekte verlassen wollen würde und dann massivem Zwang anderer Sektenmitglieder ausgesetzt würde.


Klar, aber ich meine schon die reine Mitgliedschaft.
Ich komme darauf, weil eine Sektenmitgliedschaft für viele den Paradefall für Unfreiheit, Fremdbestimmung, Manipulation und Gehirnwäsche darstellt und meist auch mit diesen Assoziationen belegt wird.

Wenn Du allerdings anerkennst, dass jemand freiwillig in eine Sekte geht und da bleibt, fällt mein Beispiel in sich zusammen. Ich habe nur die Idee, dass die meisten bereits eine Sektemmitgliedschaft als problematisch ansehen würden.

AgentProvocateur hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:– inwieweit dürfen wir von Freiwilligkeit reden, wenn sich jemand piercen lässt oder sonstigen konventionellen (An)Geboten folgt?

Wenn es im Einklang mit dem steht, zu dem er, nach bestem Wissen und Gewissen „ja“ sagt, müssen wir im Sinne des Kompatibilismus von Freiheit reden.
Im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise dürfen wir aber skeptisch sein.

Siehst Du mein Problem, ist es für Dich auch eines und wie würdest Du es auflösen?

Hm, auch Dein Beispiel mit dem Piercen finde ich nicht so gut - das ist ja normalerweise eine individuelle Entscheidung. Wieso sollte man da "im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise" skeptisch sein, ob die freiwillig erfolgte?


Man könnte argumentieren, dass jemand zwar das Gefühl hat etwas freiwillig zu tun, es aber Indizien dafür gibt, dass dieses Gefühl einem Gruppenzwang geschuldet ist, den der Betreffende momentan nicht erkennt. Man braucht die Beispiele ja nur zuzuspitzen um welche zu finden, in denen der Betreffende beteuern würde freiwillig zu handeln oder zu entscheiden, obwohl man berechtigt zweifeln darf.


AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, sehe ich Dein Problem? Nun ja, es gibt hier mE zwei unterschiedliche Probleme:

1. Völlige Freiheit kann nicht erreicht werden. Sagen wir mal, ich möchte A und B, was aber nicht gleichzeitig möglich ist. Beispiel: ich möchte die Sekte verlassen, ich möchte aber auch gute Kontakte zu den anderen Sektenmitgliedern beibehalten. Da das nicht beides gleichermaßen geht, muss ich mich für eines entscheiden und die Nicht-Erfüllung des Anderen in Kauf nehmen.


Das meinte ich nicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:2. Was sind die Kriterien für hinreichende Reflexionsfähigkeit? Hm, eine Grenze ist schwer anzugeben, aber beispielhaft geht das durchaus. Sagen wir mal, ich will ein gebrauchtes Auto kaufen, der Verkäufer verschweigt mir aber arglistig einen Mangel. Ich kaufe das Auto, hätte es aber nicht gekauft, wenn ich von dem Mangel gewusst hätte. Wie man an dem Beispiel vielleicht schon sieht, geht mE es dabei meist nicht um fehlende Reflexionsfähigkeit, sondern mehr um fehlendes Wissen um die Umstände, Determinanten. Ich denke, dass ein durchschnittlicher Erwachsener hinreichende Reflexionsfähigkeit hat, um seine Ziele verfolgen zu können.


Ja, das geht in die Richtung, die ich meinte.
Nehmen wir an, jemand entscheidet sich für einen bestimmten Beruf. Zufälligerweise ist es der Beruf von dem seine Eltern sagten, dass es doch sehr schön wäre, wenn … und wie sehr sie sich freuen würden und so weiter.
Nun kann ein durchschnittlicher Erwachsener sich durchaus noch dieser heimlichen Wünsche bewusst sein und sich immer noch überlegen, ob er diesen Beruf ergreifen will, oder nicht. Oft ist es aber auch so, dass der eigene Wunsch die eher unreflektierte Übernahme von Selbstverständlichkeiten anderer ist.
Das ist dann nicht unbedingt ein Wissensdefizit.

Vielleicht ist die bessere Frage auch, welchen Grad an Reflexionsfähigkeit man zugestehen muss, um von jemandem zu behaupten er sei frei. Denn „hab ich mal drüber nachgedacht, will ich“ oder das Bewusstsein prinzipiell anderer Möglichkeiten, das ist schon ein Unterschied, meine ich zumindest.
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Re: Ist der freie Wille eine Illusion?

Beitragvon Vollbreit » Di 7. Aug 2012, 18:54

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Warum sollte man die kompatibilistische Postion einnehmen?

Weil sie frei von Widersprüchen ist.

In diesem Fall mit dieser Beschreibung von Freiheit nicht.


Warum nicht?

Darth Nefarius hat geschrieben:Das sage ich doch, der Eindruck kann durchaus abweichen, aber er ist nicht entscheidend, wenn jemand dich genau dazu bringen will. Soetwas nennt man Verführung, das kleine 1 mal 1 zur Manipulation. Das wichtigste ist, dass das Ziel nicht merkt, dass es manipuliert wird.


Fremdbestimmt wäre ich, wenn etwas gegen meinen Willen geschieht. Solange ich es auch will, spricht ja nichts dagegen, wenn mich jemand manipuliert.

Darth Nefarius hat geschrieben:Aber der subjektive Eindruck entscheidet nicht, was Tatsache ist und was nicht. Du kannst nicht den Eindruck haben, dass es einen Gott gibt und deswegen gibt es einen. So läuft das nicht.


Es gehen nicht alle Wünsche in Erfüllung, das stimmt, aber das ist für die Frage nach der Willensfreiheit auch nicht nötig.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn mich jemand mit der Knarre in der Hand dazu bringt, etwas zu tun, was ich sonst nicht tun würde, wäre das im Sinne des Kompatbilismus Zwang und würde nicht unter Selbstbestimmung und Willensfreiheit fallen. Darin ist kein Widerspruch.

Nein, aber ich habe auch nicht bestritten, dass das Fremdbestimmung ist, sondern das was du zuerst beschrieben hast, Freiheit ist.


Wenn ich abwägen und mich, im Bewusstsein der Alternativen, entscheiden kann, dann ist das Willensfreiheit und ich wüsste nicht was dagegen spricht.

Hast Du ein Beispiel für eine Situation die nicht Zwang ist, aber in der man nicht frei ist?

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man von freiem Willen ohne ein gewisses Mindestmaß an Reflexion sprechen kann.

Man kann umgekehrt von Reflexion ohne freien Willen sprechen. Wenn das der Fall ist, besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden.


Kannst Du mir ein Beispiel für einen reflexiven Gedankengang ohne freien Willen geben?

Darth Nefarius hat geschrieben:Man kann ja durchaus bei deinem Beispiel mit der Pistole nicht entscheiden, aber durchaus überlegen, wie es dazu kommen konnte, wie man rauskommen könnte, oder dass man keine Wahl hat. Auch im Nachhinein ist das möglich (sofern das überlebt wird).


Ja, man kann über den Zwang reflektieren. Im besten Fall macht man es das nächste man besser, wenn man meint die Ursachen erkannt zu haben.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Um davon zu sprechen, dass man etwas will, muss man sich ja zunächst einmal dessen bewusst werden. Auch wenn dieses Wollen einem natürlichen Bedürfnis folgt (also durch dieses determiniert ist), habe ich immer noch die Möglichkeit mir darüber klar zu werden, ob ich das will, oder ob ich das nicht will.

Du begehst einen Zirkelschluss. Du willst deinen triebgesteuerten, determinierten Willen mit Willenskraft kontrollieren.


Der Zirkelschluss liegt darin zu behaupten, der Wille sei triebgesteuert.
Selbst wenn ich auf maximalen Lustgewinn oder maximalen Egoismus aus wäre, muss ich immer noch antizipieren und reflektieren, welche Handlung mir denn nun den maximalen Lustgewinn oder Egoismus sichert. Ein Trieb leistet das nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mal angenommen, du hättest 2 Arten von Willen, meinst du nicht, dass beide wohl durch Triebe und hormone determiniert sein werden? Oder postulierst du einen dritten, der das nicht ist?


Etwas zu wollen kann ja von einer Unzahl und biologischen und kulturellen Faktoren durchdrungen sein, die sich wechselseitig verstärken und abschwächen. Zudem werden diese Wünsche durch Erfahrungen immer wieder verändert.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann Hunger spüren und damit einverstanden sein. Ich kann schon wieder zur Toilette müssen und das kann mir auf die Nerven gehen, dennoch kann ich evtl. nichts dagegen machen.

Ja, es wird dich aber auch anderes dazu bewegen, nichts zu essen.


Wieso nichts zu essen?

Darth Nefarius hat geschrieben:Warum solltest du das tun? Wenn du es tust, hast du ein Motiv und damit ist ein hormoneller oder elektrischer Signaltransduktionsweg vorauszusetzen, der eindeutig auch Ursachen hat.


Philosophische Debatten über Gründe kannst Du nicht auf Hirngewitter und Hormone reduzieren, es sei denn Du könntest erklären, was Argumente und Gründe biologisch sind, woran man ihre Güte unterscheiden kann und warum man auf manche reagiert und auf sehr ähnliche überhaupt nicht.
Und das kannst Du nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ebenso ist es mit sozialen Anregungen. Jemand kann mich zum Essen einladen und ich finde das ganz prima, jemand kann mich zum Umzug einladen und meine Begeisterung hält sich in Grenzen.

Und? Beides determiniert dich - ob beabsichtigt oder nicht - das eine oder andere zu empfinden und damit zu tun (wenn man es monokausal halten will).


Ja, natürlich.
Der Kompatibilismus behauptet ja auch nicht, dass man nicht determiniert ist, sondern er spielt durch, was der Fall wäre, wenn man vollkommen determiniert wäre und ob die Rede vom freien Willen dann noch ihre Berechtigung hätte.

Vollbreit hat geschrieben:Ob ich das aber will – im Sinne von: Ich bin einverstanden damit –, was mir durch meine Natur und mein kulturelles Umfeld gerade angeboten wird, darüber kann ich frei entscheiden.

Nein, kannst du nicht. Diese Präferenzen sind entweder angeboren oder anerzogen. Auch determiniert.[/quote]

Klar, aber warum sollte ich nicht frei entscheiden können?
Es gibt immer beliebig viele Ursachen oder Gründe um etwas fortzusetzen oder abzubrechen, A zu beginnen oder B zu beginnen, das ist nicht das Problem.
Du denkst der Kompatibilismus würde behaupten, es gäbe einen freien Willen, weil man nicht determiniert sei, aber das behauptet der Kompatibilismus nicht, sondern er bahuptet, dass man zu 100% determiniert sein könnte und fragt, was dann von der Freiheit übrig bliebe.
Für Dich ist die Antwort klar: Nichts, und darum verstehst Du auch nicht, warum man hier überhaupt noch weiter denken kann und sollte.

Du kommst in den Bereich, in dem der Kompatibilismus agiert mit diesem Denken erst gar nicht hinein. Dir muss erst mal in den Sinn kommen, warum die Frage nach der Freiheit nicht sinnlos oder bereits erledigt ist, wenn man von der Determiniertheit des Menschen ausgeht.
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