Verlangt Diskurs nach Resultat?

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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 10. Okt 2012, 10:09

Nanna hat geschrieben:Übrigens, du Schelm, wenn Religiosität mit sozial konstruktivem Verhalten UND destruktivem Verhalten korreliert, kannst du nicht einfach behaupten, die Korrelation mit dem einen wäre unbedeutend und die Korrelation mit dem anderen würde die wahre Natur der Religion enthüllen.

Ja, das ist ein gutes Argument. Lass es mich differenzierter ausdrücken: Ich halte Religion für einen Brandbeschleuniger in beide Richtungen. Wie die Moral ist sie eine Rechtfertigungsmethodik ohne logische und rationale Werkzeuge, und deswegen gefährlich. Wenn einem immer die Sonne aus dem Ar... scheint, denn wird seine unreflektierte Religiösität daran nichts ändern und diesen Effekt unter Umständen katalysieren. Deswegen betrachte ich diese Korrelation als unbedeutend, weil nicht schädlich. Andererseits kann sie ebenso fördernd für den Hass auf Andersdenkende und andere Kulturen sein. Die Nebenwirkung übersteigt den Nutzen, also sie nicht empfehlenswert. Ja, ich wollte diese Begründung, um es etwas kürzer zu machen, unterschlagen. Aber das Ergebnis ist das selbe. Das mit dem katalysierenden Effekt in beide Richtungen habe ich hier (im Forum) auch irgendwo schonmal geschrieben. Ja, ich bin ein Schelm.
Nanna hat geschrieben:Weißt du was ein "uphill battle" ist? Das ist das, was du immer kämpfen wirst, wenn du versuchst, mir etwas über den syrischen Bürgerkrieg zu erklären. Religion spielt da natürlich eine Rolle, aber in alle Facetten, die man sich denken kann, inklusive der, dass sie als Friedensstifterin ins Spiel gebracht wird.

Der friedensstiftende Effekt wird vom kriegsfördernden Effekt durch die Waffenlieferungen von religiös motivierten Parteien mehr als aufgewogen. Die Kosten-Nutzen-Rechnung (es ist nicht wirklich eine Rechnung, aber das Ergebnis sieht ein Blinder: Der Krieg geht weiter, und könnte durch die Angriffe auf die Türkei noch eskalieren) zeigt, dass die Religion netto schädlich ist.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 10. Okt 2012, 10:14

stine hat geschrieben:Auch innerhalb einer Wortfamilie können Begriffe eine unterscheidliche Bedeutung haben. Solltest Du wirklich nicht den Unterschied zwischen freiwilliger Bescheidenheit und Zerstörung der Person von außen kennen?

Hier ist die Wikipedia-Erklärung für die ethymologischen und inhaltlichen Zusammenhänge:
Der Ausdruck Demut kommt aus dem althochdeutschen diomuoti (‚dienstwillig‘, also eigentlich ‚Gesinnung eines Dienenden‘) und wurde von Martin Luther zur Übersetzung der biblischen Ausdrücke tapeinophrosyne (griech.) bzw. der lateinischen Übersetzung humilitas benutzt. Im christlichen Kontext bezeichnet es die Haltung des Geschöpfes zum Schöpfer analog des Verhältnisses von Knecht zum Herrn

Einige Stellen habe ich unterstrichen. Ich habe weder die Gesinnung eines Dienenden, noch halte ich sie für erstrebenswert.
Dann ist da noch die Stelle:
Der Demütige erkennt und akzeptiert aus freien Stücken, dass es etwas für ihn Unerreichbares, Höheres gibt.

Das ist religiöse Resignation, Schwäche, keine Bescheidenheit. Die selbstpraktizierte Demütigung ist also gleichzusetzen mit Demut.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon stine » Mi 10. Okt 2012, 10:49

Wenn du meinst...
Aber den Unterschied zwischen freiwillig und unfreiwillig kennst du, oder?

Früher unterzeichnete man die Briefe noch mit Hochachtungsvoll...
Das wäre wohl nichts für dich gewesen. Da trifft sich es sich ganz gut, dass man heutzutage nur noch ein LOL unter die emails schreiben braucht.

:muede: stine
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 10. Okt 2012, 11:31

Lumen hat geschrieben:Such mal nach Beiträgen in den ganzen Hirn-Bewusstsein Themen, als spontanes Beispiel.


Deshalb schrieb ich ja, und meinte es auch so, dass das auftritt, wenn Du emotional verwickelt bist, sprich bei den Religionsthemen.
Dass Religionskritik und in der weit überwiegenden Anzahl wohl auch Ablehnung der Religion zu einer Hauptmotivation gehört, hier zu schreiben, ist ja okay, aber der Ton macht die Musik.
Such mal selbst in Deinen Threads dazu Nazivergleiche und weiteres.

Lumen hat geschrieben:Der einzige, der psychologisch deutet und die Verhaltensweisen von anderen direkt anspricht (jetzt gerade) bist eigentlich nur du selbst.


Ja, ich tue das gelegentlich, aber ich bemühe mich dann, das zu beschreiben, was den anderen tatsächlich betrifft. Bei Dir habe zumindest ich das Gefühl, dass Du zwar vom anderen noch ausgehst, aber sich die Konturen des anderen mit der Zunahme der emotionalen Wucht immer mehr verzerren und mit den Zügen eines „Monsters“ verschmelzen, gegen das Du kämpfst und das ist so ein – allerdings Dein – Prototyp des naiven, aber durchtriebenen und deshalb gefährlichen Religiösen. Da fühlt sich dann niemand mehr angesprochen und gemeint.

Lumen hat geschrieben:Es gibt einen konkreten Sachverhalt wo deine Behauptung stimmt, und das ist religiöser Obskurantismus und Scharlatane. Ich habe keine Erinnerung an ein besonders Profiling, was du mir unterstellst abseits des einen Threads.


Da kann es helfen andere zu fragen.
Du hast ja durchaus auch die Fähigkeit, wirklich einen Gang rauszunehmen und Dich zu zügeln, das ist dann durchaus lesenswert. Aber nur als Beispiel Dein letzter Beitrag hier: Du deutetest an, ich würde irgendwie verlangen, dass Du die Mehrheitsmeinung verstehen solltest.
Nein, warum denn? Es geht nur darum, dass wenn Du mit jemandem redest, Du auf das eingehen sollst, was der sagt und herausfinden solltest, was er damit meint und wenn es Dir besonders merkwürdig vorkommt, noch mal nachfragen.

Bei Dir habe ich den Eindruck, dass Du auf ein Reizwort im Text anspringst, womit Deine innere Suchmaschine anspringt die nun ausschließlich nach weiteren Reizwörtern oder verfänglichen Sätzen sucht. Hast Du ein oder zwei weitere gefunden ist das – wusst‘ ich’s doch – Urteil fertig.

Und offen gestanden: Das mache ich auch und das macht jeder, es sind die Vorurteile, die uns helfen durchs Leben zu navigieren und wohl niemand ist den ganzen Tag im Diskursmodus unterwegs.
Nur sollte man, wenn sich die Möglichkeit ergibt und sie gefordert ist, die Anforderungen erkennen und umschalten können. Das kannst Du, aber wenn Du bei dem, was Du für Obskurantismus hältst, die Vorurteile nur verschärfst, kommt zumindest kein Diskurs zustande.
Was dann bleibt ist Missionierung oder vielleicht das Modell investigativer Journalist.
Aber wen willst Du denn davon überzeugen, dass man bei Religionen vorsichtig sein muss und mal besser kritisch hinschauen sollte: Die Brights?
Oder die paar Verirrte hier im Forum, wie stine, laie und ich, die in Deiner Welt ja tatsächlich dann und wann zu religiösen Extremisten mutieren?
Oder die Gefährdeten, wie vielleicht Nanna oder Zappa, denen die Brisanz der religiösen Bedrohung immer noch nicht so klar zu sein schein, wie Dir und die damit gefährlichen Manipulateuren wie stine, laie und mir auf den Leim gehen könnten?
Damit erhebst Du Dich, weil Du den Letztgenannten Naivität unterstellst und den davor Genannten, dass es für sie ohnehin zu spät ist, sie aber bösartige Verführer sind.

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ist Dir eigentlich bewusst, dass Du das tust?
Und falls ja: Weißt Du, warum Du das tust?


Sicherlich weiß ich das.


Gut, das macht Dich zwar anstrengend, aber es freut mich für Dich, denn andere Schreiber können nicht aus ihrer Haut und wissen nicht, warum sie das tun.

Lumen hat geschrieben:Ich glaube halt nicht daran, dass die Wackeligkeit wissenschaftlichen Arbeitens in einem Bright-Forum (Kontext) am besten anhand der Evolutionstheorie (Kontext II) erörtert werden sollte.


Warum denn nicht? Weil Du das als ersten Schritt siehst, den Kreationsmus einzuführen?
Das ist es ja genau, was ich meine. Wehrt den Anfängen. Dahinter steht die Kaskade: Wer gegen die Evolutionstheorie argumentiert, der kann nur ein Religiöser sein und wie die ticken, das wissen wir ja.
Kannst Du Dir nicht vorstellen, dass man den Kreationismus rundweg ablehnen und dennoch sehen kann, dass die Evolutionstheorie den normalen Anforderungen der Wissenschaft nicht genügt?
Die Sonderrolle der ET wird doch sogar bei wiki breitgetreten.
Willst Du Denkverbote erteilen, weil das der eine oder andere in den falschen Hals kriegen und die falschen Schlüsse ziehen könnte? Und Du kannst sicher sein, es wird der eine oder andere in den falschen Hals bekommen.

Lumen hat geschrieben:Die Evolutionstheorie polarisiert international, sowohl in islamischen Ländern als auch in den USA. Ich gehe auch ja auch nicht in ein Tierschützer-Forum und schwärme von russischer Laufsteg-Mode aus Nerz und Eichhörnchen. Meine Güte, da sollte man ab können, als Troll bezeichnet zu werden. Du hast die Kurve ja noch gerade so gekriegt.


Doch, ich finde es durchaus sinnvoll auch dorthin zu gehen, wo der „Feind“ sitzt, die Leute, die so denken wie ich, brauche ich ja nicht zu überzeugen.
In Wirklichkeit sind die Brights aber gar nicht meine Feinde, in Wirklichkeit bin auch auch nicht religiös, dennoch überzeugt mich vieles was aus biologistischer Ecke kommt – Biologismus bedeutet für mich, dass eine Naturwissenschaft und einige ihrer Theorien zum Weltbild aufgeblasen wird, was ich für eine höchst ungesunde Sache halte – nicht die Spur und ich finde es sogar gefährlich.
Da ich mich dazu aber an anderer Stelle verbreitet habe, sei es nur erwähnt.
Dass ich die Kurve gekriegt habe, geht eigentlich nicht auf eine Veränderung meiner Einstellungen zurück, sondern ich glaube eher, Deiner Wahrnehmung. Aber das ist ja nichts, was ich nicht begrüßen würde. (Tatsächlich bin ich in das Forum gekommen, mit der Einstellung, dass die meisten Brights so der Kategorie „emporda“ entsprechen, musste und durfte meine Vorurteile jedoch sehr bald revidieren, zumindest in einer großen Zahl.)

Lumen hat geschrieben:Ich nutze oft Fragen und mehrere offene Fragen hintereinander wirken aggressiv. Um mehrere Fragen aufzuschreiben, muss man aber nicht in Rage sein.


Nein, gegen Fragen hätte ich ja gar nichts, im Gegenteil.
Du stellst aber gerne Suggestivfragen, wie: „Willst Du wirklich bestreiten, dass…“ „Bisher konnte noch niemand schlüssig belegen, was an Religionen gut sein soll, kannst du es?“ Und so weiter.

Nachfragen, scharfe, kritische, bohrende Fragen, immer her damit.
Man kann ja sagen, dass man es absurd findet, die ET zu kritisieren und dass bei Dir dabei das mulmige Gefühl aufsteigt, jemand könnte Kreationist sein. Du könntest ihn fragen, ob er Kreationist ist.

Da bestehen mehrere Möglichkeiten: Jemand könnte es sein, es aber verleugnen, dann ist es gut, wenn man es schafft, dass der andere sich outet. Das wird er nicht bewusst tun (oder sehr selten), aber man kann den anderen dazu bringen, dass der die Hosen runterlässt. Und das macht richtig Spaß. Du wirst Dich aber damit abfinden müssen, dass eine Entlarvung immer nur von einigen wenigen erkannt wird und selbst die große Brisanz mancher Sätze an viele völlig spurlos vorbei geht.
Das ist und bleibt so.

Jemand könnte Kreationist sein, aber das muss ihm selbst gar nicht bewusst sein.
Man könnte dann einzelne Fragen stellen und wenn er die mit „Ja“ beantwortet, ihm sagen: „Und jetzt schau mal nach, wie ein Kreationist definiert ist.“ Das kann bei manchen sogar einen heilsamen
Schrecken auslösen, aber eben auch wieder nicht bei allen.

Drittens kann es sein, dass jemand Kreationist ist und wirklich aus der Abteilung Propaganda kommt, also dem Bild weitgehend entspricht, das Du attackierst.

Und es kann auch sein, dass jemand Kreationist ist, was ja erst mal eigentlich nur heißt, dass er an einen Schöpfer glaubt und nicht gleich keine Kinder frisst oder Brennholz für den Scheiterhaufen sammelt, wenn mal wieder bessere Zeiten kommen.

Lumen hat geschrieben:Das Psychologie-Thema ist erkennbar dein Steckenpferd. Weder du, noch Nanna haben meine Position verstanden, was ich mit einer gewissen Sicherheit sagen kann.


Ist mein Steckenpferd, ja, aber gerade darum halte ich erst mal dagegen und behaupte, dass ich (ich kann hier nur für mich sprechen), Deine Position sehr gut verstanden habe und das auch konsistent begründen kann, habe aber noch nicht weiter gelesen und will erst mal sehen, was Du schreibst.

Lumen hat geschrieben:Ich bin aber nicht an der "das Gegenteil von Stammtisch ist immer richtig" Rhetorik interessiert. Es ist ein Stück komplizierter. Ihr denkt, ich wäre ein Sarrazin-Opfer und müsstet mir jetzt mal das 1x1 an Differenziertheit beibringen. Zooangestellte als Gruppe sind aber nicht dasselbe wie ein bestimmter Zooangestellter, und obwohl alle unterschiedlich sind, unterschiedliche Berufe haben, gibt es sie doch, die Zooangestellten. Man kann Aussagen über Zooangestellte machen. Vielleicht ist das zu schwierig für dich, oder euch beide, aber so ist es.


Nein, das ist überhaupt nicht schwierig für mich, das ist nämlich eines meiner Hauptsteckenpferde. Ich glaube seit 20 Jahren bade ich in dem Kram, Kram heißt allerlei Arten von klassifikatorischen Systemen und ich behaupte mal, dass ich halbwegs virtuos damit umgehen kann.
Ich stimme Dir vollkommen zu, dass man klassifizierende Aussagen über Mitglieder bestimmter Gruppen treffen kann, nur darf man dabei nicht vergessen, dass der Mensch immer auch Individuum ist und nicht durch die Zurechnung zu einer Gruppe abschließend zu beschreiben ist und zwar egal, ob man in die Gruppe geboren ist (Geschlecht, Hautfarbe, sozialer Status) oder man sie sich ausgesucht hat. Zwar gilt für die Gruppe der BVB Fans in der Regel, dass sie Schalke Fans nicht mögen, aber die Spannbreite reicht vom neckischen Spiel bis zu fliegenden Fäusten und manche mögen auch beide Vereine. Ist denn „der wahre BVB Fan“ wirklich nur der, der einem am Boden liegenden Schalker mit Anlauf ins Gesicht tritt? Muss denn jemand, der sich offen freut, wenn Schalke verliert, den heimlichen Wunsch haben, Schalker zu töten? Ich glaube, dass Menschen durchaus in der Lage sind, da jeweils Grenzen zu ziehen.
Es gibt aber drei Haupteinwände gegen Klassifikationen:

Erstens: Ein Individuum ist nie abschließend durch klassifikatorische Systeme zu beschreiben. Das sind Näherungen. Meine Blutgruppe sagt vielleicht etwas über mich aus, aber gewisse nicht alles.
Das gilt auch für mein Einkommen, meinen Schulabschluss, meine Hobbies, welche Partei ich zuletzt gewählt habe und so weiter. Je genauer ich jemanden beschreiben will, um so mehr Kategorien brauche ich – und am Ende lande ich bei der Individualität.
Tue ich das nicht, sondern stülpe jemandem nur meine grobe Klassifikation über und überinterpretiere diese dann noch, ist das ein fragwürdiges Spiel.

Zweitens: Durch die Verwendungen von Klassifizierungen macht man den anderen zum Objekt, das man beobachtet und dem man Eigenschaften zuschreibt, kommt aber nie zu einem echten Austausch, selbst dann nicht wenn man den anderen befragt. Intersubjektiver Austausch ist so nicht zu erreichen und dieser Status Objekt zu sein, gilt nicht nur dann, wenn der andere Forscher ist, sondern man kann auch so den anderen in einem Objektstatus belassen. Das ist zum Beispiel eine durchaus brisante Haltung die Du aber verstehst.

Drittens: Klassifizierungen und klassifizierenden Systeme könnten schlicht falsch sein und müssen sich immer wieder, auch im Lichte neuer Erkenntnisse, legitimieren. Es reicht nicht einfach nur zu behaupten, dass blonde Menschen besser sind, man muss auch nichtzirkulär sagen, was man damit meint, welche Schlüsse man daraus zu ziehen gedenkt, wie die These falsifiziert wird und welche Kriterien angelegt werden, warum diese und nicht andere.

Was Bright sein nach dem Selbstverständnis der meisten meint, ist ja erkenntnistheoretischer Naturalist und ethischer Humanist zu sein und das meint ja gerade das Individuum ins Zentrum zu stellen. Durch Klassifikationen, wenn sie nicht im Dienste einer bestimmten Forschungsrichtung stehen und man darüber hinaus nicht vergisst, dass der „Forschungsgegenstand“ ein lebender und empfindender Mensch ist, steht man mindestens in der Gefahr das zu verfehlen und sinkt damit genau auf das Niveau, das man eigentlich bekämpfen will.
Du hast Recht, Religionen sind oft simpel, soziologisch betrachtet: Es gibt gut und böse, gut sind die, die zu uns gehören, böse die anderen. Aber Du willst es ja besser machen und dann solltest Du jene Individuen unterscheiden können, mit denen Du reden kannst, von jenen, wo eine Diskussion nicht lohnt. Und wissenschaftsgläubig zu sein, ist keinen Deut besser, weil es sich nur um Inhalt unterscheidet und jene Struktur festigst, gegen die Du eigentlich sein müsstest.

Lumen hat geschrieben:Das interessiert andere Atheisten/Brights auch brennend, weshalb mehrere ihre Theorien vom "Glauben an den Glauben" und ähnlichem längst formuliert haben. Das ist überhaupt nicht neu, oder etwas besonderes.


Ich bin kein gläubiger Mensch, aber ein Anhänger des Glaubens an den Glauben, weil ich Religion als soziales Regulativ sehe, darin einig mit stine (mit einigen Abweichungen), mit Zappa und vermutlich ein wenig mit Nanna.
Darüber hinaus gibt es Untersuchungen zu dem Thema, die zu einem durchwachsenen Ergebnis führen. Du findest einen großen Teil dieser Untersuchungen in dem guten Buch „Die Vermessung des Glaubens“ von Ulrich Schnabel, aber natürlich auch an anderen Stellen.
Grob gesagt, stimmt es mit Deinen Interpretationen (und auch meinen) überein:
Durchschnittlich religiöse Menschen halten intern zusammen und helfen einander, sind aber überproportional desinteressiert an Menschen, die nicht zur eigenen Gruppe gehören, also typisch konventionelle Moralstufe. Genau die wird auch trainiert, durch Religionen ist die These von stine, Zappa, mir und irgendwie ja auch von Dir. (Atheisten und auch streng Religiöse interessieren sich dann wieder für andere.)
Du sagst, diese Stufe sei nicht genug, das sagen Zappa und ich auch, bei stine weiß ich es nicht ganz genau und das stimmt. Nur, ohne die Stufe davor etabliert zu haben, bekommst Du die höhere nicht.
Und es werden immer viele auf dieser Stufe hängen bleiben. Diese Stufe muss nicht religiös eingeübt werden, aber Religion ist ein weltweit etabliertes System, dass diese Stufe einübt, immer statistisch betrachtet.
Ich würde auch sagen, das diese Stufe nicht genug ist, aber die allgemeine Situation ist, dass wir uns in einer regressiven Bewegung befinden (was die Persönlichkeitsentwicklung angeht) und da ist eine gewisse Einübung grundlegender Werte das Gebot der Stunde. Der Vorteil ist nämlich, dass man diese Stufen auch wieder verlassen kann, hier im Forum sind mit Nanna, ujmp und einigen andere Menschen genug vertreten, die dafür stehen.

Dass Religion aber vollkommen nutzlos, gefährlich UND evolutionär erfolgreich ist, ist ein Widerspruch in sich und die Abteilung Propaganda der Brights hat diesem Umstand immerhin in soweit Rechnung getragen, dass sie den evoltuionären Erfolg der Religionen anerkennen müssen, aber ihn nun versucht so zu deuten, dass sie immer noch ein Irrtum bleiben kann und nun (wieder mal nachträglich) erklärt wird, warum Irrtümer und Illusionen dazu führen können, dass man besser durchs Leben kommt. Nur, wenn das so ist, was rechtfertigt dann noch ihren Status als Irrtum?

Kurz und gut, dass Thema ist spannend und facettenreich, darum verstehe ich nicht, warum Du es oft auf so ein plattes Niveau ziehst, denn spannend wird es erst, wenn man es breit betrachtet. Die Fähigkeit dazu hast Du ja und ich glaube den Diskussionen würde es nicht schaden.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Zappa » Mi 10. Okt 2012, 11:32

stine hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ein Hirn will nicht, ein Ich will.

Das stimmt einfach nicht. Wenn das Ich sich vollständig aus dem Hirn konstituiert, dann kann man diesen Willen auch ebensogut dem Hirn zuschreiben. Das ist doch genau mit "vollständig konstituiert" gemeint.
Wenn die Aussage von @Volbreit nicht stimmen würde, dann würden wir doch alle das gleiche denken und wir müssten gar nicht diskutieren. Gleiche Hirnzellen, gleiche Funktionsweise = gleiche Meinung über alles.
Wir wären alle Bäcker und würden gegenseitig unsere Brötchen aufessen!


Das ist schlicht falsch. Man kann sogar mit extrem simplen Algorithmen aus minimal differenten Ausgangsbedingungen sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen (-> Chaostheorie). Für ein so komplexes Gebilde wie unser Gehirn ist es sozusagen systemimmanent unterschiedlich zu sein. Selbst bei eineiigen Zwillingen (und selbst bei eineiigen siamesischen Zwillingen) entwickelt sich deshalb aus nahezu identischen neuronalen Strukturen jeweils eine als einzigartige erlebte Identität.

Ich halte das Konzept der Emergenz für stichhaltig und die Diskussion um Willensfreiheit etc. erinnert mich eher an eine Antinomie.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Nanna » Mi 10. Okt 2012, 11:53

Lumen hat geschrieben:Ich nutze Dennett's Definition: ein Glaubenssystem, welches zum Zweck hat, einer höheren Macht zu gefallen.

Das klingt zwar toll nach scharfer Definition und den Islam, das traditionelle Christentum und die meisten Formen von Volksfrömmigkeit hast du damit wahrscheinlich eingefangen, aber was sind dann beispielsweise Buddhisten? Und wie gehst du damit um, dass es relativ austauschbar ist, was Gottgefälligkeit bedeutet? Du gehst ja häufig davon aus, dass die Religiösen irgendwelche Regelwerke aufgedrückt bekommen, die sie dann panisch befolgen, um noch ein paar Credits bei Gott abzustauben. Aber diese Regelwerke sind ja inhaltlich krass verschieden, schon allein deshalb, weil die Schriften zu unheimlich breiten Interpretationen herangezogen werden. Da berufen sich die Salafisten und die Taqwacores auf dasselbe Buch, obwohl die einen pseudotraditionelle Radikalfrömmler und die anderen individualistisch-westliche Muslimpunks sinds. Wenn so beliebig ist, was Gottgefälligkeit bedeuten kann und wenn von der Gewissensfreiheit (spielt ja auch in der katholischen Soziallehre durchaus eine Rolle) bis zur strikten Regelunterwerfung alles damit begründet wird, dann kommt die Variable "Gottgefälligkeit" als Kausalgrund für bestimmte psychologische Verhaltensmuster pauschal nicht in Frage. Es könnte sein, dass bestimmte Persönlichkeitstypen sich zu einer bestimmten Auffassung von Gottgefälligkeit hingezogen fühlen, aber dann liegt das "Problem" woanders und du betreibst hier reine Symptombekämpfung.

Soweit ich das verstanden habe, grenzt diese Definition Religion wie sie im allgemeinen Sprachgebrauch gemeint ist ein, aber solche Sachen wie "Fußball als Religion" oder "Apple Jünger" usw. aus. Man verheddert sich dann allgemein etwa weniger.

Lumen hat geschrieben:Als nächstes kann man sich Gedanken machen, ob es gut ist, einer höheren Macht gefallen zu wollen. Dann kann man überlegen, ob es auch dann noch gut ist, wenn es keinerlei Belege für diese höhere Macht gibt.

Ich würde sagen, dass es aufgrund der Heterogenität der Glaubensformen darauf keine pauschale Antwort geben kann. Es gibt bestimmte Glaubensformen, die hochproblematisch und auch durchaus verbreitet sind. Die kann man aber nur bekämpfen, wenn man sie isoliert. Alles andere ist Privatsache und bedarf keiner Anfeindung, solange es nicht gefährlich ist.

Lumen hat geschrieben:Hat man diese Dinge einmal kurz überdacht, kann man danach darüber nachdenken, wie denn bestimmte, als durchaus typisch geltende Inhalte eines solchen Systems (zum Beispiel das Konzept des Fegefeuers) in diesem Kontext zu bewerten sind. Vielleicht fällt dir dann auf, dass es echt egal ist, ob jemand wegen seines Glaubens einem Obdachlosen hilft.

Erstmal ist es mir tatsächlich egal, solange dem Obdachlosen geholfen wird. Und dann ist mir hier überhaupt nicht klar, wie sich Satz 1 zu Satz 2 verhält. Ich kenne da keinerlei logische, analytische oder semantische Verknüpfung, der Schluss scheint mir völlig erratisch zu sein.

Lumen hat geschrieben:Du kannst das Experiment auch übertragen. Angenommen ein Bur in Südafrika hilft deshalb den anderen Weißen, weil sie die "richtige" Hautfarbe haben, kümmert sich aber um Hilfebedürftige Menschen (schließlich kann jemand zugleich Hilfsbedürftig und mit weißer Hautfarbe sein). Hieße das, dass ich Rassismus gutheißen müsste?

Ah, Godwin's Law, na endlich. Nein, natürlich sollst du den nicht gutheißen. Rassismus stünde hier ja auch als Chiffre für die Formen von Religion, die gefährlich sind. Übertragen auf Religion in ihrer gesamten Vielfalt würde das Beispiel aber implizieren, dass jede Person, die sich zu einer bestimmten Kultur bekennt, schon im Kern rassistisch ist. Jedes Trachtentreffen, egal wie harmlos und egal wie herzlich dort Nicht-Trachtler aufgenommen würden (vielleicht mit dem Angebot verbunden, doch auch mal eine Tracht anzuprobieren, aber ohne Druck und Zwang), wäre dann bereits rassistisch und würde, da Rassismus genau wie Religion für dich eine völlige Schwarz-Weiß-Kategorie zu sein scheint, implizieren, dass ein Trachtler mit Traditionsbewusstsein auf einer Stufe mit dem faschistischsten SS-Offizier steht. Ich sehe aber nicht, wo das Problem mit Trachtlern ist, die ihre Kultur pflegen, stolz auf ihre Herkunft sind und - au Backe! - in gewisser Weise sogar alle Uniform tragen.

Ich weiß nicht, wie schlagend sich dein "Experiment" in deinem Kopf angehört hat, aber ich finde es wegen seines krassen Reduktionismus völlig unaussagekräftig und auch in seiner Überzogenheit arg bemüht.

Lumen hat geschrieben:Es gibt bei euch aber keinerlei Anzeichen dafür, auch nur irgendetwas davon zu verstehen. Ich habe nie behauptet, dass eine Nonne ein bösartiger Mensch ist, oder ein beliebiger Moslem. Erklärt mir, was ich verstehen soll, dann versuche ich es.

Vielleicht ist das Problem eher ein anderes: Mein Eindruck ist, dass DU dich nicht klar genug in dem ausdrückst, was du eigentlich willst. Du redest dich bei so ziemlich jeder passenden Gelegenheit über die Verdorbenheit des religiösen Systems (so, wie du es dir zumindest zurechtabstrahierst) in Rage, ohne das klar ist, was eigentlich dein Problem ist und was du erwartest. Dass wir alle rufen "Recht hast du!"? Verstehe ich dich recht und die Nonne ist unproblematisch? Ja, dann lass sie doch in Ruhe und schreite voran zu einer produktiveren Auseinandersetzung, beispielsweise zur Frage, wie man gefährliche und harmlose Formen von Religiosität klassifizieren und voneinander trennen kann. Was nervt, ist dein Pauschalisieren, bei dem am Ende nur Aussagen herauskommen, die so allgemein sind, dass sie keine klare inhaltliche Aussage mehr beinhalten.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Zappa » Mi 10. Okt 2012, 12:33

Nanna hat geschrieben: Es könnte sein, dass bestimmte Persönlichkeitstypen sich zu einer bestimmten Auffassung von Gottgefälligkeit hingezogen fühlen, aber dann liegt das "Problem" woanders und du betreibst hier reine Symptombekämpfung.


Das sehe ich auch so. So gibt es Hinweise darauf, dass der Salafismus gewaltaffine Jugendliche (der dritten Generation), die in ihrer früheren Biographie mit Religion wenig bis gar nichts am Hut hatten, besonders anzieht. These: Gewaltaffine Individuen tendieren zu gewaltaffinen Glaubenssystemen, nicht die Glaubenssyteme machen aus den Individuen gewaltaffine. Sicher ein interessantes soziologisches Forschungsfeld.
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OT

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 10. Okt 2012, 12:56

stine hat geschrieben:Früher unterzeichnete man die Briefe noch mit Hochachtungsvoll...
Macht man heute auch noch, auch wenn solche LOL-Kinder dies nicht wissen.
Je nach Kontext bedeutet "Hochachtungsvoll" (und dies ist heute eher die Regel - irgendwelche eher bescheuerten Standesgrüße sind anders und in der Praxis uninteressant) aber heute eben die Absenz von freundlichen Grüßen. Gilt für hohe Distanz, ist sicherlich heute kein Zeichen von Demut, eben eine Distanzierung bis eher fast eine Drohung. Eine Zahlungserinnerung unterzeichne ich noch mit "mit freundlichen Grüßen", eine (letzte) Mahnung wird wohl ein "Hochachtungsvoll" zieren. Auch und gerade weil dieser tradierte Gruß eben keine hohe Achtung mehr ausdrückt, nur Distanzierung. Auch wenn es sein mag, dass die Adressaten so etwas gar nicht mehr verstehen.
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Re: OT

Beitragvon stine » Mi 10. Okt 2012, 14:38

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Eine Zahlungserinnerung unterzeichne ich noch mit "mit freundlichen Grüßen", eine (letzte) Mahnung wird wohl ein "Hochachtungsvoll" zieren.

Martenstein zum Thema "Hochachtungsvoll"

glg stine
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 10. Okt 2012, 15:52

stine hat geschrieben:Wenn du meinst...
Aber den Unterschied zwischen freiwillig und unfreiwillig kennst du, oder?

In welchem Zusammenhang steht das? Abgesehen davon müsstest du mir mal definieren, was du unter "Freiheit" verstehst.
stine hat geschrieben:Früher unterzeichnete man die Briefe noch mit Hochachtungsvoll...
Das wäre wohl nichts für dich gewesen. Da trifft sich es sich ganz gut, dass man heutzutage nur noch ein LOL unter die emails schreiben braucht.

Steht zwar auch in keinem Zusammenhang, aber mit "LOL" habe ich (zumindest kann ich mich nicht erinnern) nie etwas signiert, außer höchstens als reaktion auf ebeneine solche jugendsprachliche abwertende Signatur.
Nanna hat geschrieben:Und wie gehst du damit um, dass es relativ austauschbar ist, was Gottgefälligkeit bedeutet? Du gehst ja häufig davon aus, dass die Religiösen irgendwelche Regelwerke aufgedrückt bekommen, die sie dann panisch befolgen, um noch ein paar Credits bei Gott abzustauben. Aber diese Regelwerke sind ja inhaltlich krass verschieden, schon allein deshalb, weil die Schriften zu unheimlich breiten Interpretationen herangezogen werden. Da berufen sich die Salafisten und die Taqwacores auf dasselbe Buch, obwohl die einen pseudotraditionelle Radikalfrömmler und die anderen individualistisch-westliche Muslimpunks sinds. Wenn so beliebig ist, was Gottgefälligkeit bedeuten kann und wenn von der Gewissensfreiheit (spielt ja auch in der katholischen Soziallehre durchaus eine Rolle) bis zur strikten Regelunterwerfung alles damit begründet wird, dann kommt die Variable "Gottgefälligkeit" als Kausalgrund für bestimmte psychologische Verhaltensmuster pauschal nicht in Frage.

Das stimmt nicht. Die Austauschbarkeit der Gottgefälligkeit schließt den Effekt auf die Handlung nicht aus. Wenn es eine Rechtfertigungsgrundlage ist (weil sie unantastbar für Logik und Kritik machen soll), dann kann sie auf alles angewendet werden, deswegen ist der Inhalt der gottgefälligen Motivation bedeutungslos, allein dass es irgendwie etwas mit einem Gott zu tun haben soll, reicht für den Selbstbetrug (und vielleicht für den Betrug an anderen) der gerechten, legitimen Sache.
In diesem Sinne ist Religion nicht die Erstursache, aber ein Katalysator für entsprechende Reaktionen. Das bedeutet, es existiert auch ein kausaler Zusammenhang.
Die Religiösität ist dabei kein Symptom, sondern ein Verstärker für nicht denkenwollende Menschen.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Nanna » Mi 10. Okt 2012, 16:16

Also Religion ist schlecht, ganz egal in welchem Kontext und mit welchen Auswirkungen, und zwar, weil Religiöse nicht denken können und wollen. Wenn Religiöse doch mal denken und sich kritisieren lassen, haben sie offensichtlich einen bösen Schnupfen und gehören ins Krankenhaus. Was Religiöse tun, ist de facto irrelevant, weil sie dadurch, dass sie religiös sind, ihre Handlungen, gleich welcher Art, schon verschmutzt haben.

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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 10. Okt 2012, 18:34

Nanna hat geschrieben:Also Religion ist schlecht, ganz egal in welchem Kontext und mit welchen Auswirkungen, und zwar, weil Religiöse nicht denken können und wollen.

Auch wenn das sarkastisch gemeint ist, überwiegen die Nachteile für mich und dann kann man es auch in etwa so formulieren. Du hast ja recht, wenn du dem ganzen einige positive Seiten abgewinnst, aber ein so flehlerhaftes, widersprüchliches, unlogisches und teilweise gefährliches Konzept verdient es doch nicht erhalten oder verteidigt zu werden! Egal wo es um Fortschritt geht, werden die älteren, nutzloseren oder schädlicheren Methoden nur von den Nostalgikern verteidigt, aber letztlich doch ersetzt durch etwas besseres. Schon lange gibt es auf allen Ebenen, die die Religion für sich beanspruchte, ein besseres Konzept: Sei es die Wissenschaft, sei es die Seelsorge, sei es die Politik oder wenn es unbedingt auch sein muss, die Ethik. Die Naturwissenschaften, die Politik, die Philosophie haben in jedem Bereich bessere Aantworten gefunden. Ein Auslaufmodell so zu verteidigen ist nicht rational. Kutschen waren mal was gutes, jetzt gibt es Autos, Fahrräder, die Bahn, etc.. Warum der Kutsche nicht nachweinen, aber der Religion schon? Es gibt gewiss einige Verdienste der Religion, aber ein raltionaler Mensch sollte doch eine einfache Kosten-Nutzen-Betrachtung durchführen können. Die Religion ist es nicht wert, sie aktiv zu erhalten oder zu verteidigen. Früher war Blei und Granatapfel eine Medizin für die Leber, heute ist das anders.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon stine » Mi 10. Okt 2012, 18:47

Darth Nefarius hat geschrieben:Egal wo es um Fortschritt geht, werden die älteren, nutzloseren oder schädlicheren Methoden nur von den Nostalgikern verteidigt, aber letztlich doch ersetzt durch etwas besseres. Schon lange gibt es auf allen Ebenen, die die Religion für sich beanspruchte, ein besseres Konzept: (...)sei es die Seelsorge (...)
Das musst du mir erklären!
Wie kommt die Seelsorge in die alternative Aufzählung?
Und wo, um Himmelswillen, nimmst du eine Seele her?

LG stine
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Nanna » Mi 10. Okt 2012, 19:34

Darth Nefarius hat geschrieben:Warum der Kutsche nicht nachweinen, aber der Religion schon?

Autos haben den Vorteil, dass sie gegenüber Kutschen beinahe komfortabler zu bedienen sind, wenn man bedenkt, was für Aufwand und Gestank allein die Pferdehaltung in den Hinterhöfen war. Bei Autos liegen die Vorteile derart auf der Hand, dass sich die Autos einfach durchgesetzt haben. Bei Religion ist das nicht so einfach, weil es tatsächlich Funktionen der Religion gibt, für die Philosophie und Naturwissenschaften keine hinreichende Alternative entwickelt haben. Eine philosophische Weltsicht setzt charakterliche und persönliche Fähigkeiten voraus, die nicht alle Menschen erfüllen. Diesen Menschen ist eine philosophische Weltsicht nicht nur (noch!) nicht zugänglich, sondern überfordert sie. Der aggressive religiöse Fundamentalismus tritt ja gerade bei Menschen auf, denen die Souveränität abgeht, die man für eine philosophische Weltsicht benötigt. In dein Kutschen-Bild übertragen sind manche Leute einfach nicht kompetent genug ein Auto zu fahren. Andere, wenn auch eine Minderheit, haben recht weitentwickelte oder robuste Formen der Kutsche entdeckt und empfinden den Umstieg auf das Auto als zu großen Eingriff in ihr Leben, zumal sie vielleicht ihr Pferd lieb haben. Die entscheidende Frage ist, ob man diesen Menschen ihre Kutschen madig machen oder gar wegnehmen muss, oder ob man nicht einfach akzeptieren kann, dass es Leute gibt, die Kutschen Autos gegenüber bevorzugen.

Übrigens, ganz real, die Amish fahren sowohl mit Kutschen als auch Religion insgesamt sehr gut, zumindest was bestimmte Aspekte ihrer Sozialstruktur angeht. Ich betrachte das zwar auch mit recht distanzierter Verwunderung, aber wenn's für die funktioniert, warum nicht?

Es geht mir auch nicht um eine künstliche Beatmung der Religion, aber das wäre auch eine Verkennung ihrer Vitalität. Die Religion, in dem Punkt muss ich Vollbreit vorsichtig Recht geben, bringt in ihren Communities wesentlich mehr Nachkommen hervor. Zwar scheint die Zahl der Atheisten trotzdem konstant zu bleiben, was für mich darauf schließen lässt, dass es einfach eine recht konstante Zahl an Persönlichkeitstypen in einer Population gibt, die wenig mit Religion anfangen können, aber dass wir außerhalb Ostdeutschlands im 21. Jahrhundert irgendwo die Bevölkerungsmehrheit stellen werden, halte ich für unwahrscheinlich. Also müssen wir einen modus vivendi finden.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon emporda » Mi 10. Okt 2012, 20:41

Nanna hat geschrieben:Übrigens, ganz real, die Amish fahren sowohl mit Kutschen als auch Religion insgesamt sehr gut, zumindest was bestimmte Aspekte ihrer Sozialstruktur angeht. Ich betrachte das zwar auch mit recht distanzierter Verwunderung, aber wenn's für die funktioniert, warum nicht?
Du übersiehst einen wesentlichen Punkt

Die Amishgemeinschaft existiert recht erfolgreich am Rande der Gesellschaft als geschlossene Mini-Gruppe von Außenseiterm. Sie entstammt einer Zeit, das waren die größten Städte Europas nprdlich der Alpen nach Rom Cöln mit etwa 15.000 und Soest mit 12.000 Einwohnern. Selbst eine bescheidene Großstadt wie Göttingen heute mit 130.000 Einwohnern funktioniert nicht als Amishgemeinde, von großen Metropolen mit Millionen Einwohnern gar nich zu reden.

Deswegen sind und bleiben die Amish eine Art Freakshow wie einst vor 130 Jahren die Ausstellung von Indianern bei Hagenbeck, mit dem Unterschied die Amish können ihren "Zoo" verlassen
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Nanna » Mi 10. Okt 2012, 21:14

emporda hat geschrieben:Du übersiehst einen wesentlichen Punkt

Nö, wo denn? Hab ich etwa gefordert, dass die Welt sich den Amish anschließen soll? Wie du selbst sagst, können die Amish ihre Gemeinschaft verlassen, und die, die bleiben wollen, sollen halt bleiben. Tun ja keinem was.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 10. Okt 2012, 21:32

ganimed hat geschrieben:Am Anfang redest du so: Singer ist widersprüchlich, denn wenn 1. auf 3. reduzierbar ist, kann man bei 3. nicht mehr von subjektiven Dingen reden.


Ja.

ganimed hat geschrieben:Dann weichst du aus und redest, hier wieder, so: Singer liegt falsch, weil 1. auf 3. nicht reduzierbar ist.
Du siehst den Unterschied wirklich nicht?


Doch natürlich, darum werfe ich ihm ja beide Aspekte vor. Widersprüchlich und falsch.
Streng genommen bedeutet widersprüchlich natürlich auch falsch zu sein, also müsste ich sagen, widersprüchlich und er bleibt den empirischen Beleg schuldig, ich denke, man aber klar erkennen, was ich meine.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Aber was bedeutete jetzt noch gleich „realisieren“?

Das ist für mich so trivial zu beantworten, dass ich Mühe habe, diese deine ständige Frage danach nicht als weiteres Ausweichmanöver zu bewerten. Wenn neuronale Vorgänge subjektive Vorgänge realisieren, meine ich damit natürlich das, was Singer etwa so ausdrückt: neuronale Mechanismen liegen höheren kognitiven Leistungen zugrunde.


Aber was heißt das? Gibt es nun zwischen beiden eine 1 zu 1 Entsprechung, oder zumindest eine, in der der semantische Gehalt einer Aussage vollständig in eine objektivierende neurologische Darstellung überführbar wäre? Denn darum geht es.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Der Emergenzbegriff ist widerum von mir eingeführt, da kannst Du dann schlecht sagen, mit diesem Begriff hättest Du mich widerlegt.

In der Tat, das stimmte nicht. Ich schrieb: "Das habe ich durch den Hinweis, du benennst es wohl richtig, auf die Emergenzeigenschaft widerlegt." Und das stimmt auch deshalb nicht, weil du es falsch benannt hast (wie ich jetzt nachgelesen habe, weil ich die Begriffe tatsächlich nicht drauf habe). Das was ich meinte ist nicht Emergenz, sondern einfach nur zusätzliche Eigenschaften der Reduktionselemente bzw. ihr Zusammenspiel.


Da befindest Du Dich irgendwo zwischen Emergenz und Epiphänomen.
Bei Sprache kommt aber das ins Spiel, was Du bestreitest, eine neue Qualität.
Und nicht nur eine, denn „Sprache“ hat ein breites Bedeutungsspektrum.
Zwischen Kafka und einem Volk, das nicht bis drei zählen kann, liegt für mich kein „nur ein bisschen anders“ Unterschied.

ganimed hat geschrieben:Welche Struktur wolltest du zeigen und vor allem: wieso?


Die eines Diskurses. Es geht um Perspektivübernahme, als eine Grundbedingung des Diskurses.


ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ein Hirn will nicht, ein Ich will.

Das stimmt einfach nicht.


Doch. Wollen bezeichnet eine Absicht.

ganimed hat geschrieben:Wenn das Ich sich vollständig aus dem Hirn konstituiert, dann kann man diesen Willen auch ebensogut dem Hirn zuschreiben.


Nein, nicht zu den Bedingungen der Neurobiologen. Denn die behaupten, die Sprache der 1.Person sei verzichtbar. Wer das behauptet, sollte auch drauf verzichten und wollen, ist nun unzweifelhaft ein Terminus der 1.Person.

ganimed hat geschrieben:Meine Frage wäre ja sofort: aus was besteht denn deiner Meinung nach die Ermergenz, die den Unterschied zwischen Neuronen und Bewusstsein ausmacht? Was ist genau der Unterschied und woher kommt der genau?


Aus was die Emergenz besteht ist eine Frage, die man schwer beantworten kann, weil Emergenz eine Klasse von Phänomenen beschreibt. Aus was besteht die Qualität, die Gerechtigkeit, die Müdigkeit, eine Kategorie?
Emergenz meint auf jeden Fall, dass das was entsteht nicht mehr aus den Bestandteilen selbst zu erklären ist. Oft unterscheidet man noch schwache und starke Emergenz.
Wenn man Qualitätssprünge als nichtexistent ansieht, kann man auch Emergenz ablehnen, das erscheint mir dann folgerichtig. Ich würde es halt nur prinzipiell anders sehen und könnte das auch begründen. Es geht, als Hinweis, nicht darum, ob es etwas gibt oder nicht, sondern ob wir als erkennende Wesen einen Gewinn davon haben, wenn wir z.B. eine Qualität zuschreiben.
Die reduktionistische Formel, dass alles nur Materie ist und letztlich alle Wahrheit in den Quarks liegt, taugt im Sinne des Erkenntnisgewinns einfach nichts.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon ganimed » Mi 10. Okt 2012, 22:36

Vollbreit hat geschrieben:darum werfe ich ihm ja beide Aspekte vor. Widersprüchlich und falsch.

Jetzt weichst du schon wieder aus. Es geht doch gar nicht darum, ob du ihm das beides vorwirfst. Es geht darum, dass du den ersten Vorwurf (das mit dem Widerspruch) geäußert hast, dann argumentierte ich dagegen und dann hast du einfach mal elegant zum zweiten Vorwurf gewechselt, ohne meine Argumente weiter zu beachten. Und wenn ich dir diese Reihenfolge vorwerfe, argumentierst du ausweichend, dass die Gesamtmenge aber stimmen würde. Ich gebe ja zu, dass diese Ausweichtaktik schön bequem ist, aber Resultate erzielt man auf diese Weise natürlich keine. Und wie du selber ja sogar noch mit einiger Süffisanz bilanziert, lernst du bei unseren Debatten ja auch nie was dazu. Man meint fast, das freue dich.

Vollbreit hat geschrieben:Aus was die Emergenz besteht ist eine Frage, die man schwer beantworten kann

Das ist aus meiner Sicht eine Bankrotterklärung. Wenn man ins Gehirn schaut, sieht man nur Neuronen (vereinfacht). Und wenn man einem Menschen so zuschaut, dann sieht man einen Willen. Und da liegt doch der Schluss nahe, dass also diese Neuronen diesen Willen entwickeln. Jetzt kommst du und willst das aus irgendeinem ideologischen Grund nicht wahrhaben. Für dich ist es "viel naheliegender", anzunehmen, dass es Emergenzen gibt. Wobei du aber offenbar keine Ahnung hast, woraus die bestehen. Das ist nicht rational.
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 10. Okt 2012, 22:52

ganimed hat geschrieben:Es geht darum, dass du den ersten Vorwurf (das mit dem Widerspruch) geäußert hast, dann argumentierte ich dagegen und dann hast du einfach mal elegant zum zweiten Vorwurf gewechselt, ohne meine Argumente weiter zu beachten.


Gut, dann bleiben wir beim ersten Vorwurf.
Wer sagt, die Sprache der ersten Person sei verzichtbar, sollte auf sie verzichten.
Tut er es nicht, widerspricht er sich.
Was ist Dein Gegenargument?

ganimed hat geschrieben:Das ist aus meiner Sicht eine Bankrotterklärung. Wenn man ins Gehirn schaut, sieht man nur Neuronen (vereinfacht).


Kann man vielleicht so sagen, ist aber schon schwierig.

ganimed hat geschrieben:Und wenn man einem Menschen so zuschaut, dann sieht man einen Willen.


Nein.

ganimed hat geschrieben:Und da liegt doch der Schluss nahe, dass also diese Neuronen diesen Willen entwickeln.


Nein. Das ist überhaupt kein Schluss.

ganimed hat geschrieben:Jetzt kommst du und willst das aus irgendeinem ideologischen Grund nicht wahrhaben.


Nein.

ganimed hat geschrieben:Für dich ist es "viel naheliegender", anzunehmen, dass es Emergenzen gibt.


Naheliegender als was?

ganimed hat geschrieben:Wobei du aber offenbar keine Ahnung hast, woraus die bestehen. Das ist nicht rational.


Woraus bestehen denn Deiner Meinung nach Emergenzen?
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Re: Verlangt Diskurs nach Resultat?

Beitragvon Vollbreit » Mi 10. Okt 2012, 23:06

Zappa hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben: Es könnte sein, dass bestimmte Persönlichkeitstypen sich zu einer bestimmten Auffassung von Gottgefälligkeit hingezogen fühlen, aber dann liegt das "Problem" woanders und du betreibst hier reine Symptombekämpfung.


Das sehe ich auch so. So gibt es Hinweise darauf, dass der Salafismus gewaltaffine Jugendliche (der dritten Generation), die in ihrer früheren Biographie mit Religion wenig bis gar nichts am Hut hatten, besonders anzieht. These: Gewaltaffine Individuen tendieren zu gewaltaffinen Glaubenssystemen, nicht die Glaubenssyteme machen aus den Individuen gewaltaffine. Sicher ein interessantes soziologisches Forschungsfeld.


Stimmt und ist auch schon erforscht:
Otto Kernberg hat geschrieben: „In Übereinstimmung mit Green vertrat ich die Ansicht, dass die Unfähigkeit, sich einem Wertesystem verpflichtet zu fühlen, das über Grenzen selbstsüchtiger Bedürfnisse hinausgeht, gewöhnlich eine schwere narzisstische Pathologie wiederspiegelt. Die Verpflichtung gegenüber einer Ideologie, die sadistische Perfektionsansprüche stellt und primitive Aggression oder durch konventionelle Naivität geprägte Werturteile toleriert, gibt ein unreifes Ich-Ideal und die mangelnde Integration eines reifen Über-Ichs zu erkennen. Die Identifizierung mit einer "messianischen" Ideologie und die Akzeptanz gesellschaftlicher Klischees und Banalitäten entspricht daher einer narzisstischen und Borderline-Pathologie. Dem gegenüber steht die Identifizierung mit differenzierten, offenen, nicht totalistischen Ideologien, die individuelle Unterschiede, Autonomie und Privatheit respektieren und Sexualität tolerieren, während sie einer Kollusion mit der Äußerung primitiver Aggression Widerstand leisten - all diese Eigenschaften, die das Wertesystem eines reifen Ich-Ideals charakterisieren. Eine Ideologie, welche die individuellen Unterschiede und die Vielschichtigkeit menschlicher Beziehungen respektiert und Raum für eine reife Einstellung zur Sexualität lässt, wird den Personen mit einem höher entwickelten Ich-Ideal attraktiv erscheinen. Kurz, Adorno, Green und ich stimmen darin überein, dass Ich- und Über-Ich-Aspekte der Persönlichkeit das Individuum zu übergroßer Abhängigkeit von konventionellen Werten prädisponieren. Es ist berechtigt zu sagen, dass der spezifische Inhalt des Konventionellen durch soziale, politische und ökonomische Faktoren beeinflusst wird: Die Universalität der Struktur der Konventionalität in der Massenkultur jedoch und ihre Attraktivität für die Massen sind nach wie vor erklärungsbedürftig.“
(Otto F. Kernberg, Ideologie, Konflikt und Führung, Klett-Cotta, 1998 S.297f )
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