Illusionen

Re: Illusionen

Beitragvon Pia Hut » Di 18. Sep 2012, 13:11

Darth Nefarius hat geschrieben:Das alte, immer gültige Muster ist Autorität, gesellschaftliche Schichten, Nutzende und Ausgenutzte und Idealisten, die meinen, sie hätten die Lösung für diese für sie unzufriedenstellende Situation, dabei aber auch nur anstreben die Mächtigen, die Nutzenden zu werden. Was dabei die Gesellschaftsideologie ist (Gottesgnadentum/Rassenreinheit/Gleichheit/Freiheit), spielt keine große Rolle.


Du schreibst das “alte, immer gültige Muster„ sei Autorität und weiter unten dass Ordnung Autorität erfordere „und solche die sie wollen“. Ich bemühe mich dir nicht mehr vorzuwerfen, dass das wieder furchtbar allgemein ist, weil es ja stimmt, dass die ganze Diskussion etwas daran „krankt“, dass das Thema etwas unklar/schwammig bleibt. Ich versuche mich jetzt mal auf 3 Punkte in deiner Darstellung zu beschränken. Entscheide du an welcher Stelle es lohnt speziell weiter zu machen, um dieser „Allgemeinheit“ zu entkommen.

Der 1. Punkt ist mit dem Stichwort „Autorität“ gegeben. Da frage ich mich sofort, ob du da von Machtverhältnissen (Herrschaftsverhältnissen) sprichst oder ob es schlicht darum geht, dass jemand qua Wissen und Erfahrung als Autorität auf einem bestimmten Sachgebiet angesehen wird und man dessen Rat einholt. Ich würde mir da tatsächlich genau anschauen wollen, was ich da alles in einen Topf werfe, wenn es nur um Sachwissen geht, kann ich deine allgemein gehaltenen Sätze auch durchaus unterschreiben.
„Mensch“ hat so in seiner Gattungsgeschichte diverse Gesellschaftsformen durchlaufen. Von der Biologie her ist „Mensch“ sicher eine Tierart, die kein Einzelgänger ist, sondern immer in verschiedenen Sozialformen anzutreffen war. Aber welcher Art dieser soziale Verbund (Herde, Rudel, etc.…) war, ist offenbar anders als bei den uns sonst bekannten Tierarten recht mannigfaltig und nicht immer ist da eindeutig ein „Herdenführer“ auszumachen. Die Gattung „Mensch“ hat im Vergleich zu anderen Tieren nur sehr geringfügig festgelegte Instinkte. Diese „Instinktlosigkeit“ ist einer ihrer entscheidendsten Selektionsvorteile in der Konkurrenz mit anderen Tierarten gewesen, da sie sich so mittels ihres Intellektes (statt relativ starrer Instinkte) auch an größere Umweltveränderungen anzupassen vermochte, insofern kann man schon recht allgemein auch davon sprechen, dass „Mensch“ durch seine „Anpassungsfähigkeit“ einen deutlichen Selektionsvorteil hatte. So ist es der Gattung gelungen den Planeten vollständig zu übernehmen, ohne die Konkurrenz durch andere Tierarten/Gattungen noch fürchten zu müssen. Die Gattung muss sich schon relativ lange nicht mehr gegen andere Tierarten behaupten, es geht schon lange nicht mehr darum, welche Art in einem bestimmten Gebiet die besseren Überlebenschancen hat. Diese Sache ist entschieden. Innerhalb der Gattung hat man auch konkurriert und die verschiedensten Sozialformen/Gesellschaften sind so im Verlaufe der Jahrhunderte entstanden. In Naturvölkern und frühen Zeiten soll z. B. auch das Matriachat gar nicht unbedeutend als eine „Herrschaftsform“ gewesen sein, wobei ich tatsächlich „Herrschaft“ immer dann durchstreichen würde, wenn sich die Organisation jeweils auf Sachwissen von Subjekten stütze. Ältestenräte gab es sicher auch einige, wobei es mich dann tatsächlich immer sehr interessieren würde, wie so ein Rat zustande kam, ob über Sachwissen oder über Machtmittel. Es gab in den Naturvölkern durchaus Gesellschaftsformen, die sich v.a. auf „Wissen“ zu stützen suchten und nicht auf „Machtmittel“ und es gab da in anderen Völkern auch jede Menge derbe Sitten, was auch zu erwähnen ist, um da keine Romantisiererei aufkommen zu lassen. Und wie selektiert wurde, das hing sehr davon ab, wer eben das Sagen hatte und welche Zwecke in den betreffenden Gesellschaften Gültigkeit hatten. Wenn ich mich z. B. frage wer im Mittelalter im starren Zunftwesen oder in stark religiös dominierten Gesellschaftsformen einen Selktionsvorteil hatte, so waren es vermutlich v. a. „dumme Schafe“ mit wenig Neugier, denen es dadurch leichter fiel sich unterzuordnen, die weniger „beugsamen“ wurden eben schneller einen Kopf kürzer gemacht. Und wenn da jeder gesagt hätte, das ist eben „natürliche Selektion“, dann hätte man das Mittelalter nie verlassen…(es wäre da sicher noch mehr zu sagen, aber ich will hier nicht all zu sehr ausufern – ich hoffte das Thema nur deutlicher zu umgrenzen)

Der 2. Punkt an den ich denke, dreht sich etwas um „determiniert oder nicht“ – da es da schon einen Thread dazu gibt, würde ich das eher knapp halten wollen und nicht so in den Mittelpunkt rücken, was mir selbst nicht leicht fällt, da sich unsere Diskrepanzen z.T. offenbar daraus nähren. Wenn man sagt „determiniert“, dann behauptet man doch es gäbe einen hinter allem liegenden „Plan“ auf den man festgelegt sei. Wenn ich wissen will worin ich den nun so furchtbar festgelegt bin, bekomme ich vermutlich nur zur Auskunft, der Plan sei mit meinem Intellekt nicht zu fassen. Dann ist er mir aber auch reichlich egal, genauso wenig wie ein Plan Gottes, interessiert mich ein biologischer Plan, der hinter allem wirken soll, wenn dieser meinem Intellekt nicht zugänglich sei, dann ist es praktisch erst mal höchst gleichgültig ob ich daran „glaube“ oder nicht, dass ein Plan wirkt, bleibt die bloße Behauptung eines anderen Menschen. Und einer Behauptung, die sich auf das „Nichtwissen“ zurückzieht, kann ich auch rein logisch nichts abgewinnen.
Die Tatsache, dass man zweifelt und dass man viele Dinge nicht weiß, sind mir nur ein Grund meinen Verstand umso mehr anzustrengen und mich nie auf dem vorhandenen Wissen auszuruhen, aber keine Bestätigung, dass man eigentlich nichts wissen kann, warum sollte man sich da überhaupt irgendwelchen geistigen Mühen unterziehen. Dass man es für eine tolle Errungenschaft hält „Zweifel“ hochleben zu lassen, finde ich eigenartig. Nachdem ich das Kindesalter verlassen hatte, fand ich den Satz „ich weiß, dass ich nichts weiß“ zunächst auch recht befreiend. Ich denke es liegt daran, dass man im Aufwachsen häufig mit Autoritäten konfrontiert ist, die einem ihr fadenscheiniges Wissen als der Weisheit letzter Schluss verkaufen. Da ist es dann erst mal erfreulich zu hören, dass sich so ziemlich alles hinterfragen lässt und es keine „ewigen Wahrheiten“ gibt. Wiewohl ich bei den vielen Entscheidungen, die einem der Alltag regelmäßig abverlangt werden oft diverse Zweifel bei habe, halte ich es heute nicht mehr für eine tolle Sache den „Zweifel“ zu feiern (er ist eigentlich immer v. a. lästig). Auf dem Zweifel herumzureiten dient auch „Herrschaftsinteressen“ (dem Erhalt eines status quo). Wer würde sich schon zu irgendwelchen Taten aufraffen, um etwas zu ändern, wenn er ständig herumzweifelt. Ein Gedanke, der mal dazu gedacht war die behauptete Definitionshoheit von autoritären Herrschaften anzuzweifeln, ist in libertäreren Herrschaftsformen zur Stillhalteparole mutiert.

Zum 3. Punkt: Mir war durchaus bewusst das „Verantwortung und Entschuldigung“ als Kategorie normalerweise zu den moralischen Urteilen gehören, die ich auch nicht so brauchbar finde. Es war eine begriffliche Bequemlichkeit, dass ich sie verwendet habe. Du sprichst davon, dass „Vertrauen keine moralische Größe“ sei sondern „ein emotionales Gebilde in Beziehungen“. In dem Sinne habe ich auch bei Verantwortung/Entschuldigng etwas bequem gedacht. „Mensch“ hat nicht selten ein ausgeprägtes (Eigen-) Interesse am Austausch und Zusammensein mit anderen Menschen. Wie erquicklich und erfreulich das abläuft, wie weit das eigene Interesse befriedigt wird, hängt schon etwas davon ab, wieweit man da auf „Gegenseitigkeit“ trifft. (Und ich bin im Moment sehr am Zweifeln, wie ich das am treffendsten formuliere). Ich richte tatsächlich auch Ansprüche und Erwartungen an ein anderes Subjekt (was ich trotz einer Art „Sollen“, die man da wohl reinlesen kann, nicht moralisch finde, weil ich damit keinerlei Allgemeingültigkeit beanspruche, sondern nur über mein Interesse informiere und wissen will, ob das eben geteilt wird). Ich erwarte da z. B., dass ich mich da in irgendeiner Weise darauf verlassen kann, was einer sagt, dass er nicht morgen das Gegenteil behauptet mit dem Argument es war nur ein Witz (natürlich kann man sein Urteil auch durchaus ändern, wenn man es mit neuem Wissen angereichert hat). Und gesagte Dinge sind nicht belanglos – ich werfe jemandem deshalb z.B. keine gedankenlosen Beleidigungen an den Kopf und meine er hätte es morgen wieder vergessen. Ich habe z.B. auch selbst den Wunsch für jemanden verlässlich zu sein , wenn mir z.B. an ihm liegt (dafür verwende ich u.a. den Verantwortungsbegriff) . Wenn ich seine Interessen beschädige und das nicht gewollt habe, würde ich mich zur Klarstellung auch „entschuldigen“,. Wenn du sagst du seist „manipulativ“, dann komme ich mir etwas blöd vor mich noch um ernsthafte Antworten zu bemühen. Ich kann das noch akzeptabel finden, wenn man in beruflichen Zwängen steckt und da kaum noch Bewegungsfreiheit hat, dass man auf manipulative Mittelchen als Notbehelf zurückgreift, aber ich verstehe nicht, wie es im eigenen Interesse (u.a. am Wissensaustausch mit anderen Menschen) liegt. Ich kenne viele Menschen, die sehr manipulativ drauf sind, insbesondere einige „Weibchen“ und mit denen meide ich eigentlich gewöhnlich den Kontakt in meinen sehr egoistischen Eigeninteressen. Es macht mich aber neugierig, warum du das ansprichst, das passt normalerweise nicht ins Muster, wenn man manipulieren will, ist es ja geschickter, wenn andere das nicht merken, also wozu ist das gut und warum in deinem Interesse?
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Re: Illusionen

Beitragvon stine » Sa 22. Sep 2012, 17:10

Und wo isser jetzt, unser Darth? :ka:

Zehn Tage ohne Beiträge im Schnellschussverfahren!
Muss wohl mal ein bisserl pausieren und durchatmen, der Arme.

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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » So 23. Sep 2012, 12:35

Nanna hat geschrieben:Wie du dich windest, um in deiner sinnlosen Welt doch irgendwo noch einen Fetzen Autonomie und Selbstbestimmung zu ergattern. Göttlich.

Das tun wir doch alle, nicht wahr? Ich sehe nur ein, dass ich mich nur winde. Wenn ich eine Illusion für wahr nehme, macht mich das nicht freier als vorher. Ich betrachte eure lächerlichen Rechtfertigungen und Bewertungen der eigenen Situation als winden.
stine hat geschrieben:Und wo isser jetzt, unser Darth? :ka:

Zehn Tage ohne Beiträge im Schnellschussverfahren!
Muss wohl mal ein bisserl pausieren und durchatmen, der Arme.

keine Angst, die dunkle Seite ist immer bei euch. :veg: Das Studium kann einen auch mal 10 Stunden täglich beanspruchen, da kann einem nur noch das müde "aufs Bett fallen und atmen" als "Freizeit" übrig bleiben. Hier bin ich, böser, gottloser als vorher mit neuem Avatar.
Nun zu dem ernsthaftem Beitrag:
Pia Hut hat geschrieben:Du schreibst das “alte, immer gültige Muster„ sei Autorität und weiter unten dass Ordnung Autorität erfordere „und solche die sie wollen“. Ich bemühe mich dir nicht mehr vorzuwerfen, dass das wieder furchtbar allgemein ist, weil es ja stimmt, dass die ganze Diskussion etwas daran „krankt“, dass das Thema etwas unklar/schwammig bleibt.

Ich bin doch ziemlich konkret geworden. Oder kannst du mir ein System nennen, das ohne Autorität funktioniert? Es mag allgemeingültig sein, aber dadurch nicht schwammig. Dieser Fakt sagt uns vieles über die menschliche Natur. Und was würde es nebenbei bringen, alle möglichen Beispiele für autoritäre System aufzuzählen? Ist es für dich wirklich so unglaublich, dass ein Teil der Gesellschaft Macht anstrebt, der andere sich fügt? Es ist mir eine zu offensichtliche Wahrheit, um das belegen zu müssen.
Pia Hut hat geschrieben:Der 1. Punkt ist mit dem Stichwort „Autorität“ gegeben. Da frage ich mich sofort, ob du da von Machtverhältnissen (Herrschaftsverhältnissen) sprichst oder ob es schlicht darum geht, dass jemand qua Wissen und Erfahrung als Autorität auf einem bestimmten Sachgebiet angesehen wird und man dessen Rat einholt.

Da solltest du Herrschaft abstrakter betrachten: Ein Wesir kann einem 10 jährigen Scheich alles ins Ohr flüstern, was er will. Offiziell ist er nicht die Autorität, aber durch sein Fachwissen, seine wichtige Meinung hat er technisch gesehen die Macht. Also kann man nicht so einfach Macht von Wissen und Erfahrung trennen. Wissen IST Macht, es verschafft Autorität. Ich unterscheide nicht zwischen Autorität durch Wissen oder durch Herrschaft. beides ist eine Macht, die ein gewisses Maß an Kontrolle über andere bietet.
Pia Hut hat geschrieben: Von der Biologie her ist „Mensch“ sicher eine Tierart, die kein Einzelgänger ist, sondern immer in verschiedenen Sozialformen anzutreffen war. Aber welcher Art dieser soziale Verbund (Herde, Rudel, etc.…) war, ist offenbar anders als bei den uns sonst bekannten Tierarten recht mannigfaltig und nicht immer ist da eindeutig ein „Herdenführer“ auszumachen.

Von außen vielleicht nicht, aber was ist denn die alternative Erklärung für die Ordnung innerhalb des Rudels? Dass sie alle gleichberechtigt sind? :lachtot:
Nein, wenn man genau hinschaut, ist immer mindestens eine Autorität festzumachen. Wenn es mehrere sind, dann ist es genaugenommen nicht eine einzelne Gruppierung. So ist es z. Bsp. mit der Politikerklasse: Sie ist genaugenommen keine eigene Gruppe, sondern ein Verbund an Gruppen, da sie ihre einzelnen Autoritäten besitzen, um die sich Parteien formen (die eigentlichen Gruppen).
Pia Hut hat geschrieben:Die Gattung „Mensch“ hat im Vergleich zu anderen Tieren nur sehr geringfügig festgelegte Instinkte. Diese „Instinktlosigkeit“ ist einer ihrer entscheidendsten Selektionsvorteile in der Konkurrenz mit anderen Tierarten gewesen,

Na, eine billige Unterschlagung der eigenen Feststellung: Du sagst zuerst, dass wir wenn auch nur geringfügig festgelegte Instinkte haben, dann fährst du dem widersprechend mit "Instinktlosigkeit" fort. Abgesehen davon sehe ich das anders. Wir sind genauso festgelegt wie andere Tiere bezüglich unserer Instinkte, unser Vorteil ist, dass wir die Befriedigung dieser variieren können, unsere Vorgaben interpretieren und damit unterschiedliche Lösungen finden. Dabei haben wir die gleichen Bedürfnisse nach z.Bsp. Nahrung. Wir gehen nur nicht mehr auf die Jagd oder Beeren pflücken, sondern systematisieren die Nahrungsbeschaffung, führen Viehzucht und Landwirtschaft ein, kanalysieren unseren Wunsch nach Nahrung, unsere Triebe. Wir sind nicht frei von Trieben oder instinktloser, sondern sind fähig zur Interpretation dieser. Der Instinkt ist kein festes Programm, sondern eine Ausschüttung von Hormonen bei bestimmten Reizen, die zu einer spezifischen Reaktion führen sollen (z.Bsp. läuft uns das Wasser im Munde bei einem schönen Steak genauso im Munde zusammen wie einem Hund, aber wir fallen nicht gleich übers Steak her, sondern reflektieren dieses Bedürfnis und versuchen uns bei der Befriedigung des Hungers abszusichern, fragen höflich nach dem Steak oder bezahlen dafür).
Pia Hut hat geschrieben: In Naturvölkern und frühen Zeiten soll z. B. auch das Matriachat gar nicht unbedeutend als eine „Herrschaftsform“ gewesen sein, wobei ich tatsächlich „Herrschaft“ immer dann durchstreichen würde, wenn sich die Organisation jeweils auf Sachwissen von Subjekten stütze.

Warum durchstreichen? Wenn eine Meinung und nicht ein Befehl zum gleichen Resultat fürht (macht), dann ist es eine Herrschaft, ein Zwang. Manipulation funktioniert genau so. Ich betrachte Manipulation als schleichende Herrschaft.
Pia Hut hat geschrieben:Es gab in den Naturvölkern durchaus Gesellschaftsformen, die sich v.a. auf „Wissen“ zu stützen suchten und nicht auf „Machtmittel“ und es gab da in anderen Völkern auch jede Menge derbe Sitten, was auch zu erwähnen ist, um da keine Romantisiererei aufkommen zu lassen.

Wissen ist ein Machtmittel. Deswegen gibt es Nachrichtendienste, Jorunalismus, Internet.
Pia Hut hat geschrieben:Und wie selektiert wurde, das hing sehr davon ab, wer eben das Sagen hatte und welche Zwecke in den betreffenden Gesellschaften Gültigkeit hatten.

Nein, das hing nur in Details von der Autorität ab. Wenn die Autorität eine schlechte, unfitte Präferenz hatte, konnte die Gruppe nicht lange überleben. Über der Autorität steht nocht der Sieb der immergültigen Selektion nach Nutzen. Damit konnten sich nur Gruppen durchsetzen, die sich mit dem äußeren Rahmen der natürlichen Slektion in ihrer Auswahl deckten.
Pia Hut hat geschrieben:Wenn ich mich z. B. frage wer im Mittelalter im starren Zunftwesen oder in stark religiös dominierten Gesellschaftsformen einen Selktionsvorteil hatte, so waren es vermutlich v. a. „dumme Schafe“ mit wenig Neugier, denen es dadurch leichter fiel sich unterzuordnen, die weniger „beugsamen“ wurden eben schneller einen Kopf kürzer gemacht.

... und die Herrscher, der Klerus mit seinen Bastarden (mein ehemaliger Avatar ist so einer gewesen), genauso wie der Adel, der seine Leibeigenen so behandelt hat, wie es ihm beliebte. Dadurch hat sich immer eine kleine Gruppe an Autoritäten erhalten. Eine Art Symbiose.
Pia Hut hat geschrieben:Und wenn da jeder gesagt hätte, das ist eben „natürliche Selektion“, dann hätte man das Mittelalter nie verlassen…(es wäre da sicher noch mehr zu sagen, aber ich will hier nicht all zu sehr ausufern – ich hoffte das Thema nur deutlicher zu umgrenzen)

Unsinn, eine naive Behauptung, die von keinem Verständnis der Evolution zeugt. Evolution hat nie nur eine Lösung, deswegen gibt es Weiterentwicklungen, Diversitäten.
Pia Hut hat geschrieben:Der 2. Punkt an den ich denke, dreht sich etwas um „determiniert oder nicht“ – da es da schon einen Thread dazu gibt, würde ich das eher knapp halten wollen und nicht so in den Mittelpunkt rücken, was mir selbst nicht leicht fällt, da sich unsere Diskrepanzen z.T. offenbar daraus nähren. Wenn man sagt „determiniert“, dann behauptet man doch es gäbe einen hinter allem liegenden „Plan“ auf den man festgelegt sei.

Nein, das wird Schicksal genannt. Determinismus ist quasi die willenlose (/gottlose?) Variante von Fatalismus. Deswegen ist die Determination unter Naturwissenschaftlern salonfähiger als Fatalismus.
Pia Hut hat geschrieben: Wenn ich wissen will worin ich den nun so furchtbar festgelegt bin, bekomme ich vermutlich nur zur Auskunft, der Plan sei mit meinem Intellekt nicht zu fassen.

Es gibt keinen Plan, und du bist in so ziemlich allem festgelegt in einem kausal funktionierendem Universum, wo alles seine Ursache hat (Ursachen haben spezifische Wirkungen, sie determinieren die Wirkung). Du kannst schon versuchen, es zu fassen, ich versuche es auch, jeder Naturwissenschaftler versucht das. Aus Determination muss nicht Resignation folgen.
Pia Hut hat geschrieben:Dann ist er mir aber auch reichlich egal, genauso wenig wie ein Plan Gottes, interessiert mich ein biologischer Plan, der hinter allem wirken soll, wenn dieser meinem Intellekt nicht zugänglich sei, dann ist es praktisch erst mal höchst gleichgültig ob ich daran „glaube“ oder nicht, dass ein Plan wirkt, bleibt die bloße Behauptung eines anderen Menschen.

Die Biologie ist kein Gott, ich rede von Mustern, Naturgesetzen, die sich erklären, beweisen und herleiten lassen. Und bei der Evolution und Selektion ist dies schon geschehen, sie ist ein anerkanntes Konzept.
Pia Hut hat geschrieben: Und einer Behauptung, die sich auf das „Nichtwissen“ zurückzieht, kann ich auch rein logisch nichts abgewinnen.

Das ist auch in Ordnung so, nur zieht sich die Evolution oder Determination nicht auf das Nichtwissen zurück. Es scheint mir vielmehr dein Nichtwissen zu sein, auf das sich das Problem zurückzieht. Lies ein gutes Buch zur Evolution (nicht Dawkins Werke, die leider manchmal einen unsachlichen Aspekt haben).
Pia Hut hat geschrieben:Die Tatsache, dass man zweifelt und dass man viele Dinge nicht weiß, sind mir nur ein Grund meinen Verstand umso mehr anzustrengen und mich nie auf dem vorhandenen Wissen auszuruhen,

Das Credo eines Naturwissenschaftlers.
Pia Hut hat geschrieben: ....aber keine Bestätigung, dass man eigentlich nichts wissen kann,

Richtig. Die Bestätigung erhält man, wenn das eigene "Wissen" widerlegt wird, wenn die Gewissheit wankt, wenn sich neue Fragen und Widersprüche auftun. Und das passiert unweigerlich, wenn man konsequent mit dem ersten Grundsatz vorgeht. Fragen, fragen, fragen.... Es wird immer eine weitere Frage möglich sein, wenn man wissbegierig ist. Und nie kann man sich sicher sein, dass die Antworten, auf denen die neuesten Fragen basieren, die richtigen sind, da sie ja Fragen aufwerfen.
Pia Hut hat geschrieben: warum sollte man sich da überhaupt irgendwelchen geistigen Mühen unterziehen.

Man muss gar nichts. Entweder ist man ein geistig fauler Mensch oder man fragt sich immer etwas. Der Zweifel ist auch eine Form der Frage, Fragen resultieren aus Wissenshunger, Neugier.
Pia Hut hat geschrieben: Dass man es für eine tolle Errungenschaft hält „Zweifel“ hochleben zu lassen, finde ich eigenartig.

Wenn du genau über den Wissenshunger nachdenkst, dann ist Zweifel als fragende, skeptische Eigenschaft die logische Konsequenz aus Wissenshunger, den du für dich beanspruchst.
Pia Hut hat geschrieben:Nachdem ich das Kindesalter verlassen hatte, fand ich den Satz „ich weiß, dass ich nichts weiß“ zunächst auch recht befreiend. Ich denke es liegt daran, dass man im Aufwachsen häufig mit Autoritäten konfrontiert ist, die einem ihr fadenscheiniges Wissen als der Weisheit letzter Schluss verkaufen. Da ist es dann erst mal erfreulich zu hören, dass sich so ziemlich alles hinterfragen lässt und es keine „ewigen Wahrheiten“ gibt. Wiewohl ich bei den vielen Entscheidungen, die einem der Alltag regelmäßig abverlangt werden oft diverse Zweifel bei habe, halte ich es heute nicht mehr für eine tolle Sache den „Zweifel“ zu feiern (er ist eigentlich immer v. a. lästig).

Dann bist du nicht wissbegierig in letzter Konsequenz. Wenn du wirklich meinst, dass man sich nicht auf Unwissen ausruhen dürfe, würden dir immer wieder Fragen und damit Zweifel kommen. Das mag für einige lästig sein, aber ich betreibe das als Hobby, kann ziemlich gut damit umgehen. Dass etwas "lästig" ist, ist kein Argument. Dass der Atheismus für Gläubige lästig ist, ist kein Grund, dem Atheismus seine Existenzberechtigung abzusprechen. Manche Dinge sind nunmal unangenehm. Das lernt man auch, wenn man aus dem Kindesalter raus ist( nicht nur körperlich, sondern auch geistig).
Pia Hut hat geschrieben:Auf dem Zweifel herumzureiten dient auch „Herrschaftsinteressen“ (dem Erhalt eines status quo).

Unsinn. Der Zweifel kann genausogut die Herrschaft infrage stellen, das tut er sogar eher als ersteres. Ein zweifelnder Geist ist der Gegner jeder Diktatur, deswegen gibt es Gleichschaltung, das Verkaufen einer Wahrheit, dessen Infragestellung unter Strafe gestellt wird.
Pia Hut hat geschrieben:Wer würde sich schon zu irgendwelchen Taten aufraffen, um etwas zu ändern, wenn er ständig herumzweifelt.

Wer würde sich zu irgendwelchen Taten aufraffen, wenn er nicht am System zweifelt?
Pia Hut hat geschrieben:Zum 3. Punkt: Mir war durchaus bewusst das „Verantwortung und Entschuldigung“ als Kategorie normalerweise zu den moralischen Urteilen gehören, die ich auch nicht so brauchbar finde. Es war eine begriffliche Bequemlichkeit, dass ich sie verwendet habe. Du sprichst davon, dass „Vertrauen keine moralische Größe“ sei sondern „ein emotionales Gebilde in Beziehungen“. In dem Sinne habe ich auch bei Verantwortung/Entschuldigng etwas bequem gedacht.

Ach, dann erklär mir doch, inwiefern Vertauen denn von mir bequem definiert wurde und es eine moralische Größe ist?
Pia Hut hat geschrieben: Wenn du sagst du seist „manipulativ“, dann komme ich mir etwas blöd vor mich noch um ernsthafte Antworten zu bemühen.

Dann nimm nicht alles so bierernst. Du kannst nunmal nie wissen, ob ich oder andere etwas wirklich ernst meinen. Du kannst mir zwar vorwerfen, dass ich damit eine Illusion zerstöre, oder dir Unbehagen bereite, aber damit kann ich leben. Ich werfe niemandem vor, mit einer überzeugenden Position mit Unbehagen zu bereiten. Wenn es mich übezeugt, dann will ich eher verstehen, warum es mir gleichzeitig Unbehagen bereitet (Zweifel?).
Pia Hut hat geschrieben: Ich kann das noch akzeptabel finden, wenn man in beruflichen Zwängen steckt und da kaum noch Bewegungsfreiheit hat, dass man auf manipulative Mittelchen als Notbehelf zurückgreift, aber ich verstehe nicht, wie es im eigenen Interesse (u.a. am Wissensaustausch mit anderen Menschen) liegt.

"Berufliche Zwänge" fallen nur unter eigene Interessen. Der eigene Nutzen hört nicht vor dem Gehaltscheck auf, Nutzen kann abstrakt betrachtet werden und somit können sich Interessen über den Beruf hinaus ausweiten. Ich erkenne nicht, warum man nur im Beruf manipilieren dürfe.
Pia Hut hat geschrieben:Ich kenne viele Menschen, die sehr manipulativ drauf sind, insbesondere einige „Weibchen“ und mit denen meide ich eigentlich gewöhnlich den Kontakt in meinen sehr egoistischen Eigeninteressen. Es macht mich aber neugierig, warum du das ansprichst, das passt normalerweise nicht ins Muster, wenn man manipulieren will, ist es ja geschickter, wenn andere das nicht merken, also wozu ist das gut und warum in deinem Interesse?

Ich habe keinen Nutzen davon, dich zu manipulieren. Aber vielleicht ist dieses Eingeständnis doch auch nur Manipulation? Wer weiß.
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Re: Illusionen

Beitragvon Nanna » So 23. Sep 2012, 22:36

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn ich eine Illusion für wahr nehme, macht mich das nicht freier als vorher.

Ironischerweise sind sich über die wahrscheinlich existente Determiniertheit alle hier ziemlich illusionslos klar. Keiner nimmt Willensfreiheit in deinem Sinne als wahr an, im Gegenteil, die Determination wird ja bewusst in das Modell des Kompatibilismus eingebaut. Ich kann das vermutlich kaum so darstellen und belegen, dass du es akzeptieren könntest, aber ich sehe es so, dass ich determiniert und frei gleichzeitig bin.

Da wir da wahrscheinlich nicht auf einen Nennen kommen, können wir uns ja jetzt zurücklehnen und gegenseitig für unsere Illusionen bemitleiden. ;-)
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 24. Sep 2012, 12:49

Nanna hat geschrieben:Ironischerweise sind sich über die wahrscheinlich existente Determiniertheit alle hier ziemlich illusionslos klar.

Auch wenn das nach dem Wortlaut so aussieht, so spricht einiges dagegen. Wenn hier tatsächlich alle die Determiniertheit konsequent annehmen würden, hätte doch für niemanden das Wort Freiheit als andere Form von Determination doch überhaupt keine Bedeutung. Es wäre eine nur etwas angenehmere Art. Aber wenn dieser angenehme Aspekt durch meine Bewertung wegfällt, bin ich durch meine differenziertere Wahrnehmung paradoxerweise nach euren Definitionen unfreier. Deswegen (und wegen der vielen anderen Gründe, die ich teilweise 10 mal genannt habe) halte ich 1. eure kompatibilistische Position für Unfug, 2. kaufe ich euch nicht ab, dass ihr den Determinismus konsequent definiert.
Nanna hat geschrieben: Keiner nimmt Willensfreiheit in deinem Sinne als wahr an, im Gegenteil, die Determination wird ja bewusst in das Modell des Kompatibilismus eingebaut.

Es wurde versucht, das Ergebnis ist für mich Unsinn.
Nanna hat geschrieben: Ich kann das vermutlich kaum so darstellen und belegen, dass du es akzeptieren könntest, aber ich sehe es so, dass ich determiniert und frei gleichzeitig bin.

Da wir da wahrscheinlich nicht auf einen Nennen kommen, können wir uns ja jetzt zurücklehnen und gegenseitig für unsere Illusionen bemitleiden. ;-)

Ich empfinde kein Mitleid, sondern nur Erstaunen über diese Unwill, etwas zu verstehen.
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Re: Illusionen

Beitragvon Nanna » Mo 24. Sep 2012, 23:41

Darth Nefarius hat geschrieben:...meine differenziertere Wahrnehmung...

Seltsam, ich dachte, dass du derjenige bist, der hier alles auf ein Schwarz-Weiß-Schema runterbricht, während einige andere inklusive mir die Graustufen nicht so einfach aufgeben wollen. Aber vermutlich ist man in der Eigenwahrnehmung einfach immer derjenige mit der differenziertesten Wahrnehmung. Hilft manchmal, sich ein bisschen zurückzunehmen, und sich klar zu machen, dass diese Wahrnehmung von außen betrachtet vermutlich etwas relativer zu sehen wäre, á la...
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Re: Illusionen

Beitragvon stine » Di 25. Sep 2012, 06:44

Ich denke, dass im wirklichen Leben die Denkblase nur zwei von den fünf dargestellten Strichmännchen aufgeht.

:mg: stine
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Di 25. Sep 2012, 15:50

Nun, meine Seitenhiebe sind manchesmal sehr dezent. Ich habe erwartet, dass Nanna diese noch versteht, da habe ich mich geirrt. Aber mal im Ernst: Was du mir weißmachen willst, ist dem Soliphismus nicht unähnlich. Ich kann in das Gegenüber reinprojizieren, was ich will. Wenn ich ein Optimist bin, dann gehe ich davon aus, wie du, dass sie sich tatsächlich auch gedanken machen können, wenn nicht, dass sie vielleicht nur Einbildung sind. Woher wenn nicht durch Worte und Gedankengänge soll ich wissen, wer eine differenzierte Wahrnehmung hat und wer nicht? Nach dem, was ich bis jetzt gelesen habe, bestätigt sich meine erste Annahme.
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Re: Illusionen

Beitragvon Nanna » Di 25. Sep 2012, 21:31

Sich selbst als jemanden mit einer überlegenen Wahrnehmung zu beschreiben aufgrund von Gedankengängen, die man selber hat, ist weitestgehend selbstreferenziell. Das ist dem Solipsismus durchaus nahe, da gebe ich dir Recht. ;-)

Übrigens, "dezent" würde ich deinen Stil jetzt über weite Strecken nicht unbedingt nennen. :cough:
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 26. Sep 2012, 13:22

Nanna hat geschrieben:Sich selbst als jemanden mit einer überlegenen Wahrnehmung zu beschreiben aufgrund von Gedankengängen, die man selber hat, ist weitestgehend selbstreferenziell.

Alles andere ist auch selbstreferenziell. Genauso wie zu glauben, dass die anderen eine ebenbürtige Wahrnehmung hätten, obwohl man keinen Hinweis darauf hat.
Nanna hat geschrieben:Das ist dem Solipsismus durchaus nahe, da gebe ich dir Recht. ;-)

Nein, du gibst dir selbst recht. Ich habe diesen Vorwurf auf deine Sichweise zurückgegeben.
Nanna hat geschrieben:Übrigens, "dezent" würde ich deinen Stil jetzt über weite Strecken nicht unbedingt nennen. :cough:

Ach was!
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Re: Illusionen

Beitragvon Nanna » Mi 26. Sep 2012, 19:55

Darth Nefarius hat geschrieben:Genauso wie zu glauben, dass die anderen eine ebenbürtige Wahrnehmung hätten, obwohl man keinen Hinweis darauf hat.

Hältst du dich wirklich für so überlegen? Ist eine ernstgemeinte Frage.
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 26. Sep 2012, 20:57

Eine ehrliche Antwort: Gegenüber den meisten, ja. Wenn ich eine offensichtliche Unterlegenheit meinerseits feststelle, dann nehme ich das aber auch zur Kenntnis und versuche diesen Zustand zu beheben, ich leugne auch meine gelegentliche (seltene) Unterlegenheit nicht. Diejenigen, die mich kennen, werden bestätigen, dass ich ihnen ein "haha, ich bin besser als du" zugestehe, wenn sie es sind. Das geschieht aber sehr selten.
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Re: Illusionen

Beitragvon Nanna » Mi 26. Sep 2012, 21:32

Wenn ich mir noch eine Frage erlauben darf: Auf welche Bereiche deiner Persönlichkeit bezieht sich diese angebliche Überlegenheit? Also, sprechen wir nur über Verstandesfragen, oder hältst du dich auch in eher emotional besetzten zwischenmenschlichen Vorgängen für besonders kompetent?
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Do 27. Sep 2012, 10:33

Ich bin wohl nicht besonders umgänglich, das gebe ich zu. Andererseits polarisiere ich, manche Menschen mögen mich sehr. Man kann es nie allen recht machen, deswegen halte ich die "zwischenmenschliche Kathegorie" für unsinnig, außer man ist ein Sykophant, der mit jedem umgehen kann.
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Re: Illusionen

Beitragvon Pia Hut » Mo 15. Okt 2012, 13:46

Ein paar Sätze will ich schon noch loslassen auch wenn es aus beruflichen Gründen etwas länger gedauert hat bis ich wieder Zeit zum Schreiben fand.
Ich sehe den Unterschied zwischen Determinismus und "Schicksal" inhaltlich einfach gar nicht. Mir erscheint das wie synonyme Begriffe für dieselbe Sache ob man sagt etwas sei festgelegt/determiniert oder ob man sagt es war "vorherbestimmt" - worin besteht da der sachliche Unterschied? Bei „determiniert“ frage ich mich auch unweigerlich worauf bzw. worin man denn festgelegt sei? (was ist der Inhalt des Festgelegtseins) - wenn es kein Plan ist wie beim Schicksal, was ist es denn dann? Und würdest du den "Schicksalsgedanken" eigentlich kritisieren?
Es stimmt natürlich, dass wenige Instinkte und instiktlos nicht dasselbe ist. Ich habe mich in der Tat auch gefragt ob der Instinktbegriff beim Menschen überhaupt so richtig angebracht ist, weil da über den Intellekt eben eine neue Qualität hereinkommt. Mich wundert umgekehrt etwas die "Gleichmacherei", die du da zu verfolgen scheinst. Wo liegt denn da der Erkenntnisgewinn, wenn man sagt die Gattung Mensch sei nichts anderes als andere Tiere auch? Bei jeder Gattung interessieren einem bei der Erklärung doch v.a. deren Besonderheiten und nicht das "Allgemeine", das auf den ersten Blick leicht zu erkennen ist. Dass es Tieren und Menschen gemeinsam ist z.B. Hunger zu haben, will mir als sehr oberflächliche, belanglose Erkenntnis erscheinen - oder übersehe ich da irgendein Erkenntnisinteresse? Interessant wird es doch erst da wo wir nicht einfach „über das Steak herfallen“….
Was Nana als Schwarz-weiß-Malerei bei Darth charakterisiert, würde ich eher als das Aufmachen falscher Gegensätze beschreiben - du siehst ein Entweder-oder, wo das gar nicht die eindeutige Alternative ist. Ich versuche es mit einem Beispiel zu erläutern, das in dieser Debatte schon etwas älter ist aber unter dem Stichwort "Autorität" eigentlich immer noch Thema. Mich irritiert das "Menschenbild" von dem du offenbar auszugehen scheinst, wobei ich zugeben muss, dass ich es auch noch nicht ganz klar sehe. Teilst du unsere Gattung allen Ernstes in "geborene Führer" und Gefolgsleute ein, der Eindruck kam bei mir jedenfalls so an? Nachdem ich versuchte dich darauf hinzuweisen, dass das eine eigenartige Schablone ist, die du da heranziehst, stellst du mir die Frage ob ich denn als Führungsnatur geboren sei , obwohl ich doch gerade diesen Beurteilungsmaßstab als untauglich kritisierte. Umgekehrt nun meine Frage.: Vermutlich hältst du dich ja dann selbst für so was wie eine Führungsnatur (?) - hast du dir aber auch schon mal die Frage gestellt, ob du überhaupt führen willst, was soll denn daran so erstrebenswert sein. Ich würde mal von mir behaupten, dass ich zwar nicht das geringste Problem damit habe andere zu führen, wenn sie sich nicht auskennen, aber das finde ich eher lästig - ich arbeite schon sehr viel lieber mit Leuten zusammen, denen Hierarchien auch verdammt egal sind und die sich auf sachliche Inhalte zu konzentrieren wissen und nicht auf einem "Anerkennungstrip" sind und einen "Leiter" brauchen vor dem sie sich profilieren können.
Und im Hinblick auf Autoritäten denke ich schon, dass es für die Interessen eines Subjektes einen erheblichen Unterschied ausmacht, ob man da in einem institutionalisierten Abhängigkeitsverhältnis steht, man es sich also z.B. nur schlecht leisten kann eine Anweisung seines „Chefs“ zu ignorieren (auch wenn man die blöd findet) ohne eine Abmahnung zu riskieren und damit den Lebensunterhalt seiner Familie aufs Spiel zu setzten oder ob man von einer Autorität im Wissen spricht. Wenn mir z.B. ein Handwerker das Fachwissen voraus hat, dann kann ich es dennoch riskieren meine Wand auf eine etwas unorthodoxe Weise zu verputzen und die handwerkliche Autorität zu ignorieren, wenn ich die Einwände die er bringt nicht logisch nachvollziehbar finde sondern sie sich z.B. eher Handwerkersitten verdanken. Und natürlich gehe ich damit das Risiko ein, dass der Putz wider runterkommt (niemand behauptet, dass man naturwissenschaftliche Gegebenheiten einfach ignorieren könnte), dennoch liegt diese Entscheidung sehr viel mehr in meiner persönlichen Abwägung. …
Und ja, zu "bierernst" bin ich manchmal auch, v.a. wenn mir etwas zu sehr in Richtung Selbstdarstellerei zu gehen scheint, reagiere ich vermutlich etwas "überempfindlich". Ich fand es eigentlich recht spannend mal mit jemandem zu diskutieren, der von Moral auch nichts hält. Häufig habe ich in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass selbst Moralkritiker doch schnell wieder auf die Moral in Form der Ethik zurückgreifen, weil sie meinen ohne sie ginge es eben nicht. Und ich sah mich in vielen Debatten auch mit solchen Vorurteilen konfrontiert, wie die dass man ohne Moral und einem großen wissenschaftlichen Interesse so eine Art Unmensch sei, so eine Art KZ-Arzt Dr. Mengele. Und ich habe u.a. heftig dagegen argumentiert, dass das Fehlen der Moral ja keineswegs mit einer gleichgültigen Haltung zur Welt einhergehe. Ein Urteil bilde ich mir ja durchaus und zwar im Bezug zum eigenen Interesse. Aber eben nicht vorab, indem ich mit moralischen Wertemustern auf die Welt losgehe, sondern erst nachdem ich meine mit einer Erklärung fertig zu sein. Und nun irritiert mich genau das besonders an deiner Haltung, dass du dich quasi zum Fatalismus bekennst, nur dass du diese "Gleichgültigkeit" etwas anders genannt haben willst.
Es hätte mich auch ernsthaft interessiert wie du mit eher moralischen Begrifflichkeiten umgehst. Deine Verwendung des Begriffs Vertrauen in Bezug auf den zwischenmenschlichen Umgang („emotionales Gebilde“ hast du es bezeichnet) habe ich auch nicht kritisieren wollen, das hast du offenbar falsch verstanden. Ich bin tatsächlich mitunter im Zweifel ob ich da manche Begriffe einfach aus dem eigenen Wortschatz streiche oder ob sie nicht doch eine sinnvolle Verwendung haben, was ich mit den Begriffen "Verantwortung und Entschuldigung" versucht habe zu erläutern. Ich wollte nur wissen, warum das für dich bei Vertrauen okay ist und bei den anderen Begriffen nicht.
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 15. Okt 2012, 16:47

Pia Hut hat geschrieben:Ein paar Sätze will ich schon noch loslassen auch wenn es aus beruflichen Gründen etwas länger gedauert hat bis ich wieder Zeit zum Schreiben fand.

Kein Problem, mir ist mein Studium auch wichtiger als das Forum.
Pia Hut hat geschrieben:Ich sehe den Unterschied zwischen Determinismus und "Schicksal" inhaltlich einfach gar nicht. Mir erscheint das wie synonyme Begriffe für dieselbe Sache ob man sagt etwas sei festgelegt/determiniert oder ob man sagt es war "vorherbestimmt" - worin besteht da der sachliche Unterschied?

Also, bei den Naturwissenschaftlern ist es wichtig, nichts teleologisch zu erklären, dadurch den Zellen und Molekülen oder der Evolution keine Zielstrebigkeit zugestehen, die sie auch nicht haben. Hier ist ein wichtiger Teil aus dem Wikipediaartikel (untersrichen und gekürzt von mir):
Die Verneinung einer höheren Absicht und die Erklärung vorhandener Strukturen durch naturwissenschaftliche Phänomene verbindet die moderne Biologie mit anderen Naturwissenschaften wie der Chemie und der Physik. Naturalistische Grundannahmen mit teleologischer Prägung werden heute nicht mehr von den Biologen, sondern vor allem von manchen Theologen vertreten.
[....]

Oft wird eine für den Laien scheinbare Zweckmäßigkeit natürlicher Organismen, Strukturen und Systeme mit natürlichen Anpassungen bzw. mit einer organisationsbedingten Selbstregulation erklärt.

Und genau diesen metaphysischen Ansatz der Erklärung der Welt streicht man auch aus der Determination. Man erkennt an, dass etwas determiniert ist, nennt es aber nicht Schicksal, da keine Absicht dahinter steht mit einem definierten (oder überhaupt einem) Ziel. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt der naturwissenschaftlichen Philosophie und eben das, wovor die Religionen sich immer fürchten werden. Deswegen ist dieser Unnterschied auch so bedeutend, um den Konflikt zu verstehen.
Pia Hut hat geschrieben:Es stimmt natürlich, dass wenige Instinkte und instiktlos nicht dasselbe ist. Ich habe mich in der Tat auch gefragt ob der Instinktbegriff beim Menschen überhaupt so richtig angebracht ist, weil da über den Intellekt eben eine neue Qualität hereinkommt. Mich wundert umgekehrt etwas die "Gleichmacherei", die du da zu verfolgen scheinst. Wo liegt denn da der Erkenntnisgewinn, wenn man sagt die Gattung Mensch sei nichts anderes als andere Tiere auch?

Zum einen kommt es drauf an, in welchem Zusammenhang ich das sage.
Aber in den Naturwissenschaften ist die Redundanz zum einen ein sehr angenehmes Phänomen für die Forschung, zum anderen sehr efffizient in der Evolution. Bedenke nur, welche Vielfalt a Codierungsmöglichkeiten für Proteine durch einfache Basentripletts und dann wiederum aus einer handvoll Basen zusammengestellt sind. Wenn man also ein System kennt und merkt, dass viele verwandte fast genauso funktionieren (/könnten, allein die Idee ist ein Erkenntnisgewinn), kann man sich vieles mit einem Modell erklären, dass nur modifiziert werden muss, und nicht äußerst fehlerhaft und neu erfunden werden muss. Das ist eine Methodik der naturwissenschaftlichen Denkweise im Grundsatz, nicht nur in der Biologie. Ich "mache" also nichts gleich, ich erkenne, dass Ähnlichkeiten und Gleichheiten vorhanden sind. Manche Sachen bleiben aber wirklich gleich, ohne Modifikation. Wenn man also die Natur der Tiere um sich versteht, kann man auch sich besser verstehen.
Pia Hut hat geschrieben:Bei jeder Gattung interessieren einem bei der Erklärung doch v.a. deren Besonderheiten und nicht das "Allgemeine", das auf den ersten Blick leicht zu erkennen ist.

Das stimmt schlichtweg nicht, oder kennst du dich mit der (Molekular-)Biologie oder anderen Naturwissenschaften aus? Was ich gelernt habe ist, dass sich alles so lächerlich ähnlich ist, dass die ersten Semester immer die schwierigsten sind, oder man nur einmal etwas wirklich richtig lernen muss. Z.Bsp. sind in der organischen Chemie Additions-Eliminierungsmechanismen im Produkt äußerst unterschiedlich. Der Mechanismus und die Edukte sind aber fast gleich (bis zu einigen Momenten sind sie gleich). Wenn du also das Prinzip dieses Mechanismus verstehst, beherrscht du auch die Verseifung, die Acetal-/Halbacetalbildung, die Veresterung, die Bildung von Carbonsäureamiden......
So kommst du mit einem Mechanismus locker auf 20 Reaktionstypen. Wenn du Entwicklungsbiologie betreibst, lernst du, was die einzelnen Gruppen ausmacht, also ihre Gemeinsamkeiten. Klar, das Novum in Relation zu den anderen monophyletischen Gruppen ist ein Unterschied, aber wenn du ein Tier zuornden willst, musst du verstehen, welche Gemeinsamkeiten es mit welchen Gruppen hat. Ist eine Chorda dorsalis vorhanden (ja, dann =Chordatiere)? Ein geschlossenes Blutkreislaufsystem (Ja, dann möglicherweise Mammalia, oder auch Vögel)? Eine Basallamina (keine, dann evtl. Porifera)? Und so arbeitet man sich über die Gemeinsamkeiten bis zur Einordnung vor. Niemand lernt für jedes Tier einzeln die Besonderheiten, sondern lernt den Stammbaum und den Platz des Tieres. Und auch in der Forschung sind Experimente mit Drosophila oder Mäusen so aussagekräftig für den Menschen, weil es so viele Gemeinsamkeiten gibt (oder man forscht nur in den Bereichen, in denen auch eine Gemeinsamkeit gegeben ist).
Pia Hut hat geschrieben:Dass es Tieren und Menschen gemeinsam ist z.B. Hunger zu haben, will mir als sehr oberflächliche, belanglose Erkenntnis erscheinen - oder übersehe ich da irgendein Erkenntnisinteresse?

Definitiv. Z.Bsp., dass der genetische Code bei vielen Tieren, von denen du es nicht erwarten würdest, zu 90 % übereinstimmt (nicht nur Menschenaffen). Was resultiert daraus? Dass auch viele Merkmale gleich sind, oder kaum verändert. Das geht über ein Hungergefühl weit hinaus. Ich musste mal in der Oberstufe die genetische Sequenz des Menschen mit verschiedenen Tieren vergleichen. Jeder musste sich ein Tier aussuchen und dieses dann mit den anderen vergleichen. Den Menschen haben wir alle zusammen mit allen anderen verglichen. Ich habe mir den Affen ausgesucht, der Lehrer hat dann auch nach Erklärung meine Freude verstanden: Es bestand zwischen Affe und Mensch in dieser Sequenz nur ein Unterschied. Das bedeutet, dass ich alle anderen Tiere nur in dieser einen Base mit dem Affen und Menschen vergleichen musste. Damit war ich nach Sekunden fertig, andere haben Minuten gebraucht.
Pia Hut hat geschrieben:Interessant wird es doch erst da wo wir nicht einfach „über das Steak herfallen“….

Nein, einfach nein. :nein: Für einen Biologen Ähnliche ist viel mehr interessant.
Pia Hut hat geschrieben:Mich irritiert das "Menschenbild" von dem du offenbar auszugehen scheinst, wobei ich zugeben muss, dass ich es auch noch nicht ganz klar sehe. Teilst du unsere Gattung allen Ernstes in "geborene Führer" und Gefolgsleute ein, der Eindruck kam bei mir jedenfalls so an?

Je nach Betrachtungsweise. Manchmal schon. Es kommt auf die Fragestellung und das Thema an. Genauso wie es wichtig ist, bei den Basen zwischen denen, die in der DNA benutzt werden und denen, die in der RNA benutzt werden zu unterscheiden, oder zwischen den Purinen und Pyrimidinen zu unterscheiden. Obwohl der Gegenstand der Betrachtung der selbe ist, kann die Einteilung unterschiedlich ausfallen, je nach Fragestellung.
Pia Hut hat geschrieben: Nachdem ich versuchte dich darauf hinzuweisen, dass das eine eigenartige Schablone ist, die du da heranziehst, stellst du mir die Frage ob ich denn als Führungsnatur geboren sei , obwohl ich doch gerade diesen Beurteilungsmaßstab als untauglich kritisierte.

Eine Thyminbase muss nicht wissen, dass sie eine Pyrimidinbase ist, um eine zu sein, oder mit der Eintzeilung einverstanden sein. :mg:
Pia Hut hat geschrieben:Umgekehrt nun meine Frage.: Vermutlich hältst du dich ja dann selbst für so was wie eine Führungsnatur (?) - hast du dir aber auch schon mal die Frage gestellt, ob du überhaupt führen willst, was soll denn daran so erstrebenswert sein.

Daran ist nicht viel erstrebenswert. Wenn es mein primäres Ziel wäre, würde ich auch in die Politik gehen. Der Vorteil gegenüber dem Regiertwerden ist die Renitenz, die Skepsis, die Autonomie (bis zu einem bestimmten Grad), der Mut. Die Eigenschaften, die einen zur Führungskraft machen, sind auch im Alltag nützlich.
Pia Hut hat geschrieben: Ich würde mal von mir behaupten, dass ich zwar nicht das geringste Problem damit habe andere zu führen, wenn sie sich nicht auskennen, aber das finde ich eher lästig - ich arbeite schon sehr viel lieber mit Leuten zusammen, denen Hierarchien auch verdammt egal sind und die sich auf sachliche Inhalte zu konzentrieren wissen und nicht auf einem "Anerkennungstrip" sind und einen "Leiter" brauchen vor dem sie sich profilieren können.

Ja, mit solchen Leuten ist es manchmal einfacher, aber dann auch wieder manchmal sehr viel schwieriger. Ich bevorzuge auch eine Gesellschaft, die meinem Wesen entspricht. Du wirst dich wegen dieser Haltung vielleicht wundern, aber bestimmte Eigenschaften zu besitzen bedeutet nicht, dass man sie auch nur auf die eine Weise nutzen kann. Gerade das lehrt uns die Evolution. Ein Zahn kann eine Homologie zu einem Haar oder zu einer Schuppe sein. Eine Flosse kann ganz verschwinden, zu einem Bein werden oder umgekehrt. Eine Führungskraft kann auch ein völliger Einzelgänger oder Opportunist sein.
Pia Hut hat geschrieben:Und im Hinblick auf Autoritäten denke ich schon, dass es für die Interessen eines Subjektes einen erheblichen Unterschied ausmacht, ob man da in einem institutionalisierten Abhängigkeitsverhältnis steht, man es sich also z.B. nur schlecht leisten kann eine Anweisung seines „Chefs“ zu ignorieren (auch wenn man die blöd findet) ohne eine Abmahnung zu riskieren und damit den Lebensunterhalt seiner Familie aufs Spiel zu setzten oder ob man von einer Autorität im Wissen spricht.

Es gibt noch viele andere Befehlshaber-Befolger-Beziehungen.
Pia Hut hat geschrieben:Wenn mir z.B. ein Handwerker das Fachwissen voraus hat, dann kann ich es dennoch riskieren meine Wand auf eine etwas unorthodoxe Weise zu verputzen und die handwerkliche Autorität zu ignorieren, wenn ich die Einwände die er bringt nicht logisch nachvollziehbar finde sondern sie sich z.B. eher Handwerkersitten verdanken. Und natürlich gehe ich damit das Risiko ein, dass der Putz wider runterkommt (niemand behauptet, dass man naturwissenschaftliche Gegebenheiten einfach ignorieren könnte), dennoch liegt diese Entscheidung sehr viel mehr in meiner persönlichen Abwägung. …

Ja, in gewisser Weise schon. Aber frag dich mal, wieviele den Schneid hätten, dem Handwerker seine Arbeit abzunehmen. Wieviele würden sich zur Autorität machen oder eine durch diese Aktion einfach nicht anerkennen? Nur diejenigen, die selbst eine Affinität zum autoritären Handeln haben.
Ich kenne das. Ich kenne einige Idealisten, die sich grün, sozial oder links nennen und bei jedem Mist auf die Straße gehen müssen. Aber für soetwas braucht man genau die Eigenschaften, die man als Diktator braucht. Es kann gut sein, dass Lenin ein "guter" Revoluzer war, aber genau deswegen auch ein "guter" (will sagen typischer) Diktator.
Pia Hut hat geschrieben:Und nun irritiert mich genau das besonders an deiner Haltung, dass du dich quasi zum Fatalismus bekennst, nur dass du diese "Gleichgültigkeit" etwas anders genannt haben willst.

Das ist keine Gleichgültigkeit, deswegen nenne ich sie auch anders. Fatalismus ist eigentlich auch keine Gleichgültigkeit, sondern eine Rechtfertigungsbasis. Resignation kann aus dem Gedanken an den Determinismus oder den Fatalismus resultieren, das ist aber nicht zwingend und hängt von der Psyche des einzelnen ab. Aber ich finde es grundsätzlich gut, wenn jemand als Reaktion auf meine Philosophie Interesse und nicht tradierte Ablehnung zeigt.
Pia Hut hat geschrieben:Es hätte mich auch ernsthaft interessiert wie du mit eher moralischen Begrifflichkeiten umgehst. Deine Verwendung des Begriffs Vertrauen in Bezug auf den zwischenmenschlichen Umgang („emotionales Gebilde“ hast du es bezeichnet) habe ich auch nicht kritisieren wollen, das hast du offenbar falsch verstanden. Ich bin tatsächlich mitunter im Zweifel ob ich da manche Begriffe einfach aus dem eigenen Wortschatz streiche oder ob sie nicht doch eine sinnvolle Verwendung haben, was ich mit den Begriffen "Verantwortung und Entschuldigung" versucht habe zu erläutern. Ich wollte nur wissen, warum das für dich bei Vertrauen okay ist und bei den anderen Begriffen nicht.

Naja, die einen Begriffe haben einen realen Unterbau, wie Vertrauen als emotionales Gebilde, andere sind schlichtweg nicht nachzuweisen oder nicht plausibel, wie Verantwortung. Aber deine Fragen sind völlig richtig. Gerade deswegen habe ich zu Anfang das Thema eröffnet. Was ist eigentlich nur ein Wort? Was ist eine Illusion? Ich habe schon eine sehr differenzierte Meinung und schaue, ob ich ihr den letzten Feinschliff geben kann, indem ich mich mit anderen austausche. Wenn diese auch etwas davon haben, warum nicht?
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Re: Illusionen

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 15. Okt 2012, 18:20

Darth Nefarius hat geschrieben:Naja, die einen Begriffe haben einen realen Unterbau, wie Vertrauen als emotionales Gebilde, andere sind schlichtweg nicht nachzuweisen oder nicht plausibel, wie Verantwortung.

Unter "Verantwortung" verstehe ich die Zuschreibung von Pflichten an andere, auf bestimmte Weise zu handeln, bzw. auf bestimmte Weise nicht zu handeln.

Z.B. sind Eltern im dem Sinne (askriptiv, wie gesagt) verantwortlich für ihre Kinder. Oder ein Forumsteilnehmer ist für seine Beiträge verantwortlich, z.B. dafür, dass er unnötige Beleidigungen unterlässt.

Was ist daran nicht nachzuweisen, was ist daran nicht plausibel und unwiefern besteht da eine Illusion? Was genau soll dabei die falsche Annahme (= die Illusion) sein? Die lebensweltliche Praxis der Verantwortungszuweisung schon mal nicht, die existiert ja wohl. Aber was sonst?

Oder geht es Dir eher um eine (moralische/normative) Forderung: es soll niemand verantwortlich gemacht werden?
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Di 16. Okt 2012, 10:26

AgentProvocateur hat geschrieben:Unter "Verantwortung" verstehe ich die Zuschreibung von Pflichten an andere, auf bestimmte Weise zu handeln, bzw. auf bestimmte Weise nicht zu handeln.

Ja, und diese Zuschreibung kann sehr einseitig erfolgen. Ich könnte dich für alles mögliche verantwortlich machen, dadurch wärst du aber nicht verpflichtet entsprechend zu handeln. Die Verpflichtung oder das Verantwortlichmachen ist nur der läppische Versuch pseudomoralischer Instanzen uns ihren Willen heilig und bindend zu machen, sodass wir folgsam sind.
AgentProvocateur hat geschrieben:Z.B. sind Eltern im dem Sinne (askriptiv, wie gesagt) verantwortlich für ihre Kinder.

Bestimmt nicht. Im Idealfall fühlen sie sich an ihre Kinder gebunden, aber letztlich kann niemand diese Bindung erzwingen, noch ist sie askriptiv. Deswegen ist Adoption und die Freigabe zu dieser legitim und akzeptiert.
AgentProvocateur hat geschrieben:Oder ein Forumsteilnehmer ist für seine Beiträge verantwortlich, z.B. dafür, dass er unnötige Beleidigungen unterlässt.

Eine sehr theoretische Verantwortung. Letztlich tut unserer das auch nur freiwillig, niemand hat ihn gezwungen. Wenn der Wille vorhanden ist, ist der Ausspruch einer verantwortung irrelevant; wenn der Wille fehlt, kann auch der Ausspruch nichts bewirken.
AgentProvocateur hat geschrieben:Was ist daran nicht nachzuweisen, was ist daran nicht plausibel und unwiefern besteht da eine Illusion?

Nicht nachzuweisen ist die Bedeutung oder die Effektivität von ausgesprochener Verantwortung, noch ist sie logisch zu begründen (außer aus Sicht derjenigen, die eine Verantwortung zu ihren Gunsten aussprechen, also im Prinzip jemanden an sich binden wollen). Du hast mit der Behauptung, dass Verantwortung askriptiv ist, nichts nachgewisen, sondern nur eine Behauptung aufgestellt. Aber Moralisten können auch nichts anderes, als irgendetwas zu behaupten. Mir ist kein Beispiel in der Biologie bekannt, wo irgendein tierisches Verhalten mit Verantwortung erklärt werden müsse oder könnte. Es geht hier wiedermal, auch beim Menschen, um den Willen. Es geht um den eigenen Willen und den Willen anderer, die einen möglicherweise binden wollen. Wenn sie dies nicht durch Anreize und Vorteile können, versuchen sie es mit Moral.
AgentProvocateur hat geschrieben:Die lebensweltliche Praxis der Verantwortungszuweisung schon mal nicht, die existiert ja wohl. Aber was sonst?

Ja, mit anderen Worten die Schuldzuweisung, die Suche nach Rache/Vergeltung/Genugtuung. Das ist emotional begründet, nicht moralisch. Diese moralische Kategorie ist nur ein Deckmantel. Dann gibt es noch die Verantwortungszuweisung durch Staaten oder Machthaber, die ihr System natürlich erhalten wollen, so wie ihre Macht. Wenn es nicht durch Anreize oder Vorteile geht, versucht man zumindest die Idealisten an sich zu binden. Auch darin sehe ich eher ein biologistisch erklärbares Phänomen, aber kein moralisches.
AgentProvocateur hat geschrieben:Oder geht es Dir eher um eine (moralische/normative) Forderung: es soll niemand verantwortlich gemacht werden?

Ich denke, dass niemand wirklich verantwortlich gemacht werden kann. Ich bin niemand, der mit einem "Sollen" argumentiert, das wäre wieder eine art Moral der Unmoral.
Ich habe jedenfalls dargestellt, wie ich Forderungen nach Verantwortung verstehe. Die moralische Kategorie ist dabei nur ein Deckmantel für emotionale oder berechnende Motive der Fordernden.
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Re: Illusionen

Beitragvon AgentProvocateur » Di 16. Okt 2012, 11:56

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Was ist daran nicht nachzuweisen, was ist daran nicht plausibel und unwiefern besteht da eine Illusion?

Nicht nachzuweisen ist die Bedeutung oder die Effektivität von ausgesprochener Verantwortung, noch ist sie logisch zu begründen (außer aus Sicht derjenigen, die eine Verantwortung zu ihren Gunsten aussprechen, also im Prinzip jemanden an sich binden wollen).

Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was ist an der Praxis der Verantwortungszuweisung illusionär?

Darth Nefarius hat geschrieben:Du hast mit der Behauptung, dass Verantwortung askriptiv ist, nichts nachgewisen, sondern nur eine Behauptung aufgestellt. Aber Moralisten können auch nichts anderes, als irgendetwas zu behaupten. Mir ist kein Beispiel in der Biologie bekannt, wo irgendein tierisches Verhalten mit Verantwortung erklärt werden müsse oder könnte. Es geht hier wiedermal, auch beim Menschen, um den Willen. Es geht um den eigenen Willen und den Willen anderer, die einen möglicherweise binden wollen. Wenn sie dies nicht durch Anreize und Vorteile können, versuchen sie es mit Moral.

Wenn Verantwortung für Dich etwas Deskriptives und nicht etwas Askriptives ist, dann redest Du über etwas anderes als ich.

Einem Tier Verantwortung zuzuweisen, ergibt wenig Sinn, weil das Tier gar nicht versteht, was von ihm erwartet wird. Verantwortungszuweisung ist demnach eine menschliche Praxis, es wird Verstehen und die Fähigkeit zur Handlungssteuerung unterstellt. Und natürlich geht es um gegenseitige Erwartungen, die erfüllt oder enttäuscht werden können.

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Die lebensweltliche Praxis der Verantwortungszuweisung schon mal nicht, die existiert ja wohl. Aber was sonst?

Ja, mit anderen Worten die Schuldzuweisung, die Suche nach Rache/Vergeltung/Genugtuung. Das ist emotional begründet, nicht moralisch.

Emotional/moralisch sind mE keine sich ausschließenden Gegensätze, so wie Du zu meinen scheinst.

Darth Nefarius hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Oder geht es Dir eher um eine (moralische/normative) Forderung: es soll niemand verantwortlich gemacht werden?

Ich denke, dass niemand wirklich verantwortlich gemacht werden kann. Ich bin niemand, der mit einem "Sollen" argumentiert, das wäre wieder eine art Moral der Unmoral.

Aber Leute können nun mal Verantwortung übernehmen und verantwortlich gemacht werden, das geschieht ja de fakto. Was meinst Du also hier mit dem "Können", wenn Du nicht ein "Sollen" meinst?

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe jedenfalls dargestellt, wie ich Forderungen nach Verantwortung verstehe. Die moralische Kategorie ist dabei nur ein Deckmantel für emotionale oder berechnende Motive der Fordernden.

Wie gesagt: diesen Gegensatz zwischen emotionalen und berechnenden Motiven und Moral sehe ich nicht. Ich schätze, ich verstehe gar nicht, was Du überhaupt mit "Moral" meinst, sicher nicht das, was ich darunter verstehe, nämlich die Bewertung von (bestimmten) Handlungen, die andere betreffen.

Nehmen wir einfach mal ein Beispiel. Ich bringe mein Kind in den Kindergarten und übertrage damit die Verantwortung für das Kind auf die Erzieher dort. Sie wären verantwortlich dafür, wenn aus ihren Nachlässigkeiten meinem Kind etwas passiert oder wenn sie gar ihm was antun würden. Natürlich spielen dabei nun emotionale und berechnende Motive meinerseits eine Rolle, das schließt aber doch nicht aus, dass meine Ansprüche an die Erzieher moralischer Art sind. Würden die Erzieher nun sagen: "wir können und/oder wollen keine Verantwortung für das Kind übernehmen", dann würde ich ihnen nicht vertrauen können und ergo mein Kind nicht dorthin bringen. Oder gar, wenn sie sagen würden: "wir können noch nicht mal Verantwortung für unsere eigenen Handlungen übernehmen". Dann würde ich nicht nur nicht mein Kind hinbringen, sondern zusätzlich immer darauf achten, dass ein möglichst großer räumlicher Abstand zwischen ihnen und mir besteht.
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Re: Illusionen

Beitragvon Darth Nefarius » Di 16. Okt 2012, 16:42

AgentProvocateur hat geschrieben:Was ist daran nicht nachzuweisen, was ist daran nicht plausibel und unwiefern besteht da eine Illusion?

AgentProvocateur hat geschrieben:Du hast meine Frage nicht beantwortet. Was ist an der Praxis der Verantwortungszuweisung illusionär?

War das hier nicht eindeutig genug? Nach diesen Worten empfand ich es nicht als notwendig,mich zu wiederholen:
Darth Nefarius hat geschrieben:Ja, und diese Zuschreibung kann sehr einseitig erfolgen. Ich könnte dich für alles mögliche verantwortlich machen, dadurch wärst du aber nicht verpflichtet entsprechend zu handeln. Die Verpflichtung oder das Verantwortlichmachen ist nur der läppische Versuch pseudomoralischer Instanzen uns ihren Willen heilig und bindend zu machen, sodass wir folgsam sind.

Aber für dich muss ich mich immer wiederholen. Nochmal: Du kannst allen möglichen Leuten Verantwortung bezüglich jeder von dir erdachten Verpflichtung zuweisen, ich kann das auch, aber wird diese Verantwortung selbst dadurch real? Ich kann dir die Verantwortung für das schlechte Wetter bei mir zuweisen, hast du deswegen aber gleich eine Verantwortung? Verantwortungszuweisungen sind real, aber die Verantwortung selbst nicht.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Verantwortung für Dich etwas Deskriptives und nicht etwas Askriptives ist, dann redest Du über etwas anderes als ich.

Also, das verstehe ich unter askriptiv:
"Synonyme
askriptiv
- Bedeutung, gleichbedeutende Wörter
unabhängig, unveränderlich, zugeschrieben,"

Aus: http://www.wie-sagt-man-noch.de/synonyme/askriptiv.html
Eventuell verstehst du darunter nur "zugeschrieben", aber mir war immer die Bedeutung von "unabhängig und unveränderlich" sehr wichtig, was eigentlich der Bedeutung von "zugeschrieben" widerspricht. Eine Zuschreibung ist eine willkürliche, subjektive Angelegenheit, aber bestimmt nicht unabhängig oder unveränderlich (das Subjekt kann eine Unabhängigkeit oder Unveränderlichkeit nicht gewährleisten oder überhaupt zulassen).
AgentProvocateur hat geschrieben:Einem Tier Verantwortung zuzuweisen, ergibt wenig Sinn, weil das Tier gar nicht versteht, was von ihm erwartet wird.

Das verständnis der Zuweisung verpflichtet nicht. Selbst wenn ich als Mensch verstehe, dass man mir etwas zuweist, bedeutet das nicht, dass ich damit einverstanden bin oder mich das bindend verpflichtet. Mit einer Verantwortungszuweisung wird nur ein Wille formuliert, mit Nachdruck, aber ohne (relevante) Argumente (denn es ist ja eine Moralisierung, die vielen als Argument schon reicht).
AgentProvocateur hat geschrieben:Verantwortungszuweisung ist demnach eine menschliche Praxis, es wird Verstehen und die Fähigkeit zur Handlungssteuerung unterstellt.

Nicht nur das, es wird auch noch die Anfälligkeit für Moralismus und Altruismus vorrausgesetzt. Das geht mir zu weit und betrachte ich schon fast als Unhöflichkeit, wenn nicht als Dummheit. Wenn jemand glaubt, mich mit Moralismus herumzukriegen, dann muss ich entweder von einer Hilflosigkeit, einer Emotionalität oder schlichtweg von mangelndem Verstand ausgehen, da keine wirklichen Argumente genannt werden, die mich eher überzeugen als "Verantwortung". Oder dieser glaubt, dass ich so leicht rumzukriegen sei, weswegen dieser mich für dumm halten müsste. Also: Entweder will mich mein Gegenüber verarschen oder es ist selbst nicht besonders helle.
AgentProvocateur hat geschrieben:Und natürlich geht es um gegenseitige Erwartungen, die erfüllt oder enttäuscht werden können.

Aber warum dann nicht Klartext reden? Wenn es nur, wie du sagst, um Erwartungen, die verstanden werden wollen, und die Erwartung an verständnis und Kooperationswilligkeit geht, dann ist die moralische Formulierung nicht notwendig. Eine Erwartung kann auch als Aufforderung, als Wunsch oder Frage formuliert werden. Eine Verantwortungszuweisung ist weder kooperativ, noch bringt sie die persönlichen Bedürfnisse (beider Seiten ) ins Spiel. Abgesehen davon, dass sie nunmal wirkungslos und dumm ist.
Wenn ich also etwas von jemandem will, dann werde ich meist den Anstand haben, ihm zu sagen, was meine Ziele sind und wie ich entgegenkommen kann, um eine Kooperation zu erhalten. Damit belüge ich mein Gegenüber nicht und stelle meine Bedürfnisse (formell) nicht über seine, indem ich eine Verantwortung ausspreche, die nicht existiert.
AgentProvocateur hat geschrieben:Emotional/moralisch sind mE keine sich ausschließenden Gegensätze, so wie Du zu meinen scheinst.

Die Moral versucht gerade den subjektiven Aspekt auszuschließen, die Triebe, den Egoismus, um eine Objektivität und Unbefangenheit zu erlangen. Emotionen sind Ergebnis des Egoismus und der Triebe. Damit schließen sie sich aus. Richter sollen unbefangen sein, damit sie "moralisch" entscheiden können, also neutral. Emotionalität schließt Neutralität aus. Wo siehst du bitte Überschneidungen zwischen Moral und Emotion?
AgentProvocateur hat geschrieben:Aber Leute können nun mal Verantwortung übernehmen und verantwortlich gemacht werden, das geschieht ja de fakto.

Nein, was geschieht ist, dass manche eine Verantwortung aussprechen, die nicht existiert. Das kann mit einer Ablehnung korrellieren oder mit einem kooperativen Willen, der aber nicht durch den bloßen Ausspruch an Verantwortung gebunden ist. Eltern lieben ihr Kind meist nicht, weil sie dafür verantwortlich sind, sondern weil sie es wollen oder es schlichtweg in ihrer Natur liegt (Empathie). Es wird so oft von diversen Parteien eine Verantwortung ausgesprochen, aber sie ist nicht bindend, damit nicht existent. Eine Verantwortung ist per Definition bindend, aber das war sie nie und wird es auch nie sein.
AgentProvocateur hat geschrieben:Was meinst Du also hier mit dem "Können", wenn Du nicht ein "Sollen" meinst?

Genau das, was ich meine, wenn jemand sagt, dass ich fliegen soll, es aber nicht kann. Es gibt kein Sollen, nur einen Willen und ein Können.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie gesagt: diesen Gegensatz zwischen emotionalen und berechnenden Motiven und Moral sehe ich nicht. Ich schätze, ich verstehe gar nicht, was Du überhaupt mit "Moral" meinst, sicher nicht das, was ich darunter verstehe, nämlich die Bewertung von (bestimmten) Handlungen, die andere betreffen.

Das ist für mich in der Tat keine Moral, sondern nur eine Bewertung. Ich kann etwas als "nützlich" bewerten, in meinem egoistischen Sinne. Wäre das nach deinen Maßstäben also auch moralisch? Für mich wäre also ein Nutzen, weil ich ihn so bewerte, moralisch. :irre:
Deine Definition krankt etwas, findest du nicht?
AgentProvocateur hat geschrieben:Nehmen wir einfach mal ein Beispiel. Ich bringe mein Kind in den Kindergarten und übertrage damit die Verantwortung für das Kind auf die Erzieher dort.

Du kannst etwas nicht existentes nicht übertragen. Ja, du kannst Verantwortung aussprechen, genauso wie du aussprechen kannst, dass du orangefarben bist, das ist aber etwas anderes. Und ja, die Erzieher könnten dennoch auf deine Unverschämtheit eingehen, da sie entweder auch an die Moral glauben und Kinder mögen, sie betreuen wollen, oder sie tun es eben nicht, weil sie es nicht wollen. Es hängt nicht von deinem Ausspruch ab, ob sie auf deine Kinder aufpassen oder nicht. Es hängt nicht von deinem Glauben an die bindende Kraft deines Ausspruches oder deines Glaubens ab, da dieser nicht existiert.
AgentProvocateur hat geschrieben: Sie wären verantwortlich dafür, wenn aus ihren Nachlässigkeiten meinem Kind etwas passiert oder wenn sie gar ihm was antun würden.

Nein, du würdest ihnen eine Schuld zuweisen, da du meinst, es gäbe soetwas wie eine Verantwortung. Auch der Staat könnte eine Schuld zuweisen, aber das würde er nur tun, um eine soziale Ordnung zu erhalten und Verhalten zu fördern, das Vertrauen nicht enttäuscht. Das reicht aufch für die meisten Menschen, ihnen reicht das System der Bestrafung und der mangelnden Argumentation. Aber Vertrauen ist naiv.
Agentprovocateur hat geschrieben:Natürlich spielen dabei nun emotionale und berechnende Motive meinerseits eine Rolle, das schließt aber doch nicht aus, dass meine Ansprüche an die Erzieher moralischer Art sind.

Du vertraust ihnen, aber das ist auch keine Moral, sondern höchstens wohlwollende Naivität. Es ist eine Erwartungshaltung, die aber überhauptnicht abgesichert ist. Was ist an Vertrauen moralisch? Es ist ein menschliches Phänomen, aber zu Vertrauen sind Tiere offensichtlich auch in der Lage (Brutpflege, an denen beide Elternteile beteiligt sind. Bei Pinguinen wacht der eine über den Sprössling, der andere geht zur Futtersuche). Vertrauen ist eine quasi grundlose Annahme der Kooperation. Also eine Sonderform der Behauptung ohne Grund. Sind denn Behauptungen und Annahmen moralisch für dich? Ist es für dich moralisch, dass ich davon ausgehe, dass es morgen wieder schlechtes Wetter geben wird, obwohl ich kein Meteorologe bin?
AgentProvocateur hat geschrieben:Würden die Erzieher nun sagen: "wir können und/oder wollen keine Verantwortung für das Kind übernehmen", dann würde ich ihnen nicht vertrauen können und ergo mein Kind nicht dorthin bringen.
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Das ist auch in Ordnung. Mir wäre es wichtig zu wissen, dass die Erzieher über die Konsequenzen bewusst sind, die eine mir oder meinen Zöglingen unangenehme Zuwiderhandlung im Klaren sind. Wenn ich also sicher bin, dass sie um ihretwillen aufpassen wollen, überlege ich mir, zu vertrauen.
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