Manfred Lütz 'Bluff'

Für Artikel, Video- oder Audiomaterialien, die im Zusammenhang mit der Thematik der Brights-Bewegung stehen.

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » So 21. Okt 2012, 16:18

@ Van:

Gerne.


@ Zappa:

Danke, für‘s Feedback.

Ich würde übrigens Szientismus und Wissenschaften, auch Naturwissenschaften trennen wollen.

Mit Sinn aufladen, muss man die Welt m.E. nicht, denn sie ist ja gar nicht sinnlos.
Es kommt einfach auf die Brille an, die man aufsetzt.
Wenn man in astronomischen Dimensionen denkt, klar, dann ist all unser Tun vergleichsweise sinnlos.
Meinetwegen auch noch wenn man in evolutionsbiologischen Dimensionen denkt.
Aber wer tut das? Ich meine so ganz real im Leben? Nicht nur bei den aller existenzellsten Fragen, sondern, wenn der Pulli juckt, die Partnerin komisch ist oder das Fleisch im Restaurant zu zäh, der Reparaturdienst nicht kommt oder was auch immer?

Wer setzt dann die alles relativierende Brille auf, die sagt, dass wir am Rande irgendeiner Galaxis ein Pünktchen auf dem dritten Planeten einer durchschnittlichen Sonne sind und unser Leben ein sehr kurzer kosmischer Wimpernschlag?

Und wofür auch? Denn das relativiert ja ungefähr alles.

Natürlich kann man das tun, aber warum sollte man?
Was macht diese Sicht zur alles überragenden?

Tatsächlich habe ich mich in der Kindheit bis Pubertät intensiv für Naturwissenschaften und speziell für Astronomie interessiert (später dann für Verhaltensforschung) und selbst schon solche Phantasien gehabt und wirklich gestaunt, als mir die Größenverhältnisse im Universum so in etwa klar wurden (sofern einem das je klar werden kann).
Vorm Liebeskummer hat’s mich dann schon nicht mehr gerettet.
Ist Dir das denn gelungen?

Und wenn es wirklich auf die Ebene von Wahrheit und Co. geht: Ich finde das naturwissenschaftliche Weltbild hat einen begrenzten Erkenntniswert. In diesen Grenzen ist es überragend, aber es hat eben seine Grenzen. Warum sollte man so tun als sei es anders?


@ stine:

Warum ich kein Buch schreibe?
Weil ich, ehrlich gesagt, keine Gedanken habe, die nicht schon von anderen viel besser und gründlicher formuliert worden sind.
Und wenn mal zufällig was Mitteilenswertes dabei ist, dann reicht das für einen Beitrag in einem Forum, aber nicht viel weiter. Das allerdings macht mir Spaß und ist ja auch schon mal was.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Van » Mo 22. Okt 2012, 08:23

Vollbreit hat geschrieben:Der katholischen Kirche wird übel mitgespielt in Wirklichkeit ist das alles ganz anders gewesen.
Zum Teil ist der Vorwurf berechtigt, doch in der Lesart deutlich tendenziös.


ist denn die erschütternde Bilanz von 2000 Jahren Christentum, wie sie z.B. Uwe Lehnert beschreibt, falsch? (http://www.teialehrbuch.de/Kostenlose-Kurse/Warum-ich-kein-Christ-sein-will/6.2-Die-ersch%C3%BCtternde-Bilanz-von-2000-Jahren-Christentum.html)
Van
 
Beiträge: 15
Registriert: Do 18. Okt 2012, 10:25

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 13:07

@ Van:

Ob diese Bilanz „falsch“ ist, kann man m.E. nicht beantworten.
Es kommt halt drauf an, auf was man sein Augenmerk richtet.

Bei Lütz wird es sicher eine unbestreitbare Erfolgsgeschichte sein, mit gelegentlichen Ausrutschern, bei Deschner eine einzige Katastrophe, mit gelegentlichen Zufallstreffern.

Dann geht der Streit darum los, wer die wirkliche Wahrheit darstellt, ungeschminkt und unverstellt. So, wie es wirklich war. Der unbestechliche Historiker. Aber was genau sind überhaupt die Kriterien, anhand derer man behaupten kann, jemand sie unbestechlich und gewissenhaft vorgegangen?
Geschichtsschreibung ist immer Interpretation und ist, wenn man sie ernsthaft betreibt, ein schwieriges Geschäft. Man kann schon nahe genug an den Fakten bleiben und Lücken durch Interpretation schließen, die belegbar sind, sollte aber nicht mehr hineingeheimnissen, als die Quellen tatsächlich hergeben.

Und was ist die Wahrheit über den Autounfall an der Kreuzung, die 1990er Jahre oder Deine Schulzeit? Drei Zeit- oder Augenzeugen, vier Meinungen.

Man könnte Dir sagen, dass Du als Zeitzeuge Deiner eigenen Schulzeit einen völlig subjektiven Blick hast und sicher sind Deine Empfindungen subjektiv, aber sind sie deshalb falsch?

Einige der Kinder von Thomas Mann beschreiben ihren Vater als kalten Egozentriker, dessen Diktat sich alle unterzuordnen hatten, Elisabeth Mann Borgese beschreibt ihn als warmen, gütigen Vater.

Ist Alice Schwarzer die Ikone der Frauenbewegung, die ganz Deutschland eine neuen, dringend nötigen Impuls brachte oder eine männerhassende Emanze, die alle Maßstäbe verloren hat? Das Spektrum der Ansichten ist genau so breit.

Man muss lernen – wirklich lernen –, bestimmte Phänomene durch die Brille der jeweiligen Zeit zu sehen.
Bspw. grassierte in weiten Teilen Europas im frühen 20.Jahrhundert ein Antisemitismus. Dieser ist aber nicht gleichzusetzen, mit dem, den die Nazis betrieben, die ein ganzes Volk ausrotten wollten. Seit dem hat auch der Begriff eine Verschiebung erfahren, die man berücksichtigen muss.

Manchmal erfahren ganze Weltbilder eine Verschiebung, so dass es ernstgemeinte und ernsthafte Diskussionen gibt, ob und inwieweit man eigentlich mit dem gleichen Wort, denselben Begriff meint, oder inwieweit die Begriffe/Modelle so „inkommensurabel“ sind, dass man sich eigentlich gar nicht vergleichen kann.
Hat das „Atom“ des Demokrit noch war mit dem Plantenmodell zu tun, bei dem Elektronen um einen Kern kreisen und dieses mit dem Modell der Elektronenwolken mit nichtdefinierbarem Ort/Impuls?

Und das sind wirklich erst grob skizzierte Anfänge, die man beachten muss, wenn man darüber reden möchte, „wie’s wirklich war“.

Es wäre falsch, alles so weit zu relativeren wie es postmoderne Interpreten getan haben.
Im besten Fall kommt „Eleganter Unsinn“ (ein mehr oder weniger legendär gewordenes Buch von Sokal/Bricmont, die die Worthülsen postmoderner Interpreten aufdeckten – allerdings, und das wird oft vergessen, nicht um die ganze Postmoderne der Lächerlichkeit preiszugeben, sondern um die Spreu von Weizen zu trennen) dabei heraus und oft ist der Unsinn nicht mal elegant.

Der andere Fehler wäre, zu behaupten, es sei möglich „Fakten, Fakten, Fakten“ darzustellen und dabei zu suggerieren, es sei jede Interpretation schon eine bösartige Verfälschung der reinen Wahrheit.
Es gibt nur Interpretationen, die Hohepriester der Wahrheit, können kaum jemals beschreiben, was sie überhaupt meinen, wenn sie von „der Wahrheit“ reden, bauen aber stillschweigend darauf, dass man das schon wisse. Das ist dann viel dunkles (und oft reichlich paranoides) Geraune im Spiel: Nur die Feinde der Wahrheit tun so, als wisse man nicht ganz genau, was die Wahrheit, die einzig wahre, ist. Und man weiß ja, warum die Feinde der Wahrheit ein Interesse haben, diese zu verschleiern…


Solche Berichte, wie der verlinkte haben immer einen anekdotischen Charakter.
Wenn einer kein Christ mehr sein will, dann ist mir das vergleichsweise egal, er wird seine Gründe haben und ich kann die vermutlich in den meisten Fällen nachvollziehen.
Ich bin im Grunde auch nur Christ auf dem Papier, aber ich habe, wenn ich irgendwo eine Kirche sehe, nicht gleich Gedanken an Blutströme, Folter und Gehirnwäsche, ich weiß aber, dass es Menschen gibt, denen es so geht. Dass die keine Lust auf Kirche haben, kann ich verstehen.

Es ist die Frage, welchen Wert man Anekdoten zumisst. Vermutlich gibt es eben so viele die verkünden, man sei jahrelang umhergeirrt, hätte ein wenig Philosophie betrieben, ein wenig Esoterik, dann sei man beim Buddhismus gelandet, habe meditiert, bevor man dann am Ende – Gott sei’s gedankt – wieder im Schoß der christlichen Kirche gelandet sei. Wie das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Ein wenig vorhersehbar, etwas bieder, aber vielleicht schmecken einem am Ende ja de Bratkartoffeln am besten und der „Tatort“ ist das was man an Unterhaltung möchte.

Aber worüber soll ich mit jemandem diskutieren der meint, Bratkartfoffeln seien doch das Beste oder seien es eben gerade nicht?


Ich sehe aber einen Wert in Anekdoten. Wenn ich eine fiese Erkrankung habe, nehmen wir nicht gleich Krebs, das ist ein sehr besetztes Thema, es gibt viele andere chronische Dinge, die man nicht haben will, dann interessiert mich nicht unbedingt zu wissen, dass der Verlauf zu 97% immer schlimmer wird, sondern dann interessieren mich, die 3% bei denen es anders war.
Dann will ich deren Anekdoten hören, von ihrer Zuversicht profitieren usw.

Mein Leben ist individuell und ich habe in sehr weiten Teilen einen Einfluss darauf. Das gestehe ich auch jedem anderen zu, aber wer nun seine Individualität nutzt, zu behaupten, er sei eine willenlose Biomaschine, die am allerbesten durch gewisse Algorithmen zu beschreiben sei, der darf das glauben. Was mich daran am ehesten interessiert, ist der eigenartige Reiz, die Attraktivität, die diese Lesart auf viele hat.

Ist dann irgendwann auch ne Frage, an welchen Themen man sich abarbeitet.
Man merkt ja selbst, wo Druck drauf ist. Dort wo man sich motiviert fühlt, den Hut in den Ring zu werfen und auf was man immer wieder zurück kommt.
Jeder hat seine Themen. Religion ist mit der Zeit irgendwie auch zu meinem geworden, nur von der anderen Seite aus. Ich finde die Argumente der Atheisten einfach so seicht und beknackt, wenn sie von der Güteklasse Dawkins, Schmidt-Salomon und Co. sind. Den Religionen selber kann ich nicht sonderlich viel abgewinnen, außer dass ich anerkennen kann, dass die gut geeignet sind, soziale Ströme zu lenken und natürlich in vielen Fällen sinnstiftend sind, in anderen eher entwicklungshemmend.

Vielleicht ist es nur privater Quatsch, aber ich rede mir zumindest auch ein, dass eine Kooperation von Atheisten und Religiösen unterm Strich sinnvoller ist, als die alberne Frontstellung.
Ist ja, wenn Du den Bruch gestattest, wie in der Paartherapie: Irgendwann merkt man, dass die Frage, wer eigentlich genau wo und wie angefangen hat, weder zu klären ist, noch weiter bringend.
Dann wechselt man halt die Strategie und fragt, ob’s denn noch zusammen weiter gehen und wo die Reise hinführen soll. Mein Standunkt ist, dass eine Kooperation der Nichtfundamentalisten beider Lager – also die besonnenen und im Kern wohl rationalen Stimmen der schweigenden Mehrheit, die sich nicht schrill überschlagen und die man deshalb nicht so oft hört –, wünschenswert ist und wenn ich an das Modell Europa zwar nicht als erfolgreichen Exportschlager glaube, so lebe ich doch hier und tue es gerne.

Ist irgendwie klar geworden, was ich meine?
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Van » Mo 22. Okt 2012, 13:28

ungefähr glaube ich zu erkennen, was du meinst.

mir wird jetzt erst klar, dass du kein Atheist bist.

hm, von anekdoten redet der Lehnert also deiner meinung nach nur? hatte ich nicht so verstanden. aber egal.

dein plädoyer für eine zusammenarbeit in aller ehren. aber wenn doch die gegensätzlichen behauptungen im raume stehen, das jeweils andere lager führe mit seiner haltung ins verderben, sollte doch über diese frage zunächst ein konsenz gefunden werden.

aber für dich scheint das nicht die frage zu sein.
Van
 
Beiträge: 15
Registriert: Do 18. Okt 2012, 10:25

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 13:52

Der Konsens zwischen wem?
Zwischen einem islamischen Hassprediger und Richard Dawkins?
Wie sollte der aussehen? Da reicht meine Phantasie nicht aus.

Zwischen Deschner und dem Papst?
Beschreib mal wie so eine Mitte aussehen könnte.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Van » Mo 22. Okt 2012, 14:02

weil ich so eine mitte auch nicht sehen kann, war ich ja auf der suche nach der 'richtigen' seite. aber is schon klar. die gibts nicht. sorry.
Van
 
Beiträge: 15
Registriert: Do 18. Okt 2012, 10:25

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 14:10

Warum sollte es die nicht geben?
Man kann ja gläubig oder Atheist sein oder sich irgendwie im thematisch desinteressierten Spektrum des Agnostikers aufhalten.

Das Entscheidende liegt m.E. in der Legitimierung der eigenen Sicht.
Vergleiche ich die Stärken und Schwächen meines favorisierten Systems mit den Stärken und Schwächen des anderen, oder nur eigene Stärken mit fremden Schwächen.
Das macht m.E. einen Unterschied aus.

PS:
Richtigkeit und Wahrheit sind zwei paar Schuhe.
Richtigkeit bedeutet, dass etwas zu meinen aktuellen Prämissen passt, folgerichtig ist.
Wahr muss es deshalb noch lange nicht sein.
Ist Dir der Unterschied klar?
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Van » Mo 22. Okt 2012, 14:23

ich vergleiche die schwächen und stärken der angebotenen systeme mit meinen eigenen.
Van
 
Beiträge: 15
Registriert: Do 18. Okt 2012, 10:25

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 14:30

Ich wollte das nur als Hinweis, nicht als Vorwurf oder Unterstellung formuliert wissen.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Lumen » Mo 22. Okt 2012, 16:24

Der Holocaust ist eine Anekdote, und Interpretationssache oder wie dürfen wir deine Ausführungen verstehen, Vollbreit? Wenn nicht, warum gibt es bei Teilen der Geschichte Ausnahmen? Hängt das davon ab, ob man politisch-gesellschaftlich damit durchkommt?
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 17:30

Meine Güte ist das plump.
Jeder darf meine Ausführungen so verstehen, wie er oder sie es möchte.
Wie Du meine Ausführungen verstehen möchtest, ist mir bekannt.
Deine Suppe löffel‘ mal hübsch alleine aus, ich finde sie unappetitlich.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Van » Mo 22. Okt 2012, 17:48

@ Vollbreit: wofür hast Du denn die Bezeichnung 'Anekdote' benutzt?

@alle anderen: wie seht Ihr die historische Schuld des Christentums?
Van
 
Beiträge: 15
Registriert: Do 18. Okt 2012, 10:25

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » Mo 22. Okt 2012, 18:03

@ Van:

Für die Darstellung „Warum ich kein Christ sein will.“
Das ist eine persönliche Lesart, die ich dem Autor ja zugestehe.
So wie: „Wie ich meine Diabetes Erkrankung überwand.“ „Mein erstes mal“. „Warum der Boxer der schönste Hund ist.“ „Warum ich an Homöopathie glaube.“
Das ist seine subjektive Sichtweise. Wer hält sich denn wirklich an die Bergpredigt, ich interpretiere das so und so. Darf er.

Jeder gewichtet die Prämissen und die Fakten so wie er es tut und wenn das dann einer tut und zu dem Ergebnis kommt, er wolle kein Christ mehr sein, Leberwurst sei fürchterlich oder Wagners Musik doch die beste, okay.


Noch mal zu dem davor:
Wenn Du der Meinung bist, es müsse zunächst ein Konsens gefunden werden, andererseits aber nicht sehen kannst, wie zwischen den extremen Enden ein Konsens aussehen könnte (sehe ich auch nicht), kommt man dann nicht zwingend zum zweiten Schritt?

Entweder man meint, dass es wichtig sei, die Extremisten unbedingt ins Boot zu holen und wenn das nicht gelingt, den Austausch zu lassen. Das wäre eine Möglichkeit.

Ich neige eher zur zweiten: Ich bin der Meinung, dass es nicht wichtig ist, die Extremisten und Fundamentalisten ins Boot zu holen.
Sie haben ja demonstrativ kein Interesse an einem Diskurs, erst recht nicht an einem Konsens, die Welt in der sie sich wohl fühlen, ist die der Zuspitzung um jeden Preis, der affektiven Aufladung und des immerwährenden Misstrauens, kurz des Dissens‘. „Sag, was du willst, ich glaub’s dir eh nicht.“
Was willst Du mit solchen Leuten reden?

Also lässt man sie hinter sich und ignoriert sie, wissend, dass es eine laute, aber vermutlich kleinere Minderheit ist. Tendenziell blüht der Fundamentailsmus allerdings auf, das muss man schon sehen.
In Europa wird er demographisch deutlich gebremst, in anderen Teilen der Welt erst mal nicht.

Wenn ein Diskurs gar nicht mehr möglich ist, weil von zu vielen nicht gewollt, dann ist das ärgerlich, aber man sollte es immerhin versuchen, ist zumindest meine Meinung.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Lumen » Di 23. Okt 2012, 00:57

Vollbreit hat geschrieben:Meine Güte ist das plump.
Jeder darf meine Ausführungen so verstehen, wie er oder sie es möchte.
Wie Du meine Ausführungen verstehen möchtest, ist mir bekannt.
Deine Suppe löffel‘ mal hübsch alleine aus, ich finde sie unappetitlich.


Das ist nicht plump, sondern ein legitimer Einwand, wenn deiner Meinung nach Geschichtsschreibung relativ und anekdotenhaft sei. Man nennt das auch Steilvorlage.

Da also geschichtliche Ereignisse bei genügend Fakten nicht strittig sind, sondern der Kram dazwischen (Motive, warum so und nicht anders usw.), stellen sich durchaus beantwortbare Fragen: als Beispiel, inwiefern waren Handlungen genuin christlich motiviert? Wie und wonach werden die Handlungen bewertet? Noch ein Beispiel: Karl der Große hat sehr viele Menschen auf dem Gewissen, aber durch die Eroberung von Gebieten und Vereinheitlichung hat er Zentraleuropa ein Stück weit "homogenisiert" und damit eventuell einer gemeinsamen Kultur den Weg geebnet. Wie soll das bewertet werden?

Was das Christentum angeht (und Frage von Van) sehe ich die historischen Erblasten als erheblich an. Es ist eine der menschenfeindlichsten Lehren, die es je gegeben hat. Manche waren physisch grausamer (südamerikanische Religionen), aber Exzesse der Art gab es zu verschiedenen Zeiten auch in christlichem Gewand. Es ist keine besonders nette Idee, Frauen heißes Fett in die Vagina zu kippen im Namen der christlichen Nächstenliebe (da Leid auf Erden als Rabatt im Fegefeuer galt) und ähnliche Sachen (übrigens zumeist von normalen Frommen verübt). Überhaupt ist die Kombination aus unausweichlichem Gedankenverbrechen, verunreinigtes Seelenheil plus Erpressung (gib uns deine Habseeligkeiten und sei uns gehorsam, und wir "heilen" das), mit das Übelste, was ich mir vorstellen kann.

Gerade in der Folge der Sendung, die ich oben verlinkt habe, werden moderne Varianten davon gezeigt. Hier kommt raus, dass die Leute im US-Bible Belt teils mehr Pornographie konsumieren als anderswo (Verklemmtheit usw.), aber laut Glauben eigentlich nicht dürften. Die resultietenden Schuld- und Schamgefühle werden dann von der Religion in klingende Münze und frömmige Unterwürfigkeit (Gehorsam) umgewandelt. Es gibt auch die perfide Variante der Geistheiler. Die Masche funktioniert so: zunächst heißt es, der Gläubige würde von seiner Krankheit oder Armut durch festen Glauben befreit. Um das zu beweisen, gibt der Gläubige Geld auf, und wirft Medizin weg. Da der gewünschte Effekt, Reichtum oder Gesundheit nicht eintreten, ist der Gläubige der Überzeugung, Gott nicht zufrieden gestellt, nicht genug gegeben zu haben, so erhöht sich die Frömmigkeit, die dann bei nächster Gelegenheit weiter gemolken wird. So ernährt sich der religiöse Parasit von der Lebenskraft und dem Leid der Menschen, die vom ihm befallen sind.

Man kann ähnliche Mechanismen in allen Monotheismen und durch die Geschichte hindurch nachweisen und es wird auch nicht mehr lange dauern, bis das besser erforscht ist. Die Scheuklappen sind ja erst kürzlich richtig gefallen, und da wird noch viel unappetitliches auf den Tisch kommen.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Vollbreit » Di 23. Okt 2012, 10:52

Lumen hat geschrieben:Da also geschichtliche Ereignisse bei genügend Fakten nicht strittig sind, sondern der Kram dazwischen (Motive, warum so und nicht anders usw.), stellen sich durchaus beantwortbare Fragen: als Beispiel, inwiefern waren Handlungen genuin christlich motiviert?


Ja, gute Frage.
Wie viele Beiträge hast Du geschrieben, in denen Du anprangerst, dass es die christlichen Werte, auf die sich berufen wird, überhaupt nicht gibt?

Etwas originär Christliches hat es also nie gegeben, außer natürlich bei Mord und Folter. Schon klar.
Heißes Fett in die Vagina und sexuelle Verklemmtheit, das ist Boulevard, der so tut, als ginge es um Humanismus.
Benutzeravatar
Vollbreit
 
Beiträge: 2413
Registriert: Mi 30. Nov 2011, 11:48

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Lumen » Di 23. Okt 2012, 13:50

Sicher gibt es originär christliches. Die Bibel zum Beispiel. Oder der Beruf des Geistlichen. Oder die christliche Messe. Und so weiter. Du schreibst mal wieder wirres Zeug. Empathie ist aber nicht christlich. Eine Firma oder Gruppe kann behaupten, sie sei freundlicher, hilfsbereiter kann aber kein Patent auf Freundlichkeit an sich anmelden. Und ob diese Leute auch so wahrgenommen werden, hängt von deren tatsächlichen Verhalten ab. Jemand kann freundlich sein, weil das in der Firma/Gruppe vorgelebt und gefördert wird, oder kann von sich aus freundlich sein. Die Tatsache das jemand freundlich ist, ist allein kein Grund anzunehmen, die Gruppe/Firma sei dafür verantwortlich. Zur Begrüßung genau dreimal die Hand schütteln und dann High-Five geben kann jemand zufällig so machen, aber wenn es viele in der Firma/Gruppe so machen UND es auch im Leitfaden so drinsteht, dann ist die These nicht sehr gewagt, dass es von der Organisation stammt. Man kann noch genauer reingucken, aber da dir Vollbreit die Kapazitäten dafür fehlen, ist es unsinnig, darauf Mühen zu verschwenden.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon stine » Di 23. Okt 2012, 14:05

Was liest du für Bücher, @Lumen?
Von den dir geschilderten Foltermethoden habe ich im Zusammenhang mit christlich Gläubigen noch nie gehört.

Das Mittelater war grausam, meist mangels medizinischer Kenntnisse und Armut. Die Foltereien haben aber sicher nicht täglich und überall stattgefunden und die meistens davon vielleicht nur in den Büchern reisserischer Autoren über diese Zeit.
Sollten einst unsere Nachfahren ihr Wissen über uns aus Schwarzeneggerfilmen ziehen, dann werden sie sagen, boah, die haben aber was ausgehalten damals, da isses ja wild zugegangen.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Nanna » Di 23. Okt 2012, 14:12

Lumen hat geschrieben:Empathie ist aber nicht christlich. Eine Firma oder Gruppe kann behaupten, sie sei freundlicher, hilfsbereiter kann aber kein Patent auf Freundlichkeit an sich anmelden.

Es gibt Religiöse, die behaupten, nur ihre Religion würde zur wahren, unverstellten Ausprägung dieser Fähigkeiten führen, ja, die allseligmachende Kirche halt. Aber während unbestreitbar ist, dass das ein Kennzeichen einer Teilmenge religiöser Menschen ist, ist es kein Kennzeichen religiöser Menschen insgesamt. Deine Kritik wäre, wie üblich, nachvollziehbarer, wenn du sie klarer an eine bestimmte Untergruppe addressieren würdest oder, noch besser, abstrahierter kritisieren und gleich bei Empathielosigkeit als genuinem Problem ansetzen würdest, um in einem zweiten Schritt zu erforschen, in welchen gesellschaftlichen Kontexten das gehäuft auftritt. Ich nehme an, dass die Religion da eine recht durchschnittliche Position einnehmen wird, die gegenüber anderen Gruppen wie z.B. bestimmten Akteuren am Finanzmarkt nicht unbedingt signifikant herausragen wird. Das würde ein bisschen den Druck von dir nehmen, immer mit großem Einsatz Faktoren hoch- bzw. herunterspielen zu müssen, damit das Schiff Religion mit möglichst starker Schlagseite erscheint, unabhängig davon, ob das nötig wäre.

stine hat geschrieben:Das Mittelater war grausam, meist mangels medizinischer Kenntnisse und Armut. Die Foltereien haben aber sicher nicht täglich und überall stattgefunden und die meistens davon vielleicht nur in den Büchern reisserischer Autoren über diese Zeit.

Richtig, wobei die Leute im Mittelalter weder dumm noch arm waren. Ich habe ja schon vor einiger Zeit mal in einem recht langen Beitrag viele Mittelalterklischees auseinandergenommen (wer's nochmal lesen will: viewtopic.php?f=5&t=4101&hilit=mittelalter&start=20#p86255). Die Zeit war definitiv viel weniger "dunkel" und viel zivilierter und geordneter als wir uns das heute vorstellen. Von einem grausamen Mittelalter kann keine Rede sein, genausowenig, wie Guantanamo stellvertretend für die gerade laufende Epoche stehen kann.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Lumen » Di 23. Okt 2012, 14:37

stine hat geschrieben:Was liest du für Bücher, @Lumen?
Von den dir geschilderten Foltermethoden habe ich im Zusammenhang mit christlich Gläubigen noch nie gehört.

Das Mittelater war grausam, meist mangels medizinischer Kenntnisse und Armut. Die Foltereien haben aber sicher nicht täglich und überall stattgefunden und die meistens davon vielleicht nur in den Büchern reisserischer Autoren über diese Zeit.
Sollten einst unsere Nachfahren ihr Wissen über uns aus Schwarzeneggerfilmen ziehen, dann werden sie sagen, boah, die haben aber was ausgehalten damals, da isses ja wild zugegangen.

LG stine


Es gibt dazu neuere Ergebnisse, stine. Ich lese alles mögliche online und offline. Es gibt immer mal wieder Artikel von Spiegel, Süddeutsche, Nature bis National Geographic, bis Scientific American usw. Zum Beispiel gehen konservative Schätzungen, was Hexenverfolgung angeht, von etwa 35.000 Toten aus. Ich weiß, dass der National Geographic vor vielleicht zwei Jahren noch eher von 75.000 für Gesamteuropa ausging (davon 50.000 im HRR). Wieviele es genau sind, ist umstritten. Ich behaupte schon ziemlich gewissenhaft zu sein, und nutze nicht veraltete Zahlen (die zum Teil Millionen angaben). Aus eurer Sicht müsste ich das ja machen, da es mir angeblich besser in den Kram passt. Wo wir bei reißerischen Autoren sind, die gab es auch. Famoses Beispiel wäre da der sog. Hexenhammer, der sich durch die Neuerfindung des Buchdrucks schnell verbreitete und offenbar den (christlich-frauenfeindlichen) Nerv der Zeit traf.

Aber Hexenverfolgung und Kreuzzüge sind plakativ, aber nur die Spitze des Eisbergs. Im Grunde vernachlässigbar, aber ihre Existenz ist schon hinreichender Gegenbeweis dafür, dass Christen prinzipiell bessere Menschen seien. Richtig grauenhaft ist die Funktionsweise des religiösen Systems selbst. Auch das ist ja nicht neu. Martin Luther und die Reformation wandten sich dagegen, übernahmen aber dann doch wieder viele problematischen Elemente. Auch das lässt sich zeigen und Geschichte ohne die Reformation ergibt kaum einen Sinn. Darum sind Vollbreit's Ansicht auch eher dadaistisch zu nennen. Dabei gibt es durchaus Experten, die ein noch drastischeres Bild zeichnen, zum Beispiel der erste Kreuzzug als erster Holocaust, so dargestellt von Jonathan Riley-Smith. In der deutschen Wikipedia bei Kreuzzügen steht dazu natürlich nichts, aber die englische Wiki hat den Verweis. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Bild sich gewandelt hat. Wer glaubt nach Hitchens Enthüllungen zu Mutter Theresia ("Ghoul von Kalkutta") und nach dem Skandal in Spanien um den systematischen Kindesrraub noch an gutmütige Nonnen? Wird sich das Image der katholischen Kirche je von Kinderschänderei und Vertuschung erholen? Wenn dieser Schurzschirm weg ist, wird auch der Blick freigelegt auf die historischen Verbrechen die einfach zu zahlreich sind. Wissenschaftler haben ja gerade erst begonnen, die Mechanik des Glaubens zu verstehen und das ist jetzt schon nicht appetitlich.
Benutzeravatar
Lumen
 
Beiträge: 1133
Registriert: Sa 30. Okt 2010, 01:53

Re: Manfred Lütz 'Bluff'

Beitragvon Nanna » Di 23. Okt 2012, 14:53

Lumen hat geschrieben:Wissenschaftler haben ja gerade erst begonnen, die Mechanik des Glaubens zu verstehen und das ist jetzt schon nicht appetitlich.

Wenn man gerade erst damit begonnen hat, warum weißt du dann jetzt schon immer so genau, wie es wirklich ist/war?
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

VorherigeNächste

Zurück zu Medien

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 18 Gäste

cron