Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Mo 3. Dez 2012, 23:51

Und wenn es nicht für alle gleich funktioniert? Wenn es auch von Charakter und persönlicher Entwicklung abhängt, ob jemand einem bestimmten Begründungsschema zugänglich ist? Schön, wenn du andere Wege gefunden hast, dich anständig zu verhalten und das nicht religiös begründen musst, das habe ich ja auch. Aber was, wenn wir uns hier unnötig und unberechtigt zum Maßstab aller Dinge machen? Müssen alle dasselbe denken?
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Di 4. Dez 2012, 00:58

Das mache ich ja garnicht, und ein religiöses Begründungsschema klappt ja heutzutage nicht mehr. Kaum jemand will die Todesstrafe für Ehebruch, mal wohlwollend angenommen. Nur habt ihr ja immer was auszusetzen, weil eure Logik und Argumente nicht ziehen. Mal ist es dieses, dann jenes, dann war Hitler ein Atheist. Weder zaubere ich eine ultimative Begründung aus dem Hut, noch kann das jemand anders. Noch kenne ich die ultimative Wahrheit, noch jemand anderes.

Würde ich Taraot-Karten zur Hilfe nehmen, um meine Introspektion zu befördern, und dann behaupten, die Karten erzählten mir was richtig und falsch ist, da ich das in der Todeskarte "ganz klar" sehe, würde jeder einwenden, dass da nichts zu sehen ist, außer meine eigenen Assoziationen. Zu Recht. Das gibt den Kritikern aber auch keine keine Superkräfte. Die können es auch nicht.

Nur das dumme ist, dass ich nie behaupte, ich würde es besser wissen. Das ist lediglich die Projektion von Leuten, die merken, dass ihnen das entgleitet und die merken, dass ihre Behauptungen nicht haltbar sind. Aber anstatt das vernünftig und sachlich zu diskutieren, wird nahezu immer unfair und recht unlaut argumentiert und unterstellt. Also heißt es dann, der Atheist sitze auf einem hohen Ross. Wenn der Religiot von seinem runterfällt, kann das schon disorientierend wirken.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Di 4. Dez 2012, 02:36

Solange "vernünftig und sachlich" bedeutet, dass man deine Prämissen übernehmen muss, um in einen Dialog einzutreten, nein, solange werde ich nicht "vernünftig und sachlich" in deinem Sinne (!) diskutieren.

Es geht nicht darum, ob ein religiöses Begründungsschema "objektiv" funktioniert - von Objektivität in dem Reinheitsgrad, den du dir einbildest zu haben, halte ich eh nichts. Normativität ist was, wo man argumentativ immer etwas im luftleeren hängt und Empirie einen nur begrenzt weit bringt. Es geht darum, ob es subjektiv für den Gläubigen funktioniert, ob er aus seine Glauben normative Produktivität schöpfen kann - oder einfacher ausgedrückt, ob er sich aufgrund seines Glaubens besser benehmen kann. Und ich glaube, dass das auf viele Gläubige zutrifft, wobei ich keine Ahnung von der Größenordnung habe. Ich würde mich nicht mal so weit aus dem Fenster lehnen, zu behaupten, dass es eine Mehr- oder Minderheit wäre.

Du bist ein Logiker und offenbar tief beleidigt gegenüber der Welt, dass sie deiner Analyse nicht folgen will. Du entdeckst Unstimmigkeiten im religiösen Denkgebäude und das macht für dich den kompletten Lebensentwurf Religion inakzeptabel, weil das anscheinend der zentrale Mechanismus ist, an dem du alles ausrichtest. So stelle ich mir das zumindest vor. Ich habe da eine pragmatischere Sicht und bin auch bereit, "schmutzigere" Lösungen zu akzeptieren, solange man damit vorankommt. Für mich muss kein Muslim oder Christ einen absoluten logischen Reinheitsgrad, eine totale logische Kohärenz seiner Positionen beweisen, nur damit ich ihn sein Ding machen lasse. Ich sehe auch inkohärente Denkgebäude nicht als derart grundlegende Gefahr für das Zusammenleben an, weil wir ohnehin in einer ziemlich dadaistischen Welt leben. Gib mir fünf Minuten Einblick in dein Privatleben und ich finde sicherlich ebenfalls jede Menge Ungereimtheiten und Handlungs- und Denkmuster, die sich gegenseitig widersprechen und wo du einen inneren, intuitiven Kompromiss mit dir selbst geschlossen hast, im Alltag vielleicht sogar häufig die zahlreichen Ungereimtheiten dissoziierst. Und mir geht es genauso, nur dass ich anscheinend die Imperfektionen meiner Handlungen und Ideale mit etwas mehr Großmut und Humor betrachten kann und etwas mehr unterscheide, wann es wirklich wichtig ist, den Mund aufzumachen und wann es Haarspalterei wird.
Ich finde beispielsweise die Aussage mit der "Todesstrafe für Ehebruch" gegenüber einem modernen, toleranten Anhänger einer abrahamitischen Religion vollkommen unangebracht. Klar betreibt derjenige Rosinenpickerei und liest es durch die kulturelle Brille seiner Zeit, aber warum denn auch nicht? Zeigt das nicht unter anderem auch seine Reflexion und kritische Grundhaltung gegenüber dem eigenen heiligen Text? Ist es schlimm, wenn jemand mit einem größeren Traditionsbedürfnis als du und ich (was meines Erachtens auch eine dieser Charaktereigenschaften ist, die einfach beim einen stärker und beim anderen geringer ausgeprägt sind) Behaglichkeit darin findet, moderne Normen auf ältere Quellen zurückführen zu können? Darf er sich nicht wohl fühlen beim Gedanken, an einem uralten Streben nach Gerechtigkeit und einem "höheren Dasein" teilzunehmen, ganz gleich, wie emotional das jetzt erstmal ist? Das heißt doch nicht, dass derjenige komplett irrational ist.
Ohnehin bin ich nicht sicher, ob rationales, kohärentes und kontrolliertes Verhalten im Alltag überhaupt nennenswert mit Religiosität oder Wissenschaftsorientierung korreliert. Man kann sich Toleranz aus religiösen Zusammenhängen herbegründen genauso wie man seiner Homophobie einen wissenschaftlichen Anstrich geben kann. Und für mich ist halt wichtiger, wie das konkrete Zusammenleben aussieht. Dass da viele Philosophien und Gedankenwelten nebeneinander herexistieren macht es zwar anstrengender und es gibt Grundfragen, wo man Grenzen ziehen muss (bei den Menschenrechten in erster Linie), aber darüberhinaus soll jeder seinen Privatsynkretismus aus Aufklärungsidealen und Religion leben dürfen, das gehört zur konstitutiven Grundausstattung einer freien Gesellschaft. Klar wäre mir ein Philosophenstaat mit edlen Philosophen nicht nur an der Spitze, sondern in jedem Haus, auch am liebsten, aber wir wissen, wie realistisch das ist. Und so schlecht kommen wir in Mitteleuropa mit unseren religiösen Mitmenschen jetzt auch nicht klar, auch wenn manche manchmal Ärgerliches oder haarsträubend Dummes sagen. Dann widersprechen wir halt, nur vielleicht ohne den Drang, gleich deren gesamtes Weltbild abreißen zu müssen. Macht doch auch keinen zufriedener.

Lass es uns doch lieber fördern, dass Muslime die Menschenrechte islamisch herleiten. Das ist schwer genug zu erreichen und immer noch tausendmal realistischer, als zu verlangen, dass die Muslime ihren Glauben aufgeben sollen. Sollen die doch ihr Heil suchen, wie sie wollen, ich meine, warum ist das überhaupt dein Problem?
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Di 4. Dez 2012, 07:57

Es ist nicht @Lumens Problem, es ist ein Weltproblem. Die ganze Welt befindet sich derzeit (wieder einmal) in einer Umbruchstimmung. Religion war und ist im nahen Osten der Platzhalter für fehlende säkulare Führung. Da der Islam die Unterwerfung zu Allah einfordert, nehmen alle Politiker dieser Länder an, dass säkulare Politik auch nur eine Unterwerfungspolitik sein kann und dass damit automatisch klar ist, dass nur eine Diktatur die Religion ablösen kann. Von einem Wandel hin zur Demokratie sind diese Länder noch weit entfernt. Wenn tatsächlich mal Wahlen stattfinden, werden sie entweder unehrlich durchgeführt oder es werden widerrum nur Despoten gewählt. Offensichtlich brauchen viele Völker dieser Erde noch eine strenge Hand, weil das der inneren Sicherheit dienlich ist. Zuviele muslimische Religionsstämme können dort ja schon intern nicht miteinander, geschweige denn dann noch mit anderen Religionen zusammen.
Nanna hat geschrieben:Zeigt das nicht unter anderem auch seine Reflexion und kritische Grundhaltung gegenüber dem eigenen heiligen Text?
Ich würde mir auch wünschen, dass Muslime lernen, ihren heiligen Text genauso zu interpretieren, und aufzuarbeiten, wie es westliche Theologen tun, aber das Herunterbeten der Koranschriften, in knieender Haltung, auf den Boden gekauert, wird wahrscheinlich auch länger noch nicht dazu führen. Führende Imame lehnen daher begründet alle weiteren Bildungsmaßnahmen ab. Solange das Buch dermaßen "heilig" ist, dass es nicht einmal von "Ungläubigen" angefasst werden darf, solange ist an Interpretation der Texte gar nicht zu denken.
Der Islam steht jeder Aufklärungsarbeit im Wege und ist deswegen nicht kompatibel zu westlicher Toleranz. Ein Miteinander der Kulturen sehe ich dort eider noch lange nicht.

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Di 4. Dez 2012, 10:07

stine hat geschrieben:Der Islam steht jeder Aufklärungsarbeit im Wege und ist deswegen nicht kompatibel zu westlicher Toleranz. Ein Miteinander der Kulturen sehe ich dort eider noch lange nicht.


Wem streckst Du denn Deine Hand entgegen? Das sehe ich nämlich auch nicht?
Was muss ein Moslem tun, um von Dir akzeptiert zu werden? Atheist werden oder konverntieren? Das wird nicht hinhauen?
Ans Grundgesetz halten sich die meisten, die hier leben.
Bei denen die sich nicht dran halten wäre es mindestens verkürzt, den Islam in die Pflicht zu nehmen. Die türkischen Jugendlichen haben hier Probleme (Ex-Jugoslawen und Italiener übrigens nicht weniger), Ostasiaten und Iraner sind besser angepasst und haben bessere Noten, als Deutsche.

Wo aus religiösen Gründen Bildung verhindert wird, stimme ich Dir zu, andererseits sind die Mohammed Attas dieser Welt eben nicht die zurückgebliebenen, armen Unterdrückten, sondern, sie sind radikalisiert, satt und gebildet (und viel besser "angepasst" als man denkt).

Nur wie gesagt, schon taktisch erscheint mir der Schulterschluss mit den gemäßigten Moslems sinnvoll, das macht es ihnen leichter, sich gegen die Irren in ihren Reihen abzugrenzen. Im Moment zeigen wir ihnen leider zu oft, dass sie allesamt unerwünscht sind.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 4. Dez 2012, 11:25

Eines der letzten Argumente, was denn religion so großartiges zu bieten hätte, war, dass sie "Werte" vermittelten. Das war so dahingestellt und nicht näher definiert. Ich habe die Frage schon mehrmals aufgeworfen und tue es nochmal: Wozu überhaupt dieses Konstrukt? Zu Nanna: Empirie ist nicht das einzige, was die Naturwissenschaft begrüßt und als legitim definiert. Der Wille ist nichts normatives und steht nicht in Konflikt zur Empirie. "Wollen" ist nicht "Sollen", ersteres ist real, letzteres nicht. Mit einem geübtenn Verstand reicht die naturwissenschaftliche Betrachtung der Welt völlig aus, um zu erkennen, was dem Willen entspricht und was nicht. Als erstes wird der eigene Nutzen als Prämisse festgestellt, dann wird nach Optionen gesucht, anschließend kann die ertragreichste Option gewählt werden, die möglichst großen Nutzen und möglichst geringen Schaden bedeutet. Der geringste Schaden für einen selbst ist oft auch der geringste Schaden für die Umgebung, somit merken spätestens jetzt die meisten, dass wir eine soziale Komponente haben. Die erste findet sich in der (empirisch belegbaren) Feststellung, dass Kooperation die Erfolgsaussichten für die meisten Vorhaben steigert. Ein Anreiz für den Kooperierenden kann der eigene Nutzen sein, somit liegt es wiederum im eigenen Interesse, dem anderen zu nützen, während man ihn nutzt. Man kann sich ein völlig unethisches aber praktikables Weltbild in dieser Art aus der naturwissenschaftlichen Sichtweise erschließen.
Dieses System würde für die meisten funktionieren, wenn es gelehrt und trainiert werden würde in den Bildungseinrichtungen. Das wäre wesentlich sinnvoller als jeder einseitige Religionsunterricht, denn es würde auf den menschlichen Veranlagungen zum Egoismus und zur Empathie aufbauen. Limitiert wäre die Nützlichkeit dieses Systems nur durch die Intelligenz der Anwender, schließlich muss man langfristig und flexibel denken können, aber mit einer guten Bildung sollte dies möglich sein. Ich erkenne bei bestem Willen nichtmal ansatzweise die Notwendigkeit von Werten, die ohnehin nie einem Maßstab unterliegen und sehr willkürlich interpretiert werden.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Di 4. Dez 2012, 12:45

Vollbreit hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Der Islam steht jeder Aufklärungsarbeit im Wege und ist deswegen nicht kompatibel zu westlicher Toleranz. Ein Miteinander der Kulturen sehe ich dort leider noch lange nicht.
Wem streckst Du denn Deine Hand entgegen? Das sehe ich nämlich auch nicht?
Was muss ein Moslem tun, um von Dir akzeptiert zu werden? Atheist werden oder konverntieren? Das wird nicht hinhauen?
Ans Grundgesetz halten sich die meisten, die hier leben.
Ich denke, dass wir aneinander vorbei schreiben. Bei meinen Posts war nie die Rede von hier lebenden Muslimen, ich schrieb über das Malheur im Nahen Osten. Ich dachte bei meinen Posts nur an die Situation in islamischen Ländern.
Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass Muslime die hier leben, vor dem radikalen Islam geflohen sind, nicht dass sie ihn verlagern wollten. (Hoffe ich zumindest.)

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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Di 4. Dez 2012, 17:01

Nanna hat geschrieben:[...] Es geht nicht darum, ob ein religiöses Begründungsschema "objektiv" funktioniert - von Objektivität in dem Reinheitsgrad, den du dir einbildest zu haben, halte ich eh nichts. [...] Du bist ein Logiker und offenbar tief beleidigt gegenüber der Welt, dass sie deiner Analyse nicht folgen will. Du entdeckst Unstimmigkeiten im religiösen Denkgebäude und das macht für dich den kompletten Lebensentwurf Religion inakzeptabel, [...]


Meine Ansichten oder angenommene Denkfehler machen weder islamische Behauptungen wahr, noch kann sich eine andere religiöse Sichtweise über vermeintliche Fehler meinerseits freuen. Sie müssen ihre eigenen Vorzüge untermauern, so wie meine Ansichten durch eigene Argumente überzeugen müssen. Meine Überzeugung ist aber gar nicht der Gegenstand, wenn Religiöse ihre falschen, idiotischen, lächerlichen, beleidigenden Behauptungen vorbringen, die mit Regelmäßigkeit und großkotziger Selbstgefälligkeit in meinen Bereich eindringen. Es ist mein verdammt gutes Recht zu sagen: Ich bin genauso moralisch befähigt wie andere Menschen auch und nein, die Behauptung, dass ich meine Werte von einem Gott und seinen Kultisten hätte ist ohne Belege auch nicht akzeptabel für mich. Bitte mal drei Schritte zurück.

Trotzdem geht es in jeder dieser Diskussionen sehr bald um den Kritiker/Skeptiker und sein Weltbild oder vermeintliche Denkfehler. Dabei wird kein Versuch ausgelassen, um charakterliche Makel herauszustellen (respektlos, laut, klinisch, kühl, herzlos, hasserfüllt, wütend …) und wenn es geht wird auch noch irgendwie auf "atheistische Verbrechen" hingewiesen. Dann hat man das auch noch am Stecken als vermeintlichen "Beweis", dass Atheisten doch keine Moral haben. Tut mir leid, aber langsam weiß ich nicht mehr, was ich dazu sagen soll, außer mir an den Kopf zu fassen und langsam wirklich zu denken, dass religiöse Menschen und ihre Unterstützer doch einen an der Waffel haben müssten. In jeder Diskussion geht das so, in keiner Talkshow zum Thema darf das fehlen.

Wo sind aber nun die Belege für das religiöse Märchenland: Fehlanzeige. Wo sind die Belege, dass es irgendwelche religiösen Werte gibt: Fehlanzeige. Was kann eine dezidiert religiöse Sichtweise konkret einbringen (was andere nicht auch vergleichbar gut könnten): Fehlanzeige. Wo sind die Belege, dass religiöse Menschen sich besser, moralischer Verhalten: Fehlanzeige.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Di 4. Dez 2012, 17:15

Lumen hat geschrieben: Trotzdem geht es in jeder dieser Diskussionen sehr bald um den Kritiker/Skeptiker und sein Weltbild oder vermeintliche Denkfehler. Dabei wird kein Versuch ausgelassen, um charakterliche Makel herauszustellen (respektlos, laut, klinisch, kühl, herzlos, hasserfüllt, wütend …) und wenn es geht wird auch noch irgendwie auf "atheistische Verbrechen" hingewiesen.


Ah, komischerweise kann ich das nicht finden.
Vielleicht liegt das aber auch daran, dass bei jeder Diskussion an der Lumen teilnimmt, über kurz oder lang, meistens kurz, dafür gesorgt wird, dass das Thema auf Blut, Leichenberge, Kinderfickerei, Genitalverstümmelungen kommt und das immer gleiche Szenario aufgebaut wird, bei dem regelmäßig, ohne jeden Erkenntnisfortschritt, da ohne jeden Diskussionswillen, genau das herauskommt, was vorher schon drin steckte, nämlich Deine tiefsitzenden Vorurteile, die Dich nicht langsam anfangen lassen „zu denken, dass religiöse Menschen und ihre Unterstützer doch einen an der Waffel haben müssten“, sondern das ist bereits die Haltung mit der Du seit Jahren durchs Leben gehst.

Am Ende wirst Du die Bilanz ziehen, Du hättest jetzt 3 oder 10 oder 20 Jahre diskutiert und nun sei sicher: alle bekloppt.
Mit dem wie man in den Wald ruft, kann das natürlich nichts zu tun haben.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Zappa » Di 4. Dez 2012, 19:09

Zur Wissenschaft:

Vollbreit hat geschrieben: Aber ist damit ein Staat zu machen? Das gibt ja nicht mal Werte her.

Ich denke, da unterliegst Du einem Fehlschluß (dem nicht-naturalistischen? :lachtot: )

Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Gemeinschaft, ein Staat, nicht so funktionieren soll und darf, dass Werte festgelegt werden und dann daraus eine Gesellschaftsordnung deduktiv zementiert wird. Solche Modelle, seien sie angeblich religiös oder materialistische begründet, sind alle mehr oder wendiger gescheitert. Dieser totalitäre Anspruch ist zutiefst illiberal und undemokratisch.

Eine Gesellschaftsordnung sollte die Menschen erst mal so nehmen wie sie sind und natürlich sollte in einem vernünftigen politischen Diskurs festgelegt werden, welche Normen und Werte als Rahmenbedingungen gelten sollen. Dieser Diskurs findet immer im historischen Kontext statt und das Ergebnis ist aus der jeweiligen Sicht jedes Einzelnen immer suboptimal, s. aktuelle Situation in Ägypten, der politische Prozess an sich ist aber der, der sich am besten bewährt hat.

Ich würde mir für die Zukunft nur wünschen, dass die Bewertungsprozesse (werden die Normen und Werte gelebt, die Ziele erreicht?) wissenschaftlicher begleitet werden. Gutes Beispiel ist für mich die moderne Pädagogik, die endlich anfängt Zielkriterien zu definieren und deren Erreichungsgrad zu messen. Das ist ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung. Natürlich kann die Wissenschaft die Bildungsziele (analog zu den Werten ) nicht vorgeben, die müssen im gesellschaftlichen Diskurs ausgehandelt werden, aber halt messen ob die Ziele erreicht werden. Stell Dir mal vor, die Ägypter würden sich heute auf messbarer Zielkriterien für grundlegende Werte und soziale Ziele (Glücksindex), den die neue Verfassung ermöglichen soll, festlegen und bei Nichterreichen einen automatischen Revisionsprozess für die Verfassung vereinbaren. Wäre das nicht ein deutlicher Fortschritt?

Ohne Wissenschaft wird ständig nur gelabert, beeinflusst, desinformiert, aufgehetzt und zur Not totgeschlagen. Das ist meine Meinung.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 4. Dez 2012, 20:02

Vollbreit hat geschrieben:Vielleicht liegt das aber auch daran, dass bei jeder Diskussion an der Lumen teilnimmt, über kurz oder lang, meistens kurz, dafür gesorgt wird, dass das Thema auf Blut, Leichenberge, Kinderfickerei, Genitalverstümmelungen kommt und das immer gleiche Szenario aufgebaut wird, bei dem regelmäßig, ohne jeden Erkenntnisfortschritt, da ohne jeden Diskussionswillen, genau das herauskommt, was vorher schon drin steckte, nämlich Deine tiefsitzenden Vorurteile, die Dich nicht langsam anfangen lassen „zu denken, dass religiöse Menschen und ihre Unterstützer doch einen an der Waffel haben müssten“, sondern das ist bereits die Haltung mit der Du seit Jahren durchs Leben gehst.

Also, was ich hier lese, hört sich ganz anders an:
Lumen hat geschrieben:Wo sind aber nun die Belege für das religiöse Märchenland: Fehlanzeige. Wo sind die Belege, dass es irgendwelche religiösen Werte gibt: Fehlanzeige. Was kann eine dezidiert religiöse Sichtweise konkret einbringen (was andere nicht auch vergleichbar gut könnten): Fehlanzeige. Wo sind die Belege, dass religiöse Menschen sich besser, moralischer Verhalten: Fehlanzeige.

Aber vielleicht ignorierst du schlichtweg solche Textstellen.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Darth Nefarius » Di 4. Dez 2012, 20:06

Zappa hat geschrieben:Stell Dir mal vor, die Ägypter würden sich heute auf messbarer Zielkriterien für grundlegende Werte und soziale Ziele (Glücksindex), den die neue Verfassung ermöglichen soll, festlegen und bei Nichterreichen einen automatischen Revisionsprozess für die Verfassung vereinbaren. Wäre das nicht ein deutlicher Fortschritt?

Ohne Wissenschaft wird ständig nur gelabert, beeinflusst, desinformiert, aufgehetzt und zur Not totgeschlagen. Das ist meine Meinung.

Nun, das wäre kein gutes Konzept, da du nicht klärst, was denn alles revidiert werden soll. Ist es die ganze Verfassung oder sind es doch nur einige Teile davon? Vielleicht nur einer? Zudem bestünde bei soetwas die Gefahr des Missbrauchs, indem jedesmal eine (vielleicht tiefgreifende) Verfassungsänderung zu einem Wahlkampfprogramm werden könnte. Dem Schlusswort schließe ich mich an.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Di 4. Dez 2012, 22:42

Zappa hat geschrieben:Zur Wissenschaft:

Vollbreit hat geschrieben: Aber ist damit ein Staat zu machen? Das gibt ja nicht mal Werte her.

Ich denke, da unterliegst Du einem Fehlschluß (dem nicht-naturalistischen? :lachtot: )

Ich bin fest davon überzeugt, dass eine Gemeinschaft, ein Staat, nicht so funktionieren soll und darf, dass Werte festgelegt werden und dann daraus eine Gesellschaftsordnung deduktiv zementiert wird. Solche Modelle, seien sie angeblich religiös oder materialistische begründet, sind alle mehr oder wendiger gescheitert. Dieser totalitäre Anspruch ist zutiefst illiberal und undemokratisch.


Ja, da bin ich großenteils Deiner Meinung, wobei ein weiser Führer auch Gutes bewirken kann, siehe unten.

Zappa hat geschrieben:Eine Gesellschaftsordnung sollte die Menschen erst mal so nehmen wie sie sind und natürlich sollte in einem vernünftigen politischen Diskurs festgelegt werden, welche Normen und Werte als Rahmenbedingungen gelten sollen.


Das sind natürlich wieder Aussagen, zu denen niemand „nein“ sagen kann, die aber auch entsprechend fleischlos sind. Irgendwann muss man ja mal den Anstoß machen, damit ein Spiel zustande kommt, alles Weitere kann und sollte verhandelt werden.

Zappa hat geschrieben:Dieser Diskurs findet immer im historischen Kontext statt und das Ergebnis ist aus der jeweiligen Sicht jedes Einzelnen immer suboptimal, s. aktuelle Situation in Ägypten, der politische Prozess an sich ist aber der, der sich am besten bewährt hat.


Ist ja an sich nicht schwer einzusehen, dass man selbst auch mehr profitiert, wenn es möglichst Vielen gut geht.

Zappa hat geschrieben:Ich würde mir für die Zukunft nur wünschen, dass die Bewertungsprozesse (werden die Normen und Werte gelebt, die Ziele erreicht?) wissenschaftlicher begleitet werden. Gutes Beispiel ist für mich die moderne Pädagogik, die endlich anfängt Zielkriterien zu definieren und deren Erreichungsgrad zu messen.


Gut, ich stehe da nicht an der Front, aber ich glaube, da ist nicht viel dran.
Okay, wenn Du allerneueste Entwicklungen meinst, da tut sich wohl wirklich was, ansonsten ist gerade die Schule für mich ein Beispiel für ausdauerndes Geschwaller, bei dem sich am Ende oft nichts tut.

Zappa hat geschrieben:Das ist ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung. Natürlich kann die Wissenschaft die Bildungsziele (analog zu den Werten ) nicht vorgeben, die müssen im gesellschaftlichen Diskurs ausgehandelt werden, aber halt messen ob die Ziele erreicht werden.


Inflationäres Abitur und der Trend zu Bestnoten im Ausverkauf, ist so eine Entwicklung, die auch nichts bringt, m.E., aber Du meintest eher die Methodik, oder?

Zappa hat geschrieben:Stell Dir mal vor, die Ägypter würden sich heute auf messbarer Zielkriterien für grundlegende Werte und soziale Ziele (Glücksindex), den die neue Verfassung ermöglichen soll, festlegen und bei Nichterreichen einen automatischen Revisionsprozess für die Verfassung vereinbaren. Wäre das nicht ein deutlicher Fortschritt?


Ja, aber ich glaube, dass das nicht geht. Man macht eben Demokratie auch nicht dadurch, dass man die Leute wählen lässt, sondern dass man ein demokratisches Bewusstsein schafft und das muss wachsen.

Zappa hat geschrieben:Ohne Wissenschaft wird ständig nur gelabert, beeinflusst, desinformiert, aufgehetzt und zur Not totgeschlagen. Das ist meine Meinung.


Na gut, das ist ne klare Meinung, die ich respektieren kann, aber mir ist nicht so richtig klar, woran Du das fest machst. Vielleicht bin ich was Schule angeht irgendwie voreingenommen – war nicht so meine glücklichste Zeit im Leben – aber was wären denn für Dich so Paradedisziplinen?
Ich meine, bei der Energiewende war es z.B. so, dass die Bundesregierung im Jahr vor Fukushima eine Studie zu den erneuerbaren Energien in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis der Studie war: Auf Erneuerbare umzusteigen ist überhaupt kein Problem, wenn man es ernst meint, geht das schon bis 2017 und zwar problemlos und schon mittelfristig mit deutlichen Vorteilen, auch finanzieller Art.
Mit diesem Wissen ist unsere Kanzlerin dann zu den vier Konzernchefs gegangen und sich dann von ihnen vorführen lassen und erst mal die Laufzeit für AKW verlängert. Da fühlt man sich doch gut regiert, wenn eine Naturwissenschaftlerin ihre eigens beauftragten Studien kaltlächelnd in den Wind schießt. Ich meine, nicht dass ich je was von Frau Merkel gehalten hätte, aber das ist ja ein anderes Thema.

Mit dem Bruttoinlandsglück, darauf spielst Du wohl an, das ist ne feine Sache, wenigstens vom Vorhaben her nahezu vorbildlich. Sind die Kagyüs, deren prominentester Vertreter im Westen Chögyam Trungpa ist, den ich immer nachdrücklich zu lesen empfehle. Ein spirituelles Genie.
Der Monarch des Landes hat die Monarchie dann gleich noch selbst abgeschafft, auch ein Schritt mit Weitblick.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Mi 5. Dez 2012, 01:53

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben: Trotzdem geht es in jeder dieser Diskussionen sehr bald um den Kritiker/Skeptiker und sein Weltbild oder vermeintliche Denkfehler. Dabei wird kein Versuch ausgelassen, um charakterliche Makel herauszustellen (respektlos, laut, klinisch, kühl, herzlos, hasserfüllt, wütend …) und wenn es geht wird auch noch irgendwie auf "atheistische Verbrechen" hingewiesen.


Ah, komischerweise kann ich das nicht finden.
Vielleicht liegt das aber auch daran, dass bei jeder Diskussion an der Lumen teilnimmt, über kurz oder lang, meistens kurz, dafür gesorgt wird, dass das Thema auf Blut, Leichenberge, Kinderfickerei, Genitalverstümmelungen kommt und das immer gleiche Szenario aufgebaut wird, bei dem regelmäßig, ohne jeden Erkenntnisfortschritt, da ohne jeden Diskussionswillen, genau das herauskommt, was vorher schon drin steckte, nämlich Deine tiefsitzenden Vorurteile, [...]


Was DN sagte. Und warum sind das Vorurteile? Es sind nicht mal Urteile, sondern Fakten, die der gängigen Version von den lieben, moralisch besseren Christen/Moslems und ihren Religionen des Friede-Freude-Eierkuchens nun einmal entgegenstehen. Diese Hürde kann man ja nehmen, und manche (wenige) Gläubige machen das ja auch. Die machen keinen Hehl daraus, dass es da im religiösem Lager nicht immer alles toll und rosig war und kommen dann auch nicht wie du oder Lütz auf einem hohen Roß dahergallopiert und spielen sich auf, alles Gute für sich gepachtet zu haben. Das macht die Sache dann deutlich entspannter und ich interessiere mich dann komischerweise nicht für olle Kamellen. Muss ich ja dann nicht, denn diese Leute wollen mir auch keinen Bären aufbinden. Du hingegen und Konsorten hingegen schon. Ihr schwindelt euch einen zurecht und wenn man eure Behauptungen entkräftigt, wollt ihr den schwarzen Peter schnell wegschieben. Klappt ja auch immer vortrefflich. Wieder ein Thread, der alle bald langweilt, ohne einen einzigen Beleg für irgendeine Behauptung warum islamische (oder religiöse) Werte brachbar oder tolerierbar sein sollen. Ich brauche garkeine Begründung dafür, aber ich stelle auch keine außergewöhnlichen Behauptungen auf.

Ergo, es sind Religiöse die mal aus ihrer Comfort Zone raus müssen, entweder weniger breitbeinig auftreten, oder halt zu den Schandtaten stehen. Als Deutscher muss ich das ja auch, ob mir das gefällt oder nicht. Warum nochmal sollten also Atheisten, die in Wahrheit die Vorurteile abbekommen, wieder die Klappe halten (so wie einige Jahrhunderte)? Sollen also solche Leute wie Lütz beliebig behaupten können, es sei das christliche, dass Menschen erst gut mache, damit implizit sagen, dass Atheisten daher minderwertig seien (und das dann noch "untermauern" wollen, indem sie auf irgendeinen Diktator zeigen)? Wenn's da Zweifel gibt, einfach mal die Sendung anschauen, oder irgendeine andere irgendwo.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Mi 5. Dez 2012, 12:53

Lumen hat geschrieben:Und warum sind das Vorurteile? Es sind nicht mal Urteile, sondern Fakten, die der gängigen Version von den lieben, moralisch besseren Christen/Moslems und ihren Religionen des Friede-Freude-Eierkuchens nun einmal entgegenstehen.


Immer dann wenn jemand meint, die Fakten oder die Wahrheit auf seiner Seite zu haben, wir der Raum zum diskutieren natürlich eng. Denn dann ist ja klar, wie die Fakten sind und der andere ist damit jeder Möglichkeit einer anderen Sichtweise beraubt (es könnte höchstens noch eine kontrafaktische Meinung sein, aber wozu sollte man die überhaupt diskutieren?).

Lumen hat geschrieben:Diese Hürde kann man ja nehmen, und manche (wenige) Gläubige machen das ja auch. Die machen keinen Hehl daraus, dass es da im religiösem Lager nicht immer alles toll und rosig war und kommen dann auch nicht wie du oder Lütz auf einem hohen Roß dahergallopiert und spielen sich auf, alles Gute für sich gepachtet zu haben.


Allmählich gehen mir Deine dämlichen Gleichsetzungen (ich und Lütz) nur noch auf den Sack und ich habe auch keine Lust mehr zum x-ten Mal mich explizit von einer Einstellung zu distanzieren, die durch Deinen Panzer der Selbstimmunisierung ohnehin nicht durch dringt und Dich zudem ganz demonstrativ nicht interessiert.
Lassen wir’s dabei, dass wir, zumindest bei diesem Thema, auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, bei anderen klappt es ja bisweilen.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Lumen » Do 6. Dez 2012, 14:41

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Und warum sind das Vorurteile? Es sind nicht mal Urteile, sondern Fakten, die der gängigen Version von den lieben, moralisch besseren Christen/Moslems und ihren Religionen des Friede-Freude-Eierkuchens nun einmal entgegenstehen.


Immer dann wenn jemand meint, die Fakten oder die Wahrheit auf seiner Seite zu haben, wir der Raum zum diskutieren natürlich eng. Denn dann ist ja klar, wie die Fakten sind und der andere ist damit jeder Möglichkeit einer anderen Sichtweise beraubt (es könnte höchstens noch eine kontrafaktische Meinung sein, aber wozu sollte man die überhaupt diskutieren?).


Es gibt keinen Zweifel daran, dass John F. Kennedy erschossen wurde. Die Belagerung Wiens durch die Türken im 16. Jahrhundert ist ein Fakt. Die zeitweilige Verfolgung der Katholiken in England zur Zeit Shakespeares ist ein Fakt. Ebenso die Huggenottenkriege. Wieso entsteht bei mir der starke Eindruck, dass sobald es um religiöse Ereignise oder Motive geht, bei dir sofort das Strampeln anfängt? Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass das Wichtigste der Welt Grund für sehr sehr viele Konflikte und unschöne Dinge gewesen ist. Der wichtigste Grund für Menschen in früheren Zeiten war sehr oft das Übernatürliche, gerade wenn das Dieseits als elendes Gefängnis oder gar Strafe angesehen wurde. Als Anti-Dot empfehle ich dir das Interview mit Dan Barker, ehemaliger Evangelikaler, der sehr offen und klar über das "Mindset" von religiösen Menschen spricht.

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Diese Hürde kann man ja nehmen, und manche (wenige) Gläubige machen das ja auch. Die machen keinen Hehl daraus, dass es da im religiösem Lager nicht immer alles toll und rosig war und kommen dann auch nicht wie du oder Lütz auf einem hohen Roß dahergallopiert und spielen sich auf, alles Gute für sich gepachtet zu haben.


Allmählich gehen mir Deine dämlichen Gleichsetzungen (ich und Lütz) nur noch auf den Sack und ich habe auch keine Lust mehr zum x-ten Mal mich explizit von einer Einstellung zu distanzieren, die durch Deinen Panzer der Selbstimmunisierung ohnehin nicht durch dringt und Dich zudem ganz demonstrativ nicht interessiert.
Lassen wir’s dabei, dass wir, zumindest bei diesem Thema, auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, bei anderen klappt es ja bisweilen.


Nagut, dann etwas meta. Auch andere User haben dich auf dein magisches Denken, obskure Anforderungen und ähnliches hingewiesen. Ich bin nur darin speziell, dass du dich bei mir abarbeitest. Nehmen wir den Begriff "Kinderficker" den du meiner Argumentation bereits mehrfach unterstellt hast (worauf ich bisher nicht eingegangen sind, aber wo wir dabei sind). Wenn ich die Suche für dich mal bemühen darf, kommt der Eindruck wohl daher, dass ich ein Urteil eines Gerichtes hier gepostet hatte. Nur dort wurde das Thema und der Sachverhalt recht differenziert diskutiert. Ich verwende den Begriff garnicht, und bin selbst in dem Thread damit vorsichtig umgegangen. Du hingegen hast den Begriff bereits mehrfach in drei oder vier Threads als Antwort eingestreut. Fakten, meine Liebe.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Do 6. Dez 2012, 19:36

Lumen hat geschrieben:Es gibt keinen Zweifel daran, dass John F. Kennedy erschossen wurde. Die Belagerung Wiens durch die Türken im 16. Jahrhundert ist ein Fakt. Die zeitweilige Verfolgung der Katholiken in England zur Zeit Shakespeares ist ein Fakt. Ebenso die Huggenottenkriege. Wieso entsteht bei mir der starke Eindruck, dass sobald es um religiöse Ereignise oder Motive geht, bei dir sofort das Strampeln anfängt?


Weil Du ein antireligiöser Fundamentalist bist, der jedem der Dir nicht 100% zustimmt, unterstellt, er sei vom Papst gesponsored.

Lumen hat geschrieben:Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass das Wichtigste der Welt Grund für sehr sehr viele Konflikte und unschöne Dinge gewesen ist.


Das Wichtigste der Welt? Warum schreibst Du das? Was meinst Du damit? Warum schreibst Du mir das? Weil Du bestimmte Stimmungen erzeugen willst um dann nachher was von Fakten zu erzählen.

Lumen hat geschrieben:Der wichtigste Grund für Menschen in früheren Zeiten war sehr oft das Übernatürliche, gerade wenn das Dieseits als elendes Gefängnis oder gar Strafe angesehen wurde.


Ja, schön, inzwischen leben wir in anderen Zeiten.
Das wichtigste beim Haus ist, dass man die unteren Stockwerke nicht vergisst.

Lumen hat geschrieben:Nagut, dann etwas meta. Auch andere User haben dich auf dein magisches Denken, obskure Anforderungen und ähnliches hingewiesen.


Dich viele auf Deine hochgradig selektive Weltsicht, sieht nach nem Patt aus, ist nur keines, da mir bewusst ist, wo ich eine Außenseitermeinung vertrete und Du ständig erzählst Du würdest nur die Fakten wiedergeben. Aber ich habe ehrlich gesagt kein großes Interesse an einem Ringelpitz mir Dir.
Wir sind ja hier frei und Du darfst Deine Sichtweise ja verkünden, ich find’s auch okay, dass Du das darfst, finde es halt nur sehr einseitig und will das sagen dürfen, aber das Religionsthema mit Dir auf ein Minimum eindampfen.

Lumen hat geschrieben:Ich bin nur darin speziell, dass du dich bei mir abarbeitest. Nehmen wir den Begriff "Kinderficker" den du meiner Argumentation bereits mehrfach unterstellt hast (worauf ich bisher nicht eingegangen sind, aber wo wir dabei sind). Wenn ich die Suche für dich mal bemühen darf, kommt der Eindruck wohldaher, dass ich ein Urteil eines Gerichtes hier gepostet hatte.


Ach Lumen, verkauf doch bitte andere für dumm.
Klar, Du zählst nur die Tatsachen auf und durchschaust jeden, dass das Deine etwas selbstgefällige Dauerbotschaft ist, brauchst Du nicht noch mal zu wiederholen.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon stine » Fr 7. Dez 2012, 07:52

Das Mittelalter war nicht wegen der Religionen grausam, sondern wegen der für Machtzwecke missbrauchten Religionen.
Aber das weiß @Lumen natürlich, er tut nur so, als ob es anders gewesen wäre, weil ihm sonst die Argumente fehlen würden.
Ich würde sogar soweit gehen wollen, zu behaupten: Ohne ihren Gottglauben, wären die Menschen damals noch verzweifelter gewesen.

LG stine
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Vollbreit » Fr 7. Dez 2012, 10:12

Vor allem ist es so, dass das Mittelalter weit weniger grausam und primitiv war, als man meint.
Unser kollektives Bild vom Mittelalter ist viel mehr durch Romane, Fernsehserien und tradierte Vorurteile geprägt, als durch wirkliche historische Untersuchungen, weil die mühsam und dröge sind.

Auch unser „Wissen“ über historische Persönlichkeiten ist manchmal leicht verändert und oft vollkommen falsch.
Nahezu alles was wir über Galileo Galiei zu wissen glauben ist entweder falsch oder mindestens umstritten.

Das Bild des Komponisten Salieri als den eifersüchtigen Neider des Wunderkinds Mozart ist so eine Ente, die durch den Amadeus-Film in die Welt gesetzt wurde und je weiter man zurückblickt, desto weniger weiß man, bis heute noch nicht, wo die Grenzen des römischen Reiches bei uns verlaufen sind, immer wieder gibt es Fundorte, wo man sie nicht vermutete, aber dass die Römer im Liegen Weintrauben aßen und danach ins Bad gingen, das ist so das kollektive Bild.

Ebenso haben die Griechen nicht den ganzen Tag dagesessen und philosophiert und nicht mal die Philosophen, waren jene vornehmen Denker, die nur geistiger Beschäftigung nachgingen und geometrische Formen in den Sand malten.
Von Diogenes wird berichtet, dass er öffentlich auf dem Marktplatz onanierte und bettelte und wenn einer ihm nichts geben wollte, pisste er die Leute schon mal an.

Doch nicht nur in grauer Vergangenheit, Thomas Mann, wie war er nun? Der liebevolle Vater, den Tochter Elisabeth in ihm sah, oder der kalte Tyrann, dem sich alles unterzuordnen hatte?
Wer war Gottfried Benn? Klar, Arzt und Schriftsteller, aber dem Menschen Gottfried Benn nahezukommen, ist ein Akt für sich.

Natürlich gibt es historische Fakten, wenn irgendwo ein Dorf oder eine Zeltlager ausgegraben wird, wenn man Briefwechsel bestimmter Menschen findet, ihr künstlerisches oder wissenschaftliches Werk, wobei man da schon oft nicht mehr weiß, ob ein Rembrandt wirklich von ihm oder aus seiner Werkstatt (oder von Kujau) ist.

Und selbst wenn man diese Fakten findet, ist der Rest Interpretation und Interpretation die wirklich bei den Quellen bleibt und nicht ins Spekulative schießt, ist rar gesät. Reiner Stach, der zwei bahnbrechende Kafka-Biographien geschrieben hat, stellt hier einen gültigen Wegweiser dar, wie man vorzugehen hat, wenn man seriös arbeiten will. (Ich werde das einfach mal abschreiben und als eigenes Thema darstellen, weil die Beschreibung wirklich beispielhaft ist und zeigt, wie sorgsam man allein mit einem Menschen umgehen muss, wenn man verstehen will.)

Ganze Zeitepochen im Handstreich zu erledigen, ist hingegen mehr als zweifelhaft.
Bleiben wir doch mal beim letzten Irakkrieg. Was war denn der Grund hierfür? Die Bücher der Autoren, die „die wahre Ursache“ kennen stapeln sich in Buchläden. Das Öl; die Geopolitik; die Familienbande von Bush und bin Laden; der Sohn, der das Werk des Vaters beenden wollte; die Strategie der neokonservativen Hardliner, für die es nun endlich (9/11) einen Grund gab; Verschwörung von Hochfinanz und Judentum; der religiöse Wahn des George. W Bush; eine Alkohollaune; der ödipale Konflikt eines minderbegabten Präsidenten, der auch mal erwachsen werden wollte und so weiter.

Wir wissen zwar nicht warum unsere Lieblingsmusik unsere Lieblingsmusik ist, was der wahre Grund für unseres Studienfachs war… wer weiß das schon? Aber die Motivlage und die historischen Zusammenhänge im 13. Jahrhundert, da wissen wir natürlich bis ins Detail bescheid. Wer’s glaubt…

Zum finsteren Mitelalter:
Wikipedia hat geschrieben: Die Menschen des Mittelalters glaubten, die Erde sei flach (…) Diese Meinung ist entgegen landläufiger Ansicht eine moderne und wird durch historische Quellen nicht gestützt. Die bekannteste Abbildung, welche oft als symbolischer „Beweis“ herangezogen wird, ist der Holzstich von Flammarion, der jedoch aus dem Jahr 1888 stammt und deshalb diesbezüglich keinerlei Aussagekraft besitzt. Die Behauptung, Menschen des Mittelalters glaubten, dass die Erde flach sei, taucht zum ersten Mal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf und ist somit für das Mittelalter nicht als historisch zu betrachten. Vor allem Washington Irving trug wesentlich zur Festigung des o.g. Mythos bei durch seine Columbus-Biografie von 1828, wo er aus literarischen Gründen den Matrosen unterstellte sie hätten Angst vom Rand der „Erdenscheibe“ herunterzufallen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die im Mittelalter bekannten Ideen des Aristoteles sowie das Ptolemäische Weltbild die Erde als eine Art Sphäroid lehren, war die Vorstellung einer „Erdenscheibe“ für die Gelehrten des Hochmittelalters an sich untragbar.

Menschen im Mittelalter waren ungebildet, rückständig und abergläubisch. Diese Vorstellung trifft nur bedingt zu (schichtenabhängig). Werke bedeutender Autoren entstanden im Mittelalter, etwa jene von Thomas von Aquin, Meister Eckhart, Roger Bacon, Albertus Magnus u. v. a. Die Gründung von Universitäten, der Ausbau der Städte, technologische Fortschritte (z. B. die Erfindung der Brille) sowie umfangreiche zeitgenössische Überlieferungen widersprechen der Annahme eines „barbarischen“ Mittelalters.

Die islamische Welt brachte die Wissenschaft nach Europa. Zwar gab es um die Jahrtausendwende intensive Kontakte und kulturellen Austausch zwischen dem Nahen Osten und Abendland, die Vorstellung eines komplett ignoranten Europas ist jedoch nicht haltbar (siehe Hauptartikel Philosophie des Mittelalters). Nach dem Zusammenbruch des einheitlichen Römischen Reiches gingen viele Werke der antiken Wissenschaftler und Philosophen verloren, Werke, die unter anderem Mathematik, Astronomie und Medizin behandelten (siehe Bücherverluste in der Spätantike). Viele davon fanden Eingang in die arabisch-muslimische Welt und lagen in arabischer Übersetzung vor, so dass viele Werke z. B. des Aristoteles und Euklid (die in Europa de facto zumindest teilweise verloren gegangen sind) im Zuge der Reconquista und der Kreuzzüge quasi eine Rückführung nach Europa erfuhren. Dabei profitierte der Westen ebenfalls von den eigenen Werken arabischer Philosophen und Denker, die noch Jahrhunderte lang die westliche Wissenschaft mitgeprägt haben. Dass es in Europa bereits im 8. Jahrhundert weitreichende Bildung und regelrechte Bildungszentren gab, ist historisch belegt, vor allem ist die sog. Karolingische Renaissance diesbezüglich sehr aufschlussreich, und widerlegt die populäre Vorstellung der kompletten Übernahme der westlichen Wissenschaft aus dem Orient. Ebenfalls weit verbreitet ist die Vorstellung, dass wichtige Erfindungen wie Buchdruck, Schwarzpulver, Kompass, Armbrust, Fernrohr und Papier allesamt aus China oder Persien übernommen wurden, was die Rückständigkeit des mittelalterlichen Europas unterstreichen soll. Zwar gibt es Hinweise, dass Schwarzpulver als solches durch die Expansion des Mongolischen Reiches nach Europa gelangt ist und das Papier nachgewiesenermaßen entlang der Seidenstraße seinen Weg nach Europa fand, existieren jedoch für die meisten anderen Erfindungen europäische Gegenstück, welche oft bis in die römisch-griechische Antike reichen und keinen chinesischen oder persischen Einfluss erkennen lassen. Man geht heute davon aus, mangels gültiger Beweise eines direkten chinesischen Einflusses, dass die meisten dieser Erfindungen keine Kopien oder Übernahmen, sondern eigene Parallelentwicklungen darstellten.

Gewalt, Krieg und Seuchen waren allgegenwärtig, die Lebenserwartung war gering. Obwohl es in Europa zwischen 500 und 1500 zahlreiche Kriege gab, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese mit größerer Brutalität oder Rücksichtslosigkeit als in der Neuzeit geführt wurden. Außerdem ist in der Zeit zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert ein deutliches Bevölkerungswachstum sowie eine Ausbreitung des Siedlungsgebietes feststellbar, was auf die günstigeren Klimabedingungen zurückzuführen ist. Die kleine Körpergröße der Menschen im Mittelalter ist eine weitverbreitete, heute jedoch weitgehend widerlegte Annahme. Untersuchungen an Skeletten in den letzten Jahrzehnten haben ergeben, dass die durchschnittliche Körpergröße des mittelalterlichen Menschen vergleichbar ist mit der durchschnittlichen Größe der Menschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Europa erlebte im Hochmittelalter eine ausgeprägte Wärmeperiode, im Süden Englands wurde Wein angebaut. Erst im 14., 15. Jahrhundert verschlechterte sich das Klima zur sogenannten „Kleinen Eiszeit“; die damit verbundene Nahrungsumstellung und teilweise Mangelernährung wirkte sich in den darauffolgenden Jahrhunderten auf die durchschnittliche Körpergröße aus.

Die Pest als dominierende Seuche des Mittelalters. Die Betrachtung der Pest als typisch mittelalterliche Erscheinung ist eine Vorstellung der Moderne: Zwischen der Justinianischen Pest und der spätmittelalterlichen Pandemie lagen vom 8. bis zum 14. Jahrhundert mehr als 500 „pestilenzfreie“ Jahre. Laut den neuesten Erkenntnissen der Genetik ist der Erreger, der für die spätmittelalterliche Pandemie 1347–1353 verantwortlich ist, ein zu dieser Zeit kürzlich entstandener Stamm der Yersinia pestis gewesen. Da die modernen für Tier und Mensch gefährlichen Yersinia-Varianten laut genetischen Befunden von diesem Ur-Typ (und evtl. seinen Variationen) abstammen, und sich untereinander nur wenig unterscheiden, geht man zurzeit davon aus, dass die extreme Virulenz des mittelalterlichen Yersinia-Typus auf mangelhafte Immunität der Bevölkerung (was gewöhnlich bei neuen und aggressiven Erregern oft der Fall ist) und die ungünstigen gesellschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen sind. Postulierte „mangelnde Hygiene“ und „völlige Abwesenheit medizinischer Kenntnisse“ als einzig und alleinige Ursachen für die Pandemie sind demzufolge nicht zutreffend – die nachfolgenden Epidemien verliefen bei weitem nicht so dramatisch, was durch die immunologische Anpassung der Bevölkerung (Selektionsdruck durch Yersinia pestis) und medizinische Erkenntnisse möglich wurde. Gerade weil es sich um eine bis dahin unbekannte Seuche handelte, waren die Gelehrten ratlos und überfordert; diese Defizite konnten nur im Verlauf der Zeit ausgeglichen werden. Die genetischen Erkenntnisse stellen außerdem die Zugehörigkeit dieses Yersinia-Erregers der Justinianischen Pest in Frage, denn laut oben genannten Befunden ist jene mittelalterliche Yersinia-Variante im 13. bis 14. Jahrhundert vermutlich in China entstanden und kann hiermit nicht für Epidemien der Spätantike und des Frühmittelalters verantwortlich sein. Als „typisch mittelalterliche Seuche“ im Zeitraum vom 6. bis 16. Jahrhundert kann jene spätmittelalterlich-neuzeitliche Yersinia-pestis-Variante, welche für die Pandemie 1347-1353 verantwortlich war, mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden.

Bauern und die niederen Stände mussten ständigen Hunger, Kälte und unmenschliche Arbeit erdulden. Das Bild vom geschundenen Bauern in zerlumpter Kleidung erfuhr seine größte Popularität in der filmischen Darstellung des Mittelalters. Historisch gesehen war das Leben der niederen Stände jedoch deutlich vielseitiger und weniger entbehrungsreich, als heute oft angenommen wird. (siehe dazu: Esskultur des Mittelalters). Der durchschnittliche Fleischverbrauch pro Kopf war im mittelalterlichen Mitteleuropa ca. siebenmal so hoch wie im Mitteleuropa des 19. Jahrhunderts und immer noch höher als der Fleischkonsum in Mitteleuropa zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Während der mittelalterlichen Warmzeit waren Missernten viel seltener als später, was den sozialen und technologischen Ausbau sowie die Expansion der Siedlungsräume ermöglichte. Außerdem ist zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert ein rasanter Bevölkerungszuwachs nachweisbar der rein physiologisch nur mit einer entsprechenden Ernährung stattfinden konnte. Klimatisch und jahreszeitlich bedingte Schwankungen in der Erntemenge und Nahrungsverfügbarkeit waren zu allen Zeiten gegeben (Hunger im späten Winter), eine oft zitierte „vom Hunger beherrschte dunkle Zeit“ lässt sich im historischen Hochmittelalter nicht nachweisen.

Abwesenheit der Körperhygiene. Zahlreiche Badehäuser sind in mittelalterlichen Städten archäologisch belegt, genauso wie zeitgenössische Schriften, in denen eindeutig zu ausgedehnter Körperpflege und Hygiene gemahnt wird (z. B.: Passionibus Mulierum Curandorum von Trotula sowie Regimen Sanitatis Salernitanum aus dem Umfeld von Schola Medica Salernitana und Compendium Medicinae von Gilbertus Anglicus). Anderweitige historische Überlieferungen zeugen außerdem von ausgeprägter Badelust der gehobener Schichten. Wie auch zu anderen Zeiten und in anderen Ländern war Hygiene eine persönliche Angelegenheit, die mit Sicherheit auch von der gesellschaftlichen Schicht abhängig, unterschiedlich extensiv praktiziert wurde. Besonders im nördlichen Europa finden sich seit dem Frühmittelalter hölzerne Badehäuser und Dampfbäder, welche bis heute in Skandinavien und Osteuropa verwendet werden.

Willkür, Folter und Hinrichtungen waren an der Tagesordnung. Entgegen der weitläufigen Meinung ist im 16. Jahrhundert der eigentliche Höhepunkt der Hexenverfolgung anzubringen. Bereits der Sachsenspiegel, ein bedeutender hochmittelalterlicher Rechtscodex, offenbart wohlstrukturierte Rechtsverhältnisse, welche große Teile des Lebens regeln. Eine besondere Rechtlosigkeit des Bürgers und des Bauern ist angesichts der feudalen Strukturen sowie der damals sehr wohl bestehenden Rechtsordnung nicht zutreffend.

http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalte ... .A4ndnisse


Der dritte Punkt dieser Aufzählung briungt uns dann auch wieder zum Thema zurück.
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Re: Passt der Islam zu den "westlichen" Werten?

Beitragvon Nanna » Fr 7. Dez 2012, 12:26

Vollbreit hat geschrieben:Vor allem ist es so, dass das Mittelalter weit weniger grausam und primitiv war, als man meint.
Unser kollektives Bild vom Mittelalter ist viel mehr durch Romane, Fernsehserien und tradierte Vorurteile geprägt, als durch wirkliche historische Untersuchungen, weil die mühsam und dröge sind.

Hab ich ihnen schon dreimal ausführlichst erklärt, sie vergessen's immer wieder, scheint einfach zu attraktiv zu sein, das dunkle, hungernde, bluzströmende Mittelalter...
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