Eine Frage der Persönlichkeit

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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Vollbreit » Sa 15. Dez 2012, 17:48

@ AgentProvocateur:

Warum bist Du nicht der Auffassung Deine Persönlichkeitsanteile (bei ruhiger Wetterlage) steuern zu können?

Ich glaube, wie schon öfter erwähnt, dass es neben den horizontalen Typen auch noch vertikale Ebenen oder Stufen gibt. Du bist ja mit dem Stufenmodell der Moral von Kohlberg vertraut, den Zusammenhang zwischen Typen (und ihren Rollen) und Entwicklungssttufen sehe ich ungefähr (anhand von Kohlbergs Theorie) so:

Auf der präkonventionellen Stufe ist man in aller Regel unfähig bestimmten komplexeren Rollen zu entsprechen und auf ein enges Spektrum, tendenziell unkonventioneller Rollen festgelegt.

Auf der konventionellen Stufe, ist der egozentrische Anspruch zugunsten sozio- oder ethnozentrischer Rollen zurückgestellt, vielleicht bevorzugt jene, die meinem Typ entsprechen, was allerdings mit der Gefahr verbunden ist, sich ganz in diesen Rollen zu verlieren. Man ist vielleicht im Zuge der Gemeinschaft zu Dingen bereit, die man alleine nicht tun würde, nicht unbedingt nur im Überschwang, sondern auch aus der Sorge heraus, der Rolle nicht zu entsprechen.

Dies ändert sich abermals auf der postkonventionellen Ebene, auf der man zwar nicht verlernt in Rollen zu schlüpfen, aber diese Rollen können hinterfragt werden und man kann tendenziell mehr mir ihnen spielen, als dass man von ihnen absorbiert wird, d.h. man kann in bestimmten Momenten bewusst aus der Rolle aussteigen, zugunsten einer möglicherweise übergeordneten, reflexiven Instanz, die vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit zu der von Libet beschriebenen Vetofunktion des Willens hat: Bestimmte Vorgänge laufen mehr oder weniger automatisch, regel- und rollengerecht ab, aber man hat die Möglichkeit mit einer Art Bewusstsein im stand by Modus, den Prozess ins bewusste Erleben zu ziehen und reflexiv zu bewerten.

Überhaupt scheint es mir im Leben ein oftmaliges Fluktuieren zu geben, zwischen Prozessen bei denen das bewusste Ich gefordert ist und anderen, bei denen man seine Ichkräfte ein Stück weit an der Garderobe abgibt und sich bewusst ist, dass man nun auf seine Rolle als Individuum verzichten kann und sollte und einfach einer von Vielen ist, vielleicht bei der Arbeit, als einer in der Supermarktschlange, als einer im Straßenverkehr.

Wie ist denn da Dein Empfinden, dass Du zu dem Urteil kommst, die Persönlichkeitsanteile würden sich nur, mehr oder minder nach Situation, die Klinke in die Hand geben? Oder habe ich Dich da falsch verstanden?
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Vollbreit » Sa 15. Dez 2012, 18:02

Lumen hat geschrieben:Das Problem ist meiner Meinung nach zunächst ein sprachliches. Wenn ich schreibe "ich sitze hier und schreibe", meine ich dann eine Perspektive von außen, oder eine von innen? Wir unterscheiden fortwährend, was ist, wenn die Unterscheidung zwischen mehreren vermeintlichen Stimmen keine ist, und was uns angeht trotzdem "eine" ist. Was wäre also wenn das "ich" wie ein Wind ist, der sich aus Ströhmungen, Verschiebungen und gegenseitigen Beeinflussungen gleichsam aus einem Grundrauschen an Hirnaktivität aufschaukelt, manchmal in mehrere Richtungen strebt (die dann Abwägen oder Gewissen werden), sich dann wieder vereint, absinkt und zu einer unbewussten Flaute wird, die wir Routine nennen. Und wenn ein neuer Drang da ist, heben sich Ströhmungen wieder, vereinen sich, lenken sich ab, heben sich auf und all das gehört zum Ich.


Dem würde ich weitgehend zustimmen, lustigerweise benutzen wir da sehr ähnliche Bilder, ich hatte meine „ruhige Wetterlage“ geschrieben, bevor ich Deinen Beitrag gelesen habe.
Im Grunde ist das ein gutes Stück weit die buddhistische Idee der Skandhas, also Zustände, die kommen und gehen, ohne, dass ein fester oder bleibender Kern auszumachen wäre.

Das Konzept hat aber, wenn man es zu weit überzieht, zwei Probleme.
Erstens, ein innerbuddhistisches: Um die Ichillusion, von der der Buddhismus ja redet, zu überwinden, muss man ja anerkennen, dass es die Illusion ein festes Ich zu sein immerhin gibt. Und auch die Übungen zu seiner Überwindung werden ja jemandem aufgetragen.

Das zweite Problem, was ich sehe, ist, dass die Rede vom Ich ja einen Sinn hat und selbst vom Erleuchteten erwartet man, dass er weiß, wen er füttern muss, wenn der eigene Magen knurrt, also ein Grundich muss bleiben, wenn man sich in der Welt irgendwie zurecht finden will.

Dieses Wechselspiel von bewusster Aktivität und Routine sehe ich wie Du. Es ist wie Autofahren oder Schuhe binden. Erst ein bewusster Akt, der unsere ganze Aufmerksamkeit verlangt, später etwas, worüber wir gar nicht nachdenken. Aber diese Routine gibt dem Bewusstsein wieder Raum zu neuer Aktivität.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 15. Dez 2012, 18:03

Vollbreit hat geschrieben:Warum bist Du nicht der Auffassung Deine Persönlichkeitsanteile (bei ruhiger Wetterlage) steuern zu können?

Das habe ich nicht gesagt.

Vollbreit hat geschrieben:Wie ist denn da Dein Empfinden, dass Du zu dem Urteil kommst, die Persönlichkeitsanteile würden sich nur, mehr oder minder nach Situation, die Klinke in die Hand geben? Oder habe ich Dich da falsch verstanden?

Ja, Du hast mich anscheinend völlig falsch verstanden. Die Persönlichkeitsanteile geben sich meiner Ansicht nach eben nicht "die Klinke in die Hand", so kann man sie meiner Ansicht nach nicht trennen, sie sind gleichzeitig vorhanden, das ist kein "entweder-oder", sondern ein "sowohl-als-auch".

Weiß nun nicht, wie ich es besser erklären könnte.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Vollbreit » Sa 15. Dez 2012, 18:34

Okay, dann hatte ich das falsch verstanden.
Die gleichzeitige Aktivität verschiedener Bereiche kann ich nachvollziehen, allerdings stellt sich doch eine analoge Frage. Welcher der Bereiche tritt aus welchen Gründen nun in den Vordergrund und welcher nicht?

Wenn man mit den Kindern zu Hause ist, ist man vielleicht mehr in der Rolle ‚Vater‘ unterwegs, als in der Rolle ‚Sachbearbeiter bei der Versicherung‘, den man unter der Woche wahrnimmt. Hier hängt die Dominanz vielleicht von der äußeren Situation ab.
Doch in manchen Situationen können vielleicht mehrere Rollen angesprochen oder aktiviert werden und man kann in einen Konflikt geraten, wenn nach der aktivierten Rolle A zu handeln etwas anderes verlangen würde, als nach der ebenfalls aktivierten Rolle B zu handeln.

Meinst Du, dass in so einem Konfliktfall eine übergeordnete Position die Regie übernehmen würde und wie würdest Du diese bezeichnen? Alle meine Fragen beziehen sich auf die „kein Homunkulus“ Aussage Deines Beitrags.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 15. Dez 2012, 19:00

Vollbreit hat geschrieben:Welcher der Bereiche tritt aus welchen Gründen nun in den Vordergrund und welcher nicht? [...] Meinst Du, dass in so einem Konfliktfall eine übergeordnete Position die Regie übernehmen würde und wie würdest Du diese bezeichnen? Alle meine Fragen beziehen sich auf die „kein Homunkulus“ Aussage Deines Beitrags.

Also erst mal möchte ich vorweg schicken, dass Psychologie nun überhaupt nicht mein Gebiet ist; alles, was ich dazu sage, sage ich als expliziter Laie.

Die Frage, welcher Bereich der Persönlichkeit im Vordergrund steht, würde ich gerne in zwei Teilfragen unterteilen:

a) welcher Bereich nach außen sichtbar im Vordergrund steht (wenn wir, wie Du sagt, eine "Rolle spielen")
b) welcher Bereich intern im Vordergrund steht

a) ist nun von den Erwartungen anderer abhängig, je nach Kontext kann sich ein halbwegs normaler erwachsener Mensch darauf einstellen und seine Rolle hinreichend spielen, den Erwartungen gerecht werden (und da ist mE normalerweise kein "Konfliktfall"), das muss auch nicht völlig bewusst sein, kann auch automatisch erfolgen, routinemäßig
bei b) ist es mE nun so, dass da eher selten bestimmte Persönlichkeitsanteile im Vordergrund stehen, normalerweise tun es es alle mehr oder wenigr ausgeprägt gleichzeitig. Das kann zwar unter bestimmten Umständen anders sein, z.B. jemand hat eine Depression, oder, weniger extrem: jemand hängt gerade einer bestimmten Stimmung an, aber normalerweise gibt es mE diese Gleichzeitigkeit.

Nun meine ich, dass ich alle diese Persönlichkeitsmerkmale bin, es keinen Widerspruch dabei gibt, wenn die teilweise im Gegensatz zueinander stehen und dass es keine übergeordnete Steuerzentrale gibt, der Homunkulus-Gedanke ist mir einfach nur fremd, das erscheint mir weder intuitiv so, noch sehe ich einen Nutzen darin.

Vielleicht aber habe ich Deine Fragen nicht recht verstanden, dann müsstest Du die nochmal anders formulieren.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Vollbreit » Sa 15. Dez 2012, 20:02

Zunächst einmal eine Bemerkung zum Homunkulus.
Damit meine ich ausdrücklich nicht eine eigenständige Wesenheit im Gehirn, die da irgendwo herumspukt, sondern wenn ich das Ich auf dieser Ebene näher bezeichnen müsste, würde ich es als Emergenzphänomen ansehen wollen, also als Organisationseinheit, wie die nun im Einzelnen funktioniert, weiß ich natürlich nicht, der Begriff der Emergenz ist ja oft nur ein Füllwort.

Gar nicht so ganz unähnlich wie ganimed würde ich sagen, dass, wenn es ein definierbares und empirisch unterscheidbares Phänomen gibt, dann muss es auch eine irgendwie geartete körperliche Repräsentation davon geben. Nur würde ich Parallelen nicht allein zwischen Gedanken und Gehirn suchen, sondern auch zwischen Handlungen und Einstellungen, die ja Gedanken und Theorien voraussetzen und ausdrücken, und körperlichen Zuständen.

Das ich ist auf diesen Ebenen (der Einstellungen und Handlungen) ein gut definiertes Phänomen, das von verschiedenen Vorläufern unterschieden werden kann.

Eine Form dieses Ich kann man nun Regel/Rolle-Ich nennen. Es kann ungefähr so beschrieben werden, dass es komplexere Konzepte versteht, soziale Rollen und die daran hängenden Erwartungen und Einstellungen. Das beginnt mit der frühen Rolle ein guter Junge und ein braves Mädchen sein zu wollen, was den Eltern Freude macht. Das Kind ‚funktioniert‘ dabei nicht nur einfach stereotyp nach vorherigen Anweisungen, sondern kann die Rolle durchaus interpretieren und bestimmte Forderungen antizipieren. Typisch beispielsweise Kinder, die ihren Eltern ungefragt eine Freude machen wollen und bspw. für den nächsten Morgen den Tisch decken.
Diese Rollen werden durch weitere ergänzt, Freund, Schüler und so weiter, mit der Pubertät und dem Erwachsenenleben differenziert sich das noch einmal.

Und wie Du sagst, wissen wir in etwa, was in dieser oder jener Situation von uns erwartet wird.
Es kann nun sein, dass man zu Hause der selbstbewusste Ehemann ist, der seiner Frau erzählt, wie die Welt funktioniert und was man in der Firma, in der man Sachbearbeiter ist, alles ändern würde.
In der Gegenwart des Chefs in der Firma ist man vielleicht ein eher gehemmter, betont loyaler bis unterwürdiger Angestellter. Beides muss keinen Konflikt auslösen, außer vielleicht, der Chef kommt zum Abendessen nach Hause oder die Frau mit auf die Weihnachtsfeier.
Es ist schwer dann den großen Mann von Welt zu geben und gleichzeitig die Rolle des unterwürfigen Angestellten zu spielen. In der Situation muss man wohl eine der Rollen verraten, anders ist das kaum zu lösen. Dieser Konflikt konnte m.E. aber nur auftreten, weil man sich in den Rollen verloren hat, von ihnen zu sehr absorbiert, sich zu sehr mit ihnen identifizierte wurde. Das geht nicht selten mit einer konventionellen moralischen Einstellung einher.

Eine prinzipielle Lösung besteht m.M.n. darin, dass man das reine Regel/Rolle-Ich transzendiert oder überwindet, zugunsten eines reiferen (oft moralisch postkonventionellen) Ichs. Dieses lässt sich ebenfalls auf Rollen ein, bewahrt aber gleichzeitig soviel Distanz, dass es sich nicht vollständig in diesen Rollen verliert und ein „Marken“- oder Persönlichkeitskern erhalten bleibt, so dass man zwar immer noch in Gegenwart der Ehefrau ein anderer ist, als in derjenigen des Chefs, aber das Aufeinandertreffen von Frau und Chef nicht mehr hochnotpeinlich wird.

Diese etwas reflexive, transzendente oder emergente Ebene, jenseits der Rollen, würde ich zwar auch nicht unbedingt Homunkulus nennen, aber ihm kommen m.E. ungefähr die Eigenschaften dessen zu, was Du als Homunkulus ablehntest.

Was ist Dir so fremd an dieser Ebene jenseits der potentiell gleichstarken Rollenanteile, das ist mir nicht klar? Ich finde das ist eigentlich eine lebensnahe Beobachtung.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon AgentProvocateur » So 16. Dez 2012, 00:43

Wir reden wohl irgendwie aneinander vorbei, weiß aber nicht wieso.

Der Homunkulus-Gedanke beinhaltet nun nicht eine "eigenständige Wesenheit", man kann das auch als "emergent" (was immer das auch heißen mag - sehe den Unterschied nun nicht) ansehen, das ist mir egal, so oder so kann ich nichts damit anfangen, das deckt sich nämlich schlicht nicht mit meinen Intuitionen.

Nun kann das Rollenspiel auch inkohärent sein, so, wie in Deinem Beispiel, insofern, als man bei unterschiedlichen Leuten so verschiedene Rollen spielt, dass die nicht zueinander passen, die widersprüchlich sind. Das wäre dann merkwürdig, da stimmte dann wohl etwas nicht, denn dann wäre man nicht mehr authentisch.

Aber ich meinte das eigentlich anders: ich finde es völlig normal, dass man bestimmte Rollen spielt, die abhängig davon sind, wie nahe man den jeweiligen Gegenübern steht. Dem hypothetischen Chef gegenüber braucht man viel weniger von seiner Persönlichkeit zu offenbaren als dem Lebenspartner, dennoch aber kann das mE problemlos konsistent sein.

Es gibt hier also mE keine gleich starken Rollenanteile. Die sind auch nicht potentiell gleichstark, die hängen nämlich davon ab, wie nahe man jemandem steht. Daraus, dass die (in bestimmten Fällen - z.B. so wie in Deinem Beispiel) inkonsistent sein können, folgt noch lange nicht, dass die inkonsistent sein müssen.

Und ich finde nun ebenfalls, dass das eine lebensnahe Beobachtung ist.

(Vielleicht aber hat das was mit den hier besprochenen unterschiedlichen Persönlichkeitstypen zu tun? Ich kenne es aus eigener Erfahrung, dass es schwierig ist, andere Persönlichkeitstypen anzuerkennen. Nach meinem Persönlichkeitstypen ist es nun völlig selbstverständlich, gegenüber anderen Leuten - und zwar abhängig von der Nähe, dem Vertrauen - mehr oder weniger Distanz zu wahren, davon abhängig mehr oder weniger von sich zu zeigen. Es fällt mir sehr schwer, das anders zu sehen, es ist mir kaum vorstellbar, dass andere Leute das anders machen, da nicht so unterscheiden wie ich. Das mag zwar graduell unterschiedlich sein - jemand öffnet sich schneller als jemand anderes - aber prinzipiell halte ich das für die normale Vorgehensweise von jedem.)
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Vollbreit » So 16. Dez 2012, 10:41

AgentProvocateur hat geschrieben:Wir reden wohl irgendwie aneinander vorbei, weiß aber nicht wieso.


Eigentlich nicht, wir benutzen glaube ich nur andere Bilder und nähern uns dem Thema von unterschiedlichen Seiten. Und vermutlich sind wir andere Typen, nicht nur im Test. ;-)

AgentProvocateur hat geschrieben:Der Homunkulus-Gedanke beinhaltet nun nicht eine "eigenständige Wesenheit", man kann das auch als "emergent" (was immer das auch heißen mag - sehe den Unterschied nun nicht) ansehen, das ist mir egal, so oder so kann ich nichts damit anfangen, das deckt sich nämlich schlicht nicht mit meinen Intuitionen.


Das ist okay, wenn es so ist, da reden wir dann nicht aneinander vorbei, sondern sind unterscheidlicher Meinung und ich wollte Deine ja wissen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nun kann das Rollenspiel auch inkohärent sein, so, wie in Deinem Beispiel, insofern, als man bei unterschiedlichen Leuten so verschiedene Rollen spielt, dass die nicht zueinander passen, die widersprüchlich sind. Das wäre dann merkwürdig, da stimmte dann wohl etwas nicht, denn dann wäre man nicht mehr authentisch.


So würde ich das auch sehen, nur passt für mich Authentizität und Rollenspiel nicht zusammen, was aber daran liegen mag, dass aus der Ecke, aus der ich komme, beides als Gegensatz definiert ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber ich meinte das eigentlich anders: ich finde es völlig normal, dass man bestimmte Rollen spielt, die abhängig davon sind, wie nahe man den jeweiligen Gegenübern steht. Dem hypothetischen Chef gegenüber braucht man viel weniger von seiner Persönlichkeit zu offenbaren als dem Lebenspartner, dennoch aber kann das mE problemlos konsistent sein.


Ja, es ging mir auch weniger um die Nähe – klar erfährt der Chef weniger und anderes als der beste Freund oder die Ehefrau –, sondern um den Inhalt der Rolle. Die Idee dahinter ist, dass beim nur Rollenspieler die Rollen sozusagen die Regie übernehmen, man könnte auch sagen, das (schwache) Ich steht im Dienste der Rollen, wohingegen im anderen Fall das authentische, starke, kohärente Ich die Regie übernimmt, die Rollen stehen dann im Dienste des Ich.
(Ich finde übrigens, dass das neben eine mehr oder weniger interessanten theoretischen Darstellung ganz praktische Folgen hat, wenn man erkennt, dass in einer Rolle zu sein, eben nicht heißen muss, sich in dieser Rolle zu verlieren. Es ist ein Unterschied im Welterleben und in der Lebensqualität ob ich denke, dass ich ein Sklave der Rollen bin – und da auch ohne Revolution niemals rauskomme – oder die Rollen Spielzeuge meines Ich sind, die ich klug einsetzen kann.)

AgentProvocateur hat geschrieben:Es gibt hier also mE keine gleich starken Rollenanteile. Die sind auch nicht potentiell gleichstark, die hängen nämlich davon ab, wie nahe man jemandem steht. Daraus, dass die (in bestimmten Fällen - z.B. so wie in Deinem Beispiel) inkonsistent sein können, folgt noch lange nicht, dass die inkonsistent sein müssen.


Ich glaube, dass die Bedingungen unter denen die Rollen konsistent sind, in etwas deckungsgleich mit der Ausformulierung dessen sind, was man als starkes oder (moralisch) postkonventionelles Ich beschrieben könnte.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und ich finde nun ebenfalls, dass das eine lebensnahe Beobachtung ist.


Ja, ich sehe da auch kaum Unterschiede.
Eine Differenz sehe ich noch in der Behauptung, gleichstarker Rollenanteile. Das kommt mir eher merkwürdig vor, weil ich nicht unmittelbar einsehen kann, warum diese Rollenanteile in etwa gleichstark sein sollten, da sie doch zu unterschiedlichen Zeiten entstehen und auch, unterschiedlich stark im Leben gefordert sind.

AgentProvocateur hat geschrieben:(Vielleicht aber hat das was mit den hier besprochenen unterschiedlichen Persönlichkeitstypen zu tun? Ich kenne es aus eigener Erfahrung, dass es schwierig ist, andere Persönlichkeitstypen anzuerkennen.


Hier ist eben die Frage, ob es wirklich die Typen sind, die einem die Anerkennung schwer machen.
Klar kann dem Schnellen der Bedächtige als langweiliger Bremsklotz erscheinen, im Laufe des Lebens kann man seine Gründlichkeit aber zumeist doch würdigen. Und umgekehrt, mag dem Bedächtigen der Schnelle als nervöser Hektiker erscheinen, dennoch kann man wohl auch anerkennen, dass er Dinge in Bewegung bringt und Veränderungen anstößt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nach meinem Persönlichkeitstypen ist es nun völlig selbstverständlich, gegenüber anderen Leuten - und zwar abhängig von der Nähe, dem Vertrauen - mehr oder weniger Distanz zu wahren, davon abhängig mehr oder weniger von sich zu zeigen. Es fällt mir sehr schwer, das anders zu sehen, es ist mir kaum vorstellbar, dass andere Leute das anders machen, da nicht so unterscheiden wie ich. Das mag zwar graduell unterschiedlich sein - jemand öffnet sich schneller als jemand anderes - aber prinzipiell halte ich das für die normale Vorgehensweise von jedem.)


Klar, dann wirst Du mit den Exhibitionisten des Lebens eher Deine Schwierigkeiten haben, aber dennoch können sie unterhaltsam sein.

Eine Frage die immer wieder aufkommt, ist nun, was psychische Entwicklung eigentlich bedeutet.
Bedeutet sie, nach und nach den eigenen Typen zu erweitern, so dass man im Verlauf des Lebens, immer mehr Anteile anderer Typen in die eigene Welt integriert? Ungefähr das ist der Ansatz von Jung, der sagt als Mann sei man aufgefordert die weibliche Seite (Anima) zu integrieren.
Oder ist Entwicklung eine weitgehende Beibehaltung des eigenen Temperaments, doch die Art wie man sein meinetwegen feuriges Temperament einsetzt wird immer reifer, gezielter, entwickelter und rücksichtsvoller? Die (tibetischen) Buddhisten haben für feurigen Temperament den zornigen Aspekt der Gottheit reserviert, d.h. auch der Erleuchtete ist kein weichgespülter Dauerlächler, im Gegenteil, haben die verrückten Weisen und heiligen Narren, da eine echte Tradition. Vielleicht waren die aber auch nur irre und ich finde es spannend das herauszubekommen.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon stine » So 16. Dez 2012, 11:07

Lumen hat geschrieben:Was wäre also wenn das "ich" wie ein Wind ist, der sich aus Ströhmungen, Verschiebungen und gegenseitigen Beeinflussungen gleichsam aus einem Grundrauschen an Hirnaktivität aufschaukelt, manchmal in mehrere Richtungen strebt (die dann Abwägen oder Gewissen werden), sich dann wieder vereint, absinkt und zu einer unbewussten Flaute wird, die wir Routine nennen. Und wenn ein neuer Drang da ist, heben sich Ströhmungen wieder, vereinen sich, lenken sich ab, heben sich auf und all das gehört zum Ich. Vielleicht wird sich der Wind nur dann seiner bewusst, wenn eine gewisse Windstärke erreicht ist. Vielleicht ist dies bei allen Lebewesen mit Gehirn so, und es gibt deshalb ein Koninuum an Bewusstsein vom Goldfisch bis zum Menschen, und dort vom Komapatienten bis zum wachen Geiste.

Das klingt sehr nach Weltseele.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass selbst atheistische Nichtreligiöse sich sowas vorstellen können. Das beweist eigentlich meine Theorie, wonach jeder sich ein Bild vom Sein macht, halt nur aus verschiedenen Blickwinkeln heraus. Es könnte sein, dass sich der Religiöse die Sache vereinfacht, indem er das mystische Bild nimmt, was ihm ein anderer schon vorgekaut hat und sich somit das Leben frei hält, für ihn wichtigere Dinge. Wer religiöse Bilder hinterfragt, muss solange philosophieren bis er was Neues gefunden hat.

Am Ende bleibt es dabei: Alles hat einen Ursprung!

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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Darth Nefarius » So 16. Dez 2012, 14:09

stine hat geschrieben:Das klingt sehr nach Weltseele.
Eigentlich ist es erstaunlich, dass selbst atheistische Nichtreligiöse sich sowas vorstellen können.

Abgesehen davon, dass ich das, was Lumen geschrieben hat, nicht als Weltseele verstehe, ist Atheismus nicht Phantasielosigkeit. Der Trick ist lediglich Phantasie von Realtität zu trennen (ja, dann kommt es wieder zur Diskussion "Und was verstehst du unter Realität?", aber eigentlich ist es relativ einfach zu unterscheiden; ich denke, dass du damit auch keine großen probleme hast).
stine hat geschrieben:Wer religiöse Bilder hinterfragt, muss solange philosophieren bis er was Neues gefunden hat.

Oder man wendet Logik und Empirie an. Ich bin mir allerdings sicher, dass die naturwissenschaftlichen Antworten zum "ich" euch momentan weniger interessieren. Es ist manchmal auch wesentlich interessanter zu schwadronieren.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Lumen » So 16. Dez 2012, 18:01

Interessanterweise hat der RDFRS Newsstream heute auf diesen Artikel hingewiesen:
Washington Post: Does it pay to know your type

Der Artikel sagt, dass in der akademischen Welt, der Big Five besser angesehen wird, aber bei der Akzeptanz den Nachteil hat, dass er mit negativen Faktoren operiere (wohingegen es bei MBTI keine per se schlechte Persönlichkeit gibt). Es gäbe verschiedene Gründe, die dafür gesorgt hätten, dass MBTI einerseits keine akademischen Weihen bekommen habe, aber auch nicht gänzlich aus dem Rennen sei. Das soll sich in den nächsten paar Jahren ändern.

Achja, und Nanna ist mir noch was schuldig. Bis dahin kann ich leider nicht viel erzählen, inwiefern es mir etwas gebracht hat. :^^:
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Vollbreit » So 16. Dez 2012, 18:33

In der Psychologie gelten die Fünf-Faktoren seit Jahren als führend, aber auch die sind eben nur Typen, ein Element der Persönlichkeit, wenn man sie nicht zu enge definieren will.

Otto Kernberg sieht die Persönlichkeit als eine Mischung aus Temperament (genetisch fixiert), Charakter ("Verhaltensmanifestationen der Ich-Identität, wobei die Integration des "Selbst"-Konzepts und die Integration des Konzepts von "bedeutsamen anderen" diejenigen intrapsychischen Strukturen bilden, die die dynamische Organisation des Charakters bestimmen.") einem internaöliserten Wertekonzept und der Kognition.

Ken Wilber unterscheidet in seiner AQAL-Theorie 4 Quadranten, (hierarchische) Ebenen (oder Stufen), Entwicklungslinien (kognitive, emotionale, ästhetische, moralische…), Typen (z.B. die vorgestellte Theorie und Zustände natürliche wie Wachen und Schlafen, sowie außergewöhnliche).

INTP könntest Du sein.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Nanna » So 16. Dez 2012, 20:23

Lumen hat geschrieben:Achja, und Nanna ist mir noch was schuldig. Bis dahin kann ich leider nicht viel erzählen, inwiefern es mir etwas gebracht hat. :^^:

Ich weiß, ich weiß... voller Terminplan und heute hier schon über die rechtgeleiteten Kalifen schwadroniert. Ich hab noch eine Textstelle über so gefährlichen theologischen Krimskrams übersetzen, aber vielleicht komm ich heute ja noch dazu...
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Nanna » Fr 11. Jan 2013, 00:51

So, jetzt aber. Lumens Persönlichkeit, machen wir mal einen Anlauf:

E oder I? Schwer zu sagen, da gibt ein Forum fast am wenigsten her. Ich denke, dass es schon rein stochastisch aber wahrscheinlich nicht verkehrt ist, auf eine introvertierte Persönlichkeit zu tippen, schon weil das das typische Forenpublikum ist. Außerdem scheinst du viel zu lesen und dich sehr mit deinem Bild von der Welt, gerade über Religion, worüber wir uns ja regelmäßig in die Haare kriegen, zu beschäftigen, das widerspricht dem jetzt nicht gerade.

N oder S? Auch hier könnte ich sagen "too close to call", aber ich will mich ja nicht drücken. Einerseits ordnest du das, womit du dich beschäftigst, regelmäßig in teilweise recht komplexe Gedankengebäude ein, was eher für N sprechen würde, andererseits hast du, viel mehr als ich, eine Faktenobsession, etwa, wenn du uns mal wieder aufzählst, was die Kirche im Laufe der Jahre (die du alle auswendig zu wissen scheinst) für Grotesken beschert hat, was eher für einen Fokus auf das Konkrete schließen ließe. In der Gesamtbevölkerung führen sensors mit drei Vierteln, andererseits sind in Foren und Blogs überdurchschnittliche viele intuitives unterwegs; Statistik hilft hier nicht weiter. Ich sage S.

T oder F? Ich denke, das sollte der sicherste Buchstabe sein. Kann mir nicht vorstellen, es bei dir mit einem feeler zu tun zu haben.

J oder P? Hier würde ich eher einen judger erwarten als einen perceiver. Meines Erachtens spiegeln deine Beiträge ein hohes Bedürfnis nach (Ein)Ordnung wieder, das spricht eher für ein J.

Also, ISTJ ist mein Tipp. Von der Persönlichkeitsbeschreibung her könnte das durchaus passen.

Ich hab mir übrigens etwas mehr Zeit mit der Überlegung gelassen als die Kürze meines Beitrags suggeriert und ich habe sogar eine MBTI-konforme Anmerkung und kleinen Einblick in meine Innenwelt dazu: Als INTJ ist Ni (intuitive intuition) meine Primärfunktion, d.h. ich verbringe viel Zeit in dn virtuellen vier Wänden meines Kopfes und warte darauf, dass mein Unterbewusstsein irgendetwas hochspült, was es gerade für wichtig hält. Ich habe gelernt, dem zu vertrauen, zum einen notgedrungen, weil es mein typischer Denkmechanismus ist, seit ich mich erinnern kann, zum anderen aus Erfahrung, weil das Unterbewusstsein große Informationsmengen verarbeiten kann und ich meist richtig liege, wenn ich es in Ruhe seinen Kram durch"rechnen" lasse. Es lässt sich ja sowieso nicht davon abhalten. Gestern abend hat es sich irgendwann mal unaufgefordert bequemt "Lumen: vermutlich ISTJ und zwar wegen A, B, C..." auszuspucken und das habe ich mir dann sicherheitshalber gemerkt. Obwohl INTJs bei Keirsey zu den Rationals gerechnet werden, sind wir eigentlich ein ziemlich irrationaler Typ, eben wegen Ni als dominanter Funktion.

Wenn ich Recht habe, ist Si deine dominante Funktion, d.h. du müsstest sehr stark von konkreten Daten und Fakten bei deiner Bewertung der Welt und Navigation in deiner Umgebung abhängen. Ich bin gespannt, ob sich das bestätigt.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon provinzler » Fr 11. Jan 2013, 14:02

Interessantes Thema. Hab jetzt einen der Tests mal gemacht und das Ergebnis hat mich einigermaßen überrascht. Die Einschätzung der werten Threadgemeinde würde mich aber durchaus interessieren.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Lumen » Fr 11. Jan 2013, 18:25

@Nanna, Danke! Sehr interessant. Ixxx vor Exxx kommt in Abetracht des Forums schon hin. Ich bin allerdings Exxx. Auch deine zweite Einschätzung N/S kann ich nachvollziehen. Die Fakten und Daten finde ich nur notwendig, um eine Ansicht zu belegen, was auch wieder mehr am Forum liegt. Es ist eigentlich umgekehrt, ich kann Fakten produzieren, weil ich "intuitiv" weiß, wo ich gucken könnte. Ich füge öfter mal Links hinzu, gerade weil ich nachschlage. Du wirst bemerkt haben, dass meine Beiträge manchmal fast bezugslose "Randbemerkungen" sind; verworren, bisweilen ausschweifend sind; Gedankensprünge und Metaphern enthalten. Selbst meine Probleme mit Religionen sind nicht unbedingt zählbare Ereignisse, sondern die Natur der theistischen Glaubensysteme. Das Thinking ist bei meinem Typus tatsächlich eins der eindeutigsten Sachen. Aber jeder ordnet und strukturiert, bei mir sind die Verbindungen querbeet, ergeben aber intern einen Sinn. Um sie aufzudecken, muss ich sie selbst manchmal rausholen dann manches Territorium überqueren, um den Zusammenhang deutlich zu machen. Schon in der Schule fiel mir auf, dass mir das "Netz" wichtiger ist, als die Knotenpunkte. Quer geht es auch was verschiedene Diskussions-Metas angeht (Motive, Kontexte und so weiter), sehr zum Leidwesen mancher (*wink*). Bei den meisten Themen bin eher im Niemandsland aus Wenn-Aber und Vielleicht, habe so meine Ideen dazu, aber nichts wirklich felsenfestes (z.B. freier Wille, Bewusstsein, Wirtschaftsthemen usw.). Wahrscheinlich poste ich dann meistens garnicht. Ich neige dazu, wenn dann eher Kontra zu geben. ENTPs sind argumentativ, provokativ und bis ans trollige heran. Da hatte ich so meine Momente. Für mich geht es aber nicht ums ärgern des Ärgernswillens, sondern ganz typengerecht, um aus einer Sache "spielerisch" die wesentlichen Punkte herauszuholen. Der INTJ mag (auch laut deiner Quelle) Traditionen, Regeln, Autorität, Institutionen—Kirchen. Bei mir das glatte Gegenteil. Ich bin vermutlich auch deswegen hier gelandet, und nicht bei Christen oder Radikal-Atheisten. Das eine wäre sinnloses getrolle geworden, das andere eine reine Echo-Kammer. Aber ich bin ja etwas braver geworden. ;)

Dir zugestehen muss ich noch, dass ENTPs notorisch schwer zu typisieren sind, auch für uns selbst. Vielleicht habe ich dich auch unbewusst reingelegt, weil ich den ISTJ am Anfang als Beispiel genommen habe. Auf die Besonderheiten des Trickster Daseins in Wirklichkeit (vermutlich der zugrundeliegende Archetypus) kann ich vielleicht mal eingehen, würde aber mat-in mal den Vorzug geben :D Ich bin übrigens keiner der unbekannte ENTP, sondern neben mat-in der Dritte, halt Vierte (bislang unidentifizerte ) im Bunde. Wow, da muss ein Nest sein.

provinzler hat geschrieben:Interessantes Thema. Hab jetzt einen der Tests mal gemacht und das Ergebnis hat mich einigermaßen überrascht. Die Einschätzung der werten Threadgemeinde würde mich aber durchaus interessieren.


Würde dir helfen, aber du bist noch ziemlich neu. Gibt es einen Beitrag, den du als typisch empfindest? Hast du konkrete Fragen?
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon provinzler » Fr 11. Jan 2013, 18:53

Lumen hat geschrieben:Würde dir helfen, aber du bist noch ziemlich neu. Gibt es einen Beitrag, den du als typisch empfindest? Hast du konkrete Fragen?


Danke dafür. Schon klar, das es nicht so einfach ist. Der erste Eurokrisenthread war eigentlich nicht untypisch Vielleicht fällt Nanna, der mich ja schon länger kennt ja noch was dazu ein. Vielleicht schreibst auch in nem halben Jahr oder so, mal was dazu. Ich selbst bin im Einschätzen andrer Leute derart schlecht, dass mir jegliche Basis fehlt abzuschätzen wie gut man jemanden kennen muss, um halbwegs brauchbare Erkenntnisse zu gewinnen.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Nanna » Mi 21. Aug 2013, 13:26

provinzler hat geschrieben:Interessantes Thema. Hab jetzt einen der Tests mal gemacht und das Ergebnis hat mich einigermaßen überrascht. Die Einschätzung der werten Threadgemeinde würde mich aber durchaus interessieren.

Ich wusste doch, dass hier noch was offen war.

Da ich das Thema gerade im Geld-Thread verlinkt habe, gebe ich dem ganzen nochmal einen Versuch. Ist eh schade, dass das Thema eingeschlafen ist. MBTI ist wirklich unheimlich spannend und seitdem wir das letzte Mal darüber geredet haben, habe ich auch selber nochmal einiges dazugelernt. Lumen würde ich heute sicher nicht mehr instinktiv auf ISTJ tippen.

Deshalb eine kurze Erklärung einer wichtigen Diagnosehilfe, über die wir glaube ich noch nicht gesprochen haben: Die vier Temperamente

Man teilt die 16 Typen üblicherweise in vier Untergruppen ein, die Temperamente. Dabei sind Extraversion und Introversion irrelevant, es kommt auf bestimmte Kombinationen von zwei der restlichen drei Buchstaben an:

- SJ (ESFJ, ISFJ, ESTJ, ISTJ): Guardian Temperament oder auch Traditionalist Temperament: die Gruppe der vergangenheitsbezogenen Traditionalisten, Bewahrern, Loyalisten, Pflichterfüllern. Fokus auf Details, Konkretes, Sicherheit, Ordnung. Ca. 45% der Bevölkerung.

- SP (ESFP, ISFP, ESTP, ISTP): Artisan Temperament: die Gruppe der gegenwarts-, erlebnis- und körperbezogenen Handwerker, Künstler, Sportler usw: die physische Erfahrung steht im Mittelpunkt, ein besonderes Körpergeschick geht häufig mit einher. Ca. 25% der Bevölkerung.

- NF (ENFJ, INFJ, ENFP, INFP): Idealist Temperament: die Gruppe der menschen- und wertebezogenen Idealisten. Im Fokus stehen Gefühle, Wertvorstellungen, menschliches Miteinander, konkrete Hilfe aber auch abstraktes Reflektieren von Ungerechtigkeit. NFs sind zukunftsbezogen und leben in der Welt der Möglichkeiten und Veränderung zu ihrem persönlichen Ideal hin. Ca. 15% der Bevölkerung.

-NT (ENTJ, INTJ, ENTP, INTP): Rationalist Temperament: die Gruppe der theorie-, system- und technikbezogenen Rationalisten. Diese Gruppe zeichnet sich durch Affinität für Wissenschaft, Technik und rationales Verstehenwollen aus. Wie die NFs leben die NTs in einer Welt der Möglichkeiten und Optimierung. Ca. 5% der Bevölkerung (weit überdurchschnittlich hoher Anteil an Unis und im Ingenieursbereich).

Für das Typisieren von Menschen, die man nur oberflächlich kennt, ist es sehr hilfreich, diese vier Untergruppen zu kennen, weil man auf diese Weise erst einmal damit einsteigen kann, eine grobe Einteilung der Person in eine dieser Schubladen vorzunehmen.


Ich wage mich jetzt mal an provinzler, den ich zwar schon lange kenne, aber mir in vielem sehr unsicher bin, insofern ist das Ergebnis sicher nicht übermäßig ernst zu nehmen:

Ich weiß nicht, ob es überrascht, aber ich würde zuallererst SP und NT ausschließen. SP, weil jemand, der hunderte Seiten Geschäftsberichte wälzt und sich sehr reflektierte Gedanken darüber macht, was er wirklich braucht, kein Mensch ist, den man als gegenwartsbezogenen, erfahrungsorientierten Menschen bezeichnen würde. NT deshalb nicht, weil er, vor allem früher, viel zu emotional für das Rational Temperatment diskutiert hat. Selbst wenn bei einem ENTP wie Lumen gern mal das Blut der Inquisition in Strömen fließt und die Erregung darüber sicher ernst ist, liest man trotzdem immer die innere Distanz heraus, die für NTs typisch ist. Auch Leute wie mat-in, Darth oder ich drehen bei allen Meinungsverschiedenheiten Theorien und Fakten deutlich kälter und distanzierter durch die Mangel als provinzler, dem man die innere Beteiligung meines Erachtens stärker anmerkt (ist übrigens nichts Schlechtes, auch wenn es mich regelmäßig irritiert).
Auf diese Weise eliminieren wir schon die Hälfte der Typen, blieben noch SJs und NFs. Die SJ-Gruppe ist deshalb verlockend, weil provinzler sich mal als Paläolibertärer bezeichnet hat, also als jemand, der wirtschaftlich libertär denkt, gesellschaftlich aber traditionelle Wertvorstellungen bevorzugt. Allerdings muss man da vorsichtig sein, weil meines Erachtens hier Erziehung und Kindheitserfahrungen viel kaschieren können und ich weiß, dass provinzler eher in einer Ecke mit starker bayerischer Tradition aufgewachsen ist. Das muss also nicht zwingend alles am Persönlichkeitstyp liegen.
Die NF-Gruppe halte ich für am wahrscheinlichsten, weil eine typische Charaktereigenschaft aller NFs, nämlich die rigorose, häufig kompromisslose Verteidigung des inneren Wertecodex bei provinzler sehr deutlich zutage tritt. Die Wut über gesellschaftliche und vor allem staatliche Ungerechtigkeiten ist echt und anders als z.B. Darth, der im Familienkreis auch einiges an negativen Erfahrungen mit dem deutschen Staat gemacht hat, rationalisiert provinzler das nicht oder macht hauptsächlich technische Optimierungsvorschläge (eher mein Metier), sondern geht frontal auf die Ungerechtigkeit an sich los und rechnet penibel vor, warum Situation und System ungerecht sind. Ökonomie ist sicherlich seine große Stärke und sein großes Interesse, aber sein Lebensthema scheint mir ein anderes zu sein, die beachtliche ökonomische Expertise ist mehr das Vehikel dafür.
Nachdem ich mich jetzt für zwei Buchstaben entschieden habe, stellt sich die Frage nach Intro- und Extraversion. Ich gehe von Introversion aus, weil die tiefen Fachkenntnisse und die Schilderungen von gewissen negativen Erlebnissne bezüglich Gruppen in der Kindheit (da war neulich mal eine Bemerkung über Sozialpädagogen, die offenbar irgendwelche gruppenbildenden Sachen aufzwängen wollten), eher für jemanden sprechen, der gut für sich selbst sein kann.

Summa summarum tippe ich auf INFJ, obwohl das eine ziemlich steile These ist, weil es mit maximal einem Prozent der Bevölkerung der seltenste Typ überhaupt ist. Über die Einordnung in die NF-Gruppe habe ich schon geschrieben, die Introversion auch begründet. Der INFP fällt für mich aber weg, weil er eine völlig andere Ausrichtung hat, künstlerischer und sprachlicher veranlagt ist. INFJs sind sehr altruistisch veranlagt, und auch wenn das oberflächlich betrachtet mit provinzlers libertären Idealen nicht übereinstimmen mag, hat er sehr häufig erwähnt, wo und wie er geholfen hat, etwa durch Spenden oder persönliche Hilfe und ganz offensichlich aus starker intrinsischer Motivation heraus. INFJs gelten nicht als konfliktfreudig (das könnte ein Einwand gegen den Typus sein), allerdings fechten sie ihre Konflikte kompromisslos durch, wenn sie müssen, das passt das schon eher. Auch die Eloquenz, die man dem INFJ nachsagt, ist sicherlich ein Zusatzpunkt.

Ein ganz persönliches Argument ist, dass wir uns schon länger kennen und trotz unterschiedlicher Meinungen recht gut miteinander kommunizieren können. INTJs und INFJs sind beide Ni-dominant und das ist ein starkes verbindendes Element, über das in der MBTI-Welt auch viel geschrieben wird. Ich kenne genug SJs, mit denen ich gut klar komme, aber bei denen die Übersetzungsleistung, die ich sprachlich betreiben muss, immer höher ist. Von daher finde ich es naheliegend, auf einen verwandten Typ zu tippen.

Falls es doch ein SJ-Typ ist, würde ich auf ISTJ tippen, wegen der Detailfreude in den ökonomischen Fragen. Aber es würde mich, wie gesagt, stark überraschen, wenn kein NF hinter provinzler steckt.
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon provinzler » Mi 21. Aug 2013, 20:03

Nanna hat geschrieben:Ich wusste doch, dass hier noch was offen war.

Da hatte ich inzwischen ganz drauf vergessen. Danke für die ausführliche Analyse. War für mich sehr spannend zu lesen.


Nanna hat geschrieben: Ökonomie ist sicherlich seine große Stärke und sein großes Interesse, aber sein Lebensthema scheint mir ein anderes zu sein, die beachtliche ökonomische Expertise ist mehr das Vehikel dafür.

Ich würde das ein bisschen anders formulieren. Meine große Stärken sind Zahlen, und Ökonomie ist nur der Bereich wo ich diese Stärke am intensivsten kultiviert habe. Ich hab für Zahlen so ne Art sechsten Sinn, und hab manchmal regelrecht das Gefühl, dass mir Zahlen Dinge anvertrauen, die sie andren verschweigen, auch wenn das jetzt vielleicht verdammt esoterisch klingt. Andre Kinder haben mit Lego oder Puppen gespielt, ich mit Zahlen.

Nanna hat geschrieben:Ich gehe von Introversion aus, weil die tiefen Fachkenntnisse und die Schilderungen von gewissen negativen Erlebnissne bezüglich Gruppen in der Kindheit (da war neulich mal eine Bemerkung über Sozialpädagogen, die offenbar irgendwelche gruppenbildenden Sachen aufzwängen wollten), eher für jemanden sprechen, der gut für sich selbst sein kann.

Diese Frage ist für mich auch sehr spannend, denn was das Thema angeht bin ich regelrecht schizophren. Richtig ist, dass ich kleine übersichtliche Gruppen gegenüber großen chaotischen vorziehe. Ein gemütliches Bierchen mit zwei, drei Leuten ist mir lieber als eine Disko oder ein Club. Richtig ist auch, dass ich keinen Gruppenzwang mag. Das spricht für die Introvertiertheit.
Gibt allerdings auch einiges was dagegen spricht. Ich bin jemand der quasi wo er geht und steht völlig problemlos und auch gerne wildfremde Leute anspricht und mit ihnen ins Gespräch kommt (Ob im Zug, an der Bushaltestelle, an der Supermarktkasse, am Würstlstand oder wo auch immer). Ich lern andauernd irgendwelche interessanten Leute kennen mit denen dann in etlichen Fällen sogar längerfristige Kontakte (in einigen Fällen auch echte Freundschaften) entstehen.
Und der zweite Punkt. Wenn ich gut vorbereitet bin und/oder mich in einer Gruppe wohlfühle, mag ich es schon mal ganz gerne ne kleine Show abzuziehen. Die von meiner Mutter geplanten und ausgedachten, von meiner introvertierten zurückhaltenden Schwester musikalisch erarbeiteten (mir selbst ist Ausarbeiten und Einstudieren meistens zu mühsam) und untermalten Einlagen auf Familienfesten, genießen in der Verwandtschaft fast so eine Art Kultstatus. Da hab ich auch kein Problem meiner Tante mit Kniefall ihr Geburtstagsgeschenk zu überreichen. Das wären ja alles wohl eher extrovertierte Züge...

Nanna hat geschrieben: weil er eine völlig andere Ausrichtung hat, künstlerischer und sprachlicher veranlagt ist.

Das ist der nächste Punkt, den ich ganz interessant finde. So bescheinigst du mir zwar eine hohe Eloquenz (braucht man dafür keine Sprachbegabung?) und spreche doch immerhin bisher drei moderne Fremdsprachen (zwei fließend, eine eher holprig) und bin (wenigstens meinten das die diversen Chorleiter) auch durchaus musikalisch (ist das nicht künstlerisch?).
Ich kenne jedenfalls genug Leute, denen es wesentlich schwerer fällt Sprachen zu lernen als mir, und die das schwerpunktmäßig machen, nicht nur wie ich so ein bisschen nebenbei...
Das ging schon in der 10. Klasse mit einer völlig überforderten Deutschreferendarin los, die meinen Aufsatz mit roter Tinte wegen vermeintlicher Satzbaufehler übersäht hatte, weil sie sich in dem Gewirr meiner vielfach verschachtelten Nebensätze komplett verheddert hatte. (Die informelle Nachkorrektur reduzierte das Ganze dann doch deutlich :mg: ).

Bin wohl eine ziemlich vielschichtige und komplexe Persönlichkeit :mg: , die sicher nicht so leicht zu analysieren ist, und deswegen auch an Nanna nochmal ein klares :2thumbs: für die klare und gut strukturierte Analyse
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Re: Eine Frage der Persönlichkeit

Beitragvon Vollbreit » Mi 21. Aug 2013, 20:12

provinzler hat geschrieben:Meine große Stärken sind Zahlen, und Ökonomie ist nur der Bereich wo ich diese Stärke am intensivsten kultiviert habe.
Finde ich sehr interessant.
Hast Du mal Peter Plichta gelesen?
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